Protocol of the Session on November 4, 2014

Frau Kollegin Weikert, besprechen Sie das doch auf parteipolitischer Ebene. Machen Sie diese Frage bei der nächsten Innenministerkonferenz zum Thema. Wir diskutieren dort mit. Sie werden dann das Ergebnis erfahren.

Das bedeutet doch, dass wir einen rechtlichen Spielraum haben! Das ist doch die Konsequenz daraus!

Diese Frage muss bundesweit geregelt werden. Bayern allein hat keinen Spielraum.

(Angelika Weikert (SPD): Das ist doch albern! Er sagt, er hat keinen rechtlichen Spielraum!)

Frau Kollegin Weikert, die Spielregeln bei einer Zwischenbemerkung sind andere. Damit ist diese Zwischenbemerkung abgehandelt. Wir kommen zur Zwischenbemerkung von Frau Kollegin Kamm.

Herr Staatssekretär, würden Sie mir zustimmen, dass es nicht um die Frage geht, wie welche Staaten entlastet werden können, sondern um die Frage, wie man Menschen retten kann?

Eine zweite Frage. Kennen Sie den § 60 a des Aufenthaltsgesetzes, "Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung"? Dort steht:

Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens sechs Monate ausgesetzt wird.

Wir beantragen nichts anderes, als dass Sie nach diesem § 60 a handeln.

(Thomas Kreuzer (CSU): Das gilt nicht für Dublin III!)

Wir erwarten von Ihnen, dass Sie nach einem Gesetz handeln. Wir erwarten nicht, was Sie widerwärtigerweise unterstellt haben, etwas Ungesetzliches zu tun. Wir fordern Sie lediglich auf, nach Recht und Gesetz zu handeln und die bestehenden Möglichkeiten zu nutzen.

Ein dritter Punkt. Ich bitte Sie, mit Ihren blassen statistischen Tricks aufzuhören und nicht länger zu behaupten, Deutschland nehme die meisten Flüchtlinge auf. Es macht keinen Sinn, große und kleine Länder gleichzusetzen. Pro Kopf gesehen gibt es Länder, die weit mehr Flüchtlinge aufnehmen als Deutschland.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich komme zur Antwort. Die erste Frage kann ich klar mit Ja beantworten. Zur zweiten Frage: Diese Regelung gilt nicht für Dublin-Verfahren.

(Zuruf der Abgeordneten Christine Kamm (GRÜNE))

Frau Kollegin Kamm, auch Ihnen muss ich sagen, dass für die Zwischenbemerkung andere Regeln gelten.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Das ist ein lebendiges Parlament! Da sollte man nicht so kleinlich sein!)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Mit Blick auf die Uhr kann ich nun sagen: Wir kommen zur namentlichen Abstimmung über den Antrag der GRÜNEN auf Drucksache 17/2217. Der federführende Ausschuss für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen empfiehlt auf Drucksache 17/3581 die Ablehnung des Antrages. Wer entgegen dem Ausschussvotum zustimmen möchte, der nimmt bitte die blaue Stimmkarte. Wer den Antrag ablehnen will, nimmt die rote Stimmkarte. Die Abstimmung ist eröffnet.

(Namentliche Abstimmung von 17.00 bis 17.05 Uhr)

Ich schließe die Abstimmung. Ich bitte, das Ergebnis außerhalb des Saales zu ermitteln und Platz zu nehmen.

(Unruhe)

Ich bitte, Platz zu nehmen. Wir machen weiter.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 6 auf:

Antrag der Abgeordneten Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Markus Ganserer u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Messwerte der Strahlenbelastung von Wildbret veröffentlichen (Drs. 17/2411)

