Protocol of the Session on April 26, 2018

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin, ich glaube, in der Zielsetzung sind wir uns einig. Wir wollen versuchen, die Barrieren in allen Bereichen, wo es noch Barrieren gibt – da gibt es eine ganze Menge –, Stück für Stück abzubauen. Das Ziel "Bayern barrierefrei im öffentlichen Raum bis 2023" ist eines der Ziele des ehemaligen Ministerpräsidenten gewesen. Ich bin heute noch dankbar, dass er diese Vision ausgesprochen und damals auch in einer Regierungserklärung erwähnt hat. Seitdem reden wir überhaupt über den Abbau von Barrieren,

(Margit Wild (SPD): Schon länger her!)

nicht nur von den Barrieren, die wir alle in Form von Beton sehen. Das ist Punkt eins.

Punkt zwei. Sie haben auch die anderen Länder angesprochen. Ja, es gibt fünf oder sechs Bundesländer – nageln Sie mich jetzt bitte schön nicht auf die Zahl fest –, die bereits Leistungen für gehörlose Menschen haben. Wenn ich mir diese so anschaue – ich habe mir bloß fünf rausgeschrieben –, dann haben wir mindestens noch neun oder zehn Bundesländer, die keine Leistung gewähren.

(Zuruf der Abgeordneten Kerstin Celina (GRÜNE))

Der Vorschlag, den Sie jetzt unterbreitet haben, Frau Celina, bedeutet rein von der Summe her einen sehr hohen Betrag, der alle bisherigen Leistungen der anderen Bundesländer überschreitet. Auch darüber müssen wir reden. Wir müssen darüber reden, wo. Wir müssen über die Angemessenheit reden. Wir müssen darüber reden, welche Personenkreise, welche Arten von Behinderungen, welche Arten von Barrieren es gibt. Dann müssen wir schauen, was es bereits in der Eingliederungshilfe gibt. Was können wir in diesem Bereich mit unserem Koalitionspartner in Berlin abdecken, und was führen wir als bayerische Sonderlösung in Ergänzung zum bisherigen Gesetz ein? Darüber müssen wir uns unterhalten. Darum befürworte ich auch eine ergebnisoffene Diskussion im Sozialausschuss.

Danke schön. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Deckwerth.

(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Bayerischen Landtag! Ich hätte gerne, wie vorhin schon erwähnt, unseren Ministerpräsidenten zu dem Thema begrüßt; denn nachdem das Thema Inklusion in der Regierungserklärung nicht stattgefunden hat, ist es anscheinend auch

heute nicht wichtig genug, es in Regierungshandeln aufzunehmen. – Jedenfalls baut diese Gesetzesinitiative der GRÜNEN auf der Grundidee Inklusion auf, die Gesellschaft wesentlich konstituiert, also eine Idee, nach der jede und jeder, gleich welcher Herkunft, gleich welchen Alters oder Geschlechts, gleich welchen Vermögens, gleich welchen Aussehens, gleichberechtigtes Mitglied der Gesellschaft ist, konstituiert durch unser Grundgesetz und unsere Bayerische Verfassung. Darin ist betont und dargelegt, dass die Würde eines Menschen unantastbar ist und jeder Mensch ein besonderer Mensch, ein besonderes Wesen ist, das zu schützen auch staatliche Aufgabe ist. Nach dieser Idee ist Inklusion ein konstituierendes Merkmal unserer Gesellschaft. Die Aufgabe, diese Inklusion auch im Kontext von Menschen mit Behinderung sicherzustellen, hat uns die Behindertenrechtskonvention der UN noch einmal deutlich vor Augen geführt.

Bei dieser staatlichen Aufgabe, der wir uns stellen müssen, gibt es noch viel zu tun. Im Einzelnen haben wir hier auf staatlicher Seite in den letzten Jahren wichtige Schritte vollzogen; aber sie sind halt noch nicht ausreichend. Da nenne ich jetzt diesen einen großen Schritt, der sich Bundesteilhabegesetz nennt. Herr Kollege Huber, Sie haben darauf hingewiesen. Im Rahmen dieses Teilhabegesetzes kam der Gedanke hoch, dass Menschen mit Behinderung selber entscheiden können, wie sie eigenständig leben möchten, und dass die Unterstützung nicht nach einer pauschalierten Festlegung erfolgt, sondern dass Teilhabe heißt: Die Menschen artikulieren selber, was sie tun möchten. Die Frage ist, wie Gesellschaft unterstützen kann, dass die Teilhabe gelingt. Da war die Idee eines Teilhabegeldes ein ganz wichtiger Punkt, bei dem wir zutiefst bedauern, dass er nicht umgesetzt worden ist.

