Unsere Polizei muss Gefahren vorbeugen können. Ich denke, unsere Bürgerinnen und Bürger haben darauf Anspruch, auch wenn wir immer wieder sagen müssen, dass es natürlich keine 100-prozentige Sicherheit
geben wird. Deswegen brauchen wir den Rechtsbegriff der "drohenden Gefahr". Wir brauchen diese Eingriffsschwelle. Sie ist dringend notwendig und erforderlich.
Wir beschränken uns als Freistaat Bayern nicht darauf, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wortwörtlich wiederzugeben, sondern wir schaffen eine eigene Begriffskategorie. Wir sorgen für eine gesetzliche Normierung. Das zeigt klar und eindeutig, dass wir in Bayern im Bereich der inneren Sicherheit die Maßstäbe für unsere Bürgerinnen und Bürger setzen. Sie können sich darauf verlassen, dass wir ihnen größtmögliche Sicherheit gewährleisten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Die Umsetzung der EU-Datenschutzrichtlinie und die Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts bis zum Mai dieses Jahres waren der Anlass zur Überarbeitung des PAG. Dass man nun – warum auch immer; manche haben das Wort "Wahlkampf" in den Mund genommen – aus dem erneuerten PAG, das durchaus – da gebe ich Ihnen recht, Herr Schindler – aus verschiedenen Blickwinkeln gesehen werden kann, den Anspruch ableitet, ein vermeintliches Überwachungsgesetz – begeistert eingebracht durch die Bayerische Staatsregierung, durchgeführt von willfährigen Bütteln, nämlich der bayerischen Polizei – zu stoppen, im Grunde den Überwachungsstaat schlechthin, das schlägt meiner Meinung nach dem Fass den Boden aus.
Ich denke, wir sollten in diesem Zusammenhang einmal unsere Sprachregelung etwas überprüfen. Das, was in den letzten Tagen und Wochen geschehen ist – da zitiere ich gerne den Kollegen Flierl –, ist absurd und widersinnig.
Worum geht es? – Es geht darum, dass wir unsere Polizei im präventiven Bereich fit machen für die aktuellen Herausforderungen.
Sie haben selbstverständlich recht, Herr Schindler, auch der Verfolgungsbereich ist wichtig. Es geht darum, Mörder, Kinderschänder und Vergewaltiger zu verfolgen. Der Anspruch der Polizei ist es jedoch auch, die Menschen vor Mördern, Kinderschändern und Vergewaltigern zu schützen, bevor diese zugeschlagen haben. Daher braucht unsere bayerische Polizei nicht Ihr Mitleid, sehr geehrte Frau Schulze –
Sie erzählen ja jeden Tag, wie schlecht es unserer Polizei geht –, sondern unsere Polizei braucht neben personeller Ausstattung und neben Ausrüstung – in beiden Bereichen haben wir bereits viel getan – auch die gesetzlichen Grundlagen, um die Bevölkerung präventiv schützen zu können.
Bei uns in Bayern geht es darum, die Bevölkerung zu schützen und Straftäter zu verfolgen – aber nicht umgekehrt. Wenn Sie einen vermeintlichen Polizeistaat heraufbeschwören wollen, zeigt dies einmal mehr, welche Haltung Sie gegenüber unserer Polizei einnehmen. Sie loben sie in Ihren Sonntagsreden; in der politischen Auseinandersetzung jedoch wollen Sie einen Spaltpilz zwischen Bürgerinnen und Bürger und die bayerische Polizei treiben.
Wenn ich auf die letzten Tage zurückblicke, frage ich mich jetzt: Wo ist denn die massive Kritik? Ich habe verschiedene Rechtspositionen gehört, getreu dem Motto: Willst du drei Meinungen haben, frage zwei Juristen. – Ich habe jedoch zu keinem Zeitpunkt von einer massiven Bedrohung gehört, die tatsächlich bestehen kann oder soll. Da werden lediglich Szenarien hochgespielt. Da wird einseitig und falsch informiert. Da wird etwas von Handgranaten erzählt, und da ist die Rede von persönlichen Daten, die im Internet verändert würden. Lauter so ein Schmarrn wird erzählt, der jeglicher Grundlage entbehrt. Als ich im Jahr 1977 bei der bayerischen Polizei ausgebildet wurde, hat die Handgranate bereits im PAG gestanden. Und jetzt beschweren Sie sich, die Polizei würde auf Grundlage des neuen PAG mit Handgranaten werfen. Hören Sie doch auf mit diesem Unsinn!
