Ich fürchte, man muss den Eindruck gewinnen, dass die Antragsschreiber keinerlei Ahnung von der finanz-, wirtschafts- und demokratiepolitischen Komplexität der Materie haben, sonst hätten sie sich nicht getraut, diesen banalen vierzeiligen Antrag vorzulegen.
Dem Antrag der Freien Wähler konzedieren wir, dass er an vielen Stellen inhaltlich richtig versucht, über das billige Dagegen-Crescendo von CSU und FDP hinauszugehen. Allerdings beschränken sich auch Ihre Ansätze auf den finanzpolitischen Bereich, zum wirtschaftspolitischen wird wenig gesagt. Die politischen Fragen beantworten Sie überhaupt nicht und die finanzpolitischen nicht umfassend. Deshalb werden wir uns bei Ihrem Antrag der Stimme enthalten. Ich danke ihnen aber ausdrücklich für diesen Antrag. Wenn ich wählen müsste, würde ich Sie heiraten für das, was Sie im Vergleich zu dem Zeug geschrieben haben, das von CSU und FDP hier vorgelegt wurde.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Mir liegt jetzt viel auf der Zunge. Man könnte, Herr Hallitzky, bei diesem Heiratsantrag ein Stück weit über eingetragene Lebensgemeinschaften philosophieren. Man müsste auch, lieber Herr Hallitzky, Sie bei Ihrer zur Schau getragenen Aufregung daran erinnern, wer denn Gründervater der TrueSale-Initiative war, um Deutschland in Sachen Verbriefungen nach vorne zu bringen. - Das war die rotgrüne Bundesregierung. Das soll man an der Stelle nicht vergessen.
Oder aber, Herr Halbleib, wenn Sie "Biedermann und die Brandstifter" aufführen, muss man klar sagen: Das Europabild von Helmut Kohl ist das richtige, im Gegensatz zu vielen Vorschlägen, die entwickelt wurden.
Wer hat denn den Stabilitätspakt aufgeweicht? - Das war Ihre Bundesregierung. Das waren Gerhard Schröder und Hans Eichel.
Sie haben die Grundlage für das ganze Dilemma gelegt. Was hat denn Ihre Bundesregierung unter Führung von Schröder und Eichel dagegen getan, dass Griechenland Mitglied der Euro-Gruppe wurde?
Der damalige Bundesfinanzminister Theo Waigel hat eine eigene Untersuchung der italienischen Volkswirtschaft angeregt.
Herr Kollege Finanzminister, mir ist an der Stelle, an der Sie gefragt haben, wer den Pakt aufgeweicht habe, ein Artikel eingefallen. Damals waren es Deutschland und Frankreich. Wir fanden das auch nicht gut.
Kennen Sie den Artikel in der "Neuen Züricher Zeitung" während Ihrer Regierungszeit über "Mephistos Pakt" und über "Theo Goldfinger"? Er hat an jeder Stelle getrickst, um die Stabilitätskriterien erreichen zu können. Das war eine Hin- und Herschieberei des Bundeseisenbahnvermögens, ein Verschieben von Pensionslasten in die Zukunft, bis hin zu der Idee, die Goldreserven anders zu bewerten. Es braucht also niemand mit dem Finger auf den anderen zu zeigen. Deutschland hatte kein Recht, sich von Italien Verträge -
(Dr. Martin Runge (GRÜNE): Theo Waigel ist der nachfolgenden Bundesregierung kein bisschen nachgestanden!)
Lieber Herr Runge, ich will Ihnen von dieser Stelle aus und persönlich zur Wahl zum Fraktionsvorsitzenden gratulieren. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit.
An einer Tatsache kommen Sie nicht vorbei. Den Stabilitätspakt, wie ihn damals Helmut Kohl und Theo Waigel in einer ganz besonderen Verantwortung entwickelt haben, nämlich nicht nur die deutsche Einheit gestaltend, sondern weiter die europäische Einheit vorantreibend, haben Sie aufgeweicht. Es war Ihre Bundesregierung, bestehend aus Gerhard Schröder und Hans Eichel als Finanzminister, gefolgt von Joschka Fischer als Vizekanzler und Außenminister. Sie haben die Grundlage für die Fehler gelegt, die sich dann eingeschlichen haben. Da beißt die Maus keinen Faden ab.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin den Abgeordneten der Regierungsfraktionen dankbar, weil sie klargemacht haben, dass es in den nächsten Wochen um viel geht. Es geht in den nächsten Wochen um zentrale Richtungsentscheidungen darüber, wie sich die Europäische Union weit über das Zusammenspiel in der Haushalts- und Finanzpolitik hinaus weiterentwickelt.
