Protocol of the Session on July 8, 2015

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur weiteren Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf im öffentlichen Dienst in Bayern (Drs. 17/6577) - Zweite Lesung

hierzu:

Änderungsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Peter Meyer u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) (Drs. 17/6753)

und

Änderungsantrag der Abgeordneten Ingrid Heckner, Petra Guttenberger, Karl Freller u. a. (CSU) (Drs. 17/6760)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Die Gesamtredezeit beträgt gemäß der Vereinbarung 36 Minuten. Erste Rednerin ist Frau Heckner.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr verehrte Damen und Herren! "Fachkräftesicherung und Fachkräftegewinnung" ist zurzeit das große Schlagwort. Das gilt natürlich auch für uns als öffentlicher Arbeitgeber. Der sichere Arbeitsplatz ist im Wettbewerb mit finanzkräftigen Unternehmen sicherlich ein wichtiger Punkt. Aber um die besten Köpfe zu bekommen, müssen wir uns noch mehr einfallen lassen.

Mit dem Neuen Dienstrecht haben wir vor einigen Jahren bereits die Fortkommenschancen deutlich verbessert und auch familienpolitische Akzente gesetzt sowie die Familienfreundlichkeit erfolgreich ausgebaut. Dass dies zum Erfolg geführt hat, bestätigte uns gestern in der Ausschusssitzung ein Bericht des Landespersonalausschusses. Er hat uns gezeigt, dass sowohl die Zahl der Bewerber für die zweite und die dritte Qualifikationsebene als auch die Qualifikationen gleichbleibend hoch sind. Ich freue mich deshalb umso mehr, heute zum Gesetzentwurf der Staatsregierung zur weiteren Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf im öffentlichen Dienst in Bayern sprechen zu können; denn mit den im Gesetzentwurf enthaltenen Maßnahmen werden die Spitzenposition Bayerns im öffentlichen Dienst und auch die Vorbildfunktion des öffentli

chen Dienstes gegenüber der freien Wirtschaft weiter gestärkt.

Ich freue mich auch deshalb, weil wir unseren Beschäftigten damit einerseits weiterhin verlässliche Rahmenbedingungen bieten, andererseits durch die Ausweitung der individuellen Flexibilisierungsmöglichkeiten dafür sorgen, dass sie Arbeit und persönliche Bedürfnisse besser miteinander vereinbaren können.

Ferner freue ich mich ganz besonders, dass dieser Gesetzentwurf ein Instrument enthält, das die Karrierechancen insbesondere auch von Frauen weiter verbessert.

Nicht zuletzt freue ich mich deshalb über diesen Gesetzentwurf, weil er Ergebnis einer Initiative unseres Ministerpräsidenten ist, eine gemeinsame Arbeitsgruppe zu gründen, zusammen mit Vertreterinnen und Vertretern des Finanzministeriums und des Beamtenbundes. Es ist, so denke ich, vorbildlich für Gesetzgebung, dass man hier Betroffene bereits vor der Entstehung eines Gesetzes zur konstruktiven Zusammenarbeit aufruft.

Nun lassen Sie mich aber zu den Inhalten des Gesetzes kommen. Mit Blick auf die verlängerte Lebensarbeitszeit steigt das Interesse der Beamtinnen und Beamten, den Übergang in den Ruhestand fließend zu gestalten. Bereits im Vorfeld der parlamentarischen Beratungen haben wir unzählige Schreiben, Anrufe und auch in Veranstaltungen die Rückmeldungen bekommen, dass ein starker Wunsch besteht, Altersteilzeit und Blockmodell zu kombinieren. Damit können Beschäftigte früher aus dem aktiven Dienst aussteigen und nehmen durchaus entsprechende Abschläge in Kauf.

Durch die Kombination ist künftig ein Eintritt in die Freistellungsphase der Altersteilzeit bereits mit 62 Jahren und fünf Monaten möglich. Damit tragen wir den individuellen Lebensumständen Rechnung, was bei der privaten Nutzung, bei Ehrenämtern, aber auch in besonderen Situationen in der Familie hilfreich sein kann.

