Protocol of the Session on June 6, 2018

Insgesamt finden wir es gut, dass die SPD einen Gesetzentwurf eingebracht hat. Deswegen diskutieren wir endlich einmal hier im Landtag und in den Ausschüssen über dieses Thema. Wir werden uns bei der Abstimmung über diesen Gesetzentwurf anders als im Ausschuss enthalten und nicht ablehnen, weil es gut ist, dass die SPD hier einen Vorstoß gemacht hat. Das muss man ganz klar sagen. Sie hat Defizite festgestellt, die auch wir sehen. Wenn bei 2.000 Gemeinden nur in 1.400 Gemeinden ein Seniorenbeauftragter da ist oder wenn 400 Kommunen überhaupt noch nichts haben, dann fehlt eben etwas. 18 Landkreise haben eine Seniorenvertretung, 42 Landkreise einen Seniorenbeauftragten. Aber in 19 Landkreisen haben wir Fehlanzeige. Da müssen wir etwas tun.

Wenn über "vorhandene Strukturen" gesprochen wird, Herr Goppel: Wir haben diese Landesseniorenvertretung, und die Landesseniorenvertretung hat Strukturen. Man könnte auf diesen Strukturen aufbauen; aber – das habe ich auch immer gesagt – das ist bei der Landesseniorenvertretung immer noch zu wenig. Es gibt nur 190 kommunale Seniorenvertretungen, und

zwar in Städten, Gemeinden und 25 Landkreisen. Das ist insgesamt zu wenig. Da das zu wenig ist, aber Strukturen vorhanden sind, sollten wir auf diesen aufbauen. Das war die ganze Zeit so.

Herr Goppel, Sie haben sich jetzt ein bisschen zurückgehalten. Sie haben sich in den vergangenen Diskussionen immer sehr stark am Herrn Wölfl abgearbeitet. Sie haben ihn, einen früheren Ministerialrat, immer wieder kritisiert. Das hat mich sowieso verblüfft, dass Sie das machen, wo Sie selbst mal Minister waren. Da haben Sie also einen ehemaligen Ministerialrat ganz schön abgekanzelt. Aber das nur so am Rande. Wir haben Herrn Wölfl immer verteidigt, weil er nicht die Landesseniorenvereinigung ist, sondern nur der Vorsitzende. Er hat einen Vorstand, der sich insgesamt dafür engagiert. Wir brauchen, da gebe ich Frau Rauscher völlig recht, eine starke Lobby für die älteren Menschen in Bayern. Da muss noch viel mehr gemacht werden. Vielleicht machen wir es zusammen. Das ist richtig, aber da muss ich zu Ihnen, Herr Goppel, auch sagen: Sie sind seit 1974 im Landtag. Sie sind ein CSU-Dauerbrenner. Das ist durchaus positiv gemeint. Sie haben am 25.01. die Einrichtung eines Landesseniorenbeirats sogar als wichtig empfunden. Dann frage ich mich, Herr Goppel: Warum haben Sie in den 44 Jahren Ihrer Tätigkeit im Bayerischen Landtag nicht mehr getan

(Beifall bei der SPD – Katharina Schulze (GRÜNE): Da hat er wohl nicht zugehört!)

und haben erst nach 44 Jahren durch den Gesetzentwurf der SPD gemerkt, dass das Thema der Senioren insgesamt sehr wichtig ist? – Vielleicht schaffen Sie es, Herr Goppel, dass wir zusammen aufwachen und zusammen etwas erreichen.

Wir kommen morgen noch zu dem Gesetzentwurf der FREIEN WÄHLER. Der Gesetzentwurf der SPD ist uns insgesamt ein wenig zu aufgebläht. Das muss man leider sagen. Da gibt es neues Gremium, einen Landesseniorenbeirat. Wir meinen, da kann es auch zu Interessenskonflikten kommen. Dann gibt es noch konkret einen Beauftragten. Da meinen wir, uns würde eine schmale Konstruktion besser gefallen, diese Konstruktion, die die Landesseniorenvertretung insgesamt hat. Das ist für uns wichtig. Wir müssen uns mit den Themen der Senioren beschäftigen, und wir müssen das insgesamt weiterbringen. Herr Goppel, der Landtag besteht ja noch ein paar Monate. Dann machen Sie vielleicht konkret einen Vorschlag, was man insgesamt machen kann.

Frau Rauscher wird morgen zu den FREIEN WÄHLERN wahrscheinlich wieder sagen, die FREIEN WÄHLER machen es sich ganz einfach. Sie schrei

ben von der LSVB ab. Dazu sagen wir: Wenn wir etwas Gutes finden, warum sollen wir das nicht abschreiben? Dann übernehmen wir das. Das macht ihr von der CSU sehr oft, auch bei Anträgen der FREIEN WÄHLER. Ihr bringt sie einige Monate später als eure eigenen Anträge ein. Wir sind nicht so ideologisch. Wenn etwas gut ist, dann stimmen wir dem zu, auch wenn es von der CSU kommt. Wir erkennen das auch bei anderen Parteien. Die SPD in Bayern schreibt gelegentlich von der SPD in Nordrhein-Westfalen, Thüringen oder anderen Bundesländern ab. Wenn das, wovon abgeschrieben wird, etwas Gutes ist, dann ist das in Ordnung. Sie können uns also nicht vorwerfen, dass auch wir etwas Gutes gefunden haben.

Es geht um die Landesseniorenvertretung. Das ist unser Einstieg in dieses Thema. Wir müssen mehr für die Senioren tun. Ich bin seit fast zehn Jahren Mitglied des Landtages. In diesem Zeitraum haben wir insgesamt zu selten über dieses Thema gesprochen. Wir haben uns intensiv mit Jugendthemen beschäftigt; dazu hatten wir sogar eine Enquete-Kommission. Aber für die Senioren war es insgesamt noch zu wenig; insoweit könnten wir noch mehr tun.

Ein Punkt betrifft das Freistellungsgesetz. Für die Zwecke der Jugendarbeit haben wir eines verabschiedet. Warum können wir kein Freistellungsgesetz für die Zwecke der Seniorenarbeit verabschieden? – Das ist ein Punkt, der noch auf der Halde liegt. Mit einem solchen Gesetz würden wir Menschen, die sich für Senioren einsetzen, erheblich unterstützen.

Ich fasse zusammen: Wir finden es zunächst einmal positiv, dass die SPD-Fraktion dieses Thema aufgebracht hat. Deswegen werden wir den Gesetzentwurf nicht ablehnen, sondern wir werden uns der Stimme enthalten.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Einen kleinen Moment, Herr Kollege! Wir haben eine Zwischenbemerkung von Herrn Kollegen Goppel.

Diese habe ich schon erwartet – oder: erhofft.

(Heiterkeit bei den FREIEN WÄHLERN)

Sie mussten sie erwarten, weil Sie so getan haben, als ob Sie in den zwölf Minuten zuvor nicht dabei gewesen wären.

(Heiterkeit und Beifall bei der CSU)

Ich habe Ihnen genau aufgezählt, was wir gemacht haben. Wir haben als eines der ersten Länder eine Landesseniorenvertretung gegründet. Diese ist nicht Bestandteil des Sozialministeriums, wird aber von diesem gefördert. Das geschah nicht nur mit meinem Einsatz, sondern mit der Zustimmung vieler anderer.

Wir hatten einen Senat. Diesen haben wir gemeinsam abgeschafft, allerdings ohne die FREIEN WÄHLER; das halte ich fest.

Damals waren wir halt noch nicht dabei.

(Florian von Brunn (SPD): Das war das Volk!)

All das gehört zu dem Gesamtpaket unserer Politik, obwohl wir angeblich nichts gemacht haben. Diese Art und Weise der Herabwürdigung der Politik anderer Parteien lehne ich ab. Das wollte ich Ihnen gern mit an den Platz geben.

(Beifall bei der CSU)

Das ist sehr nett. Dafür bekommen Sie sogar Beifall von Ihrer Fraktion.

Es ist so: Wir haben auch eigene Vorschläge unterbreitet. Natürlich habe ich gehört, was Sie gesagt haben. Aber es geht darum, dass wir noch mehr tun. Sie haben insgesamt noch zu wenig gemacht. Nur darauf wollte ich hinweisen. Herr Goppel, vielleicht sind wir noch einmal gemeinsam auf dem Weg, echte Fortschritte für die Senioren zu erreichen. Diese Hoffnung äußere ich unabhängig davon, dass Sie den Senat abgeschafft haben. Aber ich glaube, das war die Bevölkerung; dazu gab es ein Volksbegehren. Das waren gar nicht Sie. Das nur am Rande.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Kollege Dr. Fahn. – Die nächste Wortmeldung: Kollege Dr. Runge. Bitte sehr.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir haben über dieses Thema nicht nur hier im Plenum, sondern auch schon häufig in den Ausschüssen beraten. Die FREIEN WÄHLER haben einen vergleichbaren Gesetzentwurf eingebracht. Dieser hieß allerdings nicht "Seniorenmitwirkungsgesetz", sondern "Seniorenmitgestaltungsgesetz". Ansonsten gab es nur geringfügige Unterschiede.

Mit diesen Gesetzentwürfen werden berechtigte Anliegen verfolgt. Das Ziel, die Partizipation auch von Menschen älteren Semesters am politischen Geschehen zu ermöglichen, vor allem im Vorfeld von Entscheidungen, die auch seniorenspezifische Aspekte haben, ist vernünftig.

Wir haben schon in den Ersten Lesungen dargelegt, anhand welcher Fragestellungen wir die beiden Gesetzentwürfe beurteilen: Wo gibt es welche Defizite und, daraus folgend, wo gibt es welche Handlungsnotwendigkeiten? Wie sind die vorgeschlagenen Instrumente und Institute zu beurteilen?