Wir können in einer Diskussion über unsere Freiheit auf keinen Fall zulassen – darum wehren wir uns auch so massiv dagegen –, dass die Bevölkerung, dass die Bürgerinnen und Bürger durch Halbwahrheiten falsch informiert und hochgepuscht werden. Es sind nämlich gerade diejenigen, die von Ihnen mit diesen Halbwahrheiten versorgt werden, die sich um ihre Grundwerte ehrlich sorgen und dann demonstrieren, weil ihnen eben im Zuge Ihrer Hochputschaktion etwas Falsches insinuiert wurde.
Der einzige Beitrag, den Sie, sehr geehrte Damen und Herren von den GRÜNEN, zur bayerischen Sicherheit leisten, ist der, dass Sie dagegen sind und die Bürger auf die Palme bringen.
Ich glaube, sagen zu dürfen, dass dieser uralte Vorwurf "Überwachungsstaat" langsam an Brisanz verloren hat. Wir wollen die Bürgerinnen und Bürger schützen. Wir wollen den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten wirksame Instrumente an die Hand geben. Dabei folgen wir der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die – das war in der Anhörung unumstritten – durchaus sehr vielschichtig ist. Mit dem PAG geben wir eine Antwort auf die Herausforderungen der heutigen Zeit.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit einigen Wochen betreiben vor allem Vertreter der LINKEN und der GRÜNEN sowie einiger anderer Gruppierungen eine geradezu unsägliche Desinformationskampagne gegen die Reform des Polizeiaufgabengesetzes.
Erstens. Es ist Anliegen dieses Reformgesetzes, die Freiheit zu verteidigen und Bürgerrechte zu schützen. Die Umsetzung des EU-Datenschutzrechts und die Anpassung an die verschärften Vorgaben der Rechtsprechung sind zentrale Säulen dieses Gesetzentwurfs. Im Gegensatz zu manch falschen Behauptungen in den sozialen Medien stärken wir mit diesem Gesetz die Bürgerrechte und den Datenschutz.
Ganz konkret heißt das: Es gibt nicht, wie hier und dort völlig falsch behauptet wird, weniger Richtervorbehalte, sondern es gibt in Zukunft mehr Richtervorbehalte, etwa beim Einsatz von verdeckten Ermittlern oder bei längerfristigen Observationen. In das Gesetz wird ausdrücklich aufgenommen, dass die Betroffenen über verdeckte Observationen nachträglich zu informieren sind.
Es gibt für die Polizei mehr Hinweise und Belehrungspflichten, was die Information der Bürgerinnen und Bürger betrifft. Betroffene Personen haben mehr Rechte zur Datenlöschung und -berichtigung. Es gibt einen besseren Schutz von Daten aus besonderen Kategorien, wie etwa biometrische Daten. Diese werden künftig noch sensibler behandelt.
Mit der schnellen Umsetzung des europäischen Datenschutzrechts sind wir Vorreiter in Deutschland. Wir
werden in Deutschland das erste Bundesland sein und mit dem Bund die Ersten sein, die ihre Polizeigesetze vollständig an dieses neue EU-Datenschutzrecht anpassen – die Ersten, nicht die Letzten! Mit diesem Gesetzentwurf sind wir Vorreiter in Sachen Bürgerrechte und Datenschutz.
