Wer spielen und wetten will, um viel Geld zu gewinnen oder auch zu verlieren, der soll das ohne Rückversicherung durch Steuergelder tun.
Die Politik versagt, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir uns mit den Steuergeldern nicht um Bildung und Sicherheit kümmern, sondern wenn wir Spielerverluste ausgleichen oder Verluste, die aus unverantwortlichen Bankgeschäften entstanden sind. Das haben wir in den letzten Jahren erfahren müssen und vor allem auch wirtschaftlich und finanziell spüren müssen. Das muss uns Herausforderung sein. Da liegen die zentralen Aufgaben der Politik in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren. Systemrelevante Institute, solange es solche gibt, dürfen nicht spielen und Spieler dürfen nicht systemrelevant sein.
Die Finanzmarktbranche muss so geregelt werden, dass Spieler pleite gehen dürfen. Man muss Spieler pleite gehen lassen können. Weil das bis heute nicht so ist, muss die Politik schleunigst für die Beseitigung dieser Risiken sorgen. Daher unser ergänzender Antrag als Hinweis auf eine der ganz großen politischen Herausforderungen dieser Zeit.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP und von der CSU, ich habe Ihnen auch die Frage beantwortet, wie wir diesen Begriff des Rettungsautomatismus verstehen. Es ist kein rechtlicher Begriff, sondern es war bisher ein faktischer. Wenn Sie das mit uns akzeptieren, was Sie auch in den letzten Debatten immer getan und gesagt haben, dass nämlich die Rettung alternativlos war, dann stimmen Sie bitte schön auch unserem Antrag zu. Er hat es verdient, er ist wichtig genug.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Radwan, ich bin schon enttäuscht gewesen, als ich den Antrag gelesen habe. Was aber Sie zu dem Antrag ausgeführt haben, schlägt dem Fass wirklich den Boden aus. Einem platten Antrag so eine platte, innenpolitisch gemünzte Debatte nachzuschicken, ist eigentlich ein Skandal. Sie müssen der europäischen Herausforderung gerecht werden und hier nicht politisches KleinKlein praktizieren.
Einer Ihrer großen Vormänner hätte sich für diesen Beitrag geschämt. Ich habe nicht gedacht, dass ich ihn einmal an diesem Redepult verteidigen muss. Helmut Kohl hätte sich für Ihren Beitrag geschämt, weil Sie damit sein europäisches Erbe mit Füßen treten.
Sie haben durch die Art und Weise Ihres Antrages ganz falsche Fährten gelegt. Sie haben eine falsche Analyse der wirtschaftlichen und finanziellen Situation geliefert. Es hat doch nichts zu tun mit dem vermeintlichen südländischen Schlendrian, mit fiskalischem Faulenzertum, mit süßlichem Wohlleben von Staaten auf Kosten anderer. Das ist doch grober Unfug. Was wir im Augenblick erleben, ist doch, dass die Staaten durch den Zusammenbruch des Finanzmarktes gebeutelt sind und dass die Staaten die Banken retten mussten, damit die wirtschaftliche Entwicklung nicht
Sie müssen sich einmal ehrlich mit den Mechanismen und der Psychologie der Finanzmärkte auseinandersetzen. Gegen Zocker, die immer noch auf europäische Währungen zocken, auf das Zusammenknicken von Staatsanleihen und auf das Schicksal europäischer Staaten wetten, hilft nur eine klare, unmissverständliche und wirksame Architektur eines dauerhaften europäischen Krisenmechanismus. In der gegenwärtigen Schuldenkrise und angesichts dieser aggressiven Spekulationsattacken gegen den Euro brauchen wir entschlossenes Handeln und nicht solche Anträge, wie Sie sie heute in den Landtag eingebracht haben.
Deutschland - das müssen Sie den Bürgerinnen und Bürgern auch sagen - hat den größten Anteil an der Krisenbewältigung, weil wir Hauptnutznießer des Euros sind. Wir sind Hauptnutznießer der wirtschaftlichen Entwicklung, die durch den Euro verursacht worden ist. Wir haben das größte Interesse an stabilen Verhältnissen, müssen uns das einmal wie die anderen Europäer anschauen. Weil wir am meisten vom Euro profitieren, sollten wir auch fragen.