(Thomas Huber (CSU): Wir auch!)

Das ist ein entscheidender Baustein. Es freut mich natürlich, dass Sie das hier so betonen. Aber ich darf Sie erinnern: In dieser Regierung waren wir ja vereint, und leider konnten wir uns Ihnen gegenüber nicht durchsetzen. Gerade der Teil der Bundesregierung, der aus Bayern stammt, hat das Ganze leider mit geblockt.

(Zuruf des Abgeordneten Thomas Huber (CSU))

Vielleicht schaffen wir es ja auf bayerischer Ebene, dass Sie auf Ihrer Seite einen neuen Weg mitgehen können, den wir schon seit Langem gehen wollen, damit eben ein solches Teilhabegeld als grundsätzlicher Nachteilsausgleich möglich wird. Nun gut, wir können hier nicht die Bundesebene darstellen.

Wir konzentrieren uns jetzt auf das, was wir in Bayern machen können. In Bayern gibt es das Bayerische Teilhabegesetz I. Dann gibt es für die Personengruppe blinder und schwer sehbehinderter Menschen die Möglichkeit, einen besonderen Nachteilsausgleich für besondere Mehraufwendungen zu erhalten, um die Lücken, die bei der Umsetzung der Inklusion noch vorhanden sind, zu schließen: das Blindengeld. Es berücksichtigt die besonderen Situationen. Wir haben erst vor Kurzem hier im Hause die Erweiterung des Kreises der Anspruchsberechtigten erreichen können. In diesem Kontext – es wurde aufgezählt und dargelegt – ist der Personenkreis, sofern er zu blinden und sehbehinderten Menschen gehört, aber auch Taube oder Schwerhörige, schon integriert.

Die Gesetzesinitiative der GRÜNEN – Frau Celina, Sie haben es dargelegt – versucht, den Berechtigtenkreis zu erweitern. Menschen, die einen höheren Grad der Behinderung haben, die taub oder schwerhörig sind, sind durchaus in einer vergleichbaren Situation wie blinde und schwer sehbehinderte Menschen, in der sie aufgrund ihrer Behinderung besondere Aufwendungen betreiben müssen.

Wir hatten als SPD-Fraktion unlängst am 22.03. hier im Landtag ein Treffen mit Mitgliedern des Netzwerks Hörbehinderung. Dabei wurde an ganz praktischen Beispielen deutlich vorgeführt, was man alles braucht, um teilhaben zu können, wenn man diese Behinderung hat. Insofern sehen wir hier absolut die Analogie zu den Menschen mit Sehbehinderung bzw. blinden Menschen und unterstützen daher die Idee einer Erweiterung des Blindengeldes um den Personenkreis der Gehörlosen.

Ich möchte hier nochmals betonen: Wir wünschen uns hier einen generellen Nachteilsausgleich, unabhängig von der Behinderungsart, zu erreichen. Das wurde auf Bundesebene bisher nicht erreicht. Vielleicht schaffen wir das ja in den Diskussionen im Sozialausschuss. Herr Huber, wir wären sehr froh, wenn Sie uns bei diesem Bemühen weiter begleiten könnten, unabhängig von der Art der Behinderung einen Nachteilsausgleich zu schaffen. Hier und heute wäre es aber ein weiterer Schritt, wenn man das wenigstens für die Personengruppe der hörbehinderten Menschen erreichen könnte. Insofern unterstützen wir das Vorhaben. Wir wünschen uns auch von Ihrer Seite breite Unterstützung. Ich freue mich auf hoffentlich ergebnisoffene Gespräche und den Austausch im Sozialausschuss.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Fahn.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Qualität einer Gesellschaft erkennt man daran, wie sie mit den Schwächsten umgeht. – Diesen Satz hätte man sich auch von unserem Ministerpräsidenten Markus Söder gewünscht. Er hat ihn nicht gebracht. Deshalb bringe ich ihn hier, weil das ein ganz wichtiger Satz ist, den wir umsetzen müssen. Blicken wir zurück: Durch die am 25.10.2017 beschlossene Änderung – da haben wir vier oder fünf Jahre diskutiert, um das zu erreichen – erhalten nun hochgradig Sehbehinderte und hörsehbehinderte Menschen Leistungen nach diesem Gesetz. Das hat lange gedauert. Jetzt kommt dieser Gesetzentwurf der GRÜNEN. Wir bedanken uns, weil es wichtig ist, in diese Richtung weiterzuarbeiten und weiterzudenken.

