Protocol of the Session on April 8, 2014

Ich greife jetzt ein Beispiel heraus, das für BadenWürttemberg, aber genauso auch für Bayern gilt. Ich denke an den Übergang zwischen Schule und Beruf. Da gibt es große Defizite. Wenn man sich ernsthaft mit diesem Thema auseinandersetzt, muss man sich die Frage stellen, wo, was und wie die jungen Menschen lernen, welche Unterstützung sie brauchen, welche Rahmenbedingungen sie brauchen und wie alles aufeinander abgestimmt werden muss, damit die Angebote richtig greifen. Dann könnte man zu der Konsequenz oder der Forderung kommen, dass für diese Schülerinnen und Schüler ein Unterstützungssystem installiert werden muss, was ganz einfach nicht ohne finanzielle Unterstützung möglich ist. Das Gleiche könnte man für die Kindertagesstätten und die Sprachförderung sagen. Hier ließen sich viele weitere Beispiele anführen.

Herr Kollege Steiner, Sie sind mit mir sicherlich einer Meinung: Wenn man sieht, wie ernsthaft sich die Menschen vor Ort bemühen und wie motiviert sie sind, wäre es doch außerordentlich schade, wenn man die Ressourcen vor Ort nicht nützen und das ganze Engagement im Sande verlaufen ließe, weil man diese Bemühungen finanziell nicht unterstützen möchte.

Insofern werden wir dem Antrag zustimmen. Sie hatten das auch schon gesagt - ich glaube, Kollege Fahn, war es -, dass der Bayerische Städtetag davon gesprochen hat, diese Bildungsregionen flächendeckend aufzubauen und dass dafür ein eigenes Förderprogramm gebraucht wird. Das können unsere Gemeinden und Kommunen nicht stemmen. Ich plädiere dafür, diesen Antrag zu unterstützen. Wir werden es tun.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FREI- EN WÄHLER)

Danke schön, Frau Kollegin Wild. – Der nächste Beitrag: Kolleg Gehring. Bitte schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist erfreulich, dass wir uns mittlerweile alle in einer Position einig sind, die die GRÜNEN schon lange vertreten, nämlich dass wir möglichst viele Bildungsprozesse vor Ort gestalten müssen und es notwendig ist, unterschiedliche Bildungslandschaften zu gestalten. Die Bedingungen und Anforderungen vor Ort sind unterschiedlich. Die Beteiligten vor Ort wissen oft besser, wie das geht, als vielleicht irgendjemand in München.

Wir haben diese Situation aber nach wie vor. Ich denke an die Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Schularten. Wir haben in der Schulverwaltung eine Versäulung von der Schule nach oben zum Ministerium, aber wenig Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Schularten. Wir bräuchten aber viel mehr Zusammenarbeit, zum Beispiel zwischen den allgemeinbildenden Schulen und den beruflichen Schulen. Wir führen diese Diskussion vor allem deswegen, weil die Kommunen heute viel mehr machen als das, was ursprünglich ihre Aufgabe war. Sie sind nicht mehr nur Sachaufwandsträger, sondern sie kümmern sich um viele Dinge in der Schule, zum Beispiel im Ganztagsbereich, in der Jugendhilfe, aber auch in der Prävention. Deswegen hat es Sinn, dass die Beteiligten vor Ort zusammenarbeiten und eine regionale Bildungslandschaft gestalten, an der die außerschulischen Träger und die Wirtschaft beteiligt sind. Diesen Prozess, diese Diskussion haben wir seit Jahren. Wenn Baden-Württemberg genannt wird, brauchen Sie nicht immer Ihren Reflex zu aktivieren.

(Thomas Kreuzer (CSU): Doch!)

In Baden-Württemberg sind von der damaligen Kultusministerin Dr. Schavan zwei Modellversuche von Bertelsmann initiiert worden. Dass die jetzige Landesregierung das ausweitet, zeigt, dass dort ein guter Prozess in Gang ist.

Natürlich hat auch der bayerische Kultusminister das Thema erkannt und Bildungsregionen auf seine Agenda gesetzt. Wir haben jetzt Bildungsregionen in Bayern, die so aussehen: Es gibt einen Kriterienkatalog des Ministeriums, wonach Arbeitskreise zu bestimmten Themen gebildet werden müssen. Wenn man diese Arbeitskreise gebildet und die Aufgaben abgearbeitet hat, dann bekommt man das Signet oder den Titel "Bildungsregion" verliehen. Es ist ein Titel ohne Mittel; es ist ein Titel, der eigentlich nichts bringt; es ist ein Titel, der vor allem dafür geeignet ist, im Kul

tusministerium eine schöne Feierstunde abzuhalten, bei der man das Etikett überreicht.