Es geht im Rahmen des EU-Haushalts darum, ob wir zulassen, dass Europa Schulden macht, wo bislang keine Schulden waren. Es geht darum, ob Europa in Zukunft Defizite zulässt, wo bisher keine Defizite zu finden waren, und es geht in Europa auch darum, ob wir in Zukunft europäische Steuern erheben können, wo wir aus guten Gründen in Europa bislang kein Steuererhebungsrecht hatten. Deshalb kann ich mich bei den Antragstellern nur bedanken. Sie nehmen einen zentralen Punkt auf. Sie geben uns die Gelegenheit, hier und heute vor dem Plenum des Bayerischen Landtags deutlich zu machen, dass wir in einer nach wie vor weltweit zugespitzten wirtschaftlichen Situation zu unserer besonderen Verantwortung stehen. Wir wollen die Grundzüge unserer Europapolitik, dass wir ein handlungsfähiges Europa, aber kein Europa brauchen, das zu einer Transferunion wird, noch einmal deutlich herausarbeiten.
Ich erinnere Sie daran, dass wir in einer Regierungserklärung seitens der Staatsregierung am 19. Mai
2010 deutlich gemacht haben, dass es uns um drei wesentliche Punkte geht: Wir stehen zu unserer europäischen Verantwortung, aber wir brauchen jetzt die Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Wir stehen zu unserer europäischen Verantwortung, aber wir brauchen gleichzeitig auch ein klares Nein zu einer Transferunion. Wir haben auch deutlich gemacht, dass es nicht alleine die Aufgabe der wirtschaftlich starken Staaten ist, jetzt für die Solidität Europas zu stehen. Alle Mitgliedstaaten müssen jetzt überzeugend zeigen, dass sie es ernst meinen mit der notwendigen finanzpolitischen Disziplin; denn sie ist die Grundlage für das Vertrauen der Märkte in unsere gemeinsame Währung.
Wir brauchen, das haben beide Sprecher der Regierungsfraktionen deutlich gemacht, eine neue Stabilitätskultur, die nicht nur auf dem Papier zu lesen ist. Nein, meine sehr verehrten Damen und Herren, diese Stabilitätskultur muss jetzt aktiv gelebt werden. Angesichts dieser Verantwortung gilt es in den nächsten Wochen die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Wir haben uns vor dem Hintergrund dieser Debatte eingebracht. Wir haben die Beschlüsse des Europäischen Rates mit beeinflusst, und ich will darauf hinweisen, dass wir mittlerweile ein verschärftes Defizitverfahren haben. Wir haben Sanktionen, die schneller kommen. Wir haben einen halbautomatischen Sanktionsmechanismus. Ich stelle fest: Wir sind in Bayern am Thema dran, weil wir uns der besonderen Verantwortung bewusst sind. Deshalb haben wir für die morgige Sitzung des Bundesrates gemeinsam mit den Ländern Hessen und Baden-Württemberg einen Antrag entwickelt. Lieber Herr Halbleib, morgen im Bundesrat wäre die Stunde der SPD, sich über die Ländergrenzen hinweg dazu zu bekennen, dass wir einen Mechanismus brauchen, der die privaten Gläubiger angemessen beteiligt, dass wir die Hilfen für die Mitgliedstaaten als Ultima Ratio verfolgen, dass wir kein Aufweichen der No-Bail-out-Regeln zulassen, dass wir die Hilfen an strikte Bedingungen knüpfen, die den weitestgehenden Schutz der deutschen Steuerzahler in den Mittelpunkt stellt und dass wir keine Transferunion wollen. Ich bitte Sie, sorgen Sie dafür, dass die anderen Bundesländer morgen dem Antrag von Bayern, Baden-Württemberg und Hessen folgen. Dann dürfen Sie auch über Helmut Kohl und Europa vor uns reden, meine sehr verehrten Damen und Herren!
Ich glaube, es ist wichtig, mit diesem Votum heute deutlich zu machen, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt keine falsche Debatte führen. Der bestehende EU
Rettungsschirm wurde bislang nur zu einem geringen Teil in Anspruch genommen. Mit einer Aufstockung würde man zu diesem Zeitpunkt ein vollkommen falsches Signal an die Märkte geben.
Wir wollen doch nicht, dass die Märkte die Stärke Spaniens und die Entwicklung in Irland nicht mitnehmen. Wir müssen jetzt deutlich machen: Europa ist sich seiner Verantwortung bewusst. Europa kann diese Veränderungen durchsetzen. Wir sollten heute dem Antrag der Regierungsfraktionen zustimmen und alle anderen Anträge ablehnen.
Die CSU-Fraktion hat im Hinblick auf die namentliche Abstimmung über den Dringlichkeitsantrag der Freien Wähler bei ihrem Dringlichkeitsantrag den Antrag auf namentliche Abstimmung zurückgezogen. Das heißt, wir können jetzt in einfacher Form über den Antrag der CSU abstimmen und dann in namentlicher Form über den Antrag der Freien Wähler.
(Dr. Sepp Dürr (GRÜNE): Dann können die Freien Wähler die namentliche Abstimmung doch auch zurückziehen! - Allgemeine Unruhe - Georg Schmid (CSU): Weitermachen!)
Die Freien Wähler ziehen ihren Antrag auf namentliche Abstimmung zurück? - Gut, dann können wir jetzt über beide Anträge in einfacher Form abstimmen. Die Anträge werden hierzu wieder getrennt. Wir beginnen mit dem Antrag der CSU-Fraktion.