Protocol of the Session on September 16, 2014

Die aktuelle Flüchtlingspolitik wird Bayerns hohen Ansprüchen nicht gerecht und ist ein Schandfleck. Auch wenn in letzter Zeit neue Krisenregionen in der Welt entstanden sind, hatten bereits zuvor alle Prognosen einen Anstieg der Flüchtlingszahlen in der Europäischen Union vorhergesagt. Die bayerische Staatsregierung

so sagt Ihre CSU-Kollegin im Bundestag –

sowie die Bezirksregierungen haben es schlichtweg unterlassen, rechtzeitig verantwortungsvoll zu handeln.

Selbst jetzt, wo der Notfall eingetreten ist, verschanzt man sich hinter der Bürokratie, statt anzupacken. Bei meinem Besuch habe ich mich geschämt.

Das sind klare Worte Ihrer eigenen Kollegin. Daran sollten Sie sich vielleicht einmal ein Beispiel nehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Wir werden nachher noch ausführlich zu diesem Thema sprechen und darlegen, welche Vorschläge wir haben. – Es gibt aber noch viele andere Baustellen, die Sie endlich anpacken müssen, etwa die Bildungspolitik. Seit Monaten wird über G 8 und G 9 diskutiert, aber es liegt immer noch kein Konzept auf dem Tisch. Schaffen Sie es endlich, ein zeitgemäßes modernes Gymnasium auf den Weg zu bringen! – Was ist denn eigentlich aus der Energiewende geworden? Redet noch jemand von Ihnen darüber? Herr Seehofer, Sie haben dieses Thema einmal als das Generationenprojekt bezeichnet. Heute sind Sie gegen alles. Sie sind gegen Windkraft, Sie sind gegen Speicher,

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Sie sind gegen Netze. Was ist eigentlich aus Ihrem Ehrgeiz geworden, Bayern zum großen Land für erneuerbare Energien zu machen? – Nichts ist daraus geworden.

Wir haben die Umweltpolitik. Heute wird eine neue Umweltministerin vereidigt.

(Zuruf von der CSU – Glocke der Präsidentin)

Natürlich genießt jemand, der so unbedarft ins Amt kommt, Welpenschutz. Die Berufung von Frau Scharf zeigt, wie dünn Ihre Personaldecke ist, insbesondere bei den Frauen. Die Berufung von Frau Scharf zeigt aber auch, welchen Stellenwert die Umweltpolitik bei Ihnen hat. Da braucht es offensichtlich – –

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Ja, ich komme zum Ende. Die Verantwortung dafür haben nicht Sie, Frau Scharf. Wir haben Ihnen auch schon eine Liste von Aufgaben überreicht. Die Verantwortung dafür trägt der Bayerische Ministerpräsident. Sie haben gestern gesagt – –

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Mein letzter Satz, bitte schön. – Herr Seehofer hat gestern gesagt, der beste Schutz gegen die AfD sei eine gute eigene Politik. Wenn das so ist, sieht es für die CSU finster aus.

(Anhaltender Beifall bei den GRÜNEN)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen.

(Unruhe)

Darf ich vielleicht um Ruhe bitten? – Der Herr Ministerpräsident hat Frau Ulrike Scharf als neue Staatsministerin im Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz berufen. Die Berufung zur Staatsministerin bedarf gemäß Artikel 45 der Bayerischen Verfassung der Zustimmung des Landtags. Wer der Berufung von Frau Scharf zur Staatsministerin im Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die CSU. Die Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. – Die SPD, die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltung der Fraktion der FREIEN WÄHLER hat der Landtag gemäß Artikel 45 der Verfassung seine Zustimmung zur Berufung erteilt.

(Alexander König (CSU): Sie haben dort noch eine Zustimmung übersehen!)

Entschuldigung, wo habe ich sie übersehen? – Eine Zustimmung aus der Fraktion der FREIEN WÄHLER.

(Beifall bei der CSU)

Entschuldigung, das habe ich übersehen. Damit hat der Landtag gemäß Artikel 45 der Verfassung seine Zustimmung zur Berufung erteilt.

Die Bayerische Verfassung schreibt in Artikel 56 vor, dass sämtliche Mitglieder der Staatsregierung vor ihrem Amtsantritt vor dem Landtag den Eid auf die Verfassung zu leisten haben.

