Protocol of the Session on December 12, 2017

Tagesordnungspunkte 4 und 5 auf:

Antrag der Abgeordneten Susann Biedefeld, Stefan Schuster, Dr. Christoph Rabenstein u. a. (SPD) Verzicht auf die Sperre frei werdender Stellen beim Zentrum Bayern Familie und Soziales nach Art. 6b des Haushaltsgesetzes 2017/2018 (Drs. 17/17552)

und

Antrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Ulrich Leiner u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Funktionsfähige staatliche Sozialverwaltung erhalten - Stellenabbau beim Zentrum Bayern Familie und Soziales stoppen (Drs. 17/17173)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt 24 Minuten. Als erster

Rednerin darf ich Frau Kollegin Rauscher für die SPD-Fraktion das Wort erteilen. Bitte schön, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben einen Antrag, den wir bereits in mehreren Fachausschüssen beraten haben, heute ins Plenum hochgezogen, weil er aus unserer Sicht von besonderer Bedeutung ist. Deswegen wünschen wir uns heute dazu noch einmal eine sachliche Debatte.

Es geht um die Personalsituation im Zentrum Bayern Familie und Soziales. Sehr viele Bürgerinnen und Bürger kennen dieses Zentrum und hatten mit ihm auch schon zu tun. Dort gibt es Beratungsangebote für Familien, es gibt dort auch Beratung und Hilfe für die Antragstellung zum ElterngeldPlus sowie Entschädigungen für Gewaltopfer oder die Koordinierung der Trauma-Ambulanzen. Es ist also ein ganz breites Spektrum, das im Zentrum Bayern Familie und Soziales bearbeitet wird.

Dieses Leistungsspektrum umfasst insgesamt eine Palette von 120 Aufgaben. Es geht also um eine Behörde, die wirklich viel zu leisten hat.

(Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Es sind dort viele Pflichtaufgaben, aber auch viele freiwillige Aufgaben zu erfüllen.

Zu den freiwilligen Aufgaben gehören unter anderem die Teilnahme an der Messe ConSozial oder auch die Öffentlichkeitsarbeit, alles Dinge, die eine Behörde zu leisten hat. Und dann gibt es noch Aufgaben, die nicht unter die Pflichtaufgaben fallen, weil gesetzlich verankert, sondern die wir übernehmen, weil wir uns hier im Lande auch für die Förderung beispielsweise ehrenamtlicher Projekte entschieden haben. Ich denke zum Beispiel an die Förderung wertvoller ehrenamtlicher Projekte für Menschen, die an Demenz erkrankt sind.

Aufgrund der Sparpolitik der CSU im Bayerischen Landtag wurde beschlossen, in diesem Zentrum 380 Stellen zu streichen. Bis 2020 sollen weitere 160 Stellen wegfallen. Wir sprechen hier von einem Volumen von insgesamt 540 Stellen, obwohl die Aufgaben des Zentrums Bayern Familie und Soziales weiterhin ausgebaut wurden. Das ist aus unserer Sicht katastrophal.

Ich möchte das an einem Beispiel festmachen, das uns vom Präsidenten des Zentrums in einem kleinen Fachgespräch im Sozialausschuss dargelegt wurde. Wenn Selbsthilfegruppen einen Antrag stellen, dann warten sie derzeit zwei Jahre auf Bewilligung oder Ablehnung. Ehrenamtliches Engagement wird dabei

nicht unbedingt gefördert. Zwei Jahre sind eine lange Zeit. Ich möchte nun den Mitarbeitern dort überhaupt keinen Vorwurf machen. Sie leisten mit Sicherheit, was sie können, und sind jeden Tag mit hohen Stapeln von Anträgen konfrontiert. Aber es hat nichts mehr mit Mitarbeiterfürsorge zu tun, wenn man gleichzeitig dann, wenn man Aufgabenbereiche ausbaut und die Aufgaben nicht weniger werden, Stellen in diesem unglaublichen Umfang streicht.

(Beifall bei der SPD)

Ich finde, wer heute einen Antrag stellt – unabhängig davon, in welcher Behörde –, hat das Recht, nicht zwei Jahre auf die Bearbeitung seines Antrags zu warten.