Das regt natürlich die CSU, auch Herrn Huber, an zu überlegen, wie wir diesen Weg weitergehen können. Herr Huber, Ihre Aussage ist natürlich richtig, dass es noch viele Barrieren gibt, die wir Zug um Zug abbauen müssen. Aus diesem Grund brauchen wir Anregungen, um uns mit diesem Thema noch intensiver zu beschäftigen. Deshalb ist der Gesetzentwurf der GRÜNEN insgesamt gut und richtig.

Gehörlose sind eben Hörbehinderte, die vorzugsweise in der Gebärdensprache kommunizieren und sich der Gebärdensprachgemeinschaft zugehörig fühlen. Dafür gibt es viele Beispiele. Mittels Lichtsignalen oder Vibrationsanlagen können Gehörlose ihren Alltag zu Hause weitgehend allein managen, vorausgesetzt, diese Hilfsmittel werden von den gesetzlichen Krankenkassen als notwendig anerkannt. Herr Huber hat darauf hingewiesen, dass es entsprechende Leistungen bereits in sechs Bundesländern gibt. Man sollte zumindest in Bayern darüber diskutieren, dies auch hier anzubieten; denn wir wollen doch immer besser sein als die anderen Bundesländer. Deswegen können wir nicht sagen: Weil es diese Leistungen in manchen Bundesländern nicht gibt, müssen wir hier defensiv vorgehen. Nein, wir müssen hier offensiv vorgehen, damit die 9.000 Gehörlosen in Bayern 60 % des vollen Blindengeldes erhalten.

Der Gesamtbetrag umfasst, wie im Gesetzentwurf der GRÜNEN aufgeführt ist, 51 Millionen Euro. Wir haben aber auch festgestellt, dass diese Summe im Vergleich zu anderen Bundesländern relativ hoch und großzügig bemessen ist. Darüber, ob die hierfür vorgeschlagene Höhe richtig und notwendig ist, müssen wir im Sozialausschuss nochmals diskutieren, Aber vom Grundsatz her ist der Ansatz richtig. Deswegen unterstützen wir diesen Gesetzentwurf. Allerdings wollen wir versuchen, das Ganze im Sozialausschuss abzurunden.

Herr Huber, natürlich gibt es viele andere Gruppen, die bisher noch keinen Nachteilsausgleich bekommen. Wenn es Mängel gibt, dann versuchen wir, diese Mängel anzugehen und zu beseitigen. Aber Sie können nicht wieder ein Gesamtkonzept fordern, dessen Erarbeitung viele Monate oder Jahre dauert.

Wir halten den Gesetzentwurf für einen guten Einstieg und unterstützen das Begehren grundsätzlich. Wir hoffen aber, dass dieses Thema im Sozialausschuss nochmals intensiv diskutiert wird.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Ich schlage vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Arbeit und Soziales, Jugend, Familie und Integration als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 f auf:

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung der Sozialgesetze (Drs. 17/21571) - Erste Lesung

Den Gesetzentwurf begründet Frau Staatsministerin Schreyer. Frau Staatsministerin, bitte.

Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Jedem von uns ist klar, dass die Situation "Schulden, Insolvenz, drohende Armut" eine der belastendsten ist, die es geben kann. Insofern ist es natürlich wichtig, dass wir gemeinsame Unterstützungsangebote stricken und unterbreiten, die so passgenau sind, dass wir den Menschen gut begegnen können.

Die Schuldner- und Insolvenzberatung soll jetzt zusammengeführt werden. Ziel ist, dass die Beratung in einer Hand liegt, nämlich in der Hand der Kommunen, weil jetzt die Übergänge oft unklar sind oder die Personen wechseln müssen. Ziel sind nicht verschiedene Beratungskontexte, sondern dass zu unterstützende Menschen möglichst bei einer der sie beratenden Personen bleiben können. Zukünftig werden also sowohl für die Schuldner- als auch für die Insolvenzberatung die Landkreise und kreisfreien Städte zuständig sein. Damit setzen wir die Resolution des Sozialausschusses im Hohen Haus um. Wir erreichen damit, wie ich eben gesagt habe, zum einen die Beratung aus einer Hand. Zum anderen wollen wir in Bayern ein flächendeckendes Angebot dieser Beratung sowie eine Steigerung der Effizienz.

