In der Gesamtbetrachtung des Gesetzentwurfs stelle ich fest: Wir hätten uns mehr von diesem Antragspaket erhofft. Man muss sagen: Es ist ein Fehlwurf. Wir lehnen das Gesetz ab. Wir hätten dem gemeinsamen Antrag gerne zugestimmt. Aber laut Geschäftsordnung geht das nicht. Wir hätten uns gefreut.
Ich verstehe auch nicht, warum Sie es ablehnen, das jeweilige Wahlergebnis in allen Wahllokalen zu veröffentlichen. Es wird erfasst. Jeder Bürger und jede Bürgerin kann am Wahltag an der Auszählung teilnehmen. Diese ist öffentlich.
Sie haben insofern einen Antrag eingereicht – haben Sie Herrn Lorenz zugehört? –, als das Ganze in Zukunft zusammengefasst wird. Die Bayerische Staatsregierung hat in den Gesetzentwurf aufgenommen, dass Urnen aus Stimmbezirken mit weniger als 50 Wählern woanders hingebracht werden. Damit ist das Wahlgeheimnis gewährleistet. Warum veröffentlichen Sie das Wahlergebnis nicht? Schließlich steht es jedem Bürger und jeder Bürgerin zu – natürlich unter Wahrung des Geheimnisses, dass also niemand nachvollziehen kann, wer wen gewählt hat –, zu sehen, wo er oder sie gewählt worden ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bedanke mich für die konstruktive Beratung in den Ausschüssen sowie für manche Dinge, die wir klarstellen konnten. Ich hoffe, dass Ihnen der Kollege Adelt zu dem Teil, den ich aufgrund der Zeit nicht bearbeiten konnte, die Leviten lesen wird.
Herr Kollege Scheuenstuhl, bitte bleiben Sie noch. Vielen Dank erstmal. Zu einer Zwischenbemerkung hat sich die Kollegin Celina gemeldet. Bitte schön.
Sehr geehrter Kollege Scheuenstuhl, Sie haben den pauschalen Wahlrechtsausschluss für Menschen mit Behinderung angesprochen. Danke schön dafür. Im Herbst sind nicht nur Landtagswahlen, sondern auch Bezirkstagswahlen. Halten Sie es angesichts der kommenden Bezirkstagswahlen nicht für besonders bedenklich, dass sich die CSU-Fraktion seit Jahren weigert, diesen pauschalen Wahlrechtsausschluss anzugehen und dies immer wieder auf die lange Bank schiebt? Ist es nicht besonders bedenklich, dass sie dies gerade vor Bezirkstagswahlen tut, obwohl Menschen mit Behinderungen, die mit dem Bezirk zusammenarbeiten, den Bezirk wählen dürften? Ist es nicht besonders bedenklich, dass die CSU nach wie vor gerade vor den Wahlen nicht bereit ist, diesen pauschalen Wahlrechtsausschluss zu beenden?
(Vom Redner nicht auto- risiert) Ich bin nicht Mitglied der CSU. Auf diese Frage kann die CSU nachher selbst antworten.
Sie haben den Bezirk angesprochen. Für mich persönlich ist das natürlich – das muss man einfach sagen – eine Blamage. Hier geht es nicht um viele Stimmen. Hier geht es darum, den Menschen Würde und Anerkennung zu geben. Auch wenn mancher vielleicht sagt, eine Meinungsbildung sei sozusagen technisch nicht möglich, so haben wir aber so viel Vertrauen in die Betreuerinnen und Betreuer, dass sie im Namen ihrer Schützlinge auch dem Willen ihrer Schützlinge entsprechen. So viel Vertrauen muss man haben. Ich kann nicht nachvollziehen, warum die CSU dieses Vertrauen nicht hat. Ich finde es traurig, sehr traurig. Wir haben aber natürlich nicht nur im Bezirk Leute zu betreuen. Es wäre ein Zeichen des guten Willens gewesen. Das wird nicht wahlentscheidend sein. Es ist ein Zeichen von Mitmenschlichkeit.
Danke schön, Herr Kollege Scheuenstuhl. – Nächster Redner ist der Kollege Hanisch. Bitte schön, Herr Hanisch.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist guter Brauch und Sitte, dass wir uns einmal in der Legislaturperiode mit den Kommunalgesetzen beschäftigen. Das ist wichtig. Das haben die Vorredner schon dargestellt. Wir haben uns auch diesmal sehr intensiv damit beschäftigt.
