Kollege Rudrof, bzw. darf ich Sie zurück zum Mikrofon bitten, weil wir auf der linken Seite noch Diskussionsbedarf sehen. Herr Professor Dr. Gantzer hat das Wort für eine Zwischenbemerkung.
Herr Rudrof, meine Zwischenbemerkung richtet sich nicht nur an Sie, sondern auch an Frau Ministerin Haderthauer, weil ich abgewartet habe, was Sie beide zu sagen haben. Mir ist aufgefallen, dass Sie zur älteren Generation so gut wie gar nichts gesagt haben, während Frau Ministerin immerhin gesagt hat: Wohin entwickelt sich die Gesellschaft? Wir sind das Zukunftsministerium,
Ich spreche zu unserem Änderungsantrag 16/7309, in dem wir beantragt hatten, dass die Landesseniorenvertretung Bayern 100.000 Euro - ich betone: 100.000 Euro! - mehr Geld bekommen sollte. Im Augenblick bekommt sie einen niedrigen oder mittleren fünfstelligen Betrag und eine Zusage, dass vielleicht in zwei Jahren die Geschäftsstelle nach München kommt.
Wenn Sie dann sagen, wir haben einen Gesamthaushalt von 1 Milliarde Euro, dann habe ich das Gefühl, dass die Älteren nicht als besondere Personengruppe wahrgenommen werden. Ich vergleiche das mit dem Haushalt für den Bayerischen Jugendring, der irgendwo bei 50 Millionen Euro liegt. Für dessen Geschäftsstelle wird insgesamt etwas über 1 Million Euro verwendet. Das greife ich gar nicht an. Ich finde es richtig, dass die Jugend so gefördert wird. Aber es kann nicht sein, dass Sie hier hehre Worte über die neue Generation der älteren Bürgerinnen und Bürger sagen, und wenn es dann darum geht, die Arbeit der Landesseniorenvertretung Bayern mit zusätzlichen 100.000 Euro zu fördern - als Vergleich: Baden-Württemberg gibt inzwischen 200.000 Euro an die Landesseniorenvertretung Baden-Württemberg -, dann sollten Sie unserem Änderungsantrag zustimmen. Ansonsten muss ich sagen: Hier liegt eine Missachtung der Arbeit der Landesseniorenvertretung Bayern vor.
Ich will nicht gerade von Altersdiskriminierung reden, aber die Landesseniorenvertretung Bayern wird in ihrer Arbeit dadurch diskriminiert, dass sie nicht einmal diesen geringen Betrag zugesprochen bekommt. Und da frage ich Sie, Herr Rudrof: Wie sehen Sie das? Und Frau Ministerin, wie sehen Sie das? - Ich nehme an, dass Sie zum Schluss dazu Stellung nehmen werden. - Danke.
In aller Kürze, Herr Gantzer: Ich glaube, es ist durch die Ausführungen unserer Ministerin und auch durch meine Ausführungen deutlich geworden, dass wir eine Partnerschaft der Generationen im Bereich der Sozialpolitik im Auge haben. Was mit einem einzelnen Antrag gemacht werden kann oder nicht, das haben wir im Ausschuss entsprechend intensiv beraten. Wir haben Ihren Antrag damals in der Tat abgelehnt, weil wir auch das Gesamtgefüge im Auge behalten müssen.
Vielen herzlichen Dank. - Nun darf ich die Kollegin Claudia Jung von den FREIEN WÄHLERN hier ans Mikrofon bitten. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Grundsätzlich einmal ist es sicherlich positiv zu sehen, dass der Einzelplan 10 zu einem der wenigen Etats im Doppelhaushalt gehört, der 2011/2012 eine deutliche Steigerung verzeichnen kann. Weniger positiv sehe ich allerdings den prozentualen Anteil des Sozialetats am Gesamtvolumen des bayerischen Staatshaushalts, der sich 2011 auf nicht einmal mehr ganze 6 % beläuft. Da, lieber Herr Kollege Rudrof, muss ich Ihnen wirklich aufs Schärfste widersprechen. Hier zeigt sich doch wieder einmal mehr als deutlich, dass Sozialpolitik im Freistaat noch lange nicht den Stellenwert hat, auf dem eine gesunde Zukunft unseres Landes aufgebaut werden kann.
Meine Damen und Herren, das passt aber auch in keiner Weise mit dem zusammen, was die Staatsregierung bei jeder Gelegenheit betont, nämlich ihre große Anstrengung zur Stärkung der sozialen Sicherheit insgesamt und der Familie im Besonderen.
Anstatt den präventiven Charakter von sozialpolitischen Leistungen in den Fokus zu stellen und entsprechende Investitionen zu tätigen, wie etwa in frühkindliche Bildung, werden weiterhin Folgekosten für die Zukunft produziert. Das muss wieder einmal in aller Deutlichkeit gesagt werden.
Jetzt können wir nachlesen, dass im Einzelplan 10 erstmals auch Landesmittel zur Schaffung zusätzlicher Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren veranschlagt worden sind. Das klingt zunächst einmal ganz toll, aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Regierung hatte doch vor dem Hintergrund des Betreuungsanspruchs für Kinder unter drei Jahren gar keine andere Wahl, als die Mittel dafür zu erhöhen, weil nämlich in Bayern dieser Betreuungsbedarf jahrzehntelang schlichtweg einfach geleugnet wurde.
Die Staatsregierung hätte in den vergangenen Jahren wahrhaftig Zeit und Geld genug gehabt, für eine bessere Qualität in Kindertageseinrichtungen und für mehr Betreuungsplätze zu sorgen.
Aber so rangieren wir in Sachen frühkindliche Bildung im bundesweiten Vergleich leider immer noch auf einem der hinteren Plätze. Um bis 2013 die Bundesvorgabe von Krippenplätzen für Kinder unter drei Jahren flächendeckend sicherzustellen, wird es noch viele Kraftanstrengungen seitens der Staatsregierung brauchen. Dabei ist auch noch völlig unklar, woher das Geld für den weiteren Ausbau überhaupt kommen soll.
Lassen Sie mich noch auf einen mir persönlich sehr wichtigen Punkt eingehen, auch wenn das einige Damen und Herren der Staatsregierung mittlerweile nicht mehr hören können: Die Einführung eines kostenfreien Kindergartenjahres ist eine Forderung, die quer durch die Opposition erhoben wird und die bekanntermaßen auch im Koalitionsvertrag von CSU und FDP verankert ist. Dennoch gilt: Immer wieder in Aussicht gestellt, aber auch immer wieder auf die lange Bank geschoben.
Sehr geehrte Frau Haderthauer, richtig ist, dass ein Großteil der Millionen in die Verbesserung der Qualität unserer Kitas fließen muss, vor allem deshalb, damit wir endlich den anvisierten Anstellungsschlüssel von 1 : 10 erreichen. Nebenbei bemerkt: Für uns FREIE WÄHLER würde ein solcher Schlüssel eine moderate, aber längst nicht ausreichende Maßnahme darstellen. Mittelfristig müssten wir einen Anstellungsschlüssel von 1 : 8 erreichen, wie ihn auch der Wissenschaftlich-Technische Beirat der Staatsregierung bereits fordert.
Sehr geehrte Frau Haderthauer, auf die Ihnen so oft gestellte Frage, bis wann denn nun endlich die beiden Koalitionsziele erreicht sein werden, geben Sie gern die Antwort, dies hänge davon ab, wie viele Steuergelder dem bayerischen Staatshaushalt zur Verfügung stünden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich frage Sie: Auf wie viele Steuereinnahmen wollen und sollen wir denn eigentlich noch warten?
Im Jahr 2011 wird Bayern nach dem Haushaltsplan gemeinsam mit dem Jahr 2010 die zweithöchsten Steuereinnahmen aller Zeiten erreichen. Im Jahr 2012 sollen sie sogar auf ein neues Rekordniveau steigen und noch die Einnahmen aus dem Jahr 2008 übertreffen. Sehr geehrte Frau Staatsministerin, in Anbetracht dessen bitte ich Sie: Lassen Sie in Zukunft Ihre Ausreden einfach stecken. Legen Sie sich endlich zeitlich und finanziell fest. Dann müssen Sie sich auch nicht mehr unsere ständig wiederkehrenden Forderungen nach einem kostenfreien Kindergartenjahr anhören.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Sozialhaushalt 2011/2012 ist ein Paradebeispiel dafür, wie man an der Zukunft sparen kann. Er ist weder ausgeglichen noch sozial. Selbst Teile der CSU haben mittlerweile erkannt, dass der Aufbruch Bayern mit den Schwerpunkten Familie, Bildung und Investition eine Luftnummer ist.
Frau Ministerin, Sie haben eben bei der Vorstellung des Sozialetats die Familie in den Mittelpunkt gestellt, wie Sie überhaupt sehr Vieles in den Mittelpunkt gestellt haben. Sie kennen doch die Aussage des Sozialberichts, wonach Familien mit Kindern ein großes und erhöhtes Armutsrisiko haben. Was tun Sie dagegen? Sie kennen die Aussage des Sozialberichts, wonach alleinerziehende Mütter ein hohes Armutsrisiko haben. Auch das sind Familien. Was tun Sie dagegen?
Sie machen gerade beim Sozialhaushalt deutlich, wie ungerecht die Staatsregierung ihre Prioritäten setzt. Statt 25 Millionen Euro für das Zuschütten von Schlaglöchern zu verwenden, sollten Sie lieber die Schlaglöcher im sozialen Netz stopfen, als da sind Insolvenzberatungsstellen, Pflegeeinrichtungen, Betreu
ungsvereine, Hospize, Mehrgenerationenhäuser und, wie ich gerade gehört habe, die Arbeit für Senioren.
Statt zu erkennen, dass gerade die Sozialpolitik, wenn sie präventiv betrieben wird, Folgekosten erspart, sparen Sie kurzfristig und produzieren dadurch Folgekosten. Sie machen Ihre Hausaufgaben nicht, zum Beispiel beim Thema Inklusion, und schieben alles auf die lange Bank. Weil wir gerade bei der Inklusion sind: Der Bundestag und der Bundesrat haben die UN-Konvention einstimmig ratifiziert. Sie ist geltendes Recht. Im Einzelplan 10 des Doppelhaushalts 2011/2012 fehlt ein Ansatz für die Inklusion. Offensichtlich haben Sie überhaupt noch nicht gemerkt, dass Sie gefordert sind, die Inklusion umzusetzen.
Sie haben keinen Ansatz für einen Focal Point, der für die Koordination sorgen soll. Sie haben auch keinen Ansatz für einen Aktionsplan. Ich habe mir sagen lassen, dass man jetzt einen Aktionsplan vorbereite. Frau Ministerin, ich muss Ihnen aber jetzt schon sagen: Was Sie vorbereiten, ist kein Aktionsplan; denn bei der Erarbeitung eines Aktionsplans muss mit den Betroffenen gesprochen werden. Das haben Sie nicht getan. Sie berufen sich auf eine Anhörung. Das ist aber nicht dasselbe. Die betroffenen Verbände sind bisher noch nicht einbezogen worden. Insofern können Sie jetzt gar keinen Aktionsplan vorlegen.
Sie verhalten sich sogar kontraproduktiv, weil Sie bei der Behindertenhilfe den Ansatz reduziert haben, statt ihn zu erhöhen. Sie haben diesen Ansatz zunächst um 3 Millionen Euro gekürzt. Er wurde nur deshalb wieder erhöht, weil ein massiver Protest von den Wohlfahrtsverbänden kam und weil Sie Ihr Vorhaben in der Öffentlichkeit beim besten Willen nicht aufrechterhalten konnten, den Ansatz bei einer steigenden Zahl von Behinderten und insbesondere älteren behinderten Menschen zu kürzen.
Sehen wir uns die Kinderbetreuung an: Hier haben Sie die gesetzliche Verpflichtung, bis zum Jahr 2013 einen Ausbaugrad von 31 % zu erreichen. Selbst die schöngefärbten Angaben der Staatsregierung, dass bereits 21 % erreicht worden seien, lassen uns erkennen, dass Sie dieses Ausbauziel bei Weitem nicht erreichen werden; denn Sie müssten in den kommenden zwei Jahren weitere 50 % Ausbauleistung erreichen, und das ohne die Bundesförderung, die Sie bisher genutzt haben. Jetzt müssen Sie das aus eigener Kraft schaffen. Sie werden das unmöglich schaffen können.
- Sie haben jahrelang geschlafen und jetzt einmal ein bisschen Gas gegeben. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass diese Leistung ausreicht.
Dabei wäre auch das eine Investition in die Zukunft. Familien, die ihre Kinder in Kinderkrippen betreuen lassen, wissen, dass sie beruhigt ihrem Beruf nachgehen können. Sie zahlen Steuern und fallen nicht in die Armutsfalle, wie das im Sozialbericht zu lesen ist.
Sehen wir uns die Altenpflege an. Hier haben Sie im letzten Jahr ein Paradestückchen abgeliefert, das Sie auch in diesem Haushalt konsequent fortführen: Die Schüler der Altenpflegeschulen müssen künftig Schulgeld bezahlen.
Welch eine große Motivation haben junge Menschen, sich der Pflege alter Menschen zu widmen, wenn sie wissen, dass sie auch noch etwas bezahlen müssen, wenn sie diesen Beruf ergreifen wollen? Und das geschieht ausgerechnet vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung, wonach wir in Zukunft immer mehr alte Menschen haben werden.
Die Landesseniorenvertretung wird in Bayern noch immer als Modellversuch geführt. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Für diese Vertretung gibt es noch nicht einmal einen regulären Haushaltstitel. Dies zeigt Ihre Bemühungen für die Mitsprache von alten Menschen. Diese sind gleich Null.
Sehen wir uns noch ganz kurz an, wie Sie mit den Schwächsten der Gesellschaft umgehen. Welche Position vertreten Sie bei den Heimkindern, die Ansprüche geltend machen? Am runden Tisch wurde ausgehandelt, dass 120 Millionen Euro für die Heimkinder zur Verfügung gestellt werden sollen. Bayern drückt sich hier mit vollmundigen Erklärungen. Zahlen? Erst einmal nicht.
Sehen wir uns an, wie Sie zu den Flüchtlingen stehen. Noch immer sitzen die Flüchtlinge in menschenunwürdigen Unterkünften. Die Sozialbetreuung und die Sozialberatung liegen auf dem alleruntersten Level.