Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Thomas Hacker, Jörg Rohde, Dr. Andreas Fischer u. a. und Fraktion (FDP), Georg Schmid, Thomas Kreuzer, Christian Meißner und Fraktion (CSU) Weiterentwicklung des Kommunalwahlrechts (Drs. 16/6109)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Tanja Schweiger, Joachim Hanisch u. a. und Fraktion (FW) Änderungen im Kommunalwahlrecht (Drs. 16/6122)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Thomas Mütze, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Demokratische Weiterentwicklung des Kommunalwahlrechts (Drs. 16/6123)
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben schon öfter über den einen oder anderen Detailaspekt des Kommunalwahlrechts gesprochen und uns verabredet, zu einem späteren Zeitpunkt über dieses Thema zu diskutieren und es in die nächste Runde zu bringen. Insgesamt diskutieren wir heute über 15 verschiedene Punkte. Zehn dieser Punkte hat Ihnen die Koalition vorgeschlagen. Wir bitten die Staatsregierung, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzubereiten. Natürlich sind hiervon verschiedene Gesetze betroffen, wir wollen aber dieses Thema mit Ihnen gemeinsam beraten. Ich danke
Ihnen auch für die nachgezogenen Dringlichkeitsanträge, sodass wir herausarbeiten können, wo die einzelnen Fraktionen stehen.
Zunächst zu den zehn Punkten der CSU- und der FDP-Fraktion. Ich sehe Herrn Kollegen Meißner an. Wir haben hinter den Kulissen lange Zeit um den einen oder anderen Punkt gerungen, um den einen mehr, um den anderen weniger. Ich möchte Ihnen diese zehn Punkte vortragen.
Zusammen mit den Freien Wählern und den GRÜNEN sind wir der Meinung, dass die Briefwahl nach dem Wunsch des Wählers ermöglicht werden sollte, ohne dass besondere Gründe vorliegen. Das ist längst gängige Praxis. Wir haben Briefwahl-Quoten von 20 %. Deshalb sollte nicht gefordert werden, dass die Wähler besondere Gründe angeben müssen. Wir müssen mit der Zeit gehen und die Gesetze entsprechend anpassen.
Wir haben die Voraussetzung des Schwerpunkts der Lebensbeziehungen im Wahlkreis auf den Prüfstand gestellt. Denken Sie einmal an den Fall des netten Stadtrats einer Stadt, die von einem Kreisgebiet umschlossen wird. Dieser Stadtrat erbt das Häuschen seiner Oma im Landkreis. Natürlich ist er weiterhin politisch in der Stadt aktiv, er hat aber die Möglichkeit, das Häuschen auf dem Land zu beziehen. Damit hätte er seinen Wohnort an einem anderen Ort als dem, an dem er politisch aktiv ist. Dies soll zukünftig möglich sein. Wir sehen es kritisch, dass die Freien Wähler eine explizite Festlegung treffen wollen, wo die Kandidaten wohnen und wo sie kandidieren dürfen. In der heutigen Zeit muss hier etwas mehr Flexibilität möglich sein.
Wir haben die Mindestaufenthaltsdauer zur Erlangung des aktiven Wahlrechts in unseren Dringlichkeitsantrag aufgenommen. Wir wollen diese Mindestaufenthaltsdauer von drei auf zwei Monate verkürzen. Dies sollte in einer schnelllebigen Gesellschaft möglich sein. Mit einer modernen EDV könnten diese Fristen verkürzt werden.
Die Zuständigkeit des Beschwerdeausschusses soll auf die Bürgermeister- und Landratswahlen ausgeweitet werden. Es freut mich, dass dies die Freien Wähler ebenfalls so sehen.
Wir wollen außerdem die Möglichkeit zur Heilung von Verstößen gegen Formvorschriften, die dem Nachweis der Einhaltung des materiellen Wahlrechts dienen, eröffnen. Hier geht es um Formalien, um das Be
schwerdewesen zu erleichtern. Wir wollen weniger Bürokratie und eine einfachere Durchführung der Wahlen. Diese Anregungen kamen aus der Praxis und sollen jetzt in die Gesetzgebung einfließen.
Ein Punkt war ein bisschen umstritten. Die GRÜNEN wird es freuen, dass sich die FDP dafür eingesetzt hat, die Altersgrenze für die Wählbarkeit von Ersten Bürgermeistern und Landräten auf das Niveau von 18 Jahren anzugleichen. Wir haben uns dafür eingesetzt und konnten unseren Koalitionspartner überzeugen. Zukünftig werden wir hier eine Altersgrenze haben.
