Ich wundere mich schon, Frau Schreyer-Stäblein, und es ist ein echtes Stirnrunzeln über diese angeblich Aktuelle Stunde: Nach über 120 Tagen Einführung des Mindestlohns hier in Bayern kommen Sie und führen sich auf wie die Opposition und torpedieren ein Gesetz, das Sie selbst mit erarbeitet haben.
Liebe Frau Müller, in dem Mindestlohngesetz steht auch alles über die Umsetzung, ebenso im Arbeitszeitgesetz, das Bayern obliegt.
Beim Mindestlohngesetz war Frau Müller aber dabei, und ich kann Ihnen sagen: null Wortmeldung aus Bayern im Herbst. Merkwürdig! Sie beschließen etwas. Sie erarbeiten etwas in Berlin, und null Komma null Meldung bei der Erarbeitung. Dann kommen Sie 120 Tage später und sagen: Oh, alles ganz schlimm. – Wo geht es dann da lang?
Sie sagen, wir würden den Unternehmen misstrauen. Im Gegenteil: Der Mindestlohn bezieht sich auf die Bezahlung pro Stunde und deswegen nicht nur auf die Lohnhöhe, sondern maßgeblich eben auch auf die Arbeitszeit. Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, dass die nicht korrekte Erfassung der Arbeitszeiten eine gängige Praxis der Umgehung von Mindestlöhnen sein kann. Von der Aufzeichnungspflicht, Frau Schreyer-Stäblein, profitieren deshalb nicht nur die Beschäftigten, sondern auch die ehrlichen Unternehmen, die den Mindestlohn bezahlen.
Seien wir doch einmal ehrlich: Vielfach leisten Beschäftigte regelmäßig Überstunden, die nicht vergütet werden, und mit dieser Aufzeichnungspflicht schieben wir dem einen Riegel vor. Was muss denn aufgezeichnet werden, Frau Schreyer-Stäblein? Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit. Die konkrete Dauer und Lage der jeweiligen Pausen ist hingegen nicht aufzeichnungspflichtig. Sie sagen, das kontrolliert niemand. Gewerbeaufsicht – schon einmal davon gehört? Bayerisch. Dass Sie hier Beamte von Bayern beschimpfen – den Zoll etc. –, finde ich unterirdisch.
Ich sage Ihnen noch etwas. Ein angebliches Bürokratiemonster – es gibt einen wunderbaren Brief der Handwerkskammer, und in dem Schreiben des Vizepräsidenten des Deutschen Handwerkskammertages Klaus Feuler an Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel heißt es, wer seine Beschäftigten ehrlich bezahlen und nicht bewusst um Lohn prellen wolle, müsse ohnehin die Arbeitszeit erfassen.
Ich kann Ihnen noch eine kleine Anekdote schildern. In den Ausschussempfehlungen im Bundesrat wurde gegen die Regelungen zur Dokumentation und Kontrolle der Arbeitszeiten kein Einspruch oder Verbesserungsbedarf gemeldet. Die Vorsitzende des beteiligten Wirtschaftsausschusses war wer? Frau Ilse Aigner; keine Einwendungen. Haben wir noch Fragen?
Ich sage Ihnen ehrlich: Bei einer Aktuellen Stunde 120 Tage nach der Einführung des Mindestlohns muss ich wirklich fragen: Aus welchem politischen Loch pfeifen Sie denn eigentlich?
Danke schön. – Ich fahre in den Wortmeldungen fort. Für die Fraktion der FREIEN WÄHLER spricht Herr Glauber. Bitte schön, Herr Kollege.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CSU macht heute das Mindestlohngesetz zum Thema der Aktuellen Stunde. Das ist, Frau Schreyer-Stäblein, eine Steilvorlage. Sie haben Ihre Rede mit der Firma Siemens und 8,50 Euro begonnen. Da würde ich als Firma Siemens die CSU und Sie ganz persönlich anschreiben; denn das ist Rufschädigung. Es ist Rufschädigung, die Firma Siemens mit 8,50 Euro zu verbinden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU und der SPD, gerade wurde die Schaffung eines Bürokratiemonsters angesprochen. Sie haben zwei Bürokratiemonster geschaffen. Der Bayerische Ministerpräsident fährt zu den Koalitionsverhandlungen und tauscht dort die Maut gegen den Mindestlohn. Die Verlierer sind die Bürger Bayerns, denn Sie haben es geschafft, dass wir in Zukunft eine Straßenbenutzungsgebühr, die Sie als CSU zu verantworten haben, für alle Bundesbürger erwarten können.
Im Gegenzug akzeptieren Sie einen Mindestlohn, und ich lese Ihnen vor, was Sie zu verantworten haben: Dokumentationspflichten für Minijobs: Wer hat sie zu verantworten? - Die CSU – Absenkung der Aufzeichnungspflicht bis 2.958 Euro. Wer hat sie zu verantworten? - Die CSU.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich muss Ihnen sagen, im Bereich des Amateursports, im Bereich des Ehrenamtes haben Sie mit dieser Regelung Bayern, dem Ehrenamt und allen Bürgerinnen und Bürgern einen Bärendienst erwiesen. Sie stellen sich hier hin und sagen in der Aktuellen Stunde, dass das Thema geregelt werden muss. Wer regiert denn in Berlin? Wer regiert denn in Bayern?
(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Zurufe der Abgeordneten Hubert Aiwanger (FREIE WÄH- LER) und Markus Rinderspacher (SPD))
Ich muss mich schon fragen: Im Wirtschaftsausschuss erzählt der Herr Kollege Schwartz, dass wir vollkommen recht haben, aber Sie als CSU schaffen es, jeden Antrag zur Änderung dieser Bürokratie beim Mindestlohn abzulehnen.
Mit welcher Glaubwürdigkeit reden Sie denn noch? – Ich frage mich immer, ob Sie Ihre Sonntagsreden schon vergessen haben, wenn Sie im Zug nach Hause sitzen. Ich frage mich immer, ob der Bayerische Ministerpräsident in Berlin ab und zu ein Bier mit Horst Seehofer trinkt. Es ist gar nicht mehr anders möglich; denn wissen der Ministerpräsident und der Horst Seehofer, was sie beide tun? - Ich frage mich das jeden Tag.
Ich sage Ihnen: Sie werden mit dem Thema nicht vorankommen, und den Populismus, den Sie in diesem Hause heute mit dieser Aktuellen Stunde veranstalten, glaubt Ihnen im Unternehmertum niemand mehr. Sie schädigen mit diesen Dokumentationspflichten das ehrliche Handwerk, den ehrlichen Unternehmer. Was ist denn ein Arbeitsvertrag noch wert? - Mit dieser Bürokratie, mit diesen ausufernden Dokumentationspflichten haben Sie als CSU dem Handwerk, dem Mittelstand, dem Unternehmertum einen Bärendienst erwiesen.
Die Sozialministerin – sie sitzt heute in der Debatte hier – führt auf der Internetseite des Sozialministeriums am 9. April 2015 in einer großen Liste auf, was sie fordert: Streichung der Dokumentationspflichten für Minijobs, Reduzierung der sonstigen Dokumentati
onspflichten, Absenkung der Aufzeichnungspflicht bis 2.958 Euro, klare Abgrenzungsregelungen für Ehrenamtliche im Sport, Klarstellungsbedarf für viele weitere Punkte hinsichtlich des Mindestlohns von 8,50 Euro.
Das schreibt die Sozialministerin am 9. April auf ihrer Internetseite. Aber im Jahr davor, und zwar am 26. und 27. November 2014, war es die Sozialministerin, die genau diesem bürokratischen Wahnsinn in Berlin zugestimmt hat.
In der Arbeits- und Sozialministerkonferenz hat man dieser Regelung zugestimmt, und auf der Internetseite hat man sich darüber beschwert, dass es ausufernde Bürokratie- und Dokumentationspflichten gebe. Insofern muss ich mich schon fragen, wie sehr Sie die Menschen in Bayern noch veralbern wollen. Wollen Sie hierüber im Parlament Sonntagsreden halten und in Berlin anders entscheiden? – Das wird man Ihnen nicht mehr abkaufen. Deshalb fordere ich nochmals: Hören Sie mit den Sonntagsreden auf und stehen Sie zu dem, was Sie getan haben! Sie haben dem Handwerk und dem Mittelstand mit diesen Aufzeichnungspflichten einen schweren Schaden zugefügt.
Danke schön. – Für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN hat Frau Kollegin Celina das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.
(Markus Rinderspacher (SPD): Wie man mit einer Aktuellen Stunde ein solches Eigentor schießen kann!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich heute das Thema der Aktuellen Stunde las, habe ich mich wirklich gewundert. Haben wir denn in Bayern keine anderen Probleme, als hier im Landtag schon wieder über das Thema zu diskutieren, mit dem Sie als an der Bundesregierung beteiligte Fraktion im Koalitionsausschuss vor wenigen Tagen krachend gescheitert sind?
Dabei hat doch erst Ihr Vertreter im Wirtschaftsausschuss vor gerade einmal zwei Wochen, nämlich am 23.04.2015, gesagt - ich zitiere: "Im Landtag sollte
nicht so getan werden, als ob hier Bundesgesetze gemacht werden könnten." Mit diesem Argument wurde der Antrag der FREIEN WÄHLER auf eine Anhörung zur Mindestlohn-Bürokratie zurückgewiesen.
Sie, liebe Kollegen von der CSU, haben in jenem Ausschuss gesagt, die Probleme beim Mindestlohn seien bekannt und zum Teil bereits gelöst. Heute wählen Sie als Thema der Aktuellen Stunde: "Ja zum Mindestlohn - Nein zu Bürokratie!". Was denn nun?