Protocol of the Session on February 22, 2011

Gesetzentwurf der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Tanja Schweiger, Dr. Hans Jürgen Fahn u. a. und Fraktion (FW) zur Änderung des Bayerischen Hochschulpersonalgesetzes (Drs. 16/7116) - Erste Lesung

Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Antragsteller begründet. Ich erteile Herrn Kollegen Professor Dr. Piazolo das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ihnen wird der Name Dr. Sonja Bauer wahrscheinlich nichts sagen. Sie ist Lehrbeauftragte an der LMU München, hat dort eine Lehrverpflichtung von vier Stunden und bekommt eine Honorierung von null Euro für diesen Aufwand.

Das mit der Honorierung und dem Lehrauftrag wurde natürlich nie vertraglich so deutlich geregelt. Wie läuft das häufig? Wenn man promoviert oder sich habilitiert, dann wird so etwas unausgesprochen erwartet. Da sagt man: Sie wissen ja, es ist ein bisschen eng mit der Lehre. Da können Sie auch Erfahrungen sammeln. Mehr wird nicht gesagt, aber es wird erwartet, dass man das tut, dass man lehrt, dass man arbeitet, ohne dass es dafür ein Honorar gibt.

Das ist kein Einzelfall, wie es oftmals geäußert wird. Wir hatten zumindest an der größten Universität in Bayern in den letzten vier Semestern 5.800 Lehraufträge. Das heißt, inzwischen liegen wir bei deutlich über 20 %. Ungefähr 25 % der Lehrveranstaltungen werden per Lehrauftrag durchgeführt. Ungefähr 1.000 Lehrbeauftragte sind es an dieser Hochschule, in Bayern wahrscheinlich 5.000. Das ist also kein zu ver

nachlässigendes Problem, insbesondere in den Geisteswissenschaften, dort, wo es auch weniger Geld gibt.

Ich habe mich in den letzten Wochen natürlich intensiv erkundigt. Viele Fakultäten sind aufgrund der Exzellenzinitiative gerade in den MINT-Fächern finanziell durchaus gut ausgestattet. Dort sind die Probleme geringer, dort kann man auch mehr zahlen. Aber bei den Geisteswissenschaften wird es sehr dünn. Vielfach gibt es dort heruntergerechnet nur 3 Euro pro Stunde. Denn man kann die gehaltene Stunde nicht einfach so stehen lassen, sondern es ist Vorbereitung dabei wie bei jedem Lehrer, es ist Nachbereitung dabei, es ist Beratung dabei

(Prof. Dr. Georg Barfuß (FDP): Und Korrektur!)

und Korrekturarbeit. Kollege Barfuß, der natürlich auch mit Korrekturarbeit zu tun hat, weiß, wie viel Zeit so etwas in Anspruch nehmen kann. In der Lehrverpflichtungsordnung steht, dass man auch von diesen drei Stunden ausgeht. Insofern haben wir hier sicher ein Problem.

Das betrifft nicht nur die Lehrbeauftragten, die wir im Gesetzentwurf ausdrücklich genannt haben, sondern es betrifft auch die wissenschaftlichen Mitarbeiter. Auch da sind es häufig, und zwar für Mitarbeiter, die ein abgeschlossenes Hochschulstudium haben, 10 Euro und weniger. Buchstäblich heißt das, man lebt von der Hand in den Mund. Das funktioniert nicht immer. Herr Minister, Sie werden jetzt sagen: Als Zahnarzt habe ich auch von der Hand in den Mund gelebt.

(Allgemeine Heiterkeit)

Aber in diesem Fall waren es die Münder anderer.

(Staatsminister Dr. Wolfgang Heubisch: Morgen- stund hat Gold im Mund!)

- Ja, das passt in diesem Zusammenhang. Aber das ist eine andere Situation. Ich will jetzt auch nicht die Lehrbeauftragten mit den Zahnärzten vergleichen, das liegt mir fern. Aber uns allen ist bewusst, das sind schwierige Verhältnisse.

Ich möchte jetzt nicht von einem Hochschulprekariat reden, das wäre vielleicht zu scharf. Aber wenn ich daran denke, dass heute an gleicher Stelle der Bundespräsident gesagt hat, es sei ihm in seiner Amtszeit ein wichtiges Anliegen, den Zusammenhalt der Gesellschaft zu stärken, so betrifft das sicherlich auch den Zusammenhalt in den Hochschulen: Studierende, Mittelbau und Professoren. Gerade dem sogenannten Mittelbau und denjenigen, die nicht einmal Verträge

haben, geht es in unseren Hochschulen manchmal, ziemlich häufig sogar, sehr schlecht.

Wenn ich mir die Empfehlung des Zukunftsrates anschaue - ich denke, das haben Sie, Herr Minister, auch ziemlich intensiv getan -, so ist dieser Teil in den Medien zwar etwas untergegangen, aber man sollte ihn sich vielleicht genauer betrachten. Da ist sicherlich manches dabei, was interessant ist. Aber es ist auch zu bedenken, dass es nur Professoren waren, die im Zukunftsrat saßen. Diese Professoren werden von den 60 Millionen Euro 30 Millionen, die sie investieren wollen, wiederum für Professoren ausgeben. Insofern ist hier auch wieder eine Schieflage eingetreten.

Unser Vorschlag ist deshalb, dass wir uns des Mittelbaus der Lehrbeauftragten annehmen, ein Problem benennen und versuchen, es auch gesetzlich zu regeln.

Wir haben es mit einer Mindestvergütung versucht. Wir schlagen das vor. Über diese Zahlen kann man in der Ersten Lesung auch diskutieren. 40 Euro pro Stunde klingt für manchen viel. Aber wenn man es auf die reelle Arbeitszeit herunterrechnet, dann sind es auch nicht viel mehr als 10 Euro pro Stunde. Insofern ist das eine gerechtfertigte Vergütung.

Mir geht es aber auch darum, den Fokus deutlich auf eine bestimmte Gruppe zu legen, auf Tausende von Leuten, die in der akademischen Lehre tätig sind, in den Hochschulen aber oft wenig beachtet werden. Wir haben uns mit den Studierenden auseinandergesetzt, die auch auf der Straße waren. Wir haben uns mit Professoren auseinandergesetzt, die gefördert werden sollen, aber wenig mit dem Mittelbau, dem es in der letzten Zeit in vielen Bereichen "nass hineingegangen" ist, so kann man sagen.

Ich kenne die Gegenargumente. Es wird wieder heißen: Es geht um die Eigenständigkeit der Hochschule. Nun, die haben wir seit Langem. Die Eigenständigkeit der Hochschule wird stärker, aber die Vergütungen werden nicht höher. Die Hochschulen haben natürlich auch nicht das Geld, um besonders hinzulangen.

Häufig wird gesagt: Viele dieser Lehrbeauftragten tun das, um in die Zukunft zu investieren. Daran mag etwas Richtiges sein, aber es ist nicht garantiert. Wenn dann noch Argumente kommen wie: Lehrbeauftragte kommen hauptsächlich aus der Wirtschaft und haben es nicht nötig, dann kann man sagen: Die können natürlich auch auf dieses Honorar, auf eine solche Vergütung verzichten. Ich glaube also, diese Argumente greifen nicht.

Natürlich gibt es auch verschiedentlich Sorgen mit einer Mindestvergütung, ob wir da nicht ein neues Feld aufmachen. Aber wenn Sie in die Gesetzgebung schauen, werden Sie sehen: Man wird immer dann aktiv, wenn es besondere Gruppen zu schützen gilt, zum Beispiel im Bereich des Mietrechts, wo wir einen Vermieter haben, der häufig wirtschaftlich stärker ist als der Mieter. Dort agieren wir, dort haben wir gesetzlich reagiert. Ähnlich ist es im Arbeitsrecht. Auch dort sagt man: Der Arbeiter, der Angestellte ist zu schützen. Er ist sonst dem Arbeitgeber häufig schutzlos ausgeliefert. Dann müssen wir gesetzlich agieren.

Die gleiche Situation haben wir auch an den Hochschulen. Viele der dortigen Angestellten oder auch der freiberuflich Tätigen und auch der Lehrbeauftragten sind in gewisser Weise von der Hochschule abhängig. Sie sind abhängig von den Professoren, und in ihrer Karriere sind sie auch abhängig davon, dass sie funktionieren, dass sie das tun, was scheinbar von ihnen erwartet wird. Deshalb müssen wir agieren und den Finger in die Wunde legen. Dafür fordern wir in unserem Gesetzentwurf konkrete Vorschläge.

Zum Abschluss möchte ich den Bundespräsidenten zitieren, der genau dies angemahnt hat: Die Aufgabe von Politik ist es, zu sagen, wie etwas geht, und nicht immer nur zu sagen, wie etwas nicht geht.

(Beifall bei den Freien Wählern)

In diesem Sinne machen wir als Freie Wähler den konkreten Vorschlag, wie etwas gehen könnte. Ich erwarte, dass Sie nicht nur reagieren, meine Damen und Herren, und nicht nur sagen, wie es nicht gehen kann.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Danke schön, Kollege Piazolo. Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner ist Herr Kollege Jörg für die CSU-Fraktion.

Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Professor Dr. Piazolo, ich bin dankbar, dass wir heute die volle Aufmerksamkeit denjenigen Gruppierungen an unseren bayerischen Hochschulen widmen, die mittlerweile einen unverzichtbaren Beitrag für die Lehre leisten und eine unverzichtbare Ergänzung für den Lehrbetrieb darstellen. Das bereichert den Lehrbetrieb, aber es ist auch eine Bereicherung für diejenigen, die die Lehraufträge an unseren Hochschulen annehmen.

Sie sagen zu Recht, dass wir viele haben, die als Lehrbeauftragte an unseren bayerischen Hochschulen tätig sind. Das heißt, es ist dem Grunde nach durchaus attraktiv, Herr Professor Piazolo, in gerin

gem Umfang - in der Regel zwei bis vier Stunden, aber manchmal auch sechs Stunden, eventuell sogar neun, in Ausnahmen bis zu elf Stunden - in der Lehre tätig zu sein.

Das Ganze ist in Lehrauftrags- und Lehrvergütungsvorschriften geregelt. Sie wissen, dass wir vom gesetzlichen bzw. Verordnungsrahmen her die Lehraufträge mit 55 Euro die Stunde, in Ausnahmefällen sogar mit bis zu 66 Euro honorieren können. Damit wird klar, dass der Rahmen im Grunde vorhanden ist.

Wie sieht es aber faktisch aus? Ihr Vortrag, Herr Professor Piazolo, skizziert einen Fall, den ich genauso ernst nehme, wie Sie ihn vorgetragen haben. Er stellt aber sicherlich nicht den Durchschnitt dar. Schauen Sie sich einmal die bayerischen Universitäten an; ich habe das stellvertretend für die Universität Würzburg gemacht. Dabei habe ich mir auch die Honorierung für die Hochschule für Musik in Würzburg angesehen. Ganz grob kann man dazu feststellen: Die Honorierung für die Lehrbeauftragten liegt zwischen 24 und 36 Euro. Manchmal werden Aufwendungen wie Vorbereitungszeiten oder auch Korrekturzeiten zusätzlich honoriert. Das ist aber die Ausnahme.

(Zurufe von den GRÜNEN - Prof. Dr. Georg Bar- fuß (FDP): Das war in der DDR auch so!)

Bei dem Gesagten handelt es sich um den Durchschnitt. Die Frage, die in der heutigen Diskussion beantwortet werden muss und die auch in den weiteren Lesungen zum Tragen kommen muss, lautet: Kann ein Mindestlohn Abhilfe schaffen? Ich bin der Auffassung, dass der Mindestlohn nicht das geeignete Mittel ist, will mich aber gerne einer Diskussion darüber öffnen, weil die verschiedenen Gruppierungen, die Lehraufträge annehmen, so differieren, dass sie mit einem einheitlichen Mindestlohn schlicht über einen Kamm geschert würden.

Es gibt in der Tat diejenigen, für die es hochinteressant wäre, besser honoriert zu werden. Das ist unumstritten. Es gibt diejenigen, die keinen Beruf ausüben und nur einen kleinen Lehrauftrag haben. Das sind häufig die Jungakademiker, die, kaum haben sie das Examen in der Tasche, überlegen müssen, wie es in der Lebens- und Berufsplanung weitergehen soll.

Des Weiteren gibt es diejenigen, die bereits einen Lehrauftrag und eine Lehrverpflichtung an unseren Fachhochschulen und Universitäten wahrnehmen. Sie setzen dann einfach zwei bis vier Stunden obendrauf.

Im Übrigen gibt es auch noch diejenigen, die nicht mehr im aktiven Dienst stehen, wie beispielsweise ausgeschiedene Professoren, die sich trotzdem noch einmal einbringen.

Des Weiteren gibt es dann auch noch die Lehrbeauftragten an unseren Fachhochschulen; diese sind in hohem Maße in die Wirtschaft eingebunden und bringen ihren wirtschaftlichen Sachverstand in unsere Hochschulen ein. Diese Personen haben gut und gern, wenn sie beruflich tätig sind, einen Stundenlohn von 200 bis 300 Euro und es ist für viele auch eine Ehre, sich an den Fachhochschulen beteiligen zu können. In diesen Fällen können Sie gar nicht honorieren, was da an Verdienstausfall gegenzurechnen wäre.

Und dann haben wir - da lege ich gerne gemeinsam mit Ihnen, Herr Professor Piazolo, den Finger in die Wunde - in der Tat Entwicklungen, die wir in den kommenden Wochen genau ansehen sollten. Ich denke da an unsere Hochschulen für Musik, die mit einem Prozentsatz bis zu 49 % - nehmen Sie nur unsere Hochschule für Musik in Würzburg - den Lehrbetrieb über Lehraufträge aufrechterhalten.

Herr Kollege, ich bitte sich an die Zeit zu halten.

Wenn Sie diesen Personenkreis in den Fokus unserer zukünftigen Diskussion stellen, dann erkennen Sie, dass es sich um Arbeitsverhältnisse ohne Sicherheit, ohne Mutterschutz, ohne Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und ähnliches handelt. Ich bin Ihnen dankbar, dass wir Gelegenheit haben, die Lehrbeauftragten unserer Universitäten und Hochschulen in den kommenden Wochen zu unterstützen und sage herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Danke. Bleiben Sie noch kurz am Redepult. Wir haben eine Zwischenbemerkung des Kollegen Halbleib.

Geschätzter Kollege Jörg, habe ich richtig verstanden, dass ein Antrag, den wir als SPD-Landtagsfraktion eingebracht hatten, nämlich die völlig unzureichende Vergütung insbesondere der Dozenten im Bereich der Musikhochschule endlich zu erhöhen, jetzt von Ihnen unterstützt wird? Wenn ich es richtig sehe, steht deren Vergütung seit 1991 auf dem gleichen Stand, und die Situation geht dahin, dass aus anderen Etatposten Mittel abgezogen werden, um zu erreichen, dass die Hochschulpräsidenten ihren Mitarbeitern noch ins Gesicht sehen können. Es ist also dringend notwendig, diese Mittel aufzustocken. Es war falsch, dass die CSU-Fraktion diesen Erhöhungsantrag in den letzten Haushaltsberatungen abgelehnt hat.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe gleich noch eine Anschlussfrage. Sind Sie bereit, in der CSU-Landtagsfraktion zumindest bei der Beratung des Doppelhaushaltes 2011/2012 eine qualifizierte Verbesserung der Situation herbeizuführen?

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege, Letzteres werde ich nicht vorwegnehmen. Das werden die Beratungen zeigen.

Im Übrigen, sprechen Sie, Herr Kollege Halbleib, einen Punkt an, den ich nachvollziehen kann. Die Titel sind in der Tat unterfinanziert. Jahr für Jahr werden aus anderen Sachgebieten Gelder umgeschichtet.