Zweitens. Ja, wir erneuern maßvoll auch die Befugnisse unserer Polizei; denn Freiheit braucht Sicherheit. Die Verfassung verpflichtet uns dazu, unsere Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Dazu brauchen wir zusätzliches Personal. Bayern stellt in diesen Jahren 3.500 zusätzliche Polizisten ein. Wir sind in der Tat das sicherste aller Bundesländer, aber wir ruhen uns auf diesen Erfolgen nicht aus, sondern wir stellen zusätzliches Personal ein, mehr als jedes andere Bundesland.
Wir wollen die Polizei mit ordentlichen Befugnissen ausstatten, und dazu dient dieses Gesetz ebenfalls. In der öffentlichen Debatte wird jetzt vielfach alles durcheinandergeworfen. Das gilt auch für das Gesetz, das dieses Hohe Haus schon im vergangenen Jahr zum Thema "drohende Gefahr" beschlossen hat.
Wieder und wieder zeigen die traurigen Erfahrungen der letzten Zeit, dass frühzeitiges, konsequentes Handeln der Sicherheitsbehörden zur Gefahrenabwehr erforderlich sein kann. Wohlgemerkt, es war das Bundesverfassungsgericht, das schon vor ein paar Jahren in einer grundlegenden Entscheidung darauf hingewiesen hat, dass der Eingriff in Bürgerrechte dann, wenn er beispielsweise der Verhütung von Morden oder der Tötung von Menschen dient, noch mehr gerechtfertigt ist, als wenn es – in Anführungszeichen – "nur" darum geht, im Nachhinein einen Täter zu ermitteln. Gerade wenn die Chance besteht, eine schlimme Straftat wie etwa die Tötung von Menschenleben zu verhindern, sind Eingriffe in Bürgerrechte eher gerechtfertigt. Genau dieser Herausforderung stellen wir uns. Ich sage Ihnen: Es geht bei drohender Gefahr um nichts anderes als um das, was die Berliner Polizei am vergangenen Sonntag umgesetzt hat. Darüber berichten alle, auch die Berliner Polizei. Der Berliner Innensenator hat ausdrücklich gesagt: Nein, einen konkreten Verdacht mit Zeitpunkt, Ort, Täter und dergleichen hatten wir nicht. Aber wir hatten aufgrund konkreter Anhaltspunkte eine große Sorge, weil wir bereits länger Leute beobachteten, die wir für gefährlich hielten. Der Marathonlauf in Berlin hätte ein potenzielles und typisches Anschlagsziel sein können. Einzelne dieser potenziellen Täter wurden in der Nähe dieser Marathonstrecke beobachtet usw. – Ich
Aber vor diesem Hintergrund hat man sich dann entschieden, am Sonntag diese Leute, die man für gefährlich hielt, aufgrund eines Anfangsverdachts aus dem Verkehr zu ziehen. Hierzu wird heute auch in den Zeitungen der Berliner Innensenator von der SPD, Andreas Geisel, ausdrücklich mit der Aussage zitiert: Die Entscheidung von Sonntag sei absolut richtig gewesen. Laut dessen Sprecher gab es Hinweise, die zu einem Anfangsverdacht einer Vorbereitung zu einer schweren staatsgefährdenden Tat geführt haben. Benedikt Lux von den GRÜNEN erklärte in Berlin, er könne verstehen, dass es sich um eine vorsorgliche Reaktion der Ermittlungsbehörden gehandelt habe und dass sie lieber zugriffen, bevor etwas passiere. – Das ist bemerkenswert.
Frau Schulze, können Sie das auch verstehen? Nach Ihrem Beitrag hatte ich nicht den Eindruck, dass Sie das verstehen können.
Ob ein Zugriff zu früh oder zu spät komme, könne man erst im Nachhinein bewerten, sagte auch Niklas Schrader von den LINKEN. Es ist bemerkenswert, zu welchen Erkenntnissen es, wenn man in der Regierungsverantwortung in Berlin ist, mit Blick auf das Versagen im Fall von Anis Amri kommt, nämlich dass es zu begrüßen sei, dass die Polizei ihre Arbeit nunmehr gründlich mache.
Um nichts anderes geht es bei den Themen, die wir in diesem Gesetzentwurf behandeln. Deshalb sage ich Ihnen: Es ist richtig, dass wir dafür Vorsorge treffen.