Sie hätten sich wenigstens zu einer ökonomischen Zusammenarbeit in der Europäischen Union bekennen können. Von einer wirksamen Regulierung des Finanzmarkt- und Bankensektors steht in Ihrem Dringlichkeitsantrag nichts. Statt eines klaren Bekenntnisses zur Integrität der Europäischen Währungsunion und zur Handlungsfähigkeit der EU verlieren Sie sich im Populismus. Über Ihren Dringlichkeitsantrag können sich die internationalen Finanzmarktspekulanten freuen; denn solange die europäischen Staaten in fundamentalen Fragen dieser Art uneins sind und die Bereitschaft zu einer kraftvollen gemeinsamen Reaktion nicht besteht, werden die Märkte immer wieder die bestehenden Verabredungen auf die Probe stellen. Das ist das Problem, mit dem Sie sich auseinandersetzen müssen.
Sie versuchen nur, die massiven Fehler der schwarzgelben Bundesregierung zu verdecken. Sie hat im letzten Jahr bei der notwendigen Stabilisierung des Euros massive Fehler begangen. Das war das gleiche Spiel, das Sie heute wieder aufführen: Wir machen nichts, wir brauchen nichts. Wir haben ein Zögern erlebt. Die Geschichte wurde verschleppt mit der Kon
sequenz, dass die Bundeskanzlerin sich mit ihrer Bundesregierung doch zu einem europäischen Krisenmechanismus bekennen musste. Mit Ihrem Dringlichkeitsantrag verdecken Sie, dass das Gleiche schon wieder auf uns zukommt. Sie sollten sich erst einmal intern einig werden, bevor Sie derartige Anträge stellen.
Last but not least: Deutschland trägt in diesem historischen Moment der europäischen Einigung nicht zuletzt deshalb große Verantwortung, weil wir maßgeblich von Europa profitiert haben. Wir brauchen eine deutsche Regierung, die ihrer Verantwortung gerecht wird. Wir brauchen keine schwarz-gelbe Regierungskoalition, deren höchstes Ziel sich darauf beschränkt, nicht selbst auseinanderzubrechen. Das ist Ihr Problem. Sie sind völlig unterschiedlicher Meinung, wie der Krisenmechanismus auf europäischer Ebene aussehen muss. Sie versuchen Ihre Zweifel und Ihre internen Kämpfe durch Ihre wortstarken Anträge zu überdecken. Es geht um die Zukunft Europas. Für die Zukunft Europas brauchen wir keine populistischen Anträge, die dem Bürger etwas vorgaukeln.
Ich hätte nie gedacht, dass wir als Sozialdemokraten einmal das europapolitische Erbe von Helmut Kohl und Hans-Dietrich Genscher gegen Sie von der Union und der FDP verteidigen müssen. Mit dem Inhalt und der Formulierung Ihres Dringlichkeitsantrags treten Sie das Erbe von Hans-Dietrich Genscher und Helmut Kohl in Sachen Europa mit Füßen. Wir werden dieses Erbe verteidigen und Ihren Dringlichkeitsantrag klar und deutlich als populistisches Scheingefecht ablehnen. Beim Dringlichkeitsantrag der Freien Wähler werden wir uns enthalten, da Sie erkannt haben, dass es doch auf etwas anderes ankommt als Plattitüden und populistisches Geschwätz. Wir müssen den Finanzmarkt endlich regulieren und weitere Schritte in Richtung Kontrolle des europäischen Finanzmarktes gehen.
Herr Halbleib, bitte bleiben Sie noch am Mikrofon. Zunächst gebe ich bekannt, dass für beide Dringlichkeitsanträge namentliche Abstimmung beantragt worden ist. Jetzt gibt es noch eine Zwischenbemerkung des Herrn Kollegen Radwan.
