Protocol of the Session on October 20, 2011

Argumente ausgetauscht sind. Ich möchte noch einmal grundsätzlich sagen: Es geht letztlich auch immer um die Frage: Was soll das Vergaberecht eigentlich leisten? Grundgedanke des Vergaberechts ist es, dass man als Treuhänder der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler gerade im öffentlichen Vergabewesen die Mittel gezielt und wirtschaftlich in einem transparenten Verfahren vergibt und damit natürlich auch Wirtschaftlichkeitsreserven hebt. Das ist der Grundgedanke des Vergaberechts. In dem Maße, wie wir diesen Gedanken erweitern und sagen, das Vergaberecht soll auch zur Lohnfindung beitragen, soll Mindestlöhne festlegen, soll sonstige soziale und ökologische Gesichtspunkte leisten, verwässern wir diesen Grundgedanken und beschädigen den Gedanken der Treuhandschaft, was die wirtschaftliche Verwendung öffentlicher Mittel angeht, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall des Abgeordneten Tobias Thalhammer (FDP))

Das ist das, worum wir hier immer wieder ringen.

Lassen Sie mich neben den Argumenten, die zum Schienenverkehr bereits ausgetauscht worden sind, Folgendes sagen: Es gibt keinen Fall, in dem nicht tarifgebundene Unternehmen zum Zuge gekommen wären. Es werden auch Branchentarifverträge verhandelt. Es gibt überhaupt keinen Anlass, staatlicherseits in die Tarifautonomie einzugreifen.

Lassen Sie mich noch zwei Gedanken anmerken. Herr Kollege Beyer, Sie haben wieder das Thema der "Guten Arbeit" angesprochen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Thomas Beyer (SPD))

Ich will in einen ernsthaften Diskurs mit Ihnen hierzu eintreten, weil auch uns die Frage bewegt, was hierfür die richtige Lösung ist. Sie sagen, man soll von seiner Arbeit leben können. Wenn Sie Ihren Satz aber bis zu Ende denken und sagen würden, Arbeit ist nur dann "Gute Arbeit", wenn man davon leben kann, dann diskreditieren Sie alle Menschen, die auf dem Weg in den Arbeitsmarkt Arbeit zu geringeren Löhnen annehmen. Arbeit hat für die Menschen etwas mit Würde zu tun.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Nein, nein, Herr Minister, so nicht!)

Aus Produktivitätsgründen oder weil es die Tarifpartner so vorgeben, erzielen sie damit eben kein ausreichendes Einkommen. Ich finde, man sollte diese Menschen nicht diskreditieren, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU - Markus Rinderspacher (SPD): Das ist eine Unverschämtheit! Jetzt geht es los, die Dinge so zu verkehren!)

Wer hat denn die Hartz-IV-Reform mit der Aufstockung auf den Weg gebracht? Das war Ihr damaliger Bundeskanzler mit der Agenda 2010. Es gehört dazu, dass man parteiübergreifend sagt, da ist etwas richtig gemacht worden. Hier ist dieser Grundgedanke enthalten.

Herr Staatsminister, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Selbstverständlich, Herr Kollege Dr. Beyer.

Bitte schön, Herr Dr. Beyer.

Ich glaube, es ist besser, wenn wir das jetzt direkt klären, anstatt hinterher. Das sage ich nicht nur als Landesvorsitzender der Arbeiterwohlfahrt, sondern auch als Sozialdemokrat, der diese Gesetzgebung im Übrigen konsequent und seit Längerem kritisiert hat, bevor es andere getan haben - mit anderen zusammen wohlgemerkt. Darf ich von Ihrem Verständnis dafür ausgehen, dass ich Ihren Einwand zurückweise, das normative Kriterium, "Gute Arbeit" sei Arbeit, von der man leben könne, so gebraucht zu haben, dass ich damit Menschen diskreditiere, die einen Unterstützungsbedarf haben?

Ich verweise Sie, den Wirtschaftsminister dieses Landes, im Übrigen auf die Bayerische Verfassung, in der steht, dass Arbeit auskömmlich sein muss.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der SPD: Bravo!)

Das ist die Wertung der Bayerischen Verfassung. Ich möchte Sie fragen, ob Sie bereit sind, mir das zuzugestehen und Verständnis dafür haben, dass ich diese Nachfrage gestellt habe.

