Für die Fraktion der FREIEN WÄHLER erteile ich Herrn Kollegen Aiwanger das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege.
: Sehr geehrte Frau Präsidentin, Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Normalerweise hätten wir noch Sommerpause. Die Regierung hat jedoch bis zuletzt versucht, davon abzulenken, dass wir Entscheidungen brauchen. Es hat geheißen, die Affäre Haderthauer sei keine, sondern Sommertheater, die Staatsregierung sei handlungsfähig, Frau Haderthauer habe das volle Vertrauen des Ministerpräsidenten, es würde reichen, diese Vorwürfe Ende September aufzuarbeiten.
Es war gut, dass die Opposition in Bayern zu Ihrer Entscheidungsfindung beigetragen hat. Wir haben Ihnen etwas Feuer gemacht, um Dinge auszuräumen, die ansonsten weitergetragen worden wären. Wir müssten uns sonst in den nächsten Wochen und Monaten mit der Modellbau-Affäre auseinandersetzen, obwohl wir riesige politische Aufgaben bewältigen müssen. Insofern halte ich es für richtig, heute in einer Sondersitzung zusammenzukommen.
Es ist ebenfalls richtig, heute zu definieren, was wir von einer künftigen Regierungsbesetzung und ihrer Ausrichtung erwarten. Wir sind der Meinung, dass die Kabinettsumbesetzung, die am Ende unvermeidlich gewesen ist, durchaus die Chance geboten hätte, Strukturen neu zu ordnen. Es wäre einen Gedanken wert gewesen, die Aufgaben in der Hand eines bewährten Mannes wie Herrn Huber weiterzuführen. Die frei werdende Position hätten wir für ein eigenes Energieministerium verwenden können. Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass gerade auf diesem Feld sehr viel zu tun ist. Dieses Themenfeld müsste dringend mit einem eigenen Ministerium belegt werden. Das ist dringender denn je. Sie sehen die Ziellosigkeit, mit der in den letzten Monaten agiert worden ist: "Wir brauchen die Trasse." "Wir brauchen die Trasse nicht." "Wir brauchen die Trasse so nicht." "Wir brauchen dringend Pumpspeicherkraftwerke." "Wir brauchen keine Pumpspeicherkraftwerke." – Auf der anderen Seite sehe ich im Wirtschaftsministerium sehr viele andere Aufgaben, die eine Person voll fordern würden. Ich nenne an dieser Stelle das Stichwort Tourismus. Wir stellen fest, dass dort politisch zu wenig passiert. Der Tourismus hatte in Bayern mit Sicherheit bisher nicht den Stellenwert, den er in der Politik bräuchte. Frau Aigner wäre mit diesem Thema mit Sicherheit bedient genug. Sie sollte das Thema Energie einer eigenen Stelle zuordnen, um weiterzukommen.
Die Neubesetzung hätte durchaus die Chance geboten, die Schwerpunkte politisch anders zu setzen. Ich traue Herrn Huber zu, mehr Objektivität als in den letzten Jahren in die Staatskanzlei einzubringen. Die Staatskanzlei wurde teilweise als Ersatzparteizentrale
gesehen. Ich glaube, wir haben genug Aufgaben. Viele Aufgaben sind liegen geblieben, weil wir uns mit der Modellbau-Affäre befasst haben anstatt von einem einsatzfähigen Staatskanzleichef Asylthemen sowie Bundes- und Europathemen ernsthaft bearbeiten zu lassen. Ein Staatskanzleichef sollte zu einem Bundesinnenminister gehen und sagen: Das, was auf dem Gebiet der Asylbewerberbewegungen passiert, geht nicht, wenn wir von einer sicheren Drittstaatenregelung reden. Ein Staatskanzleichef sollte gegenüber Österreich ebenfalls verhandlungsfähig sein. Wir führen jedoch einen politischen Kleinkrieg wegen der Maut. Österreich droht uns mit einer Verfassungsbeschwerde vor dem EU-Gerichtshof. Stattdessen hätte man sich mit diesen Herrschaften längst an einen Tisch setzen sollen, um Lösungen für Asylfragen zu erarbeiten. Das ist jetzt eine Retourkutsche für all das, was wir ihnen vor die Füße werfen. Eine politisch handlungsfähige Person ist somit nötiger denn je. Deswegen begrüßen wir die Umbesetzung mit Herrn Huber.
