Protocol of the Session on January 30, 2018

Aber ein Fall sticht mir immer in die Augen: Ich erlebe vor Ort, dass die heimischen Banken – in Bayern gibt es ja zwei große Banken – ihre Zweigstellen schließen und ihre Automaten stilllegen. Das ist etwas, was mir natürlich nicht gut gefällt, weil da vor Ort Entscheidungen getroffen werden, die dem, was wir wollen, eigentlich zuwiderlaufen.

Meine Damen und Herren, interessant sind auch die wirtschaftlichen Unterschiede. Wir haben in Bayern eigentlich überall eine ganz ordentliche Entwicklung. Man kann das objektiv an der Arbeitslosenquote messen. Wir haben überall eine Arbeitslosenquote von unter 3 % oder von etwa 3 %. Das war früher deutlich anders. Da gab es eine sehr große Schere, und die Arbeitslosenquoten hatten zum Teil eine Differenz von 4 bis 5 %. Wir haben heute sogar einen Fachkräftemangel. Überall wird beklagt, dass wir zu wenige Fachkräfte haben. Es gibt viele Maßnahmen und viele Initiativen, beispielsweise von der Handwerkskammer das Projekt "Elternstolz", das bei jungen Menschen werben will.

Meine Damen und Herren, die entscheidende Frage ist, was für die Menschen wichtig ist, um Gleichwertigkeit zu erreichen. Es geht im Prinzip um die Themen, die die Politik momentan bestimmen. Es gibt die Themen Infrastruktur, Breitband, Mobilfunk, Mobilität, bezahlbarer Wohnraum, insbesondere für die Familien, die ärztliche Versorgung und Pflege, die Themen Arbeit, Arbeitsplätze und Bildung, die Themen Freizeit und Kultur. Das gilt nicht nur für die kleineren ländlichen Gemeinden, sondern das gilt auch für die Städte.

Wir konnten heute in der Zeitung lesen, dass es angeblich Unterschiede gibt und dass in Oberbayern das Pro-Kopf-Einkommen jährlich um 4.000 Euro höher liegt als in anderen bayerischen Gebieten. Das ist nur die halbe Wahrheit. In dieser Zahl sind auch die Zahlen von München berücksichtigt. Wenn ich München einmal außen vor lasse und ganz genau hinschaue, sehe ich auch in Oberbayern Regionen, wo die Entwicklung nicht so stattfindet, wie das heute in der Presse dargestellt wurde. Man muss auch sehen, dass man in ländlichen Räumen viel günstiger wohnen kann. Die Mieten sind günstiger. Die Gebühren für die Kindergärten sind niedriger, und auch die Gebühren für die Kinderkrippen sind niedriger. Insofern ist das Pro-Kopf-Einkommen nur eine sehr schwache Größe, um das zu messen.

Meine Damen und Herren, wichtig ist das Thema Wohnen. Wir müssen uns noch einmal ganz intensiv dem Thema Städtebauförderung und dem Thema Dorferneuerung widmen. Wir brauchen in den Ortskernen generationenübergreifende Projekte, und es geht auch darum, den Flächenverbrauch insgesamt einzudämmen. Ich glaube, es ist ganz wichtig, darauf unser Augenmerk zu richten.

Bei der Mobilität geht es darum, die ÖPNV-Mittel aufzustocken, und es geht darum, die Kommunen in den strukturschwachen Gebieten zu stärken. Wir müssen die regionalen Verkehrsangebote optimieren. Wir müssen die Digitalisierung einführen. Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Wir haben bei uns die Maintalbahn. Sie wurde jetzt neu ausgeschrieben, und der Zuschlag wurde wieder für neun Jahre erteilt. Die Bahn an sich ist digitalisiert; aber an den Schnittstellen mit den Bussen in die Seitentäler hinaus hat die Digitalisierung noch nicht stattgefunden. Es muss die Möglichkeit geben, die Digitalisierung zwischen der Bahn und den Bussen herzustellen. Interessant ist natürlich auch die mittlerweile erfolgte bekannte Elektrifizierungsinitiative der Staatsregierung. Auch die genannte Bahn soll in absehbarer Zeit elektrifiziert werden.

Ein mittelfristig ganz spannendes Thema ist die ärztliche Versorgung. Wir haben in Bayern die Situation, dass das Durchschnittsalter der Ärzte bei 55 Jahren liegt. Das klingt nicht ganz so dramatisch; aber 34,7 % der Ärzte sind schon 60 Jahre und älter. Irgendwann werden diese Menschen in Pension gehen, und wenn sie fehlen, hat das konkrete Auswirkungen auf die Bürgerinnen und Bürger. Dazu gibt es ein großes Maßnahmenpaket. Die Staatsregierung hat schon viel getan. Es gibt Förderprojekte. 27 Millionen Euro wurden seit 2005 aufgewendet. Für Neuansiedlungen gibt es 60.000 Euro und für Studierende vier Jahre lang 200 Euro pro Semester, wenn sie aufs Land gehen wollen. Das sind alles gute Ansätze.