Über das, was hier vorgetragen und schon an anderer Stelle schriftlich festgehalten worden ist, zum Beispiel den Landesseniorenrat, da kann man durchaus diskutieren, auch wenn eine andere Ausgestaltung möglich ist. Was uns aber massiv stört – jetzt bin ich konkret bei dem Gesetzentwurf der SPD-Fraktion –, ist, dass den Kommunen vorgegeben werden soll, wie sie ihre Aufgabenerfüllung organisatorisch im Detail ausgestalten sollen. In dem Gesetzentwurf heißt es: "In den Gemeinden sollen Seniorinnen- und Seniorenbeiräte…gewählt werden." Was "sollen" heißt, das haben wir immer wieder ausführlich zur Kenntnis gebracht bekommen, insbesondere in der berühmten "Strabs"Debatte.

Ich frage mich, wo in Bezug auf dieses Thema Defizite auf kommunaler Ebene vorhanden sind. Ich habe es schon x-mal vorgebetet. In der Fraktion bin ich übrigens wie die Jungfrau zum Kind zu diesem Thema gekommen – dank eines pointierten Redebeitrags.

(Heiterkeit der Abgeordneten Katharina Schulze (GRÜNE))

Ich sehe insoweit keine Defizite. Dies sage ich, nachdem ich mich mit der Situation in vielen Kommunen befasst habe. Ich lege Ihnen dar, wie es bei uns ausschaut: In der Verwaltung gibt es Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die für dieses Thema zuständig sind. Selbstverständlich ist ein Gemeinderat gleichzeitig Seniorenreferent. Es gibt Senioren-Bürgerversammlungen. Fast alle regulären Bürgerversammlungen sind auch Senioren-Bürgerversammlungen, wenn ich mir die Zusammensetzung ansehe.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der CSU)

Auch erinnere ich an ein großes Problem: In nahezu allen Räten, ob es Gemeinderäte, Stadträte, Kreistage oder Bezirkstage sind, liegt das Durchschnittsalter bei über 60 Jahren. Bei uns ist die Hälfte der 24 Gemeinderäte zwischen 60 und 80 Jahre alt. Dass es bis zum Ende der Sitzungsperiode in knapp zwei Jahren,

im Frühjahr 2020, so bleibt, ist nur der Tatsache geschuldet, dass zwei Gemeinderäte in die nächste Alterskohorte, die der 80- bis 100-Jährigen, hinüberwandern.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Das ist eine Tatsache.

Wenn wir beispielsweise eine Ausschreibung starten, zum Beispiel für Wahlen zum Seniorenbeirat, wenn wir eine Veröffentlichung machen, zum Beispiel zu einer Bürgerwerkstatt oder, wie bei uns jüngst geschehen, zu einem ISEK-Steuerungsgremium – ISEK steht für Integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept –, wer meldet sich dazu? Nahezu nur die 60- bis 90-jährigen Herrschaften. Ich hätte fast gesagt, auch die Damen. Aber das trifft nicht zu. Kollege Goppel hat auf diesen ernsten Punkt aufmerksam gemacht. Es sind nahezu nur ältere Männer, die sich melden, ob es um die Wahl eines Seniorenbeirats geht oder um die weiteren Gremien, die ich genannt habe.

Frau Rauscher, das ist ein Punkt, um den auch Sie sich kümmern sollten. Wir alle müssen uns darum kümmern, dass sich diese Zusammensetzung ändert.

(Zuruf der Abgeordneten Doris Rauscher (SPD))

Ja, darum sollten wir uns gemeinschaftlich kümmern. Das hätte Sinn.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich betone: Ein Defizit auf kommunaler Ebene vermag ich insoweit nicht zu erkennen.

Kolleginnen und Kollegen, wenn wir jetzt festlegen, ein Seniorenbeirat – oder Seniorenrat, wie auch immer wir ihn nennen wollen – sei verpflichtend, mit welcher Rechtfertigung, mit welcher Argumentation wollen wir dann einen solchen Beirat oder Rat für andere Personengruppen ausschließen? Ich nenne zum Beispiel den Jugendbeirat. – Katharina Schulze hört mir sehr aufmerksam zu, Herr Kollege Goppel. Sie gehört also zur Generation der Menschen, die zuhören. – Warum soll es also keinen Jugendbeirat geben? Die jungen Menschen sind doch viel schwerer zu mobilisieren, sich am politischen Geschehen zu beteiligen.

Wie sieht es mit Ausländerbeiräten aus, wie mit Behindertenbeiräten? Wir können uns weitere Aufgabengebiete ansehen und fragen: Was ist mit Kulturbeiräten, Sportbeiräten, Gewerbebeiräten, Umweltbeiräten? Wo ziehen wir die Grenze?

Daher sagen wir: Bitte lasst die Kommunen ihre Aufgaben in dem organisatorischen Gewand erfüllen, wie sie es für richtig halten. Deswegen können wir diesem Gesetzentwurf der SPD-Fraktion nicht zustimmen. Der Ansatz ist selbstverständlich berechtigt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Einen kleinen Moment noch! Wir haben eine Zwischenbemerkung von Herrn Kollegen von Brunn. Bitte schön.