Kommunale Mandatsträger können ohne Nachweis eines wichtigen Grundes von ihrem Amt zurücktreten. Das ist doch heute schon möglich. Wenn ich für kurze Zeit meinen Wohnsitz wechsle, kann ich das Mandat abgeben und muss keinen Grund angeben. Hier kann man das Leben vereinfachen. Das sehen wir anders als die Freien Wähler.
Der letzte Punkt hat am meisten öffentliche Aufmerksamkeit hervorgerufen. Es ist ein Kompromiss über die Höchstaltersgrenze für die Kandidatur um ein Bürgermeisteramt oder ein Amt eines Landrats. Die FDP ist mit der Forderung, die Altersgrenze ganz abzuschaffen, in die Verhandlungen gegangen. Wir könnten uns durchaus vorstellen, diese aufzuheben, auch wenn diese Entscheidung in der FDP ganz knapp mit acht zu sieben getroffen wurde. Wir haben uns aber mehrheitlich dafür entschieden. Die Ausgangsposition der CSU war, dass wir eigentlich gar nichts ändern müssten. Dann haben wir um eine sachdienliche Entscheidung gerungen, die wir jetzt gefunden haben und die wir Ihnen präsentieren. Die Altersgrenze wird ab dem Jahr 2020 von 65 auf 67 Jahre angehoben.
Damit haben wir eine sachdienliche Entscheidung getroffen. Sie kennen die Müntefering’sche Formel in der Rentenversicherung. Wenn wir nichts geändert hätten, wäre ein Kandidat mit 65 Jahren und zwei Monaten nicht mehr berechtigt zu kandidieren. In den Genuss einer Rente aus der Rentenversicherung würde er aber erst mit 67 Jahren kommen, und dann hätte er eine Lücke. Deshalb ist es nicht nachvollziehbar, warum er in dieser Altersgruppe nicht mehr kandidieren soll. Wir haben uns dann dazu entschlossen, diese Grenze in einem Schritt zu erhöhen. Wir hätten es auch komplizierter machen und einen Korridor festlegen können. Diese Regelung ist verständlich für die Bürger und für die Kandidaten, die sich jetzt langfristig darauf einrichten können, ob sie kandidieren und welche Rahmenbedingungen wir ihnen dafür geben. Damit konnten wir zwar nicht so weit gehen, wie wir
es ursprünglich wollten, nämlich die Altersgrenze ganz aufzuheben. Immerhin bewegt sich aber etwas in dieser Frage.
Dann komme ich zu den Punkten, die auch in den Dringlichkeitsanträgen der GRÜNEN und der Freien Wähler aufgeführt sind, denen wir teilweise leider, teilweise aber auch mit Recht nicht nähertreten wollen.
Liebe GRÜNE, wir haben versucht, das passive Wahlrecht für EU-Bürger durchzusetzen, haben unsere Forderung aber leider nicht durchsetzen können. Deshalb bleiben wir hinter unseren Wünschen etwas zurück. In einem Diskussionsprozess kann man leider nicht bei jeder Frage gewinnen. Beim aktiven und passiven Wahlrecht für EU-Bürger kennen Sie die Position der FDP. Wir könnten uns das zwar grundsätzlich vorstellen, aber erst nach einer Wartefrist von fünf Jahren. Dies ist allerdings derzeit im Koalitionskreis noch nicht durchsetzbar. Trotzdem kann man diese Forderung weiter verfolgen.
Das aktive Kommunalwahlrecht ab sechzehn sieht die FDP kritisch. Wir haben zwar oft innerparteilich darüber diskutiert, die Mehrheit der Partei und der Fraktion ist aber nicht für die Absenkung des Mindestalters für das aktive Wahlrecht. Deswegen werden wir dieser Forderung nicht nähertreten.
Zur Einführung des Verfahrens nach Sainte-Laguë/ Schepers bei der Kommunalwahl, liebe Freie Wähler: Sie wissen auch, dass wir im Koalitionsvertrag HareNiemeyer vereinbart haben. Es gibt parallel zu diesem Antrag einen Gesetzentwurf, den wir hier noch beraten werden, sodass wir auch dieser Forderung nicht nähertreten werden. Die FDP hat es allerdings gefreut, dass Sie unsere langjährige Forderung nach einer Direktwahl des Bezirkstagspräsidenten aufgenommen haben. Jedoch muss auch diese Forderung auf unserer Wunschliste verbleiben.