Ich gehe weder auf Ihre Wortwahl noch auf Ihre Verteidigung Helmut Kohls ein. Darüber hinaus steht Helmut Kohl für die Stabilität der Währung. Eine Frage hätte ich schon: Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie sagen, dass die Probleme des Euros primär den Märkten geschuldet sind und nicht der Verschuldung der Staaten der Europäischen Union?
Dazu kann ich Ihnen eine ganz klare Antwort geben. Irland ist noch vor Jahren von Konservativen und Neoliberalen als das Wunderland der wirtschaftlichen Entwicklung gepriesen worden. Irland ist von Ihnen als Wunderland angepriesen worden. Die Probleme Irlands haben mit dem Zusammenbruch des Finanzmarktes zu tun und nicht mit dem Schlendrian Irlands.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Laut ZDF-Politbarometer lehnen 64 % der deutschen Wählerinnen und Wähler eine stärkere finanzielle Mithaftung für klamme EU-Länder ab. Darauf konnte man doch wetten. Man konnte darauf wetten, dass die CSU als deutsche Populistenpartei nicht lange überlegt und heute dieses Ergebnis 1:1 als Dringlichkeitsantrag einbringt. So einfach und billig kann Politik sein.
Ich wusste gar nicht, dass Bayern im Allgemeinen und der Bayerische Landtag im Besonderen einen überaus relevanten Einfluss auf EU-Entscheidungen haben. Warum reden wir heute überhaupt darüber? Mit dem EU-Rettungsschirm wurde und wird Zeit erkauft, Zeit, die die EU und die Mitgliedsstaaten nutzen müssen, um ihre eigenen Finanzen zunächst zu stabilisieren und schließlich zu sanieren. Wenn wir nicht bereit sind, diese Rettungsmaßnahmen ausreichend auszustatten, wären die Folgen für den Euro fatal und damit für die bayerische exportorientierte Wirtschaft verheerend. Sie wissen ganz genau, dass eine neue D-Mark einen gewaltigen Aufwertungsdruck hätte und dass die europäische Integration um Jahrzehnte zurückgeworfen würde. Deswegen stellt sich die Frage, wie groß die Sicherheit, dieser Schirm, sein muss. Ich bin froh, dass diese Frage nicht das Politbarometer entscheiden darf und demzufolge auch nicht die CSU und die FDP im Bayerischen Landtag.
In der Begründung Ihres Dringlichkeitsantrags lehnen Sie finanz- und fiskalpolitische Reformen der EU ab. Das ist abenteuerlich. Es ist doch Ihre schwarz-gelbe Ideologie gewesen, die die Deregulierungs- und Dumpingeffekte ausgelöst hat, die Europa in die heutige Krise geführt haben. Natürlich brauchen wir finanzund fiskalpolitische Reformen. Natürlich brauchen wir eine europäische Unternehmensbesteuerung gegen den unfairen Steuerwettbewerb. Ich erinnere mich noch gut, wie der Gottvater der FDP - entschuldigen Sie, Herr Dechant, das sind in diesem Fall nicht Sie, sondern Herr Westerwelle - Irland mit seinen Niedrigsteuersätzen und seiner laschen Finanzaufsicht - darauf haben Sie immer verwiesen - uns Deutschen als Vorbild angepriesen hat. Sie haben gesagt, das sei super. Das ist die Antwort auf die Frage, ob nicht die Politik versagt hat.
Natürlich müssen Deregulierung und Dumping ein Ende haben, das die deutschen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler - ich lasse die BayernLB heute mal weg - zwischen HRE und SachsenLB Milliarden gekostet hat. Natürlich müssen die Finanzmarktakteure an der Beseitigung der Krisenkosten beteiligt werden. Die Politik darf auf der einen Seite die Sozialleistungen zugunsten eines ausgeglichen Haushalts nicht kürzen, wenn auf der anderen Seite im Finanzmarktsektor erneut die Boni in Milliardenhöhe sprudeln.
