Protocol of the Session on October 20, 2011

Vielen Dank, Herr Kollege Schindler. - Es gibt noch eine Zwischenbemerkung.

Herr Kollege, eine kurze Vorbemerkung: "Ein bisschen verfassungsrechtlich zwingend" gibt es genauso wenig wie "ein bisschen schwanger". Sie müssen sich schon entscheiden.

Wenn ich Ihre Kritik höre, dann wundert mich nur eines: Warum haben Sie keinen Änderungsantrag eingebracht?

(Beifall bei der CSU)

Wenn Sie die Verfassungsexperten gehört haben, dann müssten auch Sie überzeugt davon sein, dass die Anpassung nicht vermeidbar, das heißt notwendig ist.

Herr Professor Bausback, wir sind der Auffassung, dass diese Änderung jetzt nicht erfolgen muss. Sie werden mir sicherlich zustimmen, dass es dann inkonsequent wäre, der CSU und der Staatsregierung zu helfen, die dabei entstehenden Probleme zu lösen.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜ- NEN - Lachen bei der CSU)

Vielen Dank. Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, ein Hinweis: Den Tagesordnungspunkt 9 - das ist der Antrag der FREIEN WÄHLER zum Donau-Hochwasserschutz erreichen wir heute mit Sicherheit nicht mehr. Wer sich auf diesen Antrag vorbereitet hat, dem sei gesagt, dass die Beratung auf jeden Fall in die nächste Woche verschoben wird.

Nächster Redner zum Gesetzentwurf zur Änderung des Landeswahlgesetzes ist Herr Kollege Peter Meyer. Ihm folgt Frau Kollegin Tausendfreund. Bitte schön, Herr Kollege Meyer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit Monaten führen wir eine durchaus emotionale Diskussion in Oberfranken und in der Oberpfalz. Das ist nachvollziehbar; denn der Verlust jeweils eines Mandats geht an die Seele der Menschen. Die Menschen in der Region spüren das. Sie begreifen, dass sie für den mittlerweile dramatischen Bevölkerungsrückgang, den nicht sie selbst verursacht haben, nun auch noch bestraft werden.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Insofern ist die Äußerung des oberfränkischen Bezirkstagspräsidenten, die Probleme in Nordostbayern müssten dort gelöst werden, wo sie entstanden seien, ein wenig zynisch. Das hat er im Zusammenhang mit der Diskussion um die längst öffentliche Alternative lieber Kollege Bausback, die Alternativen liegen auf dem Tisch - zum vorgeschlagenen Stimmkreis Wunsiedel-Kulmbach gesagt; ich komme darauf zurück.

Ein weiteres Zitat zum Wahlrecht ist gut drei Jahre alt und stammt vom oberfränkischen Regierungspräsidenten. Es geht um die Rechtsfolgen einer formell fehlerhaften Kandidatenaufstellung. Damals sagte der Regierungspräsident, juristische Entscheidungen müsse auch seine Großmutter verstehen. - Ich glaube, seine Großmutter ist auch Fränkin.

Weder die Großmütter noch andere Menschen in den vom starken Bevölkerungsrückgang betroffenen Regionen verstehen es, wenn sie zusehen müssen, wie die Infrastruktur immer weiter ausgehöhlt wird - denken Sie an Schulen und Arbeitsplätze -, immer teurer wird - denken Sie an das Wasser -, weil die Kosten auf immer weniger Einwohner umgelegt werden, nur schleppend und auf Kosten der Kommunen auf den Stand der Technik gebracht wird - siehe Breitband -, und wie sich nunmehr auch die politische Vertretung im Parlament immer mehr zugunsten des starken Südens verschiebt. Das verstehen die Menschen nicht mehr.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der SPD)

Diese Problematik ist nicht in den Landkreisen entlang der Ostgrenze - Wunsiedel, Tirschenreuth, Hof, Freyung-Grafenau und wie sie alle heißen - entstanden, sondern sie ist Folge einer jahrzehntelangen verfehlten Strukturpolitik aller bayerischen Landesregierungen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Da sie in dieser verfehlten Politik begründet ist, muss sie insbesondere hier im Landtag und nicht vor Ort gelöst werden. Die verfehlte Strukturpolitik wird aber trotz vollmundiger Ankündigungen fortgesetzt. Ich darf auf ein Beispiel aus der vergangenen Woche verweisen, das verdeutlicht, dass die Staatsregierung wieder einmal die Chance verpasst hat, zukunftsträchtige innovative Forschung und Industrie nach Oberfranken zu verlegen. Die Meldung ist erst zwei Tage alt. Die Staatsregierung muss immer wieder an ihre diesbezügliche Verantwortung erinnert werden. Damit rede ich nicht die Region schlecht, sondern die Politik der Staatsregierung.