Liebe Kollege Dr. Beyer, ich habe für Ihre Nachfragen immer Verständnis.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Dann ist das damit ausgeräumt!)

Ich habe Sie mit Ihrer Formulierung so verstanden, dass Sie sagen, was "Gute Arbeit" ist. Diesbezüglich habe ich Ihnen widersprochen. Wir sollten bei allen Schwierigkeiten auch den Menschen Rechnung tragen und deren Leistung würdigen, die sich in einem Rahmen, in dem Produktivität nicht ausreicht, sagen:

Ich nehme auch Arbeit an - aus verschiedenen Gründen -, um einen Beitrag zum Lebensunterhalt zu leisten und

(Markus Rinderspacher (SPD): Indem wir einen Mindestlohn verweigern!)

verlasse mich nicht ausschließlich auf die Transferleistungen des Staates. Diese Menschen machen keine schlechte Arbeit, sondern sie leisten im Rahmen ihrer Möglichkeiten eine gute Arbeit.

(Beifall des Abgeordneten Tobias Thalhammer (FDP) und bei der CSU - Markus Rinderspacher (SPD): Sie verweigern ihnen einen angemessenen Lohn! Das ist das Problem!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich abschließend auf das Argument zu sprechen kommen, dass es Bayern auch machen müsse, wenn das 12 von 16 Bundesländern machen. Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bayern ist auf vielen Gebieten deshalb soweit vorn, weil wir viele Dinge und einige Fehler, die andere Bundesländer machen, nicht tun und unseren eigenen Weg gehen.

(Beifall bei der CSU - Markus Rinderspacher (SPD): So wie bei der Atomkraft!)

Herr Staatsminister, es gibt eine Zwischenbemerkung von Herrn Dr. Runge.

Herr Staatsminister, mit Ihrer letzten Bemerkung haben Sie sich ordentlich ins Knie geschossen. Bayern war in den Jahren von 1996 bis 2009 das erste Land mit einer Tariftreue-Regelung. Gerade Herr Stoiber hat damit besonders angegeben. Das heißt, dass es uns in den vergangenen Jahren hätte sehr schlecht gehen müssen.

Jetzt aber zu einigen Ihrer Ausführungen. Der Zweck des Vergaberechts würde verwässert, haben Sie ausgeführt. Sie haben dafür einen wesentlichen Grund genannt. Selbstverständlich sind VOB, VOF, LSP usw. nicht aus Jux und Tollerei geschaffen worden, sondern es geht tatsächlich um die treuhänderische Bewirtschaftung öffentlicher Gelder.

Es hat aber einen zweiten wesentlichen Hintergrund, nämlich die Bekämpfung und die Verhinderung von Korruption. Das haben Sie wohlweislich ausgespart. Wenn Sie sich in die Genese des entsprechenden Vergaberechts hineinvertiefen, dann werden Sie das als entscheidenden Punkt finden.

Ich wiederhole einige Leitsätze des Urteils des Verfassungsgerichts zu Tariftreue-Regelungen, die besa

gen: "Die "Erstreckung der Tariflöhne auf Außenseiter soll einem Verdrängungswettbewerb über die Lohnkosten entgegenwirken, die Ordnungsfunktion der Tarifverträge unterstützen… Sie dient … auch der Erhaltung als wünschenswert angesehener sozialer Standards und der Entlastung … verstärkt in Anspruch genommenen Systeme der sozialen Sicherheit."

Es geht um die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit. Es geht um die Gewährleistung der finanziellen Stabilität der sozialen Sicherungssysteme. Das Bundesverfassungsgericht führt noch einmal klar aus: Es ist ein sehr wichtiges Ziel, dem Gemeinwohlbelang, welchem Tariftreue-Regelungen Rechnung zu tragen versuchen, eine überragende Bedeutung beizumessen.

Dem sollten Sie sich nicht so lapidar entgegenstellen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Staatsminister, bitte schön.

Ich stelle mich dem nicht lapidar entgegen, sondern mit Begründungen. Die Frage ist - darüber hat das Bundesverfassungsgericht nicht entschieden -, ob man sich entschließt, das Vergaberecht in dieser Form, wie ich es Ihnen nach meiner Auffassung dargelegt habe, zu überfrachten. Man kann natürlich die Entscheidung anders treffen, wie das andere Länder offenbar getan haben.