Natürlich brauchen wir eine Finanztransaktionssteuer, von der Sie sich mit Ihrer Begründung entgegen öffentlichen Bekundungen offensichtlich durch die Hintertür wieder verabschieden wollen. Als Politiker ist es unsere Pflicht, den Widerstand gegen die zerstörerische Spekulation zu organisieren und durchzuführen. Deshalb müssen wir natürlich auch die Gläubiger an den Verlusten beteiligen. Wenn wir das nicht tun und die Investoren auch weiterhin keine Verluste zu befürchten haben, wenn irgend ein Land zusammenkracht, dann werden Sie auch künftig zocken und spekulieren, dass es kracht und bis es kracht. Und da kommen Sie daher und behaupten, wir hätten keinen Bedarf an finanz- und fiskalpolitischen Reparaturen. Liebe Leute, das ist Sandmännchen und keine verantwortungsvolle Politik.
Die großen Vorteile der Währungsunion werden wir für uns in Bayern auch nicht sichern können, wenn es uns nicht gelingt, offen, konstruktiv und ernsthaft über
eine makroökonomische Koordinierung der europäischen Politik zu reden. Selbstverständlich ist die strikte Haushaltsdisziplin in Griechenland, Portugal, Irland und in anderen EU-Ländern unabdingbar. Im Moment möchte ich nicht in Irland leben, weil diese harten Reformen auch durchgeführt werden. Jedoch werden wir Probleme wie das strukturelle Leistungsbilanzdefizit vieler Länder, die Fragen des Krisenausgleichs und des Sozialdumpings nicht dadurch lösen, dass Kirchturmpolitiker sich einer Diskussion über die Konsequenzen der Währungsunion für die Ausgestaltung der Wirtschaftsunion in Europa verweigern. Ich stimme hier Jacques Delors ausdrücklich zu. Er hat bereits 1997 die fehlende Koordinierung der einzelstaatlichen Wirtschaftspolitiken als den wesentlichen Konstruktionsfehler der Wirtschaft- und Währungsunion bezeichnet. Wir werden eine europäische Wirtschaftspolitik brauchen. Diese Debatte ist überfällig. Dazu sagen Sie jedoch keinen Ton.
Wo aber gehört diese Debatte hin? - Sie gehört doch nicht in Merkels Hinterzimmer, wo ein vierseitiges Paper geschrieben wird mit der zwangsläufigen Folge, dass aus den Hinterzimmern der anderen Regierungschefs der entsprechende Widerspruch kommt, wie das in den letzten Tagen oft genug zu hören war. Diese Debatte ist eine ureuropäische Debatte. Sie gehört deshalb dorthin, wo die Kommission sitzt, sie gehört in das Europäische Parlament. Das muss auch sein. Einige Vorschläge des Merkel-/Sarkozy-Papiers waren ganz okay. Wir dürfen die Debatte aber nicht dadurch beschädigen, dass wir sie in die Hinterzimmer verlegen. Im Übrigen kritisieren nicht nur wir diese Vorgehensweise wie Daniel Cohn-Bendit, der sie - ich zitiere - als einen "deutsch-französischen Putschversuch" bezeichnete Die Absicht, die wirtschaftliche Zukunft in Kungelrunden zwischen den Regierungschefs auszufeilschen, wird auch von den Liberalen im Europaparlament, von den Sozialdemokraten - sie hätte ich als Erste nennen müssen -, aber auch von vielen Christdemokraten kritisiert. Sie alle wollen nicht, dass abseits von EU-Kommission und EU-Parlament entschieden wird - damit die Dinge auch halten. Und da kommen Sie mit einem "Ein-Satzerl-Antrag" daher. Kinder, Kinder! Wenn das die europapolitische Schnittmenge von CSU und FDP ist, dann ist das eine ziemlich leere Menge.
Ich fürchte, man muss den Eindruck gewinnen, dass die Antragsschreiber keinerlei Ahnung von der finanz-, wirtschafts- und demokratiepolitischen Komplexität der Materie haben, sonst hätten sie sich nicht getraut, diesen banalen vierzeiligen Antrag vorzulegen.