Protocol of the Session on May 17, 2011

Ich fahre erst in der Tagesordnung fort, wenn es allen Kolleginnen und Kollegen möglich war, die Plätze einzunehmen, damit wir uns in aller Ruhe und Konzentration wieder der Sache widmen können.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 12 auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Tanja Schweiger, Ulrike Müller u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Position der Milchbauern am Markt stärken Bündelungsmöglichkeiten ausschöpfen! (Drs. 16/7224)

Als erster Redner hat Herr Kollege Dr. Leopold Herz das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! "Bündelungsmöglichkeiten am Markt ausschöpfen", das ist anscheinend ein unendliches Thema. Worum geht es? - Beim vorherigen Tagesordnungspunkt wurde von einer Regierungsfraktion der Vorwurf erhoben, die Opposition fordere nur Geld, während die Regierung dafür sorgen müsse, es richtig auszugeben. Der vorliegende Antrag geht in diese Richtung. Der Staat muss für die

Landwirtschaft immer mehr Geld ausgeben, um sie zu erhalten. Um dem Problem des Höfesterbens entgegenzuwirken und weil die Bündelungsmöglichkeiten bei Weitem nicht ausgeschöpft sind, wurde der Antrag gestellt. Erst in der letzten Debatte haben wir festgestellt, dass großer Handlungsbedarf gegeben ist.

Der Ministerrat trat heute vor die Presse und verkündete, dass die Staatsministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten, Emilia Müller, eine tolle neue Errungenschaft vorgestellt habe, dass nämlich in Gesamteuropa Milch gebündelt werden könne. Meine Damen und Herren, dazu muss ich bemerken, dass man ganz weit sinken muss, um solche Dinge als Erfolg zu verkünden, weil damit ganz und gar nichts erreicht ist. Wir erachten diese Möglichkeit als selbstverständlich. Dabei will ich kurz auf den Dreiklang eingehen, der dieses Problem heraufbeschworen hat. Wir haben die Gliederung: Lebensmitteleinzelhandel, dazwischen die Molkereien, und am Ende stehen die Landwirte. Der Lebensmitteleinzelhandel bestimmt weitgehend den Preis. Wer Verhandlungen zwischen den Molkereien und dem Lebensmitteleinzelhandel miterlebt hat, kann diese Aussage nachvollziehen. Die Molkereien bekommen Festpreise und haben vereinbarte Löhne für die Geschäftsführer. Nach Abzug dieser Kosten erhalten die Produzenten den Preis - das, was übrig bleibt. Zur Durchbrechung dieser Spirale müssen wir alles unternehmen, um unter anderem die Bündelungsmöglichkeiten der Landwirte aktiver zu begleiten.

Herr Minister Brunner, ich will durchaus positiv vermerken, dass Sie einen runden Tisch eingerichtet haben, um dies zu initiieren. Bei der EU gibt es die High-Level-Group, die über Diskussionen und Vorschläge, die sich widersprechen, nicht hinauskommt. Einerseits gibt es europaweit die Möglichkeit, 3,5 % der Menge zu bündeln, einzelstaatlich ist die Bündelung von 33 % möglich. Die Gegenrechnung zeigt, dass das nicht schlüssig ist. Das ist ein großes Problem. Herr Minister Brunner, der runde Tisch ist grundsätzlich eine gute Sache. Er bleibt aber in den Diskussionen stecken. Wir müssen jedoch aktiver werden und die beiden Verbände begleiten. Ich nenne zwei Zahlen: Die Organisation des Bayerischen Bauernverbandes, die Bayern MeG, hat inzwischen 1,64 Milliarden Kilogramm Milch gebündelt. Das ist eine tolle Zahl bei rund 9.000 Betrieben. Ich sage nicht, die Konkurrenzorganisation, aber die andere Organisation, der Bund Deutscher Milchviehhalter, hat schon weit mehr gebündelt, weil hier der europaweite Ansatz gilt. Von den rund 44.000 Milcherzeugern in Bayern ist nahezu ein Drittel im Boot. Man kann die Menge hochrechnen. Aber es geht hier nicht um Verbände. Es geht um das Grundproblem: Wenn die Bauern, die Urproduzenten, sich nicht zusammenschließen, wenn

sie nicht zu gleichberechtigten Partnern am Markt werden, werden wir dieses staatliche Subventionierungssystem nie durchbrechen können.

Deshalb die dringende Aufforderung an Sie, Herr Minister Brunner: Werden Sie hier noch einmal tätig und gehen Sie auf die Verbände zu. Der Bayerische Bauernverband, der Ihnen parteipolitisch natürlich sehr nahe steht, muss noch einmal sehr dringend aufgefordert werden, nicht nur zu diskutieren, sondern die Verantwortlichen an die Kandare zu nehmen, dass es nicht bei dieser "Bayern MeG" bleibt. Das muss in den Deutschen Bauernverband hinausgehen. Da muss eine Angleichung an den europäischen Ansatz erfolgen. Wir treten hier auf der Stelle. Deshalb lautet meine dringende Aufforderung, die europäische Menge von 3,5 % zu überdenken. Das blockiert die Bauern zusätzlich.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. - Zusätzlich bremst, dass in der Milchbündelungsgenossenschaft "Bayern MeG" bisher nur die privaten Anbieter gebündelt werden. Bitte wirken Sie darauf hin, dass die Genossenschaften ins Boot geholt werden; denn die Hälfte der bayerischen Milcherzeuger sind genossenschaftlich organisiert. Die Milchbauern warten auf ein klares Signal. Wir von den FREIEN WÄHLERN werden Sie darin aktiv unterstützen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Herr Kollege Dr. Herz. Als Nächste hat Frau Kollegen Annemarie Biechl das Wort. - Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Milcherzeuger prägen in vielen bayerischen Regionen die Landwirtschaft und auch die Landschaft. Die Milchwirtschaft ist überwiegend kleinteilig und mittelständisch strukturiert. Neben der Milcherzeugung erfüllt der Sektor "Milch" weitere wichtige Aufgaben für unsere Gesellschaft; ich nenne nur die Pflege unserer wunderbaren Kulturlandschaft. Der bayerische Staat bekennt sich ausdrücklich zu diesen kleinteiligen und mittelständischen Strukturen und richtet seine Förderprogramme und Unterstützung nach seinen Möglichkeiten daran aus. Unsere Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten Emilia Müller hat mit ihrer Rede im Ausschuss der Regionen erreicht, dass das Milchpaket einstimmig angenommen wurde. In dem Milchpaket geht es hauptsächlich um Auffangnetze für die Milchwirtschaft in schwierigen Zeiten.

Im Sinne der bayerischen Milchwirtschaft ist der Antrag der FREIEN WÄHLER zwar nicht falsch. Ich habe aber schon im Februar im Fachausschuss ausgeführt,

dass er überholt ist. Der einzige Unterschied zum Sachstand im Februar ist heute, dass wir endlich wieder von einem höheren Niveau der Milchpreise sprechen können.

Ich darf die einzelnen Unterpunkte kurz erläutern: Die angemahnte Gesetzesinitiative wurde von Bayern bereits in Angriff genommen. Die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Bündelungsmöglichkeiten sind für Deutschland und für Bayern schließlich nicht neu. Bereits seit vier Jahrzehnten gibt es bei uns die Erzeugergemeinschaften als Zusammenschlüsse der Milchbauern mit dem erklärten Ziel, gemeinsam die Milch der Milchbauern zu vermarkten. Dabei ist die Obergrenze noch lange nicht erreicht.

Zu den Legislativvorschlägen der EU hat Bayern erfolgreich einen Antrag im Bundesrat eingebracht. Das erklärte Verhandlungsziel in Brüssel war, dass die Anerkennung von Milcherzeugern nicht ausschließlich auf der Basis von EU-Rechtsakten erfolgen darf. Die Mitgliedsstaaten sollen angemessen mitreden können. Auf alle Fälle muss sichergestellt sein, dass unsere Milcherzeugergemeinschaften keine zusätzlichen Auflagen erfüllen müssen. Ansonsten müssten womöglich alle bestehenden Erzeugergemeinschaften erneut von der EU anerkannt werden. Bereits im Dezember 2010 hat Bayern dem Bundeslandwirtschaftsministerium einen Vorschlag zur Änderung des Marktstrukturgesetzes unterbreitet, wonach die Erzeugergemeinschaften künftig aktiv vermarkten dürfen. Die Erzeugergemeinschaften müssen sich zusammenschließen, um am Markt als adäquate Partner auftreten zu können. Mit diesen Initiativen setzt sich Bayern für eine rasche, einfache und praxisgerechte Umsetzung des vorgeschlagenen EU-Rechts für bestehende Erzeugergenossenschaften ein. Die Transparenz, die dabei eingefordert wird, ist mit der Meldung an die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung gegeben, wobei ich mir nicht ganz darüber im Klaren bin, was die Bundesanstalt mit diesen Zahlen denn letztendlich macht.

In Bayern gibt es bereits 92 Erzeugergemeinschaften nach dem Marktstrukturgesetz und zwei Vereinigungen von Milcherzeugergemeinschaften, die bereits seit vielen Jahren die Milch, die ihre Mitglieder erzeugen, erfolgreich vermarkten. Die von der EU-Kommission vorgeschlagene Möglichkeit zur Bündelung wurde an dem von Staatsminister Brunner einberufenen runden Tisch ausführlich diskutiert.

Die im Antrag geforderte Unterstützung der Verantwortlichen der Milcherzeugergenossenschaften für die Aus- und Fortbildung der Bauern wurde ebenfalls bereits gezielt gewährt. Im Herbst fanden an der Landesanstalt für Landwirtschaft sechs Seminare unter

dem Titel "Stark im Markt" statt. Im Frühjahr wurden und werden nach Bedarf weitere Schulungen zum Thema "Milch" veranstaltet.

Zum dritten Punkt möchte ich anmerken, dass die Änderung der Lehrpläne hin zu mehr marktwirtschaftlichem Denken ein besonders wichtiger Aspekt ist. Ich habe bereits vor zwölf Jahren als Mitglied des Prüfungsausschusses regelmäßig angemahnt, die Lehrpläne mehr an die Gegebenheiten des Marktes anzupassen. Mittlerweile wurde dem Rechnung getragen, indem Marketing und Management in die Lehrpläne aufgenommen wurden. Bereits im aktualisierten Lehrplan der landwirtschaftlichen Fachschulen vom Oktober 2009 ist in den Pflichtfächern Pflanzenbau und Tierhaltung die Vermarktung explizit aufgeführt, und bei jedem Produktionsverfahren wird die Marktsituation in einem besonderen Abschnitt mit behandelt. Beim Lernziel Milchmarkt wurde beispielsweise besonders die regionale Situation in den Blick genommen. Im Sommersemester gab es an vier Schulungstagen im Bereich Tierhaltung die Themen Vermarktung und Qualitätsproduktion in der praktischen Umsetzung. Außerdem werden zusätzlich noch Angebote von außerhalb, also beispielsweise von der LfL (Anm.: Bayerische Landesanstalt für Landwirt- schaft), in die Schulung aufgenommen. Besonders auch die höheren Landbauschulen haben sich diesem Ziel explizit verschrieben. Das neue Pflichtfach Wirtschaft und Agrar umfasst mittlerweile zwei Wochenstunden. Mit der Facharbeit in Form eines Businessplanes werden die Darstellung und Weiterentwicklung eines Unternehmens mit Finanzierung und Risikoanalyse zum Umsatz- und Rentabilitätsvorschlag gefordert.

Frau Kollegin, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Bitte am Schluss.

Gut, am Schluss. Sie sind aber doch gleich beim Schluss?

Ja, da bin ich gleich. Darum wollte ich jetzt auch nicht mehr unterbrochen werden.

Die Qualität des geforderten Businessplanes steht und fällt mit einer profunden Kenntnis der Marktmechanismen. Ich denke, hier ist wirklich sehr, sehr viel geschehen, auch wenn es durchaus noch Gruppen gibt, die gerade diese Hinwendung zu mehr Markt in den Schulen kritisieren.

Abschließend möchte ich sagen, dass die Politik lediglich die Bedingungen schaffen, unterstützen und anstoßen kann. Ich denke, das ist passiert. Zusam

menschließen aber müssen sich die Bauern letzten Endes selber. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CSU)

Frau Kollegin, bleiben Sie bitte am Redepult. Kollege Aiwanger hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Bitte sehr, Kollege Aiwanger.

Frau Kollegin, Sie haben soeben ausgeführt, dass unser Antrag überflüssig sei. Sind Sie denn der Meinung, dass die jetzt vorhandene Bündelungssituation ausreicht, sodass wir keine weiteren Anstrengungen mehr unternehmen müssen? Unser Antrag zielt doch darauf ab, diese Bündelungsmöglichkeit, die uns von der EUSeite zugeschrieben wird, entsprechend für unsere Bauern voll umfänglich auszuschöpfen. Sind Sie der Meinung, dass es da in Ordnung ist, unseren Antrag ablehnen zu wollen, oder meinen Sie nicht auch, dass hier noch Musik drin ist und dass wir noch drauflegen könnten?

Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Herr Kollege Aiwanger, Sie haben vielleicht nicht richtig zugehört. Ich habe ausdrücklich gesagt, dass noch Luft drin ist. Die 3,5 % für die europäische Milch belaufen sich auf 5,6 Tonnen. In der Bayern MeG sind bisher 1,6 Tonnen gebündelt. Da ist wirklich noch viel Luft drin. Ich habe aber auch ausgeführt, dass wir nur Anstöße geben und Unterstützung leisten können. Die Zusammenführung, die Bündelung allerdings müssen die Bauern letzten Ende mit Unterstützung der bayerischen Politik, der deutschen Politik und der europäischen Politik selber gestalten.

(Beifall bei der CSU)

Danke schön, Frau Kollegin. Als Nächste hat das Wort die Frau Kollegin Maria Noichl. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Biechl, anfangs zu Ihnen ein Wort. Sie sprachen gerade davon, alles sei auf einem guten Weg, die Politik könne allerdings noch unterstützen. Genau deshalb wurde der Antrag gestellt.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Genau!)

Die Politik soll durchaus noch unterstützen. Das ist vor allem eine Willenserklärung; es ist nicht nur eine bayerische Angelegenheit, sondern es ist, wie gesagt,

eine klare Willenserklärung: Bündelung auf der untersten Ebene, nämlich auf der Erzeugerebene, ist nicht nur akzeptiert, sondern auch erwünscht.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Die SPD stimmt dem Antrag der FREIEN WÄHLER zu, wie wir es bereits im Februar im Landwirtschaftsausschuss getan haben. Es geht um die Marktmacht. Aber es geht nicht um irgendeine Marktmacht, sondern es geht genau um die Marktmacht der Erzeuger. Es geht also um die Macht der Landwirte, darum, wie sie gegenüber den Verarbeitern, also den Molkereien, auftreten können.

Die Erzeuger sind noch lange nicht auf gleicher Augenhöhe mit den Vermarktern. Deswegen brauchen sie unsere Unterstützung. Die Molkereien bündeln seit Langem. Frau Biechl, Sie haben es angesprochen. Sie tun es seit Jahrzehnten.

Die Molkereien bündeln, die Verarbeiter bündeln. Natürlich bündeln auch die Landwirte, aber letztere nur in viel geringerem Maße. Und genau dieser Unterschied in der Bündelung drückt aus, dass es kein Gespräch auf gleicher Augenhöhe gibt.

Ihnen selber als Landwirtin, die auch Milchkühe hat, muss doch daran gelegen sein, jede Bündelungsmöglichkeit soweit wie möglich auszuschöpfen. Die Landwirte müssen endlich auf Augenhöhe stehen können und dürfen sich bei den Gesprächen mit den Molkereien nicht mehr über den Tisch ziehen lassen.

Aus all diesen Gründen unterstützen wir den Antrag. Es ist eine Willenserklärung, die an die Bundesregierung über den Bundesrat gerichtet wird. Wir wollen, dass die Bündelungsmöglichkeiten im Bereich der Rohmilcherzeugung in die Praxis umgesetzt werden, das heißt zunächst erst einmal angeschoben werden.

Ein anderer Bereich des Antrages zielt darauf ab, die Vermarktung in den Lehrplänen stärker zu berücksichtigen. Natürlich wurde auch hier schon das eine oder andere nachgebessert, aber dennoch gibt es auch hier noch große Spielräume. Landwirt zu sein bedeutet immer mehr, auch Unternehmer zu sein, und zum Unternehmersein gehört auch das Verkaufen des Produkts dazu. Deswegen muss auch dieser Bereich noch viel nachhaltiger gestärkt werden.

Ich fordere Sie auf, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, den Antrag zu unterstützen. Dieser Antrag geht inhaltlich in die gleiche Richtung wie die vielen Anfragen, die die SPD zu diesem Thema gestellt hat. Wir bitten, wie gesagt, den Antrag zu unterstützen.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Frau Kollegin. Als Nächster hat Kollege Adi Sprinkart das Wort.