Ich eröffne die Aussprache. Der erste Redner ist Herr Kollege Ganserer. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Als sich 1986 die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl ereignete, war ich gerade einmal neun Jahre alt. Der Bayerische Wald, in dem ich aufgewachsen bin, ist eine der Regionen, die am meisten vom radioaktiven Fallout betroffen war. Als Kinder haben wir damals nicht verstanden, warum wir plötzlich nicht mehr im Freien spielen dürfen und warum wir in dem Jahr keine Beeren und Pilze sammeln sollten. Das Ganze ist jetzt mehr als ein Vierteljahrhundert her. Heute, 28 Jahre danach, sind die Cäsiumbelastungen von Schwarzwild nicht nur im Bayerischen Wald, sondern auch in vielen anderen Regionen, die zu dem Zeitpunkt, als die radioaktive Wolke über Süddeutschland hinweggezogen ist, Niederschläge abbekommen haben, heute noch extrem hoch. Allein im Zeitraum zwischen 2008 und 2012 lagen im Landkreis Amberg-Sulzbach 57 % der von den Jägern gemessenen Proben über dem Grenzwert von 600 Becquerel. Im Landkreis Regen waren es 50 %, in Ebersberg 50 %, im Ostallgäu 49 %, in Lichtenfels 46 % und in Augsburg 46 %. Zum Teil werden auch heute noch Werte von mehreren tausend Becquerel gemessen. Weitere Details können den Anfragen der Abgeordneten Kamm und Magerl entnommen werden.

Wenn Wildfleisch heute mit mehr als 600 Becquerel belastet ist, darf es als Lebensmittel nicht mehr in den Verkehr gebracht werden. Eine gesetzliche Pflicht, die erlegten Wildschweine zu beproben, gibt es nicht. In Bayern gibt es lediglich insgesamt 100 Messstellen, die von den Bayerischen Staatsforsten und vom Bayerischen Jagdverband betrieben werden. Dort können die Jäger freiwillige Selbstkontrollen durchführen. Diese Messdaten werden jedoch nicht veröffentlicht.Jetzt könnte man fortlaufend weitere Anfragen stellen und die Daten damit in die Öffentlichkeit bringen. Wesentlich einfacher wäre es, diese Daten einfach so auf der Internetseite des Landesamtes für Umwelt der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Behauptungen des Bayerischen Umweltministeriums, die Veröffentlichung sei aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich, wird nicht nur von Daten

schutzrechtlern wie Herrn Thomas Hofer vom Rechtsinformatikzentrum der LMU widersprochen. Auch die Praxis in anderen Bundesländern belegt, dass der Datenschutz der Veröffentlichung dieser Daten nicht im Wege steht. Auf den Internetseiten des Landesamtes für Umwelt findet man gegenwärtig nur die Messergebnisse, die im Rahmen des Integrierten Messund Informationssystems zur Überwachung der Umweltradioaktivität – IMIS – gemessen werden. Für das letzte Kalenderjahr 2013 gab es in Bayern nur 79 Messwerte für Radium- und Cäsiumbelastung bei Wildschweinen.

Da es fachliche Bedenken gibt, die Daten, die von den Jägern aufgrund der freiwilligen Selbstkontrolle an den qualifizierten Messstellen erhoben werden, in das IMIS-System zu integrieren, möchten wir den Antrag wie im Landwirtschaftsausschuss in geänderter Fassung zur Abstimmung stellen. Der Antrag lautet dann: "Die Staatsregierung wird aufgefordert, sämtliche Werte, die an den von den Bayerischen Staatsforsten und vom Bayerischen Jagdverband betriebenen qualifizierten Radio-Cäsium-Messstellen gemessen werden, auf der Internetseite des Landesamtes für Umwelt zu veröffentlichen." Die Bürgerinnen und Bürger in Bayern haben aufgrund des Umweltinformationsgesetzes ohnehin einen Rechtsanspruch auf Offenlegung dieser Daten. Wir meinen aber, dass es auch aus Vorsorgegründen angebracht ist, über die heute noch vorhandene Strahlenbelastung zu informieren. Deshalb bitten wir um Zustimmung zu unserem Antrag in geänderter Fassung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Kollegen Beißwenger von der CSU.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit dem ursprünglichen Antrag wurde die Staatsregierung aufgefordert, sämtliche Werte, die an den von den Bayerischen Staatsforsten und dem Bayerischen Jagdverband betriebenen qualifizierten Radio-CäsiumMessstellen gemessen werden, in das Integrierte Mess- und Informationssystem zur Überwachung der Umweltradioaktivität, kurz IMIS, einzuspeisen und zu veröffentlichen.

Das IMIS wurde als Konsequenz der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl eingerichtet. Mithilfe dieses Systems soll die Umwelt kontinuierlich überwacht und sollen bereits geringfügige Änderungen der Radioaktivität in der Umwelt flächendeckend, schnell und zuverlässig erkannt werden. Sowohl langfristige Trends der radiologischen Lage als auch eine mögli

che Unfallsituation können damit erfasst werden. Über 60 Laboratorien in Bund und Ländern sind an diesem Routinemessprogramm zur Überwachung der Umwelt beteiligt. Alle gemessenen Ergebnisse werden zusammengeführt, geprüft, aufbereitet und in übersichtlichen Dokumenten dargestellt. Auf der Internetseite des Landesamts für Umwelt können bereits jetzt alle Messwerte der amtlichen Umweltradioaktivitätsmessung einschließlich der amtlichen Lebensmittelüberwachung eingesehen und individuell sortiert abgerufen werden.

Jeder Bürger kann sich also mittels der bereits jetzt eingestellten Daten über die radioaktive Belastung von Lebensmitteln ausreichend informieren. Aus den eingestellten Daten lässt sich deutlich erkennen, dass Wildschweine und Waldpilze noch heute teilweise radioaktiv belastet sind. Warum werden die Daten Dritter nicht einfach in das IMIS eingespeist, zum Beispiel die Werte der Messstellen der Bayerischen Staatsforsten oder des Bayerischen Jagdverbandes? – Sie werden genau deshalb nicht eingespeist, weil sie einen ganz anderen Zweck verfolgen. Diese Daten sind Eigenkontrollergebnisse der sogenannten Lebensmittelunternehmer, das heißt in diesem Fall der Jäger. Wir müssen hier ganz klar zwischen der Zielsetzung der Messung des Informationssystems und den zuletzt genannten Messungen unterscheiden. Diese Messungen sind sogenannte Entscheidungsmessungen. Sie sollen sicherstellen, dass kein belastetes Wildbret in Umlauf gebracht wird. Damit sichert sich der Jäger ab, der das Wild in den Verkehr bringt. Verbraucher und Konsumenten sind so ebenfalls geschützt. Grenzwerte müssen selbstverständlich eingehalten und untersucht werden. Alle sind so auf der sicheren Seite. Die Messgeräte, die die Jäger und auch die Staatsforsten verwenden, sind so ausgelegt, dass die Überschreitung des Grenzwerts von 600 Becquerel Radio-Cäsium pro Kilogramm ausgeschlossen werden kann. Deshalb werden sie ganz genau in diesem Bereich kalibriert. In diesem Bereich liegen deshalb auch die Eigenuntersuchungen der Jäger. Bei Werten darunter kann das Wildbret verwendet werden, bei Werten darüber nicht.

Schon allein weil die Untersuchungen in deutlich höheren oder deutlich niedrigeren Bereichen keine genauen Daten liefern müssen, sind sie weder für das IMIS noch für die Seite des Landesamts für Umwelt geeignet. Sie genügen den hohen Qualitätsansprüchen des IMIS einfach nicht. Dieses stellt detaillierte Anforderungen, zum Beispiel bei der Probenentnahme und bei der Qualitätssicherung. Da es sich um Eigenkontrollergebnisse handelt, können sie aus Datenschutzgründen nicht so einfach in das Internet eingestellt werden. Weiterhin würde das Einstellen dieser Werte für einen erheblichen Mehraufwand in

der Verwaltung sorgen, der in keinerlei Verhältnis zu einem eventuellen Erkenntnisgewinn für den Bürger steht. Das ist ein wichtiger Punkt. Dem Jäger und uns Verbrauchern reicht die Genauigkeit aus, nicht aber dem IMIS oder dem Landesamt für Umwelt.

Einerseits ist also das Einspeisen dieser Daten in das IMIS aufgrund der unterschiedlichen Zielrichtungen beziehungsweise der Bedeutung der verschiedenen Werte nicht angebracht. Andererseits handelt es sich bei den Messwerten um Eigenkontrollergebnisse und nicht um Messergebnisse amtlicher Stellen. Deshalb haben die Daten auf diesen Seiten nichts verloren.

Der Sinn der Messergebnisse der Jäger besteht darin, diejenigen abzusichern, die Lebensmittel in den Verkehr bringen, sowie den Verbraucher zu schützen. Der Schutz der Verbraucher ist aber bereits gewährleistet, da keinerlei Wildbret mit Belastungen über dem Grenzwert in den Verkehr gebracht wird.

Aus den genannten Gründen lehnen wir den Antrag ab. Dennoch soll hier kein Zweifel an der Qualität unserer Lebensmittel aufkommen. Die Bayerischen Staatsforsten und die bayerischen Jäger führen eine funktionierende Eigenkontrolle durch und bringen mit einem erlegten Wild ein gesundes, sicheres und qualitativ hochwertiges Lebensmittel in den Verkehr. Lassen wir uns also den Appetit von niemandem verderben.

(Beifall bei der CSU – Prof. Dr. Peter Paul Gantzer (SPD): Außer Wildschwein!)

Danke schön, Herr Kollege Beißwenger. Für die SPD-Fraktion hat sich Herr Kollege Scheuenstuhl gemeldet. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bereits vor über 50 Jahren gab es die erste nennenswerte radioaktive Verseuchung unserer Böden. Sie wurde durch oberirdische Atomwaffenversuche ausgelöst. Obwohl sie Tausende von Kilometern entfernt durchgeführt wurden, haben wir bei uns ihre Auswirkungen gespürt. Am 26. April 1986 explodierte ein Reaktor in der nordukrainischen Stadt Tschernobyl. Die radioaktiven Belastungen durch die Atomwaffentests in den 50er- und 60er-Jahren waren europaweit nur bedingt nachweisbar. Die Auswirkungen der Tschernobyl-Katastrophe waren jedoch bei uns und sogar in ganz Europa deutlich spür- und messbar. Durch einen starken Ostwind gelangte die radioaktive Wolke im April 1986 schließlich auch nach Bayern. Vorrangig waren Südund Ostbayern betroffen. Im europaweiten Vergleich nimmt der bayerische Raum eine Spitzenposition hinsichtlich der Strahlenbelastung ein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, als Konsequenz aus dieser schrecklichen Katastrophe wurde im Jahr 2000 erstmals ein Konsens zwischen der damaligen rotgrünen Bundesregierung und den Energieversorgern erreicht. Diese Vereinbarung ebnete dem erklärten Ziel des Kabinetts Schröder, nämlich dem bundesweiten Ausstieg aus der Kernenergie, den Weg. Zehn Jahre später wurde dieses Ziel von einer schwarz-gelben Bundesregierung kassiert. Der Ausstieg aus dem Ausstieg war damals ein Thema in den Zeitungen. Schließlich wurden wieder Laufzeitverlängerungen genehmigt. Erst als es im Jahr 2011 erneut zu einem schweren Zwischenfall, dieses Mal im japanischen Kernkraftwerk Fukushima kam, dämmerte es langsam auch der konservativen Bundesregierung.

Herr Kollege, darf ich Sie kurz unterbrechen? – Ich gebe bekannt, dass die CSU namentliche Abstimmung beantragt hat. – Bitte schön, Sie dürfen fortfahren.

Jetzt weiß ich nicht mehr, wo ich war. Ich bitte um mindestens 30 Sekunden Zuschlag.

Als es dann 2011 erneut zu einem schweren Zwischenfall im japanischen Kernkraftwerk Fukushima kam, dämmerte es so langsam auch den Konservativen, und man holte den Atomausstieg wieder aus der Schublade hervor. Nun soll das letzte Kernkraftwerk im Jahr 2020 vom Netz gehen.

Wir leiden aber immer noch unter den Hinterlassenschaften der Tschernobyl-Katastrophe. Geblieben sind uns langlebige Radionuklide. Besonders die Untersuchung der beiden Spaltprodukte Cäsium 134 und 137, welche nicht natürlich vorkommen, erlauben Rückschlüsse auf den Grad der Kontamination. Nun werden diese Stoffe natürlich von den Pflanzen aufgenommen. Die Pflanzen werden von den Tieren gefressen, manchmal werden sie auch von uns gegessen, so zum Beispiel die guten Pilze. Dadurch steigert sich die Belastung dann insbesondere bei den Wildschweinen. Hier müssen wir feststellen, dass hohe Werte gemessen werden.

Wie bereits erwähnt, liegt der Grenzwert bei 600 Becquerel pro Kilogramm. Wir wollen, dass diese Werte nicht überschritten werden. Übrigens wird, so weit mir bekannt ist, nicht jedes Stück Schwarzwild auf Radioaktivität untersucht. Das erfolgt auf freiwilliger Basis. Man kann nicht davon ausgehen, dass das Schwarzwild immer von Radioaktivität frei ist. Das nur als kleiner Einwand.