Man kann aber nicht so viele Abgeordnete in ein Parlament setzen, wie der Wähler Stimmen zu vergeben hat. Deshalb sollten diese Stimmen möglichst gerecht und sozusagen spiegelbildlich auf die Sitze in den Parlamenten, in den Stadt- und Markträten verteilt werden. Hier setzt meine Kritik an. Wir haben hier das d’hondtsche Verfahren, zu dem der Bayerische Verfassungsgerichtshof festgestellt hat, dass es gerade noch verfassungsgemäß ist, aber eindeutig die großen Parteien bevorzugt. Meine Damen und Herren, das ist nachzulesen.
Die CSU wollte genau diese Regelung, nachdem sie in der letzten Legislaturperiode Gott sei Dank abgeschafft worden war, wieder einführen. Wir halten das für eine sehr ungünstige Geschichte, weil sich die CSU als stärkste Partei hier in Bayern eindeutig Vorteile verschafft hätte. Ich bin dankbar, dass die Meinung dazu geändert wurde. Ich glaube, das haben wir dem konsequenten Einsatz unseres Ministerpräsidenten zu verdanken, der von vornherein gesagt hat, da mache ich nicht mit. Ich glaube, das war eine klare Aussage.
Meine Damen und Herren, ich glaube, es ist im Sinne der Demokratie wichtig, hier ein mathematisches Verfahren zu wählen, das am ehesten gewährleistet, dass die Stimmen im Parlament vernünftig und spiegelbildlich vertreten sind.
Ein weiterer Punkt stört uns an diesem Gesetz gewaltig. Wir haben bisher die Regelung: Wenn ein amtierender Bürgermeister oder Landrat während einer Sitzungsperiode, die außerhalb der normalen Zeit liegt, nicht zusammen mit dem Gemeinderats-, Stadtrats- oder Kreistagswahlen, sondern außertourlich gewählt worden ist, dann war es, seit wir in Bayern die Gemeindeordnung haben, bisher immer guter Brauch und gute Sitte, dass er bei den Bürgermeister- oder Landratswahlen nicht kandidieren durfte. Genau das haben Sie geändert. Der Bürgermeister kann, egal wann er gewählt worden ist, als Bürgermeister auf der Liste seiner Partei kandidieren.
Meine Damen und Herren, ich sehe das Problem einfach darin: Es ist doch unglaubwürdig. Wenn man während der Wahlperiode zum Bürgermeister gewählt worden ist, konnte man nie auf die Liste, etwa der FREIEN WÄHLER, kommen. Ich finde, zu Recht.
Wer soll denn dem Wähler erklären, dass der Bürgermeister, wenn er zum Gemeinderat gewählt wird, als Bürgermeister zurücktreten wird, um dann das Amt des Gemeinderates anzunehmen? Meine Damen und Herren, das ist doch unsinnig. Das ist unrealistisch. Deshalb lehnen wir diese Regelung ab.
Meine Damen und Herren, der Hintergedanke dabei zeigt sich, wenn Sie sich die Mehrheitsverhältnisse anschauen. Wer stellt die meisten Bürgermeister in Bayern? Das ist in der Statistik nachzulesen. – Diesen Vorteil wollte man sich verschaffen.
Meine Damen und Herren, ein weiterer Punkt ist bereits angeführt worden, sodass ich mir einige Zeit dabei sparen kann: Mit dieser Änderung der Gemeindeordnung und der Wahlgesetze soll eine Legalisierung von Tarnlisten erreicht werden. Meine Damen und Herren, das wollen wir nicht. Es kann doch jede Partei mit einer Liste ihrer besten Leute in einem vernünftigen Vergleich antreten. Weshalb braucht man dann als Partei noch Tarnlisten? Wir hatten schon einmal eine solche Tendenz. Damals hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof gesagt, nein, das waren Tarnlisten – und hat sie alle wieder aufgehoben. Jetzt wollen Sie sie legalisieren. Was wollen Sie denn damit erreichen? – Mit solchen Listen ergeben sich Stimmzettel, die in keine Wahlkabine mehr reinpassen, die zwei Meter breit sind, und keiner kennt sich mehr aus. Meine Damen und Herren, wir sind eindeutig dagegen. Bleiben Sie bei der bisherigen Regelung! Das war eine saubere, klare und vernünftige Regelung. Diesen Weg verlassen Sie jetzt.
Meine Damen und Herren, mit einer anderen Regelung entmachten Sie die bayerischen Bürgermeister und Landräte. Sie sagen den stellvertretenden Bürgermeistern und Landräten, dass sie eigentlich nichts mehr zu sagen haben: Sie wollen und werden jetzt, weil Sie die Mehrheit hier haben, allen Ernstes einführen, dass der Bürgermeister im Einzelfall entscheidet, wer den Vorsitz in den Ausschüssen führt. Die Opposition ist geschlossen gegen diesen Vorschlag.
Meine Damen und Herren, wir haben bisher sauber und klar geregelt, dass im Fall der Verhinderung des Ersten Bürgermeisters automatisch der Zweite Bürgermeister bzw. der Stellvertretende Landrat die Sitzung der Ausschüsse leitet. So wie der Bürgermeister kraft Gesetzes Vorsitzender ist, so ist der Stellvertreter kraft Gesetz derjenige, der die Sitzungen stellvertretend zu leiten hat. Sie wollen jetzt regeln, dass der
Bürgermeister oder Landrat die Stellvertretung einteilen kann. Im Klartext heißt das nichts anderes, als dass er immer den einteilt, der ihm gerade passt, und dass er nur die Leute einteilt, die aus seiner eigenen Partei kommen. Meine Damen und Herren, zu was führt das denn letztlich? – Heute ist der Stellvertreter, morgen ein anderer. Wir halten diese Regelung für unmöglich.
Wir hatten bisher eine saubere und klare Regelung. Sie entmündigen den Gemeinderat, den Stadtrat und den Marktrat, weil Sie ihm das Recht nehmen, durch Wahl des Zweiten und Dritten Bürgermeisters selbst zu entscheiden, wer letztlich die Sitzungen der Ausschüsse leitet. Dieses Recht nehmen Sie den Gremien. Sie nehmen den Gremien auch das Recht, die weitere Stellvertretung zu regeln. Bislang kann der Gemeinderat bestimmen, dass das älteste oder jüngste Mitglied die Sitzungsleitung übernimmt, wenn die gesetzlichen Stellvertreter verhindert sind. Sie nehmen den vom Volk gewählten Beschlussgremien auch diese Möglichkeit, und Sie geben sie den Bürgermeistern. Sie entmachten die Stellvertreter des Bürgermeisters und des Landrats ganz einfach dadurch, dass Sie ihnen sagen: Lieber Freund, dich wollen wir gar nicht, sondern hier entscheidet der Bürgermeister, wie er es braucht.
Meine Damen und Herren, das ist eine unsinnige Regelung. Wir haben lange im Innenausschuss über sie gesprochen und diskutiert. Ich meine, es gibt keinen Grund, der dafür spricht, diese Regelung einzuführen, mit Ausnahme der Tatsache, dass Sie die Mehrheit der Bürgermeister und Landräte stellen und ihnen dieses Recht zusätzlich geben wollen.
Diese vier Punkte betrachte ich eindeutig als negativ und als Verschlechterung der derzeitigen Situation. Mit diesen Regelungen tun wir der kommunalen Ebene keinen Gefallen. Es wird zu Ärger und zu Problemen kommen. Ironisch gemeint freue ich mich heute schon auf die riesengroßen Stimmzettel, die auf uns warten werden. Die Anzahl der Listen wird bei den Kommunalwahlen gravierend zunehmen. Diesen Listen – ich bezeichne sie eindeutig als Tarnlisten – wird Tür und Tor geöffnet.
Herr Kollege Herrmann, das ist wohl eine ganz eindeutige Geschichte. In der Bayerischen Verfassung steht, dass sich an den Wahlen Parteien und Wählergruppen beteiligen können. Ich kann verstehen, dass
Ihnen das vielleicht nicht passt. Aber gestatten Sie den FREIEN WÄHLERN, dass sie dafür kandidieren. Sie können nicht sagen, die FREIEN WÄHLER sind automatisch Tarnlisten. Das geht auf keinen Fall.
(Dr. Florian Herrmann (CSU): In jedem Ort eine andere FREIE-WÄHLER-Liste! Das ist doch die Realität!)
Wir können nicht in jedem Ort dieselbe FREIEWÄHLER-Liste aufstellen. Wir können nicht in München die FREIE-WÄHLER-Liste von Regensburg aufstellen.
Bitte sachlich bleiben! Das bringt uns nicht weiter. Natürlich haben wir in jedem Ortsverein eine andere Liste. Das haben Sie auch, weil Sie andere Köpfe drauf haben. Wo FREIE WÄHLER draufsteht, da sind auch FREIE WÄHLER drin. Nehmen Sie das zur Kenntnis.
Meine Damen und Herren, in der Gesetzesänderung sind auch sehr vernünftige Regelungen enthalten. Mit den zuvor erwähnten vier Punkten bin ich sehr unzufrieden. Diesen widme ich naturgemäß etwas mehr Raum.
Es gibt eine Regelung, wonach bei einer Abgabe von weniger als 50 Stimmen in einem Stimmbezirk, auch bei Briefwahlen, in diesem Stimmbezirk nicht mehr ausgezählt werden darf. Sonst könnte man Schlüsse ziehen, wer wie gewählt hat. Diese Regelung ist längst überfällig und wird nun realisiert. Die Stimmen aus diesem Stimmbezirk werden dann in einen anderen Stimmbezirk hineingenommen und dort ausgezählt. Damit können keine Schlüsse mehr gezogen werden. Das ist wichtig, wenn es sich um Stimmbezirke in kleinen Ortsteilen handelt. Ansonsten könnte man darauf schließen, dass sich in diesem Ortsteil lauter FREIE WÄHLER, SPDler, CSUler, GRÜNE usw. befinden. Das sollte vermieden werden. Das entspricht nicht dem Wahlgesetz. Insofern ist das eine sehr vernünftige Regelung.
Mit einer weiteren Regelung lässt sich sehr viel Arbeits- und Verwaltungsaufwand einsparen. Bisher musste bei Briefwahl der Wahlbrief eines bis zur Auszählung verstorbenen Bürgers herausgesucht und ungeöffnet vernichtet werden. In Zukunft fällt diese Regelung weg. In Zukunft ist die Sache ganz simpel: Die Stimme eines Bürgers, der gewählt hat, zählt. Das ist sehr sinnvoll, auch wenn diese Person bei der Auszählung der Stimmen nicht mehr leben sollte. Der
Bürger hat in dem Zeitraum, der ihm vom Wahlgesetz eingeräumt wird, gewählt. Ob diese Person am Tag der Auszählung noch lebt oder nicht, ist nicht entscheidend. Die Stimme ist zu zählen und wird gewertet.
Mit dem Gesetzesbeschluss werden die Listenverbindungen abgeschafft. Sie waren für kleine Parteien und Gruppierungen eine hervorragende Möglichkeit, sich zusammenzuschließen, um die Rundungsfehler bei Verfahren wie d‘Hondt, Hare/Niemeyer und SainteLaguë/Schepers zu vermeiden. Diese Listenverbindungen sind unnötig, wenn wir ein vernünftiges Verteilungssystem haben. Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Wir haben Sachverständige angehört und uns letztlich für das Verfahren Sainte-Laguë/Schepers entschieden, das auch im Bundestag und in den meisten anderen Ländern verwendet wird. Dieses Verfahren führt mathematisch zum vernünftigsten Ergebnis. Somit sind die Listenverbindungen unnötig. Das ist also eine logische Folgerung aus dem Verteilungssystem.
Einige Änderungen beziehen sich natürlich auch auf die Gemeindeordnung. Lassen Sie mich auf einige Punkte eingehen. In der Bürgerversammlung darf sich zukünftig nicht mehr nur der Gemeindebürger zu Wort melden, sondern auch der Gemeindeangehörige. Was ist der Unterschied? – Ein Bürger ist in der entsprechenden Kommune wahlberechtigt. Ein Gemeindeangehöriger kann beispielsweise ein Sechzehnjähriger sein, der sich auf einer Bürgerversammlung zu Wort melden und Probleme sowie Forderungen äußern kann. Diese Möglichkeit gab es bisher rein formal-juristisch gesehen nicht. Das ist eine sehr, sehr gute Lösung. Ich hoffe, dass davon in Zukunft viel Gebrauch gemacht wird. Beispielsweise haben nun Ausländer, die in einem Ort leben, die Möglichkeit, sich bei der Bürgerversammlung zu Wort zu melden, aber nicht abzustimmen. Eine Abstimmung greift in die Gesetzgebung ein. Eine Abstimmung bei einer Bürgerversammlung bindet den Gemeinderat und zwingt ihn zu Entscheidungen Ein Ausländer kann bei einer Bürgerversammlung anwesend sein und sich zu Wort melden.
Das Wahlalter auf 16 Jahre zu senken, ist eine gute Sache. Dafür lohnt es sich zu kämpfen. Wir haben das schon mehrfach gefordert. Wir sind für das Wahlalter ab 16 bei Kommunalwahlen, aber nicht bei Landtags-, Bundestags- oder Europawahlen. Das ist sinnvoll. Der junge Bürger zwischen 16 und 18 Jahren kennt die Leute, die für die Kommunalwahlen kandidieren. Der junge Bürger kennt den Bürgermeister und die Gemeinderäte, die kandidieren. Das ist ein einfacher Weg. Wir wollen die jungen Leute an die Demokratie heranführen und ihnen mehr Verständnis
für die Demokratie vermitteln. Das wäre der einfachste Weg. Die Leute sollen die Möglichkeit erhalten, sich mit gemeindlichen Problemen zu beschäftigen und durch die Wahl mitzuwirken.