(Widerspruch bei der CSU)

Ich komme zu den verfassungsrechtlichen Aspekten des Gesetzentwurfs. Ich begrüße es ausdrücklich, dass einmütig eine Expertenanhörung beschlossen und durchgeführt wurde; da hat sich das Parlament tatsächlich als Parlament gezeigt. Lieber Kollege Bausback, ich weiß aber nicht, warum Sie auf Herrn Glaser so einschlagen. Auch nach der Expertenanhörung bleiben gewichtige Fragen so weit offen, dass man nach meiner Auffassung nicht von einem "fast einhelligen Ergebnis" der Anhörung sprechen kann.

(Zuruf des Abgeordneten Jürgen W. Heike (CSU))

- Herr Kollege Heike, die angebliche Stringenz der Bevölkerungsproportionalität - ein schöner Begriff! zwischen den Wahlkreisen, gleich Regierungsbezirken, ist keineswegs nachgewiesen. Das war ein einziger Widerspruch.

Ich höre übrigens mit Erstaunen, Herr Professor Bausback, dass Sie Herrn Professor Badura widersprechen. Auch hier gilt bei Ihnen freie Beliebigkeit. Wieso ist die Bevölkerungsverschiebung in der Oberpfalz und in Oberfranken so stringent, dass dort zwingend Mandate abgezogen werden müssen, während die nach Meinung genau derselben Gutachter und nach den neuesten Zahlen ebenfalls erforderliche Verschiebung eines Mandats von Unterfranken nach Mittelfranken angeblich noch Zeit hat? Sie bemühen die verfassungsrechtliche Gleichheit, wie es Ihnen passt.

Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Ich möchte nicht auch noch den Unterfranken ein Mandat wegnehmen. Aber genau den gesetzgeberischen Spielraum, der hier in Anspruch genommen wird - mit meiner Zustimmung! -, möchte ich auch für die Oberpfalz und Oberfranken angewandt wissen.

(Dr. Manfred Weiß (CSU): Quatsch!)

- Das ist kein Quatsch, Herr Kollege.

Einer der Gutachter, der die Stringenz so betont hat, lehrt ausgerechnet an der Uni Bayreuth. Ich war bei der Expertenanhörung anwesend. Dieser Gutachter war auch noch so großzügig, dass er sich vorstellen kann, die Verschiebung des Mandats von Unterfranken nach Mittelfranken ganz auszulassen und das Mandat erst vor der übernächsten Wahl nach Oberbayern zu verschieben. Das ist die "Stringenz der Bevölkerungsproportionalität". Herzlichen Glückwunsch! Es ist doch mit Händen zu greifen, dass verfassungsrechtliche Grundsätze von Ihnen nur dann bemüht werden, wenn sie in Ihr politisches Kalkül passen.

Wenn nicht, dann besteht eben ein Entscheidungsspielraum. Diesen Spielraum hätten wir auch gern bei der Entscheidung gehabt, die nächste Wahl nach den bisherigen Mandatsanteilen durchzuführen, um mit mehr Ruhe ein auf längere Zeit tragfähiges Wahlrecht entwerfen zu können.

Nun zu dem heiß umstrittenen zukünftigen Stimmkreis Wunsiedel-Kulmbach. Er ist den Menschen vor Ort nicht zu vermitteln. Niemand behauptet, dass die Menschen im Landkreis Wunsiedel diejenigen im Landkreis Kulmbach nicht mögen oder umgekehrt. Aber es gibt doch unterschiedliche Verflechtungen wirtschaftlicher, kultureller und sonstiger Art. Die Regionen eines Wahlkreises müssen zusammenpassen.

Sie wollen den Menschen einen Flächenstimmkreis verordnen, der die größte Fläche und die höchste Einwohnerzahl hat, und das auch noch am obersten Rand der Zulässigkeit. Dem Gebot der Einheitlichkeit entspricht der Wahlkreis nur deswegen, weil Sie sich einen Korridor aus Bayreuth leihen. Durch diese Verbindung entsteht ein Wahlkreis in der Form eines Hundeknochens; er wird auch so bezeichnet. Wenn Sie von der CSU so vorgehen, dann ist der Gedanke der verfassungsmäßigen Überstrapazierung des Wahlrechts mindestens genauso zulässig wie beim Bamberger Landrat, der vorsorglich geäußert hat: Sollten wir auf die Idee kommen, in seinem Bereich Korrekturen vorzunehmen, dann wäre das verfassungswidrig. Das hat er behauptet.

Nein, meine Damen und Herren, wir müssen oberfrankenweit denken, nicht aber in den Kategorien Oberfranken-West und Oberfranken-Ost.

Lieber Professor Bausback, die Alternativen wurden vorgeschlagen. Insoweit brauchen wir auch keinen Antrag einzubringen. Der Fichtelgebirgsstimmkreis ist die Idee des Landrats von Kulmbach und nicht, wie zuletzt in der Presse zu lesen war, des Herrn Kollegen Hacker.