In dieselbe Richtung geht auch die weitere Flexibilisierung des Freistellungsjahres. Die bislang bestehende Regelung in Artikel 88 BayBG wird hierbei zu einer Soll-Regelung umgestaltet, und der Gesamtbewilligungszeitraum von sieben Jahren auf zehn Jahre verlängert. Damit erleichtern wir die Inanspruchnahme der Teilzeit mit unregelmäßiger Verteilung der Arbeitszeit und dehnen den Freistellungszeitraum aus. Bei einer Teilzeitquote von 50 % und vollem Ausschöpfen des Bewilligungszeitraums unmittelbar vor Erreichen der Altersgrenze für den gesetzlichen Ruhestand ist

es damit möglich, fünf Jahre früher aus dem aktiven Dienst auszuscheiden.

Durch den demografischen Wandel in unserer Gesellschaft und die zunehmende Zahl älterer Menschen auch innerhalb der eigenen Familie ist die familiäre Fürsorge für unsere Beamtinnen und Beamten eine große Herausforderung. Deshalb haben wir im vorliegenden Gesetzentwurf eine gesetzliche Regelung aus dem Arbeitnehmerbereich zum Pflegeunterstützungsgeld übernommen. Danach besteht für den Freistellungsanspruch von bis zu zehn Tagen zur Organisation der Pflege eines Angehörigen künftig auch für Beamte ein Anspruch auf Bezahlung. Damit nehmen wir den Betroffenen, die durch die akute Pflegesituation oft auch emotional belastet sind, wenigstens die finanziellen Sorgen einer kurzzeitigen Freistellung.

In die gleiche Richtung geht auch die beabsichtigte Änderung der bayerischen Vorschussrichtlinien. Künftig soll die Möglichkeit bestehen, bei unvorhergesehenen finanziellen Engpässen wegen der Verringerung der Arbeitszeit aufgrund der Pflege eines nahen Familienangehörigen einen unverzinslichen Gehaltsvorschuss zu erhalten.

Aber nicht nur monetär werden die Rahmenbedingungen für die Pflege verbessert. Der vorliegende Gesetzentwurf sieht die Zulassung einer weiteren familienpolitischen Beurlaubung zur Pflege von Angehörigen für die Dauer von insgesamt zwei weiteren Jahren auch dann vor, wenn die Höchstbeurlaubungsdauer von 15 Jahren bereits ausgeschöpft ist. Des Weiteren sollen Verzögerungen im beruflichen Fortkommen aufgrund von Pflegezeiten ausgeglichen werden. So werden künftig Pflegezeiten mit bis zu drei Jahren bei der Dienstzeit und damit gleichberechtigt mit Elternzeit und Beurlaubung zur Kinderbetreuung berücksichtigt. Auch Ausnahmen von den Beförderungsverboten sind dadurch möglich.

Nun komme ich aber zu dem größten Schritt in unserem Gesetzentwurf. Das ist die fiktive Laufbahnnachzeichnung. Nicht nur Pflegezeiten, sondern auch Elternzeit und familienpolitische Beurlaubungen werden damit laufbahnrechtlich besser berücksichtigt. Entsprechendes gilt übrigens auch für voll freigestellte Personalräte, Gleichstellungsbeauftragte oder Vertrauenspersonen schwerbehinderter Menschen.

Warum ist dies erforderlich? - Bislang mussten Beamtinnen und Beamte fürchten, durch die Inanspruchnahme einer Pflegezeit oder einer familienpolitischen Beurlaubung Nachteile im beruflichen Fortkommen zu erfahren. Aber genau das wollen wir nicht. Wir wollen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter optimieren und verhindern, dass sich Pflegezeiten oder

familienpolitische Beurlaubungen nachteilig auf den beruflichen Werdegang auswirken. Deshalb wird es künftig für diese Fälle eine fiktive Laufbahnnachzeichnung geben.

Das mag man sich so vorstellen: Ausgehend von der letzten periodischen Beurteilung wird die Laufbahn entsprechend der durchschnittlichen Entwicklung vergleichbarer Beamten und Beamtinnen fiktiv fortgeschrieben. Das heißt, Beamte mit guter letzter Beurteilung folgen im Rahmen der fiktiven Nachzeichnung der Entwicklung der vergleichbaren anderen guten Beamtinnen und Beamten und werden im Ergebnis wohl auch weiterhin eine gute Bewertung erhalten.

Das halten wir für absolut sachgerecht; denn wir sind der Ansicht, dass auch in der Zeit, in der jemand für Familientätigkeit beurlaubt war, zusätzliche Kompetenzen erworben wurden, die man im beruflichen Leben anerkennen sollte. Mit dieser neuen Regelung ist somit auch eine Beförderung während der Beurlaubung und der Elternzeit möglich. Damit fördern wir insbesondere Frauen und Männer, die für einige Zeit die für die Gesellschaft so wichtige Familienarbeit leisten. Diese müssen sich künftig nicht mehr die Frage stellen: Familie oder Karriere? Beides ist, sofern es der persönlichen Lebensplanung entspricht, künftig problemloser zu vereinbaren. Damit, meine Damen und Herren, setzen wir einen Meilenstein für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, wovon die Wirtschaft noch meilenweit entfernt ist.

Dann hat uns auch ein Gerichtsurteil zu einer Änderung im Gesetz bewogen, man kann auch sagen: gezwungen. Das ist die Neuregelung der Bemessung der Bezüge bei begrenzter Dienstfähigkeit. Menschen, die wegen begrenzter Dienstfähigkeit in Teilzeit sind, darf man nicht mit "normalen" Teilzeitbeschäftigten gleichstellen; denn immerhin sind sie das nicht freiwillig, sondern aufgrund einer Krankheit. Deshalb hat das Gericht entschieden, dass hier ein Zuschlag in Höhe von 50 % des Unterschiedsbetrags zwischen Teilzeit- und Vollzeitbezahlung zu gewähren ist.

Meine sehr verehrten, lieben Kolleginnen und Kollegen, ich bin der Ansicht, dass der Gesetzentwurf, der uns hier vorliegt, insgesamt ein sehr gutes Paket ist. Diesem Paket können wir, denke ich, alle miteinander gut zustimmen. Ich möchte mich auch bei den Kollegen der anderen Fraktionen in unserem Ausschuss ganz herzlich dafür bedanken, dass wir diesen Gesetzentwurf so konstruktiv diskutiert haben.

Lediglich die FREIEN WÄHLER haben ein vermeintliches Haar in der, wie ich finde, sehr gut schmeckenden Suppe entdeckt. Der Änderungsantrag der FREI

EN WÄHLER, den wir im Ausschuss abgelehnt haben, will den Anspruch auf einen Telearbeits- und einen Wohnraumarbeitsplatz gesetzlich verankern. Dies haben wir abgelehnt, und zwar nicht etwa, weil wir Telearbeit und Wohnraumarbeit nicht ausbauen möchten – ganz im Gegenteil. Wir sehen schlicht eine Vielzahl sachlicher Gründe, die gegen eine gesetzliche Regelung sprechen. Dies gilt unter anderem für den Aspekt der Geltung nur für Beamte und nicht für Angestellte. Das Beamtenrecht können wir aber nicht auf die Angestellten anwenden. Das gilt auch für das Beschneiden der Rechte der Personalvertretungen. Immerhin hat der Beamtenbund eine Musterdienstvereinbarung für örtliche Personalräte auf den Tisch gelegt, die hier auf die örtlichen Bedingungen eingehen kann. Bei einer gesetzlichen Regelung würden diese Dienstvereinbarungen nicht mehr möglich sein.

Bitte kommen Sie zum Ende, Frau Kollegin.

Nicht zuletzt möchte ich mich dafür bedanken, dass wir hier wieder einmal in guter, konstruktiver Zusammenarbeit mit unseren Kollegen und mit den Betroffenen ein deutliches Signal für unsere Beschäftigten gesetzt haben. Sie sind uns etwas wert, wir möchten -

Bitte kommen Sie doch zum Ende.

Ich komme zu Ende, ja. Danke für die Erinnerung.

Danke schön. Der Nächste ist der Kollege -

Ja, einen Satz darf ich doch wohl noch -

(Allgemeine Heiterkeit)

Nein, Sie haben Ihre Zeit schon eine Minute überschritten. Es tut mir leid.

Das waren 45 Sekunden.

Nein, es sind 56, 57 Sekunden. Es tut mir schon leid.

Ja, ja, ja. – Also, ich bin stolz darauf, dass wir als Staat ein so verlässlicher Arbeitgeber sind.

(Beifall bei der CSU)

Nächster Redner ist der Kollege Schuster.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist auch hier in Bayern, nicht zuletzt für den Freistaat selbst als Arbeitgeber, ein aktuelles und besonders wichtiges Thema. Es ist nicht damit getan, mit Modebegriffen wie "Work-Life-Balance" oder "Babypause" um sich zu werfen und den Eltern ein paar Hundert Euro Betreuungsgeld in die Hand zu drücken.

Den gestiegenen und weiter steigenden Anforderungen durch Kindererziehung und pflegebedürftige Angehörige muss ebenso Rechnung getragen werden wie familiären und gesellschaftlichen Entwicklungen. Durch die steigende Erwerbsbeteiligung von Frauen und eine Weiterentwicklung bestehender Rollenbilder sind traditionelle Familienkonstellationen nicht mehr selbstverständlich; sie sind nicht mehr in jeder Familie die gelebte Realität.

Diese Entwicklung soll nicht als Bedrohung für die bayerischen Familien, sondern als eine Chance für die Gesellschaft und die Arbeitgeber gesehen werden. Beim Ausbau des Angebots an Kindertagesstätten hat die SPD auf Bundesebene sehr viel bewegt. Wenn die gesteckten Ziele erreicht werden, haben junge Väter und Mütter die Chance, ihren Karriereweg zu verfolgen, ohne dass sich jemand aus dem Berufsleben zurückziehen muss.

Es wäre schön, wenn endlich auch hier in Bayern die Bedeutung erwerbstätiger Frauen erkannt und nicht die Förderung von Haushalten mit einem Verdiener durch das Betreuungsgeld als "fortschrittlich" deklariert würde.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FREI- EN WÄHLER)

Es sollte auch bei den regierenden Kollegen hier im Hohen Haus angekommen sein, dass immer mehr Paare auf zwei Gehälter angewiesen sind. Flexible Arbeitszeitmodelle und neue Formen der Erwerbstätigkeit sind hier der richtige Weg.

(Zuruf von der SPD: So ist es!)

In der Familienpolitik geht es aber nicht nur um junge Eltern. Der fließende Übergang in den Ruhestand, die Pflege von Angehörigen und die Konsequenzen von begrenzter Dienstfähigkeit sind Themen, die vor allem Beamtinnen und Beamte beschäftigen. Die einberufene Arbeitsgruppe – die Frau Kollegin hat ja angesprochen, wie sie sich zusammengesetzt hat – hat einige Problemfelder und einen großen Handlungsbedarf

richtig erkannt. Große Teile dieses Gesetzentwurfes sind zumindest als Schritt in die richtige Richtung zu sehen.

Die Betreuung von pflegebedürftigen Angehörigen wird mittlerweile für immer mehr Personen ein akutes Thema. Der finanzielle und zeitliche Aufwand trifft viele Menschen ganz plötzlich und ist nicht planbar. In diesem Sinne ist daher sehr zu begrüßen, dass die Möglichkeit geschaffen wird, sich nach Ausschöpfung der Höchstbeurlaubungsdauer von 15 Jahren noch für weitere zwei Jahre eine Beurlaubung zu Zwecken der Pflege genehmigen zu lassen. Die Pflege von Angehörigen trifft viele Leute plötzlich und darf nicht zweitrangig behandelt werden. Die Möglichkeit eines Gehaltsvorschusses bei der Pflege von Angehörigen ist ein weiteres Instrument, das an dieser Stelle für Entlastung sorgen kann.