Dieses Gesetz soll zum 1. Januar 2019 in Kraft treten. Dieser Zeitpunkt war der Wunsch der Kommunen, um einen zeitlich notwendigen Vorlauf für die Organisation zu haben. Wir kommen an der Stelle dem Wunsch der Kommunen nach, weil Qualität vor Geschwindigkeit geht. Wichtig ist, dass es dann auch passt und die Qualität vor Ort entsprechend angeboten werden kann.

Selbstverständlich werden die den Kommunen entstehenden Kosten vollständig erstattet. Wir werden die Kosten immer überprüfen. Das ist klar. – Mit diesem Gesetz können wir den betroffenen Menschen, die Schulden haben und Insolvenz anmelden müssen, eine passgenaue, sehr gute Lösung und Hilfe anbieten.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön. – Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Waldmann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist gut, dass dieses Gesetz jetzt auf den Weg kommt. Allerdings ist dieses Gesetz längst fällig. Diese Problematik wird von uns, aber auch von den Wohlfahrtsverbänden, von den betroffenen Organisationen und den Kommunen schon sehr lange angesprochen. Der Oberste Rechnungshof hat bereits 2013 angemahnt, dass die Insolvenzberatung neu organisiert werden muss. Auch der Bericht der Staatsregierung und der im Sozialausschuss gemeinsam gefasste Beschluss hierzu erfolgten bereits Anfang des Jahres 2015.

Wie Sie den Stellungnahmen der Fachverbände und der Kommunen entnehmen konnten, haben wir inzwischen ein ziemliches Herumgeeiere bezüglich des Termins des Inkrafttretens, nämlich darüber, ob dieses Gesetz rückwirkend zum 01.01.2018, im Juli 2018 oder Anfang 2019 in Kraft treten soll. In dieses Schlamassel hat man sich manövriert, weil es so lange gedauert hat, bis dieses Gesetz endlich vorliegt. Sonst wäre es nicht so weit gekommen.

Warum ist das wichtig? – Die Frau Ministerin hat gesagt, mit der Einführung dieses Gesetzes 2019 komme man den Kommunen entgegen und entspreche deren Wünschen. Man entspricht jedoch nicht den Wünschen der Fachverbände und der Freien Wohlfahrtspflege, die diese Beratungsstellen tatsächlich unterhalten; denn diese Organisationen wollten diese Leistungen gerne rückwirkend zum Anfang dieses Jahres, weil sie schon lange auf Kosten sitzen bleiben. Die Fallpauschalen wurden seit 1999 nicht erhöht, obwohl die Personalkosten und die Anzahl der Fälle erheblich gestiegen sind.

Außerdem sind durch die Reform des Insolvenzrechts 2014 neue Aufgaben hinzugekommen. Alles das blieb bislang unberücksichtigt. Die Reform des Insolvenzrechts war eine wirklich gute Errungenschaft der damaligen rot-grünen Bundesregierung. Seitdem ist die Insolvenzberatung ganz klar Aufgabe der Länder. Aber erst jetzt kommen wir zu einer tatsächlichen Regelung. Das war nicht gerade schnell.

Für uns im Landtag heißt das: Die Haushaltsmittel sind zwar 2008 deutlich angehoben worden, seit 2009 aber nicht mehr. Für 2019 stehen dafür acht Millionen Euro im Haushalt, für die Zeit davor jedoch nicht. Hinzu kommt das Problem der Haushaltssperre, die sich auf etwa zwei Millionen Euro bezieht. Wir haben als SPD gefordert, dieses Geld im Nachtragshaushalt lockerzumachen. So ist es aber nicht gekommen. Dieses Schlamassel hätte man sich bei frühzeitigerem Handeln tatsächlich ersparen können.

