Herr Kollege Felbinger, wir haben seit nunmehr zehn Jahren ein grundständiges achtjähriges Gymnasium, das wir in dieser Zeit
(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): zugrunde gerichtet haben, Herr Kollege! – Prof. Dr. Gerhard Waschler (CSU): So ein Blödsinn!)
- Herr Kollege, Sie sollten sich in der Bildungspolitik auskennen und sich einmal nationale und internationale Studien ansehen. Sie sollten sich auch ansehen, wie sich die zahlreichen Übertritte entwickelt haben und welche Anerkennung die bayerischen Abiturientinnen und Abiturienten auch im Ausland genießen. Ich muss sagen, dass Ihre diesbezüglichen Äußerungen wirklich unqualifiziert sind.
Herr Kollege Felbinger, wir haben immer wieder versucht, das Gymnasium weiter zu optimieren. Zur individuellen Förderung gehört auch, den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit zu geben, eine individuelle Lernzeit zu beanspruchen.
Als wir das Flexi-Jahr eingeführt haben, das nicht von sonderlich vielen Schülerinnen und Schülern akzeptiert wurde, haben Sie gesagt: Das ist ja völlig unmöglich. Das reicht überhaupt nicht. Das ist schlecht. - Jetzt haben wir ein Modell, das zumindest an den Modellschulen rund 60 % der Schülerinnen und Schüler beanspruchen. Jetzt sagen Sie wiederum: Das sind viel zu viele. - Ich bin der Meinung, wir sollten denjenigen Schülerinnen und Schülern mehr Lernzeit einräumen, die sie aus pädagogischen Gründen brauchen. Deswegen gibt es die Mittelstufe plus.
Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat nun Herr Staatsminister Dr. Ludwig Spaenle das Wort. Bitte schön, Herr Staatsminister.
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe schon oft erlebt, dass tote Pferde geritten wurden. Dass aber tote Pferde zum Abdecker gebracht werden, ist schon wirklich etwas Neues. Was wir heute an bildungspolitischen Vorlagen erleben, ist wirklich auf den bildungspolitischen Müllhaufen abzulegen.
Wir haben uns in einer sehr intensiven Phase der Analyse und der Diskussion auf einen Punkt verständigt: Das bayerische Gymnasium wird von fast 40 % der Schülerinnen und Schüler eines Jahrgangs als weiterführende Schulart gewählt. Dass inzwischen eine so heterogene Schülerschaft wie noch nie das bayerische Gymnasium besucht, ist eine große Herausforderung. Viele dieser jungen Menschen kommen aus Familien ohne gymnasiale Erfahrungen. Viele dieser jungen Menschen kommen aus Familien mit einem Zuwanderungshintergrund. Aus diesen Familien dürften noch mehr Schülerinnen und Schüler das Gymnasium wählen.
Wir sind uns einig, dass das bayerische Gymnasium auf diese Situation reagieren muss. Wir haben nicht nur in diesem Hohen Hause, sondern auch in den Dialogforen mit allen beteiligten Gruppen der gymnasialen Schulfamilie gesprochen. Wir haben dabei nicht nur einen ganzheitlichen Ansatz und eine Komponente, die sich populär oder populistisch darstellen lässt,
in den Mittelpunkt der Weiterentwicklung gerückt. Vielmehr ist es notwendig, erstens die Frage in den Blick zu nehmen, was am bayerischen Gymnasium gelehrt wird. Der LehrplanPLUS ist die größte Unternehmung zur Schaffung einer neuen Lehrplangeneration, beginnend an den bayerischen Grundschulen, die es im Freistaat Bayern je gab. Wenn diese vierten Klassen ihren Übertritt vollziehen, wird an allen bayerischen weiterführenden allgemeinbildenden Schulen – Mittelschule, Realschule, Gymnasium, Wirtschaftsschule – ein neuer Lehrplan zur Verfügung stehen. Diese Phase nutzen wir, um den Herausforderungen, die mit dem Gymnasium und der starken Nachfrage nach gymnasialer Bildung zu tun haben, zu begegnen.
Wir müssen zweitens natürlich auch die gymnasiale Pädagogik – auch hier waren wir uns einig – zeitgemäß fortentwickeln. Das Kultusministerium und das ISB haben mittlerweile einen neuen Leitfaden, einen äußerst umfangreichen Maßnahmenkatalog, zur Weiterentwicklung der Gymnasialpädagogik, vorgelegt, der in diese Gesamtstrategie eingebettet ist. Über 100 Schulen haben sich an der Entwicklung für einen Unterricht auf der Höhe der Zeit an bayerischen Gymnasien beteiligt. Damit stehen ganz konkrete pädagogische Empfehlungen und Methoden zur Weiterentwicklung der Pädagogik an den bayerischen Gymnasien zur Verfügung.
Viertens gilt als Grundprinzip der bayerischen Bildungspolitik, in einem differenzierten Bildungswesen mit organisierter Durchlässigkeit den jungen Menschen, die sich unterschiedlich entwickeln, durch die Schule selbst unterschiedlich viel Lernzeit anzubieten.
Dieses Grundelement der bayerischen Bildungspolitik ist jetzt in der Frage, wie wir das auch an den Gymnasien anbieten können, in der Erprobung. Das ist das strategisch ganzheitliche Vorgehen der Landtagsfraktion der CSU und der Bayerischen Staatsregierung. Wir tun das zusammen mit der gymnasialen Schulfamilie.
Deswegen werden ab dem kommenden Schuljahr 47 Schulen dieses Modell der individuellen Lernzeit je nach pädagogischem Bedarf, den zu ermitteln Aufgabe in der ersten Stufe der Pilotphase war, in die Praxis umsetzen.
Wir haben eine hohe Gestaltungsfreiheit bei der Stundentafel. Wir werden die Frage, wie sich das konkret abbilden lässt, über die gesamte Schulfamilie – kleine Standorte, große ländliche Standorte, verdichtete Bal
lungsräume, vielleicht auch Schulen, die einen Zugang zum klassischen humanistischen Gymnasium haben, große Schulen mit vielen Zweigen - zu beantworten haben. Dies werden wir mit den Verantwortlichen tun. Deshalb sind solche Debatten wie die heutige zwar nützlich, aber in der Sache letztlich nicht sehr hilfreich.
Wir wollen gemeinsam mit den Schulen Modelle entwickeln, die wir für alle Gymnasien in Bayern zur Verfügung stellen können, um der Herausforderung gerecht zu werden, dass so viele junge Menschen wie noch nie zuvor aus ganz unterschiedlichen familiären und sozialen Situationen das bayerische Gymnasium besuchen können und dabei Erfolg haben.
Ich kann nicht verstehen, warum die Gemeinsamkeiten, die wir in diesem Dialogprozess entwickelt haben, die wir als die in der Exekutive Verantwortung Tragende zu einem Modell zusammengeführt haben, jetzt kritisiert werden. Die individuelle Lernzeit für Schüler mit pädagogischem Bedarf wird kritisiert, obwohl in der Mittelstufe derselbe Stoff wie in der Regelform mit einem zusätzlichen Jahr bewältigt werden kann. Ich finde, es ist eher positiv, wenn man von gemeinsamen Analyseergebnissen und Erkenntnissen zu Forderungen und entsprechenden bildungspolitischen Maßnahmen kommt.
Was die Kollegen von den GRÜNEN anbieten, kann man zwar machen, aber es ist schlicht und einfach KMK-widrig. Das haben wir hier auch diskutiert.
Die starren Konzepte, die der Gesetzentwurf der SPD vorsieht, mit der Formel, die vielleicht erst später verstanden worden ist, nämlich "G 9 für alle", sind aus meiner Sicht genauso überholt wie die Aussagen zu G 8 und damit bildungspolitische Geschichte.
Insofern sollten wir uns jetzt dem zuwenden, was wir gemeinsam auf den Weg gebracht haben, nämlich die Erprobung der individuellen Lernzeit am bayerischen Gymnasium nach einem pädagogischen Konzept und mit einem Stoffumfang von acht Jahren durch diese 47 Schulen. Wenn dies geschehen ist, sollen die Schulen das, was die Eltern zu Recht vom bayerischen Gymnasium erwarten, nämlich eine hervorragende Vorbereitung auf ein mögliches Hochschulstudium und den Erwerb der Hochschulreife als guten Start in ein weiteres Ausbildungs- und Berufsleben, weiter fortentwickeln können.
Herr Minister, Sie haben Ihr Konzept gerade in den höchsten Tönen gelobt. Wir unterstützen das mit dieser individuellen Lernzeit natürlich, den Schülern die Möglichkeit zu geben, sich für acht oder neun Jahre Schulzeit bis zum Abitur zu entscheiden. Ich frage Sie, warum Sie so zögerlich an die Umsetzung herangehen. Warum lassen Sie die 24 Schulen, die noch in diese Pilotphase hineinwollten, nicht hinein, und warum haben Sie diese im Vorfeld so stark gebremst mit der Aussage, es seien hier ja nur 20 bis 25 % zu erwarten, das seien eher die Langsamen, die Mehrheit werde es wohl nicht wollen?
Wie wahr ist die Aussage, die immer wieder durchgesickert ist, es bräuchte sich keiner einzubilden, dass nach Abschluss der Pilotphase jedes Gymnasium diese Möglichkeit bekommt? Warum also sind Sie so passiv eingestellt? Lassen Sie doch dieses Erfolgsmodell zu!
Erstens kann Schwachsinn nicht durchsickern. Wenn die Erfahrungen aus diesem Grundmodell nach der Pilotphase ergeben, dass es tragfähig ist, werden alle bayerischen Gymnasien, kommunale, private und staatliche, von einem dann festzustellenden Modell Gebrauch machen können. Das ist eine klare Aussage.
Zweitens haben wir Kriterien entwickelt, um die Schullandschaft Bayerns möglichst passgenau abzubilden. Das ist mit den 47 Schulen erfolgt. Es gibt eine Begründung für jede dieser Schulen, die sich beworben haben. Sie waren ganz unterschiedlich, und diese 47 sind dann zum Zug gekommen. Wir wollen diese Pilotphase so anlegen, dass wir auf die vielgestaltige Schullandschaft Bayerns Rücksicht nehmen können und die Ergebnisse tragfähig sind. Eine große Schule am Standort München hat sicherlich andere Rahmenbedingungen als ein Gymnasium im Landkreis Regen. Darum geht es in der Frage der Feststellung, welche Schulen die Schullandkarte für diesen Bereich ergänzen. Insofern möchte ich gemeinsam mit den Schulen Erfahrungen sammeln und daraus die Konsequenzen ziehen.
Ich habe selbst an der Einführung des achtjährigen Gymnasiums mitgewirkt, was suboptimal war; das sage ich ganz offen. Ich trage dafür Verantwortung. Jetzt will ich es anders machen.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Dazu werden die Tagesordnungspunkte wieder getrennt.
Ich lasse zunächst über den Tagesordnungspunkt 3 abstimmen. Der Abstimmung liegt der Initiativgesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 17/2447 zugrunde. Der federführende Ausschuss für Bildung und Kultus empfiehlt die Ablehnung des Gesetzentwurfs. Wer dagegen dem Gesetzentwurf zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die SPD-Fraktion. Die Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. - CSU-Fraktion und die Fraktion der FREIEN WÄHLER. Gibt es Enthaltungen? – Eine bei der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist dieser Gesetzentwurf abgelehnt.
Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 2. Hierzu ist namentliche Abstimmung beantragt. Der Abstimmung liegt der Initiativgesetzentwurf der SPD-Fraktion auf Drucksache 17/2361 zugrunde. Der federführende Ausschuss für Bildung und Kultus empfiehlt auch hier die Ablehnung. Wir beginnen jetzt mit der namentlichen Abstimmung. Die Urnen stehen bereit. Fünf Minuten!
Meine Damen und Herren, ich schließe die Abstimmung. Ich bitte, das Ergebnis außerhalb des Plenarsaals zu ermitteln.
Gesetzentwurf der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Susann Biedefeld, Herbert Woerlein u. a. und Fraktion (SPD) zur Einführung des Verbandsklagerechts für Tierschutzverbände und über Mitwirkungs und Informationsrechte von Tierschutzverbänden (Bayerisches Tierschutzverbandsklage und Tierschutzmitwirkungs und informationsrechtegesetz BayTierSchVbklMIG) (Drs. 17/4480) Zweite Lesung
Ich weise noch einmal darauf hin, dass die SPD-Fraktion zu diesem Tagesordnungspunkt namentliche Abstimmung beantragt hat. Die Gesamtredezeit der
Fraktionen beträgt entsprechend der Vereinbarung im Ältestenrat insgesamt 24 Minuten. Die Verteilung ist bekannt. Erster Redner ist Herr Kollege Arnold. Ich bitte, jetzt Platz zu nehmen oder die Diskussionen draußen zu führen. - Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Tierschutz hat seit 1998 im Freistaat Bayern Verfassungsrang. Er hat Verfassungsrang in einem Rechtsstaat, der sich dadurch auszeichnet, dass Exekutive, Legislative und Judikative einander kontrollieren. Somit wird ein gutes System des Vertrauens geschaffen. In Bayern, verehrte Kolleginnen und Kollegen, findet Judikative im Tierschutz aber nicht statt.
Mit diesem Gesetz wird erstmals für den Tierschutz Augenhöhe hergestellt mit den Klagerechten der Naturschutzverbände und Verbraucherschutzverbände, die schon lange bestehen. In diesem Zusammenhang ist es bitter notwendig, dass die Tierschutzverbände Klagemöglichkeit erhalten.
Zwar sind Tierrechte im Gesetz normiert und werden in Verwaltungsverfahren berücksichtigt, in diesem Zusammenhang kann aber kein Verband Tierschutzbelange wahrnehmen. Ein Lobbyismus, ein Anwalt für die Tierrechte sind somit nicht gegeben. Dies ist genau der Punkt, der uns in diesem Zusammenhang umtreibt.
Wir sind auch besorgt, ob und wie Tierrechte korrekt und kompetent wahrgenommen werden. In diesem Gesetz werden deshalb auch Voraussetzungen für das Verbandsklagerecht von Tierschutzverbänden geschaffen. Wir fordern eine Verbandsmächtigkeit, das bedeutet, es muss ein Verband sein, der am besten bayernweit organisiert ist, eine Satzung muss den Tierschutz enthalten, er muss seit mindestens fünf Jahren nachhaltig diese Zwecke verfolgen. Er muss die Tierrechte und den Tierschutz tatsächlich in der Satzung haben und soll daraus abgeleitet eine entsprechende Klagebefugnis erhalten. Damit wird vermieden, dass anlassbezogene, zufällige Initiativen dieses Verbandsklagerecht wahrnehmen könnten, um dann eventuell sogar den Rechtsstaat mit rechtswidrigem Gedankengut zu belasten. All dies ist in unserem Gesetz ausgeschlossen. Das Feine daran ist aber, dass wir die Verbandsmächtigkeit, die Befugnis zur Verbandsklage, in einem Zulassungsverfahren regeln. Eine Anerkennung durch die Staatsregierung findet statt. Konsequenterweise ist auch für diejenigen, die sich möglicherweise nicht gerecht behandelt fühlen, der Rechtsweg zugänglich.