Jetzt gehe ich auf die Personalie der neuen Umweltministerin ein. An das Thema gehe ich ganz unverkrampft heran. Wir sollten ihr eine Chance geben. Nicht immer gibt es eine Garantie dafür, dass derjenige der beste Minister ist, der bereits durch drei Ministerien geschickt und schließlich wegbefördert worden ist, wenn er das alte Ministerium vermüllt hatte.
Vielleicht ist es gut, einmal neue Leute heranzulassen. Ich will an dieser Stelle keinen Stab brechen. Wir wünschen der neuen Ministerin von dieser Seite alles Gute. Mir hat imponiert, dass sie sich getraut hat, die dritte Startbahn zu thematisieren. Sie ist bereits in der Vergangenheit von der Parteilinie abgewichen. Trotz ihrer Berufung hat sie es gewagt, daran festzuhalten. Das spricht für sie und für die Möglichkeit, dass politische Vernunft auch in dieser Frage die Bayerische Staatsregierung hoffentlich erreichen wird. Die Donaustaustufe und die Atomlaufzeitverlängerung haben Sie ebenfalls irgendwann an den Nagel gehängt. Weitere Aufzählungen erspare ich Ihnen. Sie sollten die aktuellen Zahlen zur Kenntnis nehmen und feststellen, dass der Zuwachs der Fluggäste am Flughafen Nürnberg minus 10 % beträgt. Die Starts und Landungen betragen am Münchner Flughafen circa minus 4 %. Derzeit besteht kein Bedarf, die dritte Startbahn zu forcieren. Stattdessen sollten wir das innerbayerische Flughafenangebot besser aufeinander abstimmen. Das ist Aufgabe genug. Das ist eine Herausforderung, bei der wir Sie gerne unterstützen. Ich weiß, Sie haben gute Mitarbeiter und werden uns nicht fra
Sie werden das Thema Hochwasserschutz weiter begleiten müssen. Dort müssen neue Akzente gesetzt werden. Bisher hat man gesagt, alles sei weitgehend in Ordnung. Schließlich gab es ein Jahrhunderthochwasser. Nun wurde die Ausweisung neuer Polder Hals über Kopf geplant. Wir begrüßen die Polder dort, wo sie hinpassen. Wir fordern jedoch durchaus Fingerspitzengefühl ein. In gewissen Regionen werden beispielsweise hochwertige Gemüsebaustandorte als Polder ausgewiesen. Möglicherweise dürfen die Feldfrüchte nicht mehr verkauft werden, wenn sich dort ein Hochwasser ereignet. Wir müssen uns vielleicht auch einmal mit Leuten anlegen, die bisher zum Lobby-Umfeld der CSU gehören. Diesen wird nicht so gerne die Wahrheit gesagt. Dabei handelt es sich beispielsweise um E.on, ein Unternehmen, das häufig für die Flussbettpflege zuständig ist und hohe Staumauern errichtet. Der Grundwasserspiegel wird angehoben, um die Wasserkraft auszunutzen. Das ist zu begrüßen, solange nichts passiert. Wenn es darum geht, die Flüsse wieder rechtzeitig auszubaggern, um Retentionsvolumen im Flussbett zu schaffen, dann versagt diese Strategie, weil das Geld gespart wird, die Flüsse zu pflegen. Das hat früher der Staat gemacht. Solche Themen muss man mit Fingerspitzengefühl angehen. Liebe Frau Scharf, ich wünsche mir, dass Sie in die Regionen hinausgehen, wo die Landwirte Angst haben, dass ihre Flächen unter Wasser gesetzt werden. Hier sollte es einen Plan B geben, der zielführender wäre. Dieses Thema sollte nicht mit der Parteilinie durchexerziert werden; vielmehr sollten die Menschen draußen mitgenommen werden. Es wird schwer genug sein. Das ist aber vielleicht die Chance für eine neue Person, die noch unverbraucht ist, die Dinge mal neu zu sortieren.