Wir kommen bei der Abwägung zu einem anderen Ergebnis, und zwar auch deshalb, weil wir der Überzeugung sind, dass es bei solchen Gesetzen, wie etwa dem Arbeitnehmerentsendegesetz oder anderen Gesetzen auf Bundesebene, darum gehen muss, dass wir die Umsetzung dieser Gesetze - diesbezüglich gebe ich Ihnen recht - besser kontrollieren, damit so etwas, wie Sie es an Verstößen aus der Stadt München geschildert haben, geahndet und abgestellt wird.

Es darf aber nicht so sein, dass wir durch die Hintertür nach dem Motto "Gut gemeint!" jetzt zusätzliche Bürokratie bei unserem Mittelstand aufziehen. Ich glaube, das ist nicht die angemessene Antwort.

(Beifall bei der FDP)

Vielen herzlichen Dank. - Nun rufe ich zu einer persönlichen Erklärung nach § 112 der Geschäftsordnung Dr. Thomas Beyer für die SPD-Fraktion auf.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen und - ausnahmsweise direkt

angesprochen - Herr Staatsminister! Ich stehe jetzt vor der Wahl, Sie entweder für bösartig oder für begriffsstutzig zu halten. Beides liegt mir fern.

(Markus Rinderspacher (SPD): Warum?)

Ich bin aber nicht bereit, mich provozieren zu lassen. Ich hatte Ihnen mit meiner Nachfrage eine Brücke gebaut. Wenn Sie diese nicht begehen wollen, dann muss ich Ihnen leider erneut erläutern, was "Gute Arbeit" ist. Das ist dem Wirtschaftsminister anscheinend nicht bekannt.

Der Begriff "Gute Arbeit" ist, wenn Sie so wollen, ein Begriff aus der Sozialwissenschaft, der auch Eingang in sozialpolitische Diskussionen findet. Es ist ein normativer Maßstab dafür, ob ich Arbeit als dem Arbeitnehmer zumutbar ansehe - auch von Verfassung wegen. Das ist "Gute Arbeit". Das scheinen Sie nicht zu wissen, oder Sie scheinen mir unterstellen zu wollen, dass ich den Begriff anders gebrauche. Ich habe nicht eine Diskussion geführt, wie Sie sie mir hier unterstellen. Das weise ich ausdrücklich in aller Form zurück.

Sie haben mir mittelbar unterstellt, dass ich die Arbeitsleistung von Menschen, die - ich sage es noch einmal - Unterstützungsbedarf haben oder die aufgrund irgendwelcher Schicksalsschläge eine gebrochene Erwerbsbiografie oder Ähnliches haben, als nicht gut diskreditiert hätte. Das weise ich zurück.

Ich habe gesagt: Wenn ich Menschen nicht jedenfalls den Mindestlohn bezahle, dann nutze ich als Arbeitgeber die Schwächesituation dieser Menschen, ihre Unterlegenheit im Arbeitsrecht oder die Tatsache aus, dass sie auf irgendeinen Job angewiesen sind, und das wäre dann auch nach den Maßstäben der Bayerischen Verfassung eben keine "Gute Arbeit". Die Bayerische Verfassung sagt, dass von "Guter Arbeit" auch die Familie leben können muss, wovon wir leider weit entfernt sind.

Sie haben in der Union einmal den Spruch gehabt "Sozial ist, was Arbeit schafft". Dazu haben wir schon immer gesagt: Sozial ist nicht, was irgendeine Arbeit schafft, sondern das, was "Gute Arbeit" schafft. Genau darum geht es und um nichts anderes. Ich möchte jetzt kein drittes Mal von Ihnen hören, ich würde Menschen, die Schwierigkeiten im Erwerbsprozess haben, die Möglichkeit absprechen, einen Leistungshorizont, wie er offensichtlich Martin Zeil vorschwebt, sofort zu erreichen.

Ich sage Ihnen aber ein Letztes: Ich finde es ein bisschen bizarr, dass Sie gleichzeitig als Exponent einer Regierungskonstellation von Schwarz und Gelb, die momentan in Berlin dabei ist, wenn der Bundesrat das