Vereidigung der Staatsministerin für Umwelt und Verbraucherschutz

Ich darf nun Frau Staatsministerin Ulrike Scharf zur Abnahme des Eides zu mir bitten. Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, sich von den Plätzen zu erheben. –

(Die Anwesenden erheben sich)

Frau Staatsministerin, ich spreche Ihnen jetzt die Eidesformel vor und bitte Sie, mir diese nachzusprechen. Wie Sie mir bereits mitgeteilt haben, wollen Sie den Eid mit dem Zusatz "so wahr mir Gott helfe" bekräftigen. "Ich schwöre Treue der Verfassung des Freistaates Bayern, Gehorsam den Gesetzen und gewissenhafte Erfüllung meiner Amtspflichten, so wahr mir Gott helfe."

Ich schwöre Treue der Verfassung des Freistaates Bayern, Gehorsam den Gesetzen und gewissenhafte Erfüllung meiner Amtspflichten, so wahr mir Gott helfe.

Frau Staatsministerin Scharf, ich stelle fest, dass Sie den von der Verfassung vorgeschriebenen Eid ordnungsgemäß geleistet haben. Ich darf Ihnen persönlich, aber auch im Namen des Hohen Hauses alle guten Wünsche mit auf den Weg geben. Viel Kraft, viel Mut, viel Optimismus, gutes Gelingen und eine gute Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Landtag! Alles Gute für Sie!

(Staatsministerin Ulrike Scharf: Herzlichen Dank! – Lang anhaltender Beifall bei der CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte nun die Sitzung für fünf Minuten unterbrechen, damit Sie Zeit zum Gratulieren haben. Ich darf auch die Familie von Frau Staatsministerin Scharf ganz herzlich begrüßen. Herzlich willkommen, wir freuen uns mit Ihnen.

(Unterbrechung von 14.57 bis 15.05 Uhr)

Darf ich Sie bitten, die Plätze wieder einzunehmen? Ich möchte die Sitzung wieder aufnehmen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Antrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Volkmar Halbleib, Inge Aures u. a. und Fraktion (SPD), Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Prof. (Univ. Lima) Dr. Peter Bauer u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER), Margarete Bause, Ludwig Hartmann, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Unverzügliche Aufklärung und politische Aufarbeitung der Affäre Haderthauer (Drs. 17/2972)

Ich eröffne die Aussprache und erteile als Erstem Herrn Kollegen Rinderspacher für die SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Hohes Haus, liebe Kolleginnen und Kollegen! 14 Monate lang beschäftigte die sogenannte Modellauto-Affäre um Ministerin a. D. Haderthauer die bayerische und bundesdeutsche Öffentlichkeit. Zuletzt wurden jeden Tag neue Details veröffentlicht. Es ist eine parlamentarische Selbstverständlichkeit, dass der Bayerische Landtag heute auf Antrag der Opposition – wir haben von unserem Minderheitenrecht Gebrauch gemacht – eine Bewertung dieser Affäre, die über Monate die bayerische Öffentlichkeit in Atem gehalten hat, im politischen Gesamtzusammenhang vornimmt. Da Frau Haderthauer an der heutigen Sitzung selbst nicht teilnehmen möchte, wird der politische Gesamtzusammenhang etwas weiter ausgeführt. Nach der Veröffentlichung zweier Rechtsgutachten durch die Landtags-SPD vor zwei Wochen und durch die Ankündigung der Opposition, diese Sondersitzung einzuberufen, hat die Angelegenheit eine neue Dimension erreicht. Spätestens dann war eine politische Neubewertung auch seitens der CSU notwendig geworden.

Die Affäre Haderthauer kennt alle üblichen Eskalationsstufen eines klassischen politischen Skandals: Ein Sachverhalt wird aufgedeckt, zunächst von der Betroffenen dementiert und nach neuen Veröffentlichungen relativiert. Nachfragen der Medien und des Parlaments werden zunächst gar nicht und später lückenhaft beantwortet. Der Versuch wird unternommen, den Medien verschwörerisch zu unterstellen, sie würden nicht korrekt Bericht erstatten. Schließlich soll es sogar einen von der Staatskanzlei organisierten Maulkorb für kritische Berichterstatter geben. Der Ministerpräsident spricht vorschnell sein Vertrauen aus, um dieses Bekenntnis genauso schnell zu relativieren und zu widerrufen. Am Ende war der Zeitpunkt für einen ehrenvollen Rücktritt bereits überschritten; in dieser Hinsicht gehe ich mit dem Politikwissenschaftler Professor Oberreuter konform.