Ich muss nun feststellen, dass zumindest im Sozialausschuss – vielleicht auch im Haushaltsausschuss – dieses Thema sehr ernsthaft diskutiert wurde. Auch die CSU-Landtagsfraktion hat dieses Problem, das über das ganze Jahr in verschiedenen Gesprächen behandelt wurde, sehr ernsthaft diskutiert. Aber am Ende kam es zu keinem mehrheitlich gefassten Beschluss, dass man dieser Behörde ausreichend Personal zur Verfügung stellen wollte.

Das wundert mich umso mehr, als sogar Kollegen der CSU wie auch der Staatssekretär aus dem Sozialministerium geäußert haben, dass ein Abbau bei den Beratungsangeboten in diesem Zentrum für die Bürger keine gute Lösung darstelle und politisch auch nicht gewollt sei.

Ähnliche Aussagen kamen vom Kollegen Unterländer und auch – zumindest laut Protokoll – von Kollegin Heckner aus dem Haushaltsausschuss. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass der Artikel 6b des Haushaltsgesetzes nicht so starr und unflexibel vollzogen werden müsse, wie es sich anhöre.

Die 25 Stellen, die jetzt im Nachtragshaushalt eingestellt sind, reichen bei Weitem nicht aus, um all den Pflichtaufgaben und freiwilligen Aufgaben in dieser Behörde nachzukommen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, dieses Problem wirklich ernst zu nehmen und den Antrag nicht vom Tisch zu fegen. Ich bitte Sie, auch von Ihrer Seite im Nachtragshaushalt ein deutliches Signal zu geben. Die Aufgabenfelder sind so wichtig. An dieser Behörde hängen so viele Männer, Frauen und Familien in Bayern. Darüber können wir nicht einfach weggehen.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben erst vor Kurzem wieder einmal über Inklusion hier im Hohen Haus diskutiert. Gerade für Menschen mit Behinderung, deren Ansprüche unter die Pflichtaufgaben der Behörde fallen, sind Wartezeiten einfach nicht zu tolerieren. Ich bitte Sie, Ihr Votum aus den Fachausschüssen noch einmal zu überdenken und heute für die Aufhebung der Stellenstreichung in diesem Zentrum zu stimmen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun Frau Celina das Wort. Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! In Debatten über Leistungen für Menschen mit Behinderung und über Leistungen für unsere Jüngsten und Ältesten höre ich immer von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass sich eine Gesellschaft daran misst, wie sie mit den Schwächsten umgeht. Das sind schöne Worte. Die Menschen, die die Leistungen beim Zentrum Bayern Familie und Soziales beantragen, gehören oft zu den Schwächeren in der Gesellschaft.

Die Beratung, die das ZBFS in vielen Bereichen übernimmt, die fachlichen Stellungnahmen, die Bearbeitung der Anträge, all das erfordert Sorgfalt, Kenntnisse und Einfühlungsvermögen bei den Mitarbeitern. Die Bearbeitung der großen Menge der Anträge erfordert sehr viel Zeit und sehr viele Arbeitsstunden. Beratungen und Antragsbearbeitungen für das Betreuungsgeld, für ElterngeldPlus, für Teilblindengeld fallen in deren Aufgabenbereich. Aber auch die Ausweitung des bezugsberechtigten Kreises für das Landeserziehungsgeld bedeutet zusätzliche Aufgaben, die die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des ZBFS abarbeiten müssen.

Dazu stehen ihnen aber die notwendigen Arbeitsstunden nicht zur Verfügung. Sie stehen ihnen nicht mehr zur Verfügung, weil Sie ihnen nach Artikel 6b des Haushaltsgesetzes seit dem Jahr 2005 Stellen entziehen. Es werden insgesamt 540 Stellen eingespart werden.

Wir sind jetzt bei eingesparten 381 Stellen. Das sind bei etwa 220 Arbeitstagen im Jahr knapp 85.000 Arbeitstage, die hier jährlich eingespart werden, und es sind 678.000 Arbeitsstunden, die Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU-Fraktion, den Mitarbeitern des ZBFS nicht mehr zur Verfügung stellen, um Anliegen der Bürger zu bearbeiten und um die gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen.

Erklären Sie doch einmal den Schwächeren in unserer Gesellschaft, also genau denjenigen, denen Sie in

unserem ach so sozialen Bayern immer wieder Leistungen versprechen, warum Sie den Mitarbeitern des ZBFS so viele Stunden jährlich geklaut haben, die sie brauchen, um die Bürger zu beraten und deren Anträge zu bearbeiten.