Aber wir haben auf der anderen Seite die Kassenärztliche Vereinigung. Die KV ist für uns ein wichtiger Gesprächspartner, wenn es um diese Themen geht. Wir müssen dafür sorgen, dass wir mit der KV stärker ins Gespräch kommen und das, was wir vor Ort erleben, stärker einbringen; denn die Zahlen, auf denen die Berechnungen der KV aufbauen, stammen etwa aus dem Jahr 1990. Seitdem hat sich vieles verändert. Ich hoffe und wünsche mir, dass der Auftrag, alles neu zu berechnen, den der gemeinsame Bundesausschuss in Berlin bekommen hat, Früchte trägt. Für 2018 wird ja ein neues Gutachten erwartet, und ich hoffe und wünsche mir, dass wir dann günstigere Zahlen bekommen.

Meine Damen und Herren, dieses Thema ist auch für die Kommunen wichtig; denn die Gesetzesvorgaben erlauben es Kommunen auch, Gemeinschaftspraxen zu gründen. Bei uns gibt es ein Beispiel. Die Gemeinde Weilbach plant jetzt, selbst ein MVZ zu gründen. Sie hat schon konkret zwei Ärztinnen, die sie einstellen will. Sie hat mir aber gesagt, dass es noch eine Reihe von bürokratischen Hürden gibt. Wir müssen da den Gemeinden helfen und den Bürokratismus abbauen. Ganz wichtig ist auch, dass wir vor Ort Angebote haben, die die Ärzte aufs Land ziehen. Da gibt es weiche Faktoren wie Tourismus, Freizeit und vor allen Dingen auch Kinderbetreuung.

Meine Damen und Herren, wir wollen Bayern zusammen mit den Menschen weiterentwickeln. Das ist uns in der Vergangenheit sehr gut gelungen. Bayern hat sich durch das Engagement der Menschen und vieler Unternehmen von einem Agrarstaat zu einem Hightechstandort und zu einer Zukunftsregion entwickelt. Daran wollen wir weiterarbeiten. Wir möchten deshalb vieles von dem, was wir Ihnen heute in unserem Vorschlag darstellen, in die Realität umsetzen. Wir sind auch der Meinung, dass wir das, was wir Ihnen vorschlagen oder was Sie im Bericht lesen können, parlamentarisch verankern müssen bzw. verankern wollen. Wir denken beispielsweise an einen eigenen Heimatausschuss oder daran, dass wir das Thema zumindest in einem Ausschuss stärker platzieren könnten, weil es als Querschnittsaufgabe parlamentarisch viel stärker verankert werden muss. Wir glauben auch, dass die Wissensbasis insgesamt verbreitert werden muss. Es gibt schon viele Forschungsergebnisse; aber wir glauben, dass noch vieles zu tun ist.

Was wir auch brauchen, ist ein Monitoringsystem, das misst, wie sich das Land entwickelt. Es gibt viele Kenngrößen, die man messen kann. Aber es hat keinen Sinn, die Größe jetzt zu messen. Sie muss über einen längeren Zeitraum gemessen werden, damit man sehen kann, wie sich ein Landesteil entwickelt.

Von daher glauben wir schon, dass es sinnvoll ist, ein solches Monitoringsystem aufzubauen.

Meine Damen und Herren, es liegt an uns, die Handlungsempfehlungen, die im Bericht stehen, in die Realität umzusetzen und in parlamentarische Initiativen einzubringen. Wir sind dazu bereit und möchten mit Ihnen gemeinsam die Zukunft Bayerns gestalten. – Ich danke für die Aufmerksamkeit und wünsche meinen Nachrednern alles Gute.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Herr Kollege Rüth. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Rabenstein. Bitte schön.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in den drei Jahren, in denen die Enquete-Kommission getagt hat, viele Besichtigungen in Bayern durchgeführt. Dabei hat sich überall gezeigt: Bayern ist ein großartiges Land. Wir können alle miteinander stolz sein auf dieses einzigartige Bundesland.

Wir waren in Niederbayern: im wunderschönen Landkreis Freyung-Grafenau und in Passau. Wir waren in meiner Heimat, im Fichtelgebirge, und wir waren in Unterfranken: in Aschaffenburg und im Landkreis Miltenberg, wo es dem Vorsitzenden sehr gut gefällt.

Überall trafen wir auf beeindruckende Landschaften mit lokalen Spezialitäten und Menschen, die sich im Ehrenamt oder hauptberuflich engagieren. Dieses schöne Bayern – das möchte ich an dieser Stelle sagen – ist nicht etwa eine Erfindung der CSU. Nicht sie hat die Zugspitze aufgetürmt oder die oberbayerischen Seen geschaffen und ist allein stolz auf Bayern. Vielmehr sind auch wir Sozialdemokraten stolz auf dieses Bayern und auf all seine Schönheiten.

(Beifall bei der SPD)

Wer das nicht glaubt, dem möchte ich sagen: Schon Wilhelm Hoegner hat sich in diesem Sinne für Bayern eingesetzt. Man spürt es an vielen Stellen in der Bayerischen Verfassung. Er hat einmal geäußert – ich zitiere –: "Mit Tausenden der Besten unseres Volkes werde ich weiterkämpfen für die Rettung unserer Heimat, so lange ich lebe." So Wilhelm Hoegner.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der CSU)

Bayern geht es vor allem wirtschaftlich gut. Wir haben aber auch festgestellt: Es geht nicht allen Orten gleich gut; es gibt sogar ausgesprochene Problemregionen.

Noch etwas fällt auf: Es gibt das Bayern der unterschiedlichen Geschwindigkeiten mit all seinen Vor- und Nachteilen. Darauf müssen wir reagieren. Wie wirkt sich der demografische Faktor aus? Wie gehen wir mit einer älter werdenden Gesellschaft um? Was machen wir, wenn sich die Infrastrukturen verschlechtern, wenn die Post, die Bank, die Läden oder auch die Gaststätten dichtmachen?

Diese Fragen müssen wir ernst nehmen und die einzelnen Defizite ansprechen – das möchte ich ausdrücklich betonen, und zwar mit einer positiven Einstellung zu Bayern – sowie problematische Entwicklungen benennen.

(Beifall bei der SPD)

Herr König, damit wollen wir nicht etwa eine Region schlechtreden, wie ein häufiges Totschlagargument lautet, sondern wir wollen den Menschen vor Ort helfen, dass sie sich in ihrer Heimat wohlfühlen und nicht wegziehen. Das ist das Entscheidende!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Umsetzung des Verfassungsziels der Förderung und Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen in ganz Bayern – das war und ist das Hauptanliegen der Enquete-Kommission. Wir haben Lösungen aufgezeigt, die in die Zukunft gerichtet sind und Substanz haben, von denen wir nach drei Jahren Enquete-Kommission sagen können: Die Arbeit hat sich wirklich gelohnt.

(Beifall bei der SPD)

2010 wurde von Ministerpräsident Seehofer der sogenannte Zukunftsrat einberufen. Dabei ging es um die Frage, wie sich Bayern weiter entwickeln soll. Es wurden umfangreiche Berichte herausgegeben. In den Bereichen Wissenschaft, Bildung und Familie haben sie durchaus gute Ansätze gezeigt, aber im Zusammenhang mit den Vorschlägen zum Thema Infrastruktur hat es massive Kritik gegeben.

Die Mitglieder des Zukunftsrates – übrigens 17 Männer und 5 Frauen – empfahlen, das wirtschaftliche Leben auf die Ballungszentren zu konzentrieren. Der ländliche Raum, so heißt es wörtlich, habe "eine eher noch zunehmende Bedeutung als natürlicher Erholungsraum für die urbanen … Wirtschaftszentren", also anders ausgedrückt: Die Großstädter können dort Urlaub machen.

Dann kam es noch besser: Teile Niederbayerns – die Region Passau – und Teile Oberfrankens – da ist der Raum Hof gemeint – sollten nicht weiter gefördert

werden; sie sollen sich vielmehr Richtung Österreich und Richtung Sachsen orientieren.

(Zuruf von der SPD: Niemals!)

Meine Damen und Herren, das hätte eine falsche Entwicklung eingeleitet. Gedacht war dabei nur an die wirtschaftliche Entwicklung. Das Land Bayern wurde quasi als Bayern AG betrachtet. Ein Land ist jedoch kein Industriebetrieb, und Menschen sind keine Produktionsfaktoren.

Der Bericht der Enquete-Kommission ist insofern ein deutlicher Gegenentwurf zu den Vorstellungen des Zukunftsrates. Und das ist gut so! Wir wollen gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Bayern, in Stadt und Land. Das ist die richtige Herausforderung für die Zukunft. Noch einmal: Natürlich soll die Wirtschaft prosperieren – es geht jedoch nicht um Gewinnmaximierung um jeden Preis, es geht nicht um Shareholder Value, sondern es geht darum, den Menschen in jeder Region gerecht zu werden. Letztlich geht es um räumliche Gerechtigkeit.

(Beifall bei der SPD)

Dieser Begriff der räumlichen Gerechtigkeit steht im Mittelpunkt des ersten inhaltlichen Teils des Abschlussberichts. Er wurde in den ersten Sitzungen ausführlich diskutiert. Hier haben die Experten der Kommission, allen voran Prof. Dr. Holger Magel, hohe Verdienste erworben.

Ich verweise auf die Studie, die wir – mit Prof. Dr. Koppers, Prof. Dr. Miosga, Dr. Sträter und Dr. Höcht – erstellt haben. Darin wurde der Begriff der räumlichen Gerechtigkeit vertieft und auf dieser Grundlage die Herstellung von gleichwertigen Lebens- und Arbeitsbedingungen in ganz Bayern entwickelt. Für unsere Arbeit war diese Konzeption sehr viel wert; deshalb an dieser Stelle noch einmal einen herzlichen Dank an die genannten Experten.

(Beifall bei der SPD)

Die einzelnen Dimensionen sind bereits aufgezählt worden, ich möchte sie nicht wiederholen. Die räumliche Gerechtigkeit bietet quasi den geistigen Überbau, von dem sich die entsprechenden Handlungsempfehlungen ableiten. Dass dieser Begriff derart in den Mittelpunkt gestellt wird, bedeutet Neuland und zeichnet die Arbeit der Kommission aus.

In dem Begriff "räumliche Gerechtigkeit" steckt auch das Wort "Recht". Der ländliche Raum hat quasi ein Recht auf Entwicklung und ist nicht auf Almosen angewiesen. Das ist die Philosophie der räumlichen Gerechtigkeit, und das ist die richtige Antwort.

(Beifall bei der SPD)

Erst dann, wenn man dieses räumliche Konzept im Hinterkopf hat, kann man überzeugend begründen, warum benachteiligte Regionen besonders gefördert werden sollen oder warum beispielsweise der ÖPNV ausgebaut werden soll, auch wenn dafür einige Mittel in die Hand genommen werden müssen. Erst dann kann man sagen, warum auch der letzte Weiler, der zurzeit noch schlecht versorgt ist, mit schnellem Internet angebunden und versorgt werden muss und warum wir auch eine funktionierende ärztliche Versorgung im ländlichen Raum brauchen.

Noch einmal: All das ist nicht zum Nulltarif zu haben; das muss jedem klar sein. Der ländliche Raum muss uns das aber wert sein.

(Beifall bei der SPD)

Im Zusammenhang mit der räumlichen Gerechtigkeit liegt, wie übrigens im gesamten Bericht der EnqueteKommission, der Fokus auf dem ländlichen Raum. Das heißt aber nicht, dass wir die großen Städte und Ballungsräume außen vor lassen; denn eine Stärkung des ländlichen Raums schwächt die Ballungsräume gerade nicht – ganz im Gegenteil. Viele Probleme in den großen Städten wie Immobilienpreise, teurer Wohnraum, Verkehrsinfrastruktur, Umweltprobleme usw. lassen sich so zumindest abfedern.

Wir müssen dafür Sorge tragen, dass mehr Menschen auch in attraktive ländliche Gemeinden ziehen bzw. nicht von dort in die Städte flüchten. Wir müssen zudem dafür sorgen, dass die Arbeit zu den Menschen gebracht wird und nicht umgekehrt, so wie es der Zukunftsrat mit den Pendlern vorgesehen hat. Arbeit zu den Menschen, das muss unser Motto sein!

(Beifall bei der SPD)

Was schlägt nun der Bericht der Enquete-Kommission im Einzelnen vor? – Zunächst sind wir auf die Indikatoren eingegangen, wie sich gleichwertige Lebensverhältnisse messen lassen und wie auf dieser Basis entsprechendes Handeln begründet werden kann. Nach langer Diskussion haben wir uns auf 50 Indikatoren geeinigt. Wir haben aber auch festgestellt, dass bei der Messbarkeit große Defizite bestehen. Das Bruttoinlandsprodukt zu messen, mag einfach sein, beim Thema Erreichbarkeit von Grundschulen mit dem ÖPNV gibt es schon große Probleme. Hier muss noch nachgebessert werden.

In unserem Bericht spielt die folgende Bestandsaufnahme deshalb nur eine untergeordnete Rolle. Sie stellt nur einen exemplarischen Teilausschnitt dar. Es wird aber auch in diesem Kapitel deutlich, dass Hand