Protocol of the Session on October 27, 2010

Jetzt darf ich Frau Kollegin Guttenberger das Wort erteilen.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Unerwünschte Werbeanrufe sind lästig. Unerwünschte Werbeanrufe sind eine Last für denjenigen, der damit konfrontiert wird, und durch von unseriösen Anbietern untergeschobene Verträge stürzen viele Menschen in unangenehme Situationen. Man weiß sich rechtlich nicht so recht zu helfen. Die Verbraucherzentralen wissen davon ein Lied zu singen.

Wir wollen deshalb, dass sich die Staatsregierung im Wege einer Gesetzesinitiative im Bundesrat dafür einsetzt, dass im Fall unzulässiger Telefonwerbung die fernmündlich geschlossenen telefonischen Verträge eine schriftliche Bestätigung zu ihrer Wirksamkeit benötigen. Wir sind nämlich der Überzeugung, dass die vielfachen gesetzlichen Ansätze, die wir bereits getätigt haben, zwar in Bereichen erfolgreich waren, aber letztendlich wohl doch ein effizienter Schutz nur dann möglich ist, wenn sich diese Telefonwerbung schlicht nicht mehr lohnt.

Insofern haben wir eine Gemeinsamkeit, sowohl mit den Freien Wählern als auch mit meiner Vorrednerin. Allerdings, muss ich ganz offen sagen, hört es da leider auch schon auf. Wir haben folgendes Problem: Es ist für uns nicht nachvollziehbar, was eine "aktive Bestätigung" ist. Für uns ist auch bei Nummer 2 nicht erkennbar, worin eine Verbesserung für den Verbraucher/die Verbraucherin liegen soll, da diese sogenannten "Kaltanrufe" ohnehin verboten sind. Ein großes Problem sehen wir auch, wenn ich sozusagen, wie dort gefordert, jeden Telefoncomputer registrieren lassen muss. Solche Wahlcomputer haben nicht nur unseriöse Telefonwerbeunternehmen, sondern solche Computer gibt es de facto in fast jeder Firma, die eine Telefonanlage hat. Wir würden dadurch letztendlich ein hohes Maß an Bürokratie erzeugen, ohne - und das ist für uns das Entscheidende - dass es für die Verbraucherin/den Verbraucher irgendeine Verbesserung gäbe.

Dem Antrag der Freien Wähler würden wir gerne zustimmen. Andererseits halten wir es nicht für zielführend, dass wir uns Gestaltungsmöglichkeiten dadurch nehmen, dass wir uns ohne Wenn und Aber einem Gesetzentwurf aus Nordrhein-Westfalen in all seinen Gliederungen anschließen. Deshalb werden wir unserem Antrag zustimmen, und bei den anderen sehen wir uns leider veranlasst, sie abzulehnen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU - Lachen bei der SPD)

Danke schön. Herr Kollege Dr. Fischer steht schon bereit.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Schätzungsweise bis zu 300 Millionen unaufgeforderte Werbeaufrufe pro Jahr in Deutschland sind ein Alarmzeichen. Immer mehr Bürger fühlen sich von der sogenannten telefonischen Kaltakquise oder, wie man neudeutsch sagen könnte, dem Cold-Calling im privaten häuslichen Umfeld belästigt.

Deswegen möchte ich zunächst der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN für das Thema dan

ken. Ich halte es für ein wichtiges Thema und bin froh, dass wir uns heute damit beschäftigen.

Die Regelungen des Gesetzes zur Bekämpfung unlauterer Telefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen vom 9. August 2009 waren ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Insofern teile ich die negative Bewertung dieses Gesetzes nicht ganz. Ich stimme aber zu, dass sich dieses Gesetz leider teilweise als unzureichend erwiesen hat. Nach wie vor gibt es unerlaubte und wettbewerbswidrige Anrufe, nach wie vor gibt es Unternehmen, die gegen das Verbot der Rufnummernunterdrückung verstoßen, um ihre Identität zu verschleiern - die genannte Zahl von 22 %, wie es die Erhebung der Verbraucherzentrale belegt, zeigt das deutlich -, und nach wie vor wird in unerträglicher Weise in die Privatsphäre eingegriffen. Bußgelder schrecken anscheinend wenig ab, vielleicht weil wegen erfolgreich verschleierter Identität keine Bußgeldverfahren stattfinden können. Das zeigt, auch wenn ein Generalverdacht gegen Unternehmen mit Telefonwerbung nicht angezeigt ist, weil sich doch viele Unternehmen rechtstreu verhