Protocol of the Session on June 10, 2015

Wir sind auch besorgt, ob und wie Tierrechte korrekt und kompetent wahrgenommen werden. In diesem Gesetz werden deshalb auch Voraussetzungen für das Verbandsklagerecht von Tierschutzverbänden geschaffen. Wir fordern eine Verbandsmächtigkeit, das bedeutet, es muss ein Verband sein, der am besten bayernweit organisiert ist, eine Satzung muss den Tierschutz enthalten, er muss seit mindestens fünf Jahren nachhaltig diese Zwecke verfolgen. Er muss die Tierrechte und den Tierschutz tatsächlich in der Satzung haben und soll daraus abgeleitet eine entsprechende Klagebefugnis erhalten. Damit wird vermieden, dass anlassbezogene, zufällige Initiativen dieses Verbandsklagerecht wahrnehmen könnten, um dann eventuell sogar den Rechtsstaat mit rechtswidrigem Gedankengut zu belasten. All dies ist in unserem Gesetz ausgeschlossen. Das Feine daran ist aber, dass wir die Verbandsmächtigkeit, die Befugnis zur Verbandsklage, in einem Zulassungsverfahren regeln. Eine Anerkennung durch die Staatsregierung findet statt. Konsequenterweise ist auch für diejenigen, die sich möglicherweise nicht gerecht behandelt fühlen, der Rechtsweg zugänglich.

Es wird immer wieder angeführt, dadurch würden dem Rechtsmissbrauch und der Bürokratie Tür und Tor ge

öffnet. Nein, das ist nicht der Fall. In diesem Gesetz gibt es eine Klagebefugnis. Die Kosten sind nach wie vor so geregelt, dass sie die Tierschutzverbände selbst tragen müssen. Kolleginnen und Kollegen, es ist doch ganz klar, dass die Gerichte über die Rechtsmaterie entscheiden. In allen anderen Ländern - es sind bereits vier, die das Verbandsklagerecht eingeführt haben, darauf komme ich noch - ist die Rechtspflege mitnichten zusammengebrochen. Baumaßnahmen sind mitnichten gestört worden.

(Beifall bei der SPD)

Diese Panikmache, teilweise auch aus der Lobby der Landwirtschaft heraus, die behauptet, Stallbauverfahren könnten dadurch sabotiert werden, entbehrt jeglicher rechtlichen und vernünftigen Grundlage.

(Beifall bei der SPD)

In diesem Zusammenhang haben wir auch die Bürokratie im Auge. Wir wissen, dass der Rechtsweg häufig aus Unkenntnis beschritten wird. In diesem Gesetz ist deshalb auch statuiert, dass vorab die Öffentlichkeit zu unterrichten ist, wenn es um wichtige, tierschutzrelevante Vorhaben geht. Das gilt insbesondere auch für die Verbände. Das bedeutet, wenn man schon im Vorfeld auf Augenhöhe informiert wird, sind viele Fragen vielleicht gar nicht mehr so wichtig. Dann ist es möglicherweise nicht notwendig, Klage zu erheben. In einem sinnvollen demokratischen Klärungsverfahren fließen sie nämlich schon vorab ein. Die Belange des Tierschutzes, die Belange der Tiere werden dann umfänglich und zufriedenstellend berücksichtigt. Dieses Informationsrecht ist Bestandteil dieses Gesetzes. Deshalb heißt das Gesetz auch so.

Kolleginnen und Kollegen von der CSU, wenn Sie auf der einen Seite das Ehrenamt in den Verfassungsrang heben - das haben wir alle gemeinsam gewollt -, wenn Sie tagtäglich die Menschen loben, die sich im Ehrenamt engagieren, beispielsweise bei Veranstaltungen des Tierschutzhauses in Nürnberg - die CSUBundestagsabgeordnete Dagmar Wöhrl ist sogar Vorsitzende –, wenn Sie also einerseits dieses Engagement loben und preisen, dann können Sie auf der anderen Seite zu diesen Leuten nicht sagen: Das alles ist schön und gut, aber das genügt. Das ist eine Ungleichbehandlung; man könnte sogar von einer Diskriminierung sprechen. Wer das Ehrenamt ernst nimmt, wer das Engagement dieser Menschen ernst nimmt, wer ihre Anliegen wirklich ernst nimmt, der muss ihnen auch die Chance einräumen, tierschutzrelevante Gedanken auf dem Rechtsweg einzuklagen.

(Beifall bei der SPD)

Sie behandeln die Tierschutzverbände wie Bittsteller. Das ist nicht angemessen, wenn Sie das Ehrenamt ernst nehmen; denn in den Tierschutzverbänden engagieren sich die allermeisten ehrenamtlich. Wenn Sie unserem Gesetzentwurf zustimmen, dann sind die Tierschutzverbände nicht mehr nur Bittsteller, sondern sie sind dann Akteure im Rechtsstaat; sie sind dann tatsächlich frei und selbstverantwortlich. Mit all ihrem Engagement im Ehrenamt werden sie diese Rechte auch wahrnehmen. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Arnold. – Für die CSU-Fraktion hat sich Kollege Zellmeier gemeldet. Bitte sehr.

Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Tierschutz ist uns allen wichtig – das darf ich zu Beginn einmal feststellen. Zu Recht haben wir sehr früh, schon 1998, den Tierschutz in die Bayerische Verfassung aufgenommen – ich glaube, das war eine wegweisende Entscheidung –, vier Jahre bevor der Deutsche Bundestag im Nachgang den Tierschutz in das Grundgesetz aufgenommen hat. Tiere werden als Mitgeschöpfe definiert, und Mitgeschöpfe muss man achten und entsprechend behandeln. Das ist uns allen wichtig – das möchte ich betonen –, insbesondere den Kolleginnen und Kollegen der CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CSU)

In dem Gesetzentwurf der SPD-Fraktion sehen wir allerdings keinen Mehrwert für den Tierschutz. Er ist wie kalter Kaffee, ist ein alter Hut, kommt regelmäßig alle paar Jahre hier in diesem Hohen Haus

(Horst Arnold (SPD): Eben nicht!)

in der Hoffnung, dass wir irgendwann einmal den Sinn des Ganzen erkennen. Wir haben es bisher leider nicht geschafft, den Sinn des Ganzen zu erkennen.

Wir befürchten tatsächlich, dass in diesem Bundesland, das in der Landwirtschaft führend ist – die Landwirtschaft ist für Bayern ein ganz wichtiger Wirtschaftszweig, sie prägt unser – gesamtes Land –, Verzögerungen eintreten, dass Stallbauten verhindert oder behindert werden, dass Forschung behindert wird.

(Horst Arnold (SPD): Das behaupten Sie!)

Wir befürchten vor allem, dass Emotionen geweckt und geschürt werden, wenn nicht der konkrete Fall vor Ort von den Behörden betrachtet wird, die Gott sei

Dank gut arbeiten, sondern zum Teil weit entfernt lebende Funktionsträger von Verbänden die Entscheidung treffen, ob geklagt wird. Das wollen wir nicht. Wir wollen möglichst wenig Bürokratie und ein Land, wo die Menschen frei agieren können. Wir haben die Initiative "Moderner Staat" gestartet. Dem widerspricht es, wenn wir neue Möglichkeiten schaffen, um Verfahren zu verzögern.

Nun sagt der Kollege Arnold, dass das in anderen Bundesländern durchaus gemacht wird und dort keine Verzögerungen eintreten. Dann stellt sich natürlich die Frage: Entweder wird dann kaum geklagt, das heißt, dieses Recht wird kaum in Anspruch genommen, oder die dortigen Regelungen sind weitgehend wirkungslos. Wenn sie das sind, dann braucht man sie nicht. Das heißt, es gibt aus unserer Sicht keinen vernünftigen Grund, hier ein Verbandsklagerecht zuzulassen.

Im Übrigen sind Tierschutzangelegenheiten immer auch im Einzelfall zu betrachten – ich habe es vorher schon gesagt. Deshalb kann man das nicht mit dem Naturschutzrecht oder mit dem Verbraucherschutz vergleichen. Dort mögen Musterverfahren durchaus sinnvoll sein, dort kann man beim Planfeststellungsverfahren auch übergeordnete Gesichtspunkte einbringen. Im Tierschutz wird man, wie gesagt, immer die konkrete Situation betrachten müssen.

Ich habe volles Vertrauen zu den Behörden im Freistaat Bayern. Ich möchte an dieser Stelle den Beamtinnen und Beamten und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Behörden Danke sagen für die gute Arbeit, die sie auch im Sinne des Tierschutzes tun. Ich halte es sogar für eine Misstrauenserklärung gegenüber unseren Behörden, wenn man hier ein Verbandsklagerecht in Erwägung zieht.

Daher werden wir diesen Gesetzentwurf wie auch in der Vergangenheit ablehnen. Ich bitte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch von den anderen Fraktionen, dieser Regelung, die keiner braucht, nicht zuzustimmen. Ich hoffe, dass wir dafür breiten Rückhalt finden.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege. – Für die FREIEN WÄHLER: Kollege Streibl. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist ein altbekanntes Thema. Seit wir uns als Fraktion in diesem Haus befinden, sind wir immer wieder damit konfrontiert. Unsere Haltung dazu ist bekannt: Auch wir lehnen ein Verbandsklagerecht für den Tierschutz ab.

Ich möchte aber auch sagen: Ich denke, dass ein Verbandsklagerecht eigentlich zu kurz springt. Das Tierwohl liegt uns allen sehr am Herzen. Unsere Gesellschaft und wir alle sind sehr sensibel dafür, wie wir mit den Tieren umgehen und wie es den Tieren geht. Uns ist bewusst: Die Tiere sind Mitgeschöpfe. Wir haben eine Verantwortung für sie; diese müssen wir wahrnehmen. Zum einen wird sie natürlich vom Gesetzgeber wahrgenommen. Es gibt eine Fülle von Gesetzen für den Tierschutz, die auch greifen, bis hin zum Grundgesetz.

Darüber hinaus müssen wir auch sagen: Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und Sichtweise. Dass Tiere in Massen unter unwürdigsten Umständen gehalten werden, liegt nicht nur daran, dass es Unternehmen gibt, die das Ganze missbrauchen, sondern das liegt auch daran, wie wir als Verbraucher mit den Tieren umgehen, was und wie wir konsumieren. Das müssen wir uns alle selber bewusst machen. Im Hinblick darauf kann man viele verstehen, die eine vegane Lebensweise vorziehen. Dafür gebührt ihnen ein gewisser Respekt. Meine Lebensweise ist das nicht, aber hier klingt durch, was der Elsässer Theologe Albert Schweitzer einmal in seiner Ethik der Ehrfurcht vor dem Leben gesagt hat: Den Wurm, der auf der Straße verschmachtet, nimmt man auf und setzt ihn ins Gras. – Eine solche Haltung ist das Resultat, wenn man das gänzlich ernst nimmt. Hieran sollte man sich immer wieder ein Stück weit messen. Das kann man nicht allein durch ein Verbandsklagerecht erreichen,

(Horst Arnold (SPD): Aber auch!)

sondern man muss in der Gesellschaft ein Bewusstsein dafür schaffen, wie man mit den Mitgeschöpfen umgeht. Im Grunde muss das die Aufgabe der Politik sein; denn was ist bei einem Verbandsklagerecht letztlich die Konsequenz? – Konsequenz ist die, wie es in der Anwaltschaft heißt: Wenn sich zwei Anwälte treffen und der eine den anderen fragt, "Wie geht es dir?", dann sagt der andere, "Danke, ich kann klagen." – Dahin gehend müssen wir das Ganze nicht fortführen, sondern wir müssen schauen, dass wir eine Sensibilität schaffen.

Meine Damen und Herren, ich denke, es gibt hier viele Stellschrauben. Es gibt aber auch ein großes Bewusstsein dafür, auch in unseren Behörden, hier genau hinzuschauen. Wir müssen das Vertrauen haben, dass das Wohl des Tieres gesehen wird.

Man darf das Wohl des Tieres aber nicht nur bei der kommerziellen Tierhaltung suchen, sondern man muss das Tierwohl auch im Auge haben, wenn es um unsere Haustiere geht. Auch im häuslichen Bereich

muss darauf geachtet werden, wie der Einzelne mit seinen Tieren umgeht. Da gibt es sicher nicht artgerechte Haltung. Man muss ein Bewusstsein dafür schaffen, dass man mit den Tieren artgerecht und vernünftig umgeht. Sensibilität zu schaffen wäre im Grunde eher die Bitte und der Auftrag an den Gesetzgeber; das wäre besser, als sich mit einem Verbandsklagerecht letztlich aus der Verantwortung zu stehlen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Vielen Dank, Herr Kollege Streibl. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Frau Kollegin Steinberger. Bitte sehr.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute nicht über Haustiere, auch nicht über Regenwürmer und Veganer. Wir sprechen über das Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände.

(Beifall bei den GRÜNEN)

In den letzten Wochen stand der Tierschutz wieder einmal im Fokus der Öffentlichkeit, und wir werden auch heute noch darüber zu sprechen haben. Ich spreche hier von Missständen in einem Legehennenbetrieb in Niederbayern. In diesem Betrieb sind eine halbe Million Hennen in Käfighaltung untergebracht. Sie, Herr Kollege Zellmeier, meinen, dass hier die Aufsichtsbehörden korrekt gehandelt haben, und bedanken sich dafür auch noch. Ich glaube nicht, dass heute dafür der richtige Tag ist; denn ich habe meine Zweifel, dass die Aufsichtsbehörden wirklich alles getan haben, was in ihrer Macht gestanden hat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben im Fernsehen schockierende Filmaufnahmen gesehen, die niemand von uns sehen will. Aber wir sehen sie normalerweise auch nicht. Umso wichtiger ist es, dass die Zivilgesellschaft genauer hinschaut, und zur Zivilgesellschaft gehören die Tierschutzverbände. Viele Millionen Menschen in diesem Land – das ist das hochgelobte Ehrenamt – sind hier engagiert. Diesen Leuten wollen wir auch Mitwirkungsmöglichkeiten in den Vereinen geben und das Recht zur Klage bei den Verwaltungsgerichten einräumen.

In anderen Bundesländern hat es keine Verzögerungen bei Stallbauten gegeben. Vielleicht liegt das gerade daran, dass die Einwände der Tierschutzverbände berücksichtigt und in das Verfahren eingearbeitet worden sind. Das heißt nicht, dass wir ein Verbandsklagerecht brauchen, um Stallbauten zu verzögern, sondern damit sie tierschutzgerecht ausgeführt werden.

Ein solches Schutzrecht gestehen wir der Natur zu. Aber den Tieren, die wie wir Schmerzen und Leid spüren, wollen wir dieses Recht nicht zugestehen? Das kann doch gar nicht sein, liebe Kolleginnen und Kollegen. Hier muss eine Gleichbehandlung her. Das sieht auch der Verband der ostbayerischen Tierschutzverbände so und hat gemeinsam mit dem Tierschutzverein Regensburg den Gang nach Karlsruhe angetreten – Sie wissen das vielleicht –, nachdem sich im Freistaat offensichtlich, wie auch heute, nichts bewegt. Sie haben das Bundesverfassungsgericht gebeten, den anerkannten Tierschutzvereinen durch höchstrichterlichen Beschluss das Verbandsklagerecht einzuräumen.

Das Hauptargument lautet: Nach Artikel 20 a des Grundgesetzes sind die natürlichen Lebensgrundlagen, also die Natur, gesetzlich geschützt. Auch die Tiere sind durch die drei Worte "und die Tiere" geschützt. Jetzt ist nicht ganz einzusehen, dass es hier keine Gleichbehandlung gibt und den Tierschutzverbänden nicht die gleichen Rechte eingeräumt werden wie den Naturschutzverbänden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben inzwischen ausreichend Erfahrung im Umgang mit dem Verbandsklagerecht bei Naturschutzverbänden. Aus dieser Erfahrung können wir lernen. Es hat keine Klagewelle gegeben, wie man damals befürchtet hat. Dieses Instrument wird im Gegenteil nur dort angewandt, wo eine Aussicht auf Erfolg besteht und wo es eindeutige Fehlurteile von Behörden gegeben hat. Dass es auch bei unseren Behörden Fehlurteile geben kann, können Sie schließlich nicht von der Hand weisen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir sehen an dem Beispiel, dass die Verbände mit ihren Klagemöglichkeiten sorgsam und mit Bedacht umgehen. Das werden unsere Tierschutzverbände mit Sicherheit auch tun. Wir wollen, dass Verwaltungshandeln im Tierschutz transparent gemacht wird und sich anerkannte Tierschutzorganisationen als Anwälte der Tiere einbringen können. Wo Behörden Fehler machen und wo Rechte der Tiere missachtet werden können, muss auch jemand die Rechte der Tiere einklagen können.

Wir können natürlich darauf warten, dass uns das Verfassungsgericht zu diesem Schritt zwingt. Besser wäre es allerdings, jetzt gleich Ja zu sagen. Wir werben deshalb für die Annahme dieses Gesetzentwurfes.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin Steinberger. – Für die Staatsregierung spricht nun Frau Staatsministerin Scharf. Bitte sehr.