Bei der Kostenaufstellung im Gesetzentwurf fehlt bezüglich der Kosten, die bislang von den Trägern und Kommunen aufgefangen wurden, folgender Aspekt: Zum einen lasse sich das Leid und die Not im Umfeld, etwa in den Familien der betroffenen Personen, schwer beziffern. Aber es ist wohl für jeden nachvollziehbar, dass bei rechtzeitiger Beratung weitere Schulden und weitere Not hätten vermieden werden können. Zum anderen entstehen den Gläubigern in der Zwischenzeit Kosten, auf denen sie sitzenbleiben, etwa durch unbezahlte Rechnungen und Dienstleistungen. Auch dann, wenn es bei Verhandlungen und Vereinbarungen um den Erlass von Schulden geht, bleibt am Ende bei den Gläubigern immer eine Last hängen, die immer größer wird, je länger eine vernünftige Regelung dauert.

Wir wissen aus dem Bericht und aus den Antworten der Staatsregierung auf unsere Anfragen, dass die Dunkelziffer der betroffenen Personen besonders hoch ist, insbesondere bei jungen Menschen. Wir müssen uns also noch mehr anstrengen, um die von Insolvenz und Schulden betroffenen Personen zu erreichen. Das heißt allerdings auch, dass die Fallzahlen und damit auch die Kosten steigen werden. Klar ist: Je früher beraten und geholfen wird, desto geringer ist der Schaden für alle.

Auffallend ist, dass die Überschuldungsquote dort, wo es keine oder nur eine eingeschränkte Beratung gibt, besonders hoch ist. Auch das wissen wir aus den Aufzählungen und Berichten. Diese Situation haben wir derzeit in Bayern in 18 Landkreisen und in der kreisfreien Stadt Schweinfurt. Dort gibt es bisher nur eine eingeschränkte Beratung, und dort ist die Überschuldung besonders hoch.

Noch ein ganz wichtiger Punkt: Bisher hatten die beratenden Stellen die Befugnis, den Schuldner im gesamten Insolvenz- und Restschuldbefreiungsverfahren vor Gericht zu vertreten. Das soll aber geändert und zum Regelfall, von einer Kann-Bestimmung zu einer Soll-Bestimmung, werden. Die Landesarbeitsgemeinschaft der öffentlichen und freien Wohlfahrtspflege in Bayern legt Wert darauf, dass die Stellen selbst darüber entscheiden können und müssen, ob und in welcher Form sie vor Gericht die Schuldner vertreten. Warum ist das wichtig? – Da beraten keine Juristen. Es geht um die Ziele und Handlungsprinzipien der sozialen Beratung. Es geht darum, dass die Schuldner in die Lage versetzt werden sollen, ihre Existenz selbstständig sicherzustellen. Sie sollen in der Lage sein, ihre finanziellen Angelegenheiten selbst zu regeln und auch das Insolvenzverfahren eigenverantwortlich zu durchlaufen.

Es geht also nicht darum, ein juristisches Verfahren zügig durchzuziehen, sondern es geht um die künftige selbstständige Lebensgestaltung. Dafür ist die intensive Mitwirkung der Betroffenen selbst an der Entschuldung maßgeblich. Die Beratung steht in diesem Prozess zur Seite, sie hilft, und sie kann im Einzelfall auch vertreten, wenn das sinnvoll erscheint. Es geht aber nicht darum, alles komplett von den Schultern des Betroffenen zu nehmen. Die Regelungen müssen schließlich auch für die Zukunft gelten. Außerdem: Wenn die Beratungsstellen im Regelfall vor Gericht vertreten sollen, dann müssen verstärkt Juristen eingestellt werden. Das aber heißt, dass die Personalkosten steigen, und dafür ist bislang noch kein Geld vorgesehen. Es wäre auch das falsche Signal an die betroffenen Personen. Es geht nicht darum, ihnen das Verfahren abzunehmen, sondern darum, sie geeignet zu beraten und sie selbst in die Lage zu versetzen, künftig ein schuldenfreies Leben meistern zu können. Deshalb ist das ein ganz wichtiger Aspekt, und ich bitte, ihn im Verlauf der Gesetzesberatung noch zu korrigieren.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der FREI- EN WÄHLER)

Danke schön. – Nächster Redner ist Herr Kollege Unterländer.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! In dieser Frage kommt es zu einer äußerst seltenen Allianz zwischen dem sozialpolitischen Ausschuss und dem Bayerischen Obersten Rechnungshof, um die Schuldner- und Insolvenzberatung am besten auf kommunaler Ebene zusammenzulegen. Sowohl der sozialpolitische Ausschuss als auch der Bayerische Oberste Rechnungshof in seinen Prüfungserinnerungen haben