Unter dem Strich glaube ich, dass die Opposition der Regierung an dieser Stelle gut getan hat. Sie wären heute nicht hier; Sie hätten keine neuen Leute berufen. Sie hätten weiter gewurstelt und gesagt: Es ist doch alles in Ordnung. Ich glaube, die Regierung und die Opposition haben genug Arbeit vor der Brust, um Bayern voranzubringen. Diese neue politische Konstellation ist auf jeden Fall ein Fortschritt gegenüber dem, was bisher an Personal geboten war. Ich erinnere noch einmal daran, dass wir alle miteinander gewählt sind, um Bayern voranzubringen. Dazu soll diese Sitzung heute beitragen.
Jetzt darf ich für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Frau Kollegin Bause das Wort erteilen. – Bitte schön.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Herr Seehofer, Sie haben gestern im "Münchner Merkur" gesagt, dass sich die Opposition in der Sondersitzung mit Ihnen beschäftigen solle. Mit dem größten Vergnügen! Genau das habe ich vor; denn das miese Bild, das Bayern im Moment abgibt, haben Sie zu verantworten.
Seit Wochen, wenn wir die Zeitungen aufschlagen, die regionale und die überregionale Presse, lesen wir jeden Tag vernichtende Überschriften über Ihre Politik: "Erbärmlich und lächerlich", "Totalschaden", "Demontage", "Vom Bankrott der Moral", "Mit Seehofer auf schiefer Ebene", "Pipifax-Politik", "Politik zum Abgewöhnen" usw. usf. Herr Kreuzer, ich weiß nicht, ob das die Überschriften für die erfolgreichste Politik irgendeiner Landesregierung sind.
Dass Sie, Herr Seehofer, mit Ihrer Politik sich selbst und Ihrer Partei schaden, könnte mir gerade recht sein. Damit können Sie gerne weitermachen. Das Problem ist: Sie schaden mit Ihrem Verhalten nicht nur sich, Sie schaden Bayern.
Sie schaden dem Ansehen Bayerns, wenn sich eine Staatskanzleiministerin, Ihre Staatskanzleiministerin, schamlos an der Arbeit von abhängigen Strafgefangenen bereichern kann,
wenn Sie nicht einschreiten dagegen, wenn diese Ministerin den Landtag hinters Licht führt und auch noch versucht, aus der Staatskanzlei heraus die Medien einzuschüchtern. Und ein Ministerpräsident ist nicht Manns genug zu sagen: Jetzt ist Schluss, das machen wir nicht mehr mit. Es brauchte erst diese Sondersitzung, damit Sie den Mut aufgebracht haben, Frau Haderthauer zum Rücktritt zu drängen. Ansonsten würden Sie die Sache weiter träge aussitzen. Das
Hans-Ulrich Jörges hat im Übrigen diesen Skandal im "Stern" als "widerwärtigsten Skandal der deutschen Politik" bezeichnet. – Sie schaden dem Ansehen Bayerns, wenn Flüchtlinge hier in unserem reichen Land unter unzumutbaren Bedingungen hausen müssen, Bedingungen, die noch nicht einmal den internationalen Standards entsprechen und wenn Sie, Herr Seehofer, die Lage monatelang eskalieren lassen und die Verantwortung dafür wahlweise nach Italien, an den Bund oder Europa abschieben. Sie stehen hier in der Verantwortung, und Sie werden dieser Verantwortung nicht gerecht.
Sie schaden dem Ansehen Bayerns, wenn wir, im Übrigen völlig zu Recht, in der "Abendzeitung" lesen müssen: "Das Bild, das Bayern abgibt, ist bitter – und zum Heulen. Das ist kein Satz von mir, sondern ein Satz aus der "Abendzeitung". Wir GRÜNE haben aber keine Lust, uns fremdzuschämen. Wir haben keine Lust mehr, für Ihr Unvermögen und Ihr Versagen in Haftung genommen zu werden. Wir haben keine Lust, dass Bayern zum Gespött wird, weil Sie sich zum Gespött machen.
Deswegen ist es richtig, dass wir heute diese Sondersitzung haben, auch nach dem Rücktritt von Frau Haderthauer, weil wir nach all dem, was in den letzten Monaten vorgefallen ist, nicht einfach so zur Tagesordnung übergehen und so tun können, als sei nichts gewesen. Das muss hier zur Sprache kommen. Dem müssen Sie sich stellen. Damit müssen Sie sich auseinandersetzen. Das ist Ihre Verantwortung, und Sie haben versagt.
Es ist auch gut, dass wir eine Sondersitzung des Sozialausschusses zur Flüchtlingspolitik durchgesetzt haben. Wir haben Sie damit endlich aus Ihrem Tiefschlaf und Ihrer Ignoranz herausgeholt. Fürs Nichtsehen muss man nicht unbedingt blind sein; da reicht schon Ignoranz. Was für ein erbärmliches Bild gibt Bayern momentan in Zirndorf ab, was für ein erbärmliches Bild geben Sie mit Ihrer Politik in Zirndorf ab! Viel zu spät haben Sie für heute zum Flüchtlingsgipfel eingeladen. Wir GRÜNEN haben diesen Gipfel schon
vor einem Jahr gefordert. Nur dem immensen Einsatz von vielen Helferinnen und Helfern, von Ehrenamtlichen, Flüchtlingsorganisationen, Kirchen und Helfern auf der kommunalen Ebene ist es zu verdanken, dass noch mehr Schaden von Bayern und von den Betroffenen abgewendet wurde.
Deswegen mein großes Dankeschön an all diese Menschen, die sich vor Ort um die Flüchtlinge kümmern und das ausgleichen, was Sie nicht zuwege bringen.
Seit Monaten, Herr Seehofer, kennen Sie kein anderes Thema als die Dauerschleife "Ausländermaut". Dafür ist Ihnen nichts zu viel und nichts zu peinlich. Da wird gedroht und gepoltert. Da werden Maulkörbe verpasst. Da gibt es Krisengespräche bei der Kanzlerin. Da wird die Maut plötzlich zur Koalitionsfrage hochstilisiert, ja fast schon zur Schicksalsfrage dieser Nation gemacht.
Haben wir in Bayern, Deutschland und der Welt nicht ein paar andere Probleme als die Ausländermaut? Dass die CSU tatsächlich nur eine Provinzpartei ist, das dokumentieren Sie mit Ihren Äußerungen zur Ausländermaut jeden Tag aufs Neue.
Wir würden uns nur einen Bruchteil Ihres Engagements wünschen, wenn es um die Lösung der wirklichen Probleme und Herausforderungen geht, vor denen Bayern steht. Ich nenne wiederum als erstes die Flüchtlingspolitik, das weltweit zunehmende Flüchtlingselend und unsere Verantwortung als ein Land, das wohlhabend ist und das sich viel auf seine Werteorientierung zugute hält. Da helfen keine Ausflüchte, keine Ausreden, keine Abschottung und keine Grenzkontrollen. Herr Seehofer, Sie sollten einfach mal vor Ort gehen und sich selbst ein Bild von der Lage in Zirndorf machen.
Ihre Kollegin, Frau Wöhrl, hat das getan. Ich finde es mutig, was Frau Wöhrl auf ihrer Website dazu geschrieben hat. Sie schreibt:
Die aktuelle Flüchtlingspolitik wird Bayerns hohen Ansprüchen nicht gerecht und ist ein Schandfleck. Auch wenn in letzter Zeit neue Krisenregionen in der Welt entstanden sind, hatten bereits zuvor alle Prognosen einen Anstieg der Flüchtlingszahlen in der Europäischen Union vorhergesagt. Die bayerische Staatsregierung