Wenn ich es zusammenzählen und wie im Lotto bewerten würde, hätte ich bei den GRÜNEN drei und bei den Freien Wählern zwei richtige. Bei den GRÜNEN würden wir bei zwei Forderungen mitmachen, dürfen es aber nicht. Bei den Freien Wählern bleiben auch zwei Forderungen übrig, bei denen wir gerne mitmachen würden, aber nicht dürfen.
Aufgrund der Vielfältigkeit der Punkte sehen Sie aber, dass es gut ist, alles in einem Zusammenhang zu diskutieren. Gerade die Wohnortfrage in Punkt 2 unseres Antrags ist nicht eine triviale Frage, die wir in der Fraktion nicht einfach lösen können. Deswegen bitten wir die Staatsregierung um Vorschläge für passende
Gesetzesformulierungen. Der Teufel steckt nämlich im Detail. Wir freuen uns, wenn uns die Staatsregierung Gesetzesvorschläge auf den Tisch legt, damit wir im Landtag darüber beraten können.
Ich hoffe, dass wir die gesamten Beratungen zu diesem Komplex noch dieses Jahr abschließen können. Erst einmal bringen wir unsere Forderungen ein Stück weiter und beauftragen die Staatsregierung, die entsprechenden Gesetze vorzulegen. Dann ändern wir die Gesetze eventuell noch und haben damit die Rahmenbedingungen für die nächste Kommunalwahl gesetzt. Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss.
Herr Kollege Rohde, bleiben Sie bitte noch kurz da. Herr Dr. Gantzer hat sich zu einer Zwischenintervention gemeldet.
Herr Kollege, mein Beitrag richtet sich natürlich auch an Herrn Meißner. Er bezieht sich auf den Punkt 10. Bei Punkt 8 sind Sie eingeknickt und haben dem Jugendwahn das Wort geredet. Sie wollen die Wählbarkeit mit der Volljährigkeit ermöglichen. Ein entsprechendes Recht sollte eigentlich auch den älteren Bürgerinnen und Bürgern zustehen. Sie halten doch immer die Liberalität hoch und reden für das freie Deutschland. In der Altersfrage scheinen Sie noch nicht so weit zu sein. Nordrhein-Westfalen hat die Altersgrenze schon aufgehoben. Heißt das, dass die bayerischen Kommunalpolitiker dümmer, schlechter oder kränker sind als die nordrhein-westfälischen? Wir als Abgeordnete und der Ministerpräsident können solange im Amt bleiben, wie wir wollen. Warum soll das nicht für Kommunalpolitiker gelten? Ich weiß zwar, dass Sie Herrn Seehofer nicht mehr haben wollen, trotzdem ist es nach dem Gesetz so. Auch im übrigen Europa gibt es für Kommunalpolitiker keine Altersgrenze mehr. Weshalb haben Sie, die FDP, sich in diesen faulen Kompromiss hineinzwängen lassen?
Herr Kollege Gantzer, der von Ihnen angesprochene Kollege redet, glaube ich, nach mir. Herr Kollege Meißner wird sicher auf Ihre Fragen eingehen, damit Sie sie nicht noch einmal stellen müssen. Die Antwort ist einfach: Wir sind weniger als die anderen. Die FDP konnte sich in diesem Punkt nicht durchsetzen. Was soll ich Ihnen sonst sagen? Ich habe Ihnen vorgetragen, dass wir, die FDP, uns die Aufhebung der Altersgrenze hätten durchaus vorstellen können, dass wir uns aber nach einer intensiven Diskussion auf einen Kompromiss geeinigt haben. In einer Koalition muss man Kompromisse schließen. Der Kompromiss, den wir gefunden haben,
ist sehr sachdienlich. Ich könnte als Antwort auf Ihren Beitrag auch sagen: Wir gönnen unseren Politikern mit Erfahrung einen beschaulichen Lebensabend.
- Das ist eine andere Ebene. Wir diskutieren gerade über die Kommunalwahl. Wir könnten uns allenfalls überlegen, ob Herr Seehofer nach seiner Karriere als Ministerpräsident noch einmal als Oberbürgermeister in Ingolstadt antreten darf.
(Vom Redner nicht autori- siert) Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Kollege Rohde hat jetzt eine Art Koalitionsstriptease gemacht. Er hat alle Hüllen fallen und Sie Anteil an unserem Innenleben haben lassen. Ich hoffe, es war für jeden interessant.