Der Bayerische Landtag wird auf Antrag der Opposition einen Untersuchungsausschuss einrichten, der die Causa Haderthauer aufarbeitet. Darin geht es um die bayerische Forensik im Allgemeinen: Wie kann es eigentlich sein, dass in einer staatlichen Institution von einem Anstaltsarzt und seiner Ehefrau private Gewinne eingestrichen werden, um das Familieneinkommen aufzubessern, ohne dass der Staat selbst oder zumindest etwa eine Stiftung für Verbrechensopfer begünstigt würde?

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Eine weitere Frage wird lauten: Wie kann es sein, dass Herrn Seehofers Staatskanzlei Unterlassungserklärungen eines Anstaltsarztes über den offiziellen Presseverteiler der Staatsregierung an die Medien verschickt und der Ehemann der Ministerin mit den Presseauswertungen der Staatskanzlei zur persönlichen Informationsgewinnung offensichtlich mehrfach bedient wird? – All das wird ebenso ein Thema sein wie die zu beanstandende Beantwortung von parlamentarischen Anfragen durch die Staatsregierung im Kontext dieser Affäre. Mein Kollege Horst Arnold wird im Anschluss näher darauf eingehen. Er hat sich in seiner verkürzten Sommerpause wie Frau Kollegin Gote von den GRÜNEN und Herr Kollege Streibl von den FREIEN WÄHLERN in besonderer Weise in die Materie vertieft und jeden Tag in der Sommerpause neue Details veröffentlicht. Für diese parlamentarische Kärrnerarbeit in den Sommerferien sage ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön.

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Politisch stellt sich schon heute die Frage, warum der Bayerische Ministerpräsident Frau Haderthauer überhaupt ins Amt berufen hat, obwohl alle politisch relevanten Fakten bereits im Herbst 2013 bekannt waren. Aus unserer Sicht hat der Bayerische Ministerpräsident die Affäre viel zu lange laufen lassen. Führungsstärke sieht ganz gewiss anders aus; Frau Kollegin Bause hat das bereits ausgeführt. Warum hat der Ministerpräsident eigentlich so lange an seiner Ministerin festgehalten und dabei einen politischen Kollateralschaden für seine Regierung und für unser Land zumindest billigend in Kauf genommen?

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, tatsächlich hat sich die Bayerische Staatsregierung seit ihrem Amtsantritt in dieser Legislaturperiode fast ausschließlich mit sich selbst, den eigenen Affären, Skandalen und Unzu

länglichkeiten und mit der Nachfolge von Herrn Seehofer beschäftigt, anstatt die wichtigen Zukunftsaufgaben für unser Land in Angriff zu nehmen. Frau Bause hat die Überschriften aus den Zeitungen bereits vorgetragen.

Ich führe einige Beispiele an. Im Fall Schottdorf musste die Opposition einen Untersuchungsausschuss einsetzen. Dabei geht es um den Verdacht klassischen CSU-Filzes und um möglichen Abrechnungsbetrug eines medizinischen Labors im politischen Kontext. Dabei könnte ein volkswirtschaftlicher Schaden von über 500 Millionen Euro entstanden sein. Der Profiteur ist ein Gönner und Spender der CSU. – In diesem Sommer hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof die Staatsregierung verpflichtet, die bis dahin nicht beantworteten Anfragen der SPD-Fraktion zur Verwandtschaftsaffäre im Kabinett zu beantworten. Der Ministerpräsident hatte Aufklärung und Transparenz vorgetäuscht und ist erst durch unsere Klage dazu verdonnert worden.

Erst elf Monate dauert diese Legislaturperiode an. Wir haben bereits zwei Untersuchungsausschüsse. Die Regierung hat bereits eine Verfassungsklage verloren, und eine Ministerin musste ihren Hut nehmen. Das alles geschah in nur elf Monaten. In welchem anderen Bundesland gibt es das eigentlich noch? – Diese Vorgänge sprechen durchaus für die hartnäckige Arbeit der Opposition im Bayerischen Landtag, aber nicht für die Arbeit dieser Regierung.

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)