Aktuell wird behauptet, bezüglich des Gewahrsams, der bereits in der Novelle des vergangenen Jahres geregelt worden ist, würde die Gefahr drohen, dass jemand ohne richterliche Entscheidung wochenlang eingesperrt wird. Das ist grober Unfug; denn in dem Gesetz steht, dass natürlich eine unverzügliche richterliche Entscheidung herbeizuführen ist. Hier gilt natürlich genauso wie überall in Deutschland, dass niemand ohne richterliche Entscheidung länger als bis zum Ablauf des folgenden Tages festgehalten werden kann. Es ist unsäglich, wenn in Bayern in der Öffentlichkeit teilweise etwas anderes behauptet wird. Was da in Facebook, in den sozialen Medien usw. herumgeistert, nämlich dass Leute ohne richterliche Anordnung wochenlang festgehalten werden könnten, ist blanke Lüge. So etwas zu verbreiten, ist unverschämt.
Es wird auch behauptet, dass mit den Vorschriften über den Einsatz von Body-Cams klammheimlich zusätzliche Aufnahmen von Versammlungen gemacht werden könnten. Auch das ist juristisch eindeutig falsch. Das Versammlungsgesetz ist lex specialis. Es enthält spezielle Vorschriften, wann und unter welchen Bedingungen die Polizei Aufnahmen von einer Versammlung machen kann. Das ist abschließend geregelt. Jeder, der etwas anderes behauptet, lügt. Das ist Faktum.
Ferner wird behauptet, wir wollten neuerdings die Polizei mit Handgranaten und Maschinengewehren ausstatten. Es ist schon erstaunlich, was da in den Medien herumgeistert. Wer in das aktuell geltende Gesetz hineinschaut, wird feststellen, dass darin bereits seit Ewigkeiten steht: Verfügen können über Handgranaten und Maschinengewehre ausschließlich die Spezialeinheiten. Ich gehe davon aus, dass das alle Abgeordneten wissen. Es gibt in Bayern keine normale Polizeiinspektion, die über Handgranaten und Maschinengewehre verfügt. Aber auch die Spezialeinheiten sind Polizeibeamte, die eine gesetzliche Befugnis brauchen. Laut Gesetz dürfen sie Handgranaten und Maschinengewehre nur dann einsetzen, wenn auch das Gegenüber mit solchen Mitteln arbeitet und dem Problem mit anderen Waffen sozusagen nicht beizukommen ist. Das steht seit Jahren im Gesetz. Daran wird überhaupt nichts geändert.
Das Einzige, was bei der Gelegenheit geändert wird, ist, dass der Einsatz solcher Waffen nicht nur vom Innenminister persönlich, sondern bereits vom Landespolizeipräsidenten freigegeben werden kann. Wohlgemerkt, kein Polizeibeamter vor Ort kann den Einsatz von Handgranaten und dergleichen anordnen. Das bedarf bisher meiner Zustimmung und in Zukunft der Zustimmung des Landespolizeipräsidenten. Alles andere, was hierzu verbreitet wird, ist grober Unfug.
Ich kann nur sagen: Es ist höchste Zeit, dass wir wieder zu einer seriösen Debatte über dieses Gesetz zurückkommen. Wir fühlen uns der Sicherheit der Menschen in unserem Land verpflichtet. Wir haben in den vergangenen Jahren gezeigt, dass wir dafür die politische Verantwortung sowohl mit einer modernen technischen Ausstattung als auch mit den richtigen rechtlichen Grundlagen und einer personellen Verstärkung der bayerischen Polizei sachgerecht tragen. In Bayern fühlen sich die Menschen nicht in einem Überwachungsstaat, sondern schätzen es, dass sie in Bayern sicherer leben können als anderswo. Wir wollen alles dafür tun, dass es auch in Zukunft so bleibt. Dafür bitte ich Sie um Ihre Zustimmung.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Damit ist die Aktuelle Stunde beendet. Es liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor.