Protocol of the Session on February 22, 2011

Selbst nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 2007 hat es nur Scheinheiligkeit gegeben. Jetzt haben Sie auf den schönen Laden der Lotto-Totto-Vertriebsgemeinschaft rekurriert. Das ist

eine Besonderheit in Bayern und ein Unterschied zu den anderen Bundesländern. Es ist der effektivste und beste CSU-Wahlverein, den ich in meiner politischen Geschichte bisher erlebt habe. Ich empfehle Ihnen, die Protokolle dieser ehrenwerten Gesellschaft nachzulesen. Jedes Mal vor den Landtagswahlen gab es eine Großveranstaltung, in der man auf die SPD, die böse Partei, eingedroschen hat. Die CSU ist die gute Partei, die den Mittelstand schützt. Das können Sie den Protokollen der Lotto-Totto-Vertriebsgemeinschaft entnehmen.

(Zurufe von der CSU)

Der Syndikus sitzt hier. Sein Vorvorgänger hieß Edmund Stoiber. Um die Ziele verfolgen zu können, werden immer die richtigen Personen ausgesucht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich bitte Sie, zu durchdringen, um was es den ehrenwerten oder eben nicht ehrenwerten Herren überhaupt geht. Unsere Positionierung ist folgende: Das Monopol ist nicht aufrechtzuerhalten. In diesem Fall haben wir die Gelder für die Destinatäre nicht. Wir fordern ein reguliertes und kontrolliertes Miteinander bei einer entsprechenden Abschöpfung. Wir können auch noch mit dem Vorschlag aus Schleswig-Holstein leben, der besagt: Die großen Lotterien im staatlichen Monopol; die kleinen Lotterien unter staatlicher Aufsicht, staatlicher Vergabe und Lizenzierung. In diesem Falle könnte man tatsächlich eine Umweltlotterie und eine Eine-Welt-Lotterie betreiben, ohne als Bittsteller zum Staat laufen müssen.

Herr Kollege Arnold, gut 90 % der Sportwetten, bezogen auf den Umsatz, laufen im illegalen Grau- oder Schwarzmarkt. Wie soll man das kontrollieren? Ich spreche ganz konkret die wechselnde IP-Adresse im Internet an. Anders ist dies nicht zu realisieren. Wenn der Markt für Private über die Vergabe von Lizenzen und die Regulierung geöffnet wird, dann können wir Ihnen vorhersagen, dass ein beträchtlicher Teil dessen, was sich jetzt im Graumarkt abspielt, wieder im nicht grauen Markt abspielen wird.

Zur Suchtproblematik: Wir verniedlichen diese Problematik überhaupt nicht. Wir haben als erste Landtagsfraktion - ich habe auch die Fraktionen in anderen Bundesländern beobachtet - Anhörungen mit Experten, zum Beispiel auch des Landeskriminalamts, durchgeführt, wo uns berichtet wurde, wie aus deutschen Stadien heraus über die Iridium-Handys ganz massiv illegal gewettet wird. Herr Kollege Arnold, bei der Suchtproblematik sind wir zum Beispiel bei dem vom Vorredner angesprochenen Herrn Gauselmann, der ja eine sehr massive Landschaftspflege betreibt.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Herr Koschyk!)

- Genau. Wir kennen einige der Beglückten. Die Spielautomaten und die Kasinos haben ein ungleich höheres Suchtpotenzial. Herr Kollege Arnold, wenn das das Argument für Lotterien und Sportwetten ist, empfehle ich Ihnen, als erstes an den DAX, den MDAX und den TecDAX heranzugehen. Dort ist das Suchtpotenzial ungleich höher, wie das jeder der diesbezüglich forschenden Wissenschaftler sagt. Je näher die zeitliche Abfolge des Geldeinsatzes mit dem Gewinn- oder Verlustereignis zusammenhängt, desto höher ist das Suchtpotenzial.

Wie gesagt: Wir nehmen diese Frage ernst. Mit dem Vorschlag, den Sie jetzt gemacht haben, kommen wir und Sie alle aber nicht weiter. Herr Kollege Arnold, ich freue mich, dass Sie meine Redezeit noch verlängern.

Herr Kollege Dr. Runge, wie Sie richtig erkannt haben, gibt es eine Zwischenbemerkung - Herr Kollege Arnold hat das Wort.

Ich möchte jetzt kein Sprichwort zitieren. Der langen Rede kurzer Sinn: Erst deregulieren und dann schauen, was dabei herauskommt. Herr Kollege Dr. Runge, das entnehme ich Ihrer Rede. Respekt.

Nein, Herr Kollege Arnold. Es gibt andere Länder mit anderen Mentalitäten, in denen so etwas stattfindet. Die Deutschen haben nicht eine solche Spielleidenschaft und einen Hang zur Spielsucht wie beispielsweise die Bürgerinnen und Bürger in Asien oder in Großbritannien. Sprechen Sie einmal mit dem deutschen Botschafter in Malta. Dessen Hauptaufgabe ist es, Zahlungsbefehlen aus Deutschland zum Erfolg zu verhelfen, weil irgendwelche Gesellschaften, die jetzt in Malta ansässig sind und vorher in Deutschland oder Österreich ansässig waren, nach deutscher Meinung illegale Glücksspiele betreiben. Der deutsche Botschafter hat dafür nur ein müdes Lächeln, weil er überhaupt keine Möglichkeiten hat, die Damen und Herren zur Räson zu bringen. Wir müssen also schauen, was möglich ist.

Ich finde das Verfassungsgerichtsurteil aus dem Jahr 2007 und die Entscheidung des EuGH sehr zielführend. Wenn Sie wirklich Recht und Gesetz entsprechen wollen, muss das oberste und einzige Ziel die Kanalisierung der Spielleidenschaft und die Bekämpfung der Spielsucht sein. Das wäre völlig korrekt. Dann müssten Sie aber gleichzeitig den Annahmestellen sagen, dass sie zum großen Teil schließen müssen. Gleichzeitig müssen Sie den Destinatären aus Sport, Kultur und dem sozialen Bereich sagen, dass künftig viel, viel weniger Geld reinkommen wird.

Außerdem müssen Sie dann davon ausgehen, dass noch mehr dieser Glücksspiele im Graubereich abgewickelt werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Gibt es keine weiteren Zwischenbemerkungen?

Nein, es tut mir leid, Herr Kollege. Es gibt keine weitere Verlängerung Ihrer Redezeit. Als letzte Rednerin dieser Debatte darf ich Frau Kollegin Julika Sandt für die FDP-Fraktion ans Mikrofon bitten.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Da wir uns inzwischen in fortgeschrittener Stunde befinden, möchte ich doch einen kleinen Joke bzw. eine Denksportaufgabe bringen: Was ist der Unterschied zwischen meinem Sitznachbarn hier im Landtag und einem Pferd? Wenn ich wette, dass mein Sitznachbar 80 Liegestütze schafft, hätte ich gute Chancen zu gewinnen. Dies wird im Glücksspielstaatsvertrag geregelt, weil es sich um eine Sportwette handelt. Sportwetten sind Ländersache. Ich darf diese Wette nicht über das Internet abwickeln. Wenn ich aber wette, dass sein Pferd schnell läuft, ist das eine Pferdewette, die der Gewerbeordnung unterliegt, sodass sie vollkommen anders behandelt wird. Der Europäische Gerichtshof hat genau diese Inkohärenz, diese Ungleichbehandlung, angeprangert.

Für Lotto- und Sportwetten haben wir das Monopol. Pferdewetten und das Automatenspiel sind aber anders geregelt. Auf dem Glücksspielmarkt besteht somit ein ähnliches Chaos wie gerade in diesem Raum.

Die SPD schlägt ein Totalmonopol vor. Monopole setzen für den Staat Anreize, zu versuchen, damit seinen Staatssäckel zu füllen. Ein Beispiel: Wer in diesen Tagen durch Bayerns Städte gefahren ist, konnte an Litfaßsäulen riesige Lottowerbungen sehen. An Bushaltestellen wird Werbung für Kasinos und Black Jack gemacht. Für Glücksspiele, die dem Staatsmonopol unterliegen, wird Werbung noch und nöcher gemacht. Leute, die vielleicht gar nicht ans Spielen denken, werden auf der Straße darauf aufmerksam gemacht: Spiele doch einmal. Betätige dich beim Glücksspiel. Das halte ich für äußerst kritisch. Für noch kritischer halte ich die Lottowerbung in der sogenannten Quengelware. Wo Kinderspielsachen in Lottobuden liegen, wird auch ein Lotto-Glücksspiel angeboten.

(Beifall bei der FDP)

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Weidenbusch?

Nein, aber später gerne. Sie können eine Zwischenintervention machen.

Wir wollen das Lottomonopol nicht abschaffen. Wir sehen aber Monopole grundsätzlich aus den genannten Gründen sehr kritisch. In vielen Fällen können sie auch kontraproduktiv sein. Man muss sie mit Vorsicht genießen.

Noch gefährlicher sind Verbote; denn sie führen zum illegalen Spiel. Ich hatte vor ein paar Jahren ein Schlüsselerlebnis: Ich war in Burma auf einem Markt. Hinter Fischpaste und exotischen Früchten war ein wildes Treiben: Da spielten Mönche an einer Art Glücksrad. Sie setzten Geld auf Drachen und andere Symbole und derjenige, auf dessen Symbol das Glücksrad gezeigt hat, bekam das ganze Geld. Diese Mönche waren ängstlich und fühlten sich beobachtet. Offensichtlich war dieses Spiel illegal. Von Herrn Aiwanger habe ich vom Kuhfladen-Roulette gehört. Da gibt es ein Spielfeld und die Spieler wetten, wo die Kuh hinscheißt - wie man das auf gut bayrisch sagt.

Was will ich sagen: In jeder Gesellschaft wird gespielt und gewettet - auf die unterschiedlichste Art und Weise, ob mit der Kuh, in der Spielhalle, im Kasino oder in der Lottoannahmestelle. Verbote sind falsch, aber wir wollen klare Spielregeln. Wir brauchen einen vernünftigen Jugendschutz. Dieser kann durch Altersverifikationen sichergestellt werden. Herr Dr. Rösler hat gerade gefordert, Altersverifikationen auch bei Spielautomaten einzuführen. Dazu brauchen wir aber kein Glücksspielmonopol. Wir wollen die Suchtprävention durch Aufklärung und Hotlines stärken. Außerdem gibt es Sperrdateien, die unter den Gesichtspunkten des Datenschutzes behandelt werden müssen. Dafür brauchen wir aber kein Monopol. Mir kann niemand erklären, warum ein Monopol den Jugendschutz sichert. Mir kann keiner erklären, warum allein durch die Tatsache, dass ein Monopol vorhanden ist, der Spielerschutz bzw. die Suchtprävention sichergestellt wird.

Beim Lotto gibt es eine Ausnahme. Mehrere renommierte Verfassungsrechtler haben Gutachten verfasst, wonach das Lotto-Monopol sinnvoll ist, weil hier sehr große Geldmengen auf einmal ausgeschüttet werden und weil es schwierig ist, dieses Spiel zu kontrollieren, wenn es an jeder Ecke einen Lottostand gibt. Um hier Betrug zu verhindern, sagen die Verfassungsrechtler, dass ein Lotto-Monopol gerechtfertigt sei. Unseres Erachtens sollte aber die Werbung weniger aggressiv sein. Ich vermute, darauf zielte Ihre Frage ab. Wir

wollen natürlich die Lotto-Annahmestellen erhalten. Die Strukturen sind vorhanden.

Jetzt komme ich zu dem heißen Thema Sportwetten.

(Florian Streibl (FW): Ihre Redezeit ist vorbei!)

Frau Kollegin, aber bitte sehr kurz.

Gut. Wir sagen Ja zu mehr Jugendschutz, Ja zum Spielerschutz, Ja zur Förderung des Sports und der Kultur - nämlich mit einer Konzessionsabgabe -, aber Nein zum Glücksspiel-Monopol und Nein zu diesem Antrag.

(Beifall bei der FDP)

Frau Kollegin, Sie bekommen gleich eine Verlängerung. Ich darf Sie alle zunächst einmal um etwas mehr Ruhe bitten, weil es sehr schwer ist, einem Redner zu folgen, wenn parallel dazu fünf Gespräche im Raum stattfinden. Ich darf jetzt Herrn Kollegen Weidenbusch das Wort zu einer Zwischenbemerkung geben.

Frau Kollegin Sandt, würden Sie mir zustimmen, dass es zwischen einem Pferd und Ihrem Sitznachbarn Tobias Thalhammer mehr Unterschiede gibt als den, dass ein Pferd keine 80 Liegestütze machen kann?

(Heiterkeit)

Bitte, Frau Kollegin Sandt.

Ich habe einen anderen Sitznachbarn gemeint. Der Unterschied zwischen Herrn Thalhammer und einem Pferd ist der, dass Herr Thalhammer 80-mal danteln kann. Ich stimme Ihnen aber zu, dass es noch mehr Unterschiede gibt.

Wir wollen zur Ernsthaftigkeit übergehen: Wir fordern eine Konzessionsabgabe. Dann können nämlich mit dem Geld, das wir durch Sportwetten einnehmen, der Sport und der Breitensport gefördert werden. Dann können hier bald vielleicht noch mehr Kollegen 80 Liegestütze vorführen.

Vielen Dank, Frau Kollegin. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit schließe ich die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Der federführende Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz empfiehlt die Ablehnung des Antrags. Wer entgegen diesem Votum dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen.

Ich sehe die Hände der SPD-Fraktion und des Kollegen Weidenbusch. Die Gegenprobe! - Danke. Ich sehe die CSU, die FDP, die Freien Wähler und die GRÜNEN. Enthaltungen? - Keine. Damit ist der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:

Verfassungsstreitigkeit Schreiben des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 17. Dezember 2010 (Vf. 30-VII-10) , betreffend Antrag des Landkreises Berchtesgadener Land u. a. auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit 1. der Art. 23 und 24 Abs. 3 des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Staat, Gemeinden und Gemeindeverbänden (Finanzausgleichsgesetz - FAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Juni 2010 (GVBl S. 258, BayRS 605-1-F), 2. der §§ 18, 19, 20 und 21 der Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Staat, Gemeinden und Gemeindeverbänden (FAGDV 2002) vom 19. Juli 2002 (GVBl S. 418, BayRS 605-10-F), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12. April 2010 (GVBl S. 166) PII/G-1310/10-15

Ich eröffne die Aussprache. Als ersten Redner für die SPD-Fraktion darf ich Herrn Halbleib ans Mikrofon bitten. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben noch einen wichtigen Punkt vor uns, dann haben wir es für heute Abend geschafft. Dieser Punkt ist aber so wichtig, dass eine angemessene Aufmerksamkeit geboten wäre.

Wir befinden uns vor einem erneuten Verfassungsstreitverfahren. Wir haben die Situation schon einmal in diesem Hohen Hause besprochen. Leider besteht die hohe Wahrscheinlichkeit einer verfassungspolitischen Wiederholungstäterschaft aufseiten der CSU zusammen mit der FDP. Der Antrag der oberbayerischen Landkreise wird dadurch provoziert, dass CSU und FPD der letzten Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs in diesem Hause nicht Folge geleistet haben. Die Verfassungswidrigkeit des Finanzausgleichs im Freistaat Bayern wurde durch die Novellierung des Finanzausgleichsgesetzes, die wir in diesem Hause erlebt haben, nicht beseitigt. Daher ist es nur logisch und konsequent, dass die Landkreise erneut vor den Verfassungsgerichtshof ziehen, um die Sachlage zu klären. Diesen Gang zum Verfassungsgerichtshof hätte man vermeiden können, wenn man in diesem Hohen Hause bei der Novellierung die ver

fassungswidrigen Punkte geklärt und den kommunalen Finanzausgleich in Bayern auf ordentliche verfassungsrechtliche Beine gestellt hätte. Das wurde leider versäumt.

(Beifall bei der SPD)

Man hat damals dem Bayerischen Landtag statt einer Reform, wie sie der Verfassungsgerichtshof gefordert hat, ein Reförmchen vorgestellt. Im Prinzip blieb alles so wie zuvor. Man hat praktisch nichts geändert. Der Verfassungsgerichtshof hat uns alle dazu aufgefordert, den kommunalen Finanzausgleich auf neue, verfassungsrechtlich einwandfreie Beine zu stellen. Die alten Beine haben gewackelt und waren nicht mehr verfassungsgemäß. Leider wackelt Ihr neuer Finanzausgleich genauso wie der alte. Sie haben nämlich den Finanzausgleich nicht wirklich auf neue Beine gestellt, sondern Sie haben den Tisch mit den alten Beinen belassen und nur die fehlerhaften Stellen ein bisschen überpinselt. Das ist leider die Wahrheit, und wir müssen sie nun schon zum fünften Mal erzählen. Sie hätten eigentlich schon beim ersten Mal reagieren müssen und können,