(Zuruf von der FDP: Habe ich nie behauptet!)

- Aber andere. Dieser Vorschlag liegt dem Innenministerium seit Februar vor, ohne dass wir irgendeine fachliche Prüfung des Ministeriums hierzu zur Kenntnis bekommen hätten. Oder gab es diese vielleicht und Sie haben es wieder einmal nicht für nötig empfunden, uns davon zu unterrichten? Es könnte ja sein.

(Zuruf von der CSU: Wir haben Sie um eine ge- beten! - Weiterer Zuruf von der CSU: Wo ist der Änderungsantrag?)

- Den Änderungsantrag, das sagte ich gerade, brauchen wir nicht; der Vorschlag war auf dem Tisch.

Stattdessen stellt sich der Herr Innenminister hier ins Parlament und sagt, er sei für Alternativen offen. Das war nicht korrekt, Herr Innenminister. Die Alternative war auf dem Tisch, und wir haben nichts dazu gehört.

(Zuruf von der CSU)

- Das braucht es auch nicht. - Der Fichtelgebirgsstimmkreis hätte sicher auch zu Diskussionen in anderen Teilen Oberfrankens geführt. Er hätte aber in ganz Oberfranken weniger schwer vor Ort eingegriffen und gleichmäßiger verteilte Korrekturen vorgenommen. Das war aber von der Regierungskoalition wahrscheinlich von Anfang an nicht gewollt.

Welche Absichten hierbei für welche Personen konkret bestanden haben, kann man nur mutmaßen. Wahrscheinlich haben Sie mit weniger Widerstand gerechnet. Ich halte es für sehr bezeichnend, dass Sie aus offenkundigem Aktionismus nach der Expertenanhörung den Fichtelgebirgsstimmkreis CSU- und koalitionsintern und lautstark nach außen diskutiert und den Menschen falsche Hoffnungen gemacht haben. Noch bezeichnender ist der Umstand, dass nun seit wenigen Tagen einzelne Abgeordnete aus der Region, die sich im laufenden Jahr immer gegen den Hundeknochen ausgesprochen haben, den geordneten Rückzug antreten. Das, meine Damen und Herren, müssen Sie den Wählerinnen und Wählern schon noch erklären, und daran werden wir Sie auch zum gegebenen Zeitpunkt erinnern.

Ich fasse zusammen. Der Landtag nutzt seinen Spielraum nicht für die Beibehaltung der Mandate. Die Bevölkerung in Nordostbayern wird offenkundig nicht ernst genommen und bekommt deshalb einen unsinnigen Stimmkreis. Wir lehnen diesen Gesetzentwurf ab.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der SPD)

Vielen Dank. Herr Kollege, bleiben Sie noch einen Moment vorn. Frau Kollegin Guttenberger greift zu einer Zwischenbemerkung zum Mikrofon.

Herr Kollege, nun muss ich einmal nachfragen. Ich hatte den Eindruck, wir waren in einer anderen Anhörung. Sie werden sich doch sicher auch erinnern, dass Herr Professor Scholz sehr deutlich gesagt hat, dass man auch die Möglichkeit der Vorbereitung einer Wahl braucht und die Möglichkeit, eine praktikable Wahl zu gestalten. Deshalb sei es nicht zu beanstanden, wenn man den Zeitpunkt des Stimmkreisberichtes nehmen würde.

Sie erzeugen hier den Eindruck, als hätten alle etwas ganz anderes gesagt. Von jedem Experten wurde ausdrücklich erwähnt, dass das oberste Gebot die Gleichheit der einzelnen Wahlstimme ist und wir eben keine Möglichkeit haben, willkürlich eine Änderung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben.

Bitte schön, Herr Kollege Meyer.

Liebe Frau Kollegin, genau das ist der Widerspruch, auf den ich hingewiesen habe. Ich stimme Ihnen ausdrücklich zu, dass es natürlich aus vernünftigen Gründen einen Stichtag gibt. Aber er steht in keinem Gesetz und keiner Verfassung. Herr Professor Badura sagte, streng genommen müssten wir die Zahlen vom Wahlabend um 17.59 Uhr nehmen. Das ist ein wenig unpraktisch, und es wäre tatsächlich auch kein großes praktisches Problem gewesen, die neuesten Zahlen für Unterfranken anzuwenden.

Was ich damit sagen will, meine Damen und Herren: Dort lassen Sie einen Entscheidungsspielraum zu und dort nicht. Das ist ein gewaltiger Widerspruch, und diesen klären Sie oder Herr Professor Badura leider nicht auf.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Meyer. - Nächste Rednerin ist Frau Tausendfreund. Sie haben das Wort, Frau Kollegin.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das bayerische Landtagswahlrecht ist ein sehr demokratisches. Mit dem Zuschnitt der Stimmkreise lassen sich die Wahlergebnisse aber entscheidend beeinflussen.