Sie haben doch das Christliche in Ihrem Parteinamen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU. Heißt das etwa, dass Sie den völlig überlasteten Mitarbeitern des ZBFS zumuten, dass sie ihre Arbeit für Gotteslohn tun, für ein warmes Dankeschön, Überstunden machen, um überhaupt über die Runden zu kommen und den Aufgaben einigermaßen hinterherhecheln zu können, oder nehmen Sie in Kauf, dass immer mehr Mitarbeiter Gefahr laufen, vor Stress krank zu werden, oder erwarten Sie von den Bürgerinnen und Bürgern, denen finanzielle Leistungen zustehen, dass sie klein beigeben und die ihnen zustehende Leistung gar nicht erst beantragen, weil es Wochen dauert, bis eine Beratung stattfinden kann, noch dazu vielleicht weit entfernt von ihrem Wohnort? Beratung durch den Staat ist weniger eine Holschuld der Bürger, sondern vor allem eine Bringschuld des Staates.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Beim ZBFS können Sie sich weder auf kommunale noch auf bundespolitische Zuständigkeiten herausreden. Das ist Ihr CSU-Ding, Ihre CSU-Zuständigkeit, Ihre CSU-Verantwortung oder – besser gesagt – Ihre CSU-Verantwortungslosigkeit.

Geben Sie endlich Ihren Widerstand auf, und heben Sie die Wiederbesetzungssperre für frei werdende Stellen auf! Geben Sie endlich Ihren Widerstand auf, und statten Sie das Zentrum Bayern Familie und Soziales mit einer adäquaten Personalausstattung aus. Die zusätzlichen 25 Stellen kommen beim bisher angestauten Personalmangel doch gar nicht an. Der größte Teil verteilt sich doch auf die neuen Aufgaben Teilblindengeld und PsychKHG. Allein für das Teilblindengeld sind übrigens rund 8.500 zusätzliche Anträge zu erwarten, und beim Landeserziehungsgeld wird es im nächsten Jahr 60.000 bis 90.000 zusätzliche Anträge geben. Wie wollen Sie das denn zeitnah abarbeiten? Das wird für die Bürger und die Mitarbeiter gleichermaßen unbefriedigend. Das akzeptieren Sie sehenden Auges. Ich frage mich, wieso Ihnen dieser Bereich so viel weniger wichtig sein kann als andere Bereiche.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielleicht liegt das daran, dass es sich hier um die stillen Menschen handelt, um die, die nicht aufmucken, die sich nicht zusammenschließen und die nicht demonstrieren. Anders kann ich mir das nicht erklären.

Es hat erst eine GRÜNEN-Initiative gebraucht, um dieses Thema auf die Tagesordnung des Landtags zu setzen. Die Lösung, die Sie jetzt anbieten, ist keine Lösung. Eine Lösung erfordert die Aussetzung des Artikels 6b des Haushaltsgesetzes, die Aussetzung der Einsparung der nächsten 160 Stellen oder wenigstens den Beschluss, dass Sie, verehrte Abgeordnete, hier tätig werden wollen. Beides ist im Ausschuss leider nicht geschehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. – Nächster Redner ist Kollege Herold.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich, Frau Kollegin Celina, zurückweisen, dass Sie uns gewissermaßen Verantwortungslosigkeit vorgeworfen haben. Ich will auch deutlich hervorheben, dass über diesen Bereich, über den im Moment diskutiert wird, von uns sehr, sehr verantwortungsvoll diskutiert wird und er uns auch sehr, sehr wichtig ist.

Ich möchte aber gleich zu Beginn zu Artikel 6b des Haushaltsgesetzes ein generelles Wort sagen. Ich weise darauf hin, dass wir an diesem Artikel 6b weiterhin festhalten werden, auch aufgrund unserer staatspolitischen Verantwortung. Als Mitglied des Haushaltsausschusses weiß ich natürlich auch, dass dieses Thema immer wieder diskutiert wird und die Opposition natürlich immer wieder versucht, in allen möglichen Bereichen immer mehr Stellen zu bekommen, was letztendlich nicht möglich ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage aber auch, dass wir aufgrund bestimmter politischer Herausforderungen Artikel 6b natürlich nicht starr anwenden und auf besondere politische Ereignisse immer wieder in gewisser Weise reagieren. Ich glaube, das kann man für die letzten Jahre sehr deutlich belegen, insbesondere auch mit dem Doppelhaushalt 2017/2018, in dem wir immerhin 5.700 neue Stellen geschaffen haben, oder auch mit dem Nachtragshaushalt 2016, in dem wir 6.100 neue Stellen geschaffen haben. Sie wissen natürlich auch, dass wir in bestimmten Bereichen Schwerpunkte gesetzt haben, und zwar bedingt durch die großen Herausforderungen im Bereich der inneren Sicherheit, im Bereich der Integration, im Bereich der Bildung und natürlich auch im Bereich der Behördenverlagerung, Stichwort: Stärkung des ländlichen Raums.

Erlauben Sie mir, insbesondere ein Wort zum Zentrum Bayern Familie und Soziales zu sagen. Ich meine – und da sind wir uns alle einig –, dass hier eine ganz, ganz wichtige Arbeit für die Bürgerinnen und Bürger

im Freistaat Bayern geleistet wird, wie die beiden Kolleginnen, Frau Rauscher und Frau Celina, richtigerweise erwähnt haben, insbesondere im Bereich der Familien. Deswegen mein herzliches Dankeschön an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die eine sehr, sehr gute Arbeit leisten. Sie haben ein großes Leistungsspektrum zu bewältigen. Dafür gilt ihnen die ganz besondere Anerkennung gerade auch der Mehrheitsfraktion. Herzlichen Dank dafür!

Diese große Wertschätzung, liebe Kolleginnen und Kollegen, habe ich auch in meinem Statement in der Sitzung des Ausschusses für Staatshaushalt und Finanzfragen am 11. Oktober 2017 sehr deutlich zum Ausdruck gebracht. Gerade bei dieser Thematik diskutieren wir gemeinsam immer wieder sehr verantwortungsvoll. Ich kenne diese Behörde persönlich recht gut, weil ich mir bereits des Öfteren vor Ort, zum Beispiel in Nürnberg, ein Bild gemacht habe und auch schon des Öfteren Gespräche geführt habe, insbesondere mit der Leitung des ZBFS.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist richtig – das kann ich nur unterstreichen –, dass auf das ZBFS immer wieder neue Aufgaben übertragen wurden, zum Beispiel das Landesbetreuungsgeld, das ElterngeldPlus, das Teilblindengeld oder auch unterschiedliche Förderprogramme. Deswegen noch einmal mein Hinweis auf die große Wertschätzung meiner Fraktion für die äußerst gute Arbeit, die am Zentrum Bayern Familie und Soziales nach wie vor geleistet wird.

Es ist aber auch richtig – das haben Sie soeben in Ihren Reden bedauerlicherweise nicht erwähnt –, dass aufgrund der neuen Herausforderungen neue Stellen geschaffen wurden. Zum Beispiel wurden – ich habe es vorhin schon erwähnt – im Doppelhaushalt 2015/2016 zehn neue Stellen für das Amt für Maßregelvollzug geschaffen. Im Doppelhaushalt 2017/2018 kamen fünf neue Stellen für das Amt für Maßregelvollzug und 16 neue Stellen für das Integrationsamt und für die IT-Sicherheit hinzu. Sie wissen wahrscheinlich auch – davon gehe ich aus; es ist auch erwähnt worden, allerdings mit einer falschen Zahl, Frau Kollegin Celina –, dass im Nachtragshaushalt 2018 insgesamt 27,5, nicht 25,5 weitere neue Stellen für das ZBFS vorgesehen sind.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich haben wir als Mehrheitsfraktion und die Staatsregierung eine große Verantwortung, das Gesamte im Blickfeld zu haben. Deswegen werden aufgrund von bestimmten Herausforderungen immer wieder gewisse Schwerpunkte hervorgehoben. Ich habe vorhin schon erwähnt, was wir zum Beispiel im Nachtragshaushalt oder auch im Doppelhaushalt 2017/2018 ge

macht haben. Ich sage aber auch, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir weiterhin entsprechende Stellen vorsehen müssen, insbesondere aufgrund unserer Situation, beispielsweise beim Bildungspaket, worüber wir letzte Woche sehr ausführlich diskutiert haben. Ich bin sehr froh, dass wir neben den Gymnasien und den anderen Schulen gerade die Förderschulen angemessen bedenken.