Ich habe das Problem, dass meine Fraktionskollegen heute so gesprächig waren, dass mir nur mehr eine begrenzte Redezeit zur Verfügung steht. Deswegen möchte ich mich auf einige Punkte konzentrieren. Trotzdem greife ich auch gleich das von Herrn Kollegen Gantzer erwähnte Thema auf. Sie haben es als faulen Kompromiss bezeichnet. So würde ich es nicht sehen. Wir haben eine sachgerechte Lösung gefunden und die Altersgrenze an eine bekannte Formel angeglichen. Dass diese Regelung erst ab 2020 gelten soll, dient dazu, dass wir darüber in Ruhe diskutieren können, wie ich es auch schon bei der Ersten Lesung zu Ihrem Gesetzentwurf und dann auch im Ausschuss ausgeführt habe.
- Fangen Sie nicht wieder mit Herrn Ude an. Ich nenne Ihnen auch drei empörte CSU-Landräte, die 2014 gerne noch einmal kandidieren würden. Der Kern des Problems ist, dass es bei einer solchen Regelung immer persönliche Betroffenheiten gibt, und die wollten wir vermeiden. Deshalb haben wir diese Lösung gefunden, zu der ich persönlich stehe. Auch den Kollegen Rohde habe ich genauso wie seine Fraktion liebevoll davon überzeugt.
Die Überlegungen in unserem Dringlichkeitsantrag gehen deutlich weiter. Der Dringlichkeitsantrag geht zurück auf den Bericht des Innenministers über die
Kommunalwahl, den dieser dankenswerterweise gegeben hat. Sie alle erinnern sich an den Fall Hof, wo wir nach geltendem Recht die Wahl hätten wiederholen müssen, obwohl das die Menschen und alle betroffenen Parteien und Gruppierungen nicht wollten. Letztlich hat der Minister per Weisung eine Wiederholung der Wahl verhindert. Solche Formvorschriften wollen wir begradigen. Über die Frage des Schwerpunkts der Lebensbeziehungen sollten wir alle gemeinsam diskutieren und schauen, welche Vorschläge uns dazu das Innenministerium macht. Teilweise gibt es in dieser Frage sehr unappetitliche Verfahren, die auch nicht alle Gerichte erfreuen.
Ich gehe in der gebotenen Kürze auf einige Überlegungen in den Anträgen der GRÜNEN und der Freien Wähler ein. Die Forderung nach einer Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre haben wir schon mehrfach diskutiert. Wir sollten uns an das Zivilrecht halten. Ich stelle gar nicht in Abrede, dass einzelne Jugendliche durchaus mit 16 Jahren in der Lage wären, sich eine Meinung zu bilden, ein Urteil zu fällen und wählen zu gehen. Als Gesetzgeber sind wir aber gezwungen zu pauschalieren und ein Stück weit zu typisieren. Wir meinen deswegen, dass das Wahlalter bei 18 Jahren bleiben soll.
Überhaupt kein Verständnis habe ich für die Forderung der GRÜNEN, den Drittstaatsangehörigen das aktive Wahlrecht einzuräumen. Ich meine, das Ausländerwahlrecht ist kein Mittel der Integration. Ausländer kann man nicht integrieren, indem man ihnen das aktive Wahlrecht zugesteht. Die Integration ist vielmehr Voraussetzung dafür, dass der Ausländer die Staatsbürgerschaft erwirbt. Mit ihr bekommt man die tollen Pflichten, aber auch die tollen Rechte. Deswegen ist das für die CSU kein Thema. Wir sagen, erst kommt die Integration, dann die Staatsbürgerschaft und dann das Wahlrecht. Im Übrigen besteht auf kommunaler Ebene schon heute die Möglichkeit, sich durch die Bildung von Ausländerbeiräten einzubringen.
Ich verstehe nicht, dass die GRÜNEN die Ausweitung des passiven Wahlrechts für die Wahl der Bürgermeister und Landräte auf Staatsbürger von EU-Mitgliedstaaten ausdehnen wollen. Einem EU-Mitbürger, der sich seiner neuen Heimat verbunden fühlt und ein kommunales Wahlamt anstrebt, dürfte der Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft kein Problem sein, weil er gemäß § 12 Abs. 2 des Staatsangehörigkeitsgesetzes seine eigene Staatsangehörigkeit nicht aufgeben muss. Ich meine, er kann den Schritt zur Einbürgerung gehen. Die CSU sieht auch in diesem Punkt keinen Handlungsbedarf.