Wenn Kollege Steiner sagt, wir in Traunstein brauchen das nicht, dann hat er damit vielleicht recht. Man kann das auch gut machen, ohne den Titel "Bildungsregion" zu bekommen. Wenn wir die Aufgaben der Bildungsregion aber ernst nehmen – das ist ein wichtiges Projekt, es wird insbesondere von der kommunalen Familie unterstützt, vom Städtetag, es gibt die Aachener Erklärung -, dann muss diese Bildungsregion auch Substanz haben. Jemand muss sich darum kümmern, man braucht ein Bildungsbüro, das entsprechend ausgestattet ist, um nachhaltige Arbeit zu leisten. Man braucht auch eine angemessene Finanzierung. –

Kollege Gehring, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Kollege Gehring, sind Sie mit mir der Meinung, dass ein Landkreis das selber in die Hand nehmen kann? Ich frage deswegen, weil wir im Landkreis Traunstein dieses Konzept nicht ablehnen, sondern weil wir bereits vor sieben Jahren ein Konzept für Bildung und Infrastruktur ins Leben gerufen haben. Der Landkreis Traunstein nimmt etliche Millionen Euro in die Hand, um nicht nur umfassend Schulen zu sanieren, sondern auch zu vernetzen. Für dieses Vernetzen von Bildungsangeboten brauchen wir keine staatlichen Mittel und keine Landkreismittel.

Kollege Steiner, stellen Sie die Frage bitte etwas kürzer!

(Zurufe von den GRÜNEN)

Das ist kein Widerspruch zu dem Konzept der Staatsregierung.

Herr Kollege Steiner, auch die Stadt Kempten ist beim Thema Bildungsregion seit Jahren sehr gut unterwegs. Kempten ist jetzt dennoch eine offizielle Bildungsregion, weil sie gesagt haben: Wenn wir das schon machen, dann wollen wir dafür auch den Titel.

Die Frage ist doch: Wie geht es weiter? Wie wird das flächendeckend unterstützt? Viele Aufgaben können wir ohne Bildungsregion und ohne mehr Engagement in diesem Bereich gar nicht lösen. Denken wir nur an das Thema Inklusion. Das geht nur, wenn die Beteiligten vor Ort zusammenarbeiten. Um das nachhaltig auf den Weg zu bringen, brauchen wir finanzielle Unterstützung für diese Bildungsregionen, und insbesondere dort, wo diese Strukturen noch nicht vorhanden

sind. Wir brauchen – das ist bei diesem Antrag heute nicht das Thema – natürlich auch Kompetenzen für die Beteiligten vor Ort, damit sie tatsächlich eine Bildungslandschaft gestalten können. Nur Etiketten und Titel ohne Mittel zu verleihen, ist keine Bildungspolitik, die die Regionen tatsächlich stärkt.

Wir haben deswegen viel Sympathie für diesen Antrag der FREIEN WÄHLER. Wir müssen uns miteinander auf den Weg machen, wenn es uns damit ernst ist, diesen Bildungsregionen Mittel zur Verfügung zu stellen. Wir müssen ihnen aber auch die notwendigen Kompetenzen geben.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der FREIEN WÄHLER)

Danke schön, Kollege Gehring. – Für die Staatsregierung: Herr Staatssekretär Eisenreich. Bitte schön.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin froh, dass wir uns im Ziel einig sind, nämlich der Schaffung von Bildungsregionen. Ich glaube, dass die Vernetzung aller Beteiligten vor Ort, der Schulen, der Schulaufsicht, der Kommunen, der Kammern, der Hochschulen, der Volkshochschulen, der Stiftungen, der Betriebe und vieler weiterer Beteiligter bildungspolitisch einen enormen Mehrwert schafft. Weil das ein wichtiges Ziel ist, hat das Kultusministerium eine Initiative gestartet, um einen Anreiz zu geben, dass diese Vernetzung tatsächlich geschieht.

Es ist schon gesagt worden, was wir uns wünschen: Wir wollen, dass insbesondere die Übergänge verbessert werden, dass die Förderung für die Schülerinnen und Schüler verbessert wird, dass die Räumlichkeiten in der Region besser genutzt werden, vielleicht auch was Leerstände usw. betrifft. Wir wollen Ganztagsangebote und die Vernetzung schulischer und außerschulischer Angebote.

Ich bin froh, dass sich bereits rund 50 Landkreise und kreisfreie Städte auf den Weg gemacht haben. An 16 konnten wir das Siegel "Bildungsregion" schon verleihen. Das Kultusministerium unterstützt diesen Prozess. Es gibt 8 Koordinatoren, die die Landkreise unterstützen.

Jetzt geht es wie oft um die Ressourcen. Ich will nicht verschweigen, dass mehr Ressourcen immer wünschenswert sind. Aber alle oder fast alle Beteiligten von denen, die ich hier genannt habe, haben im Bereich der Bildung Zuständigkeiten, und fast alle haben Ressourcen, und zwar viele. Es muss doch auch möglich sein, zu überlegen, wie vorhandene Ressourcen und Zuständigkeiten effizienter und nachhaltiger

eingesetzt werden können, wie man aus Vorhandenem einen Mehrwert schafft. Das erreicht man mit diesen Bildungsregionen. Ich verstehe die Forderung, noch mehr Mittel zur Verfügung zu stellen. Man kann aber auch mit den vorhandenen Ressourcen und Zuständigkeiten der Beteiligten einen echten Mehrwert schaffen, wenn man die Vernetzung vorantreibt. Das ist übrigens eine Aufgabe in allen Bereichen der Politik, der Gesellschaft und auch der Wirtschaft. Die Vernetzung bringt einen echten Mehrwert. Es muss möglich sein, die vorhandenen Finanzmittel gezielt und mit Mehrwert und Effizienz einzusetzen, anstatt nach mehr Geld zu rufen.

Wenn man nach Baden-Württemberg schaut – damit möchte ich abschließen –, sieht man, dass dieses Land in der Bildungspolitik wirklich kein Vorbild ist. Lieber Kollege Thomas Gehring, ich kann es euch nicht ersparen: Ein Bundesland, das wie Bayern wohlhabend ist, hat angekündigt, über 10.000 Lehrerstellen zu streichen, und hat bereits über 2.000 Stellen gestrichen. So wie wir es machen, mehr Geld und mehr Lehrer, das ist der richtige Weg, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CSU – Helga Schmitt-Bussinger (SPD): Stellen streichen und es nicht sagen! Das macht ihr!)

Moment, Herr Staatssekretär. – Vielen Dank für Ihren Redebeitrag. Jetzt kommt noch eine Zwischenbemerkung vom Kollegen Felbinger.

Herr Staatssekretär, Sie haben gesagt, wir sind uns im Ziel einig, diese Bildungsregionen zu gestalten. Sie haben aber auch gesagt, dass das Ziel sein soll, die Ressourcen möglichst effizient einzusetzen. Sagen Sie damit im Umkehrschluss, dass die Ressourcen im bayerischen Bildungssystem momentan nicht optimal eingesetzt sind?

Nein, das habe ich damit nicht gesagt. Aber durch die Vernetzung von Beteiligten, durch das Miteinander-Reden und durch das Sich-an-Runden-Tischen-Zusammensetzen kann jeder mit den Zuständigkeiten, die er hat, und den Ressourcen, die er momentan in seinem Bereich ausgibt, einen echten Mehrwert schaffen. Niemand kann doch wirklich bestreiten, dass man mit dem, was da ist, etwas Besseres erreicht. Genau das ist das Ziel der Bildungsregionen.

Sie können sich die Bildungsregionen anschauen. Ich war selber schon in einigen und habe die Siegel verliehen. Sie haben dadurch, dass sie Runde Tische ge

macht und miteinander geredet haben – viele haben Arbeitskreise eingerichtet-, mit den vorhandenen Strukturen, den vorhandenen Kompetenzen und dem vorhandenen Geld einen echten großen Mehrwert für die Region geschaffen. Das ist genau das, was wir wollten, und das unterstützen wir auch weiterhin.

Mehr Geld ist, wie gesagt, immer wünschenswert. Aber wir müssen uns noch viel, viel mehr überlegen, wie mit dem, was da ist, einfach mehr zu erreichen ist. Das ist auf jeden Fall eine gute Initiative, die das anstoßen kann.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann ist die Aussprache geschlossen, und wir kommen zur Abstimmung. Der federführende Ausschuss für Bildung und Kultus empfiehlt die Ablehnung des Antrags. Wer dem Antrag entgegen dem Ausschussvotum zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der FREIEN WÄHLER, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Die Gegenstimmen bitte! – Das ist die CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag abgelehnt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 10 auf:

Antrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Günther Felbinger u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Eignungsberatungsverfahren bei Lehramtskandidaten ausbauen (Drs. 17/252)

Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner ist Herr Kollege Felbinger. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Unser Antrag betreffend "Eignungsberatungsverfahren bei Lehramtskandidaten ausbauen" hat heute unerwartet Aktualität bekommen; denn als aufmerksame Abgeordnete konnten Sie heute im Pressespiegel in dem Artikel "Wenn Lehrer nicht abschalten können" in der "WELT" lesen: "Experten sehen die Qualität des Bildungssystems gefährdet". Darin heißt es:

Wichtiger noch als das Arbeitsumfeld sei die Persönlichkeit des Lehrers selbst, heißt es in der Studie. Engagierte Pädagogen sind demnach weniger gefährdet, selbst wenn sie viel arbeiten. Vor allem, wenn sich die Lehrer nicht nur für ihr jeweiliges Unterrichtsgebiet begeistern, sondern auch dafür, Kindern etwas beizubringen, bleiben sie stabil. Wer den Lehrerberuf dagegen nur aus

Verlegenheit oder Arbeitsplatzsicherheit gewählt hat, hat weniger Spaß im Job und ist infolgedessen auch stärker gefährdet, stellen die Autoren fest.

Das stand in der "WELT". Interessanterweise hat heute Vormittag der "vbw" die Studie "Psychische Belastungen und Burnout beim Bildungspersonal" des Aktionsrats Bildung vorgestellt. Dort wird festgestellt: Ausgelaugte Pädagogen beeinträchtigen erheblich die Qualität des Bildungssystems und somit auch die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands, warnt der Aktionsrat Bildung in seiner von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft in Auftrag gegebenen Studie.

Meine Damen und Herren, wir wissen das schon viel länger. Die Goethe-Universität Frankfurt hat einmal erklärt, dass jeder vierte Studienanfänger eigentlich nie Lehrer werden wollte und dass die Studienwahl Lehrer nur eine Notlösung sei. Das Statistische Bundesamt hat bereits 2010 ermittelt, dass jeder fünfte Lehrer aus gesundheitlichen Gründen in den vorzeitigen Ruhestand versetzt wird. Professor Dr. Seibert von der Universität Passau, der dort ein Eignungsverfahren mit dem Namen PArcours durchführt, hat erkannt, dass bis zu 40 % für diesen Beruf eigentlich ungeeignet sind. Ähnliche Studien von Professor Dr. Schaarschmidt besagen: Von 100 Lehrern sind nur 17 wirklich glücklich.

Natürlich kann man sagen, dass das, was ich vorgelesen habe, nicht wissenschaftlich korrekt nachgewiesen werden kann. Aber das steht natürlich irgendwie in Verbindung, und es gibt Indizien, die in die Richtung gehen, dass mit Eignungsverfahren eine bessere Auswahl des Lehrerpersonals erfolgt.

Wir, die FREIEN WÄHLER, wollen, dass junge Menschen aus Überzeugung Lehrer werden und diesen wichtigen pädagogischen Beruf nicht aus der Not heraus wählen. Wir sind der Ansicht, dass es dafür ein probates Mittel gibt – sicher gibt es noch viele andere Eignungsberatungsverfahren für Lehramtskandidaten -, und wir haben auch schon einige positive Beispiele an bayerischen Universitäten. Passau habe ich genannt, und auch das Angebot des Münchner Zentrums für Lehrerbildung sei in diesem Zusammenhang erwähnt.

Daran erkennen Sie, dass sich einige Universitäten in Bayern schon durchaus auf den Weg gemacht haben. Aber damit sind wir noch nicht zufrieden. Wir fordern den Freistaat auf, diesen Prozess mit dem Ziel zu forcieren, dass es an jeder Universität in Bayern ein geeignetes Eignungsverfahren gibt. Dabei sollten die Universitäten in der Ausgestaltung frei sein, aber

durchaus vom Freistaat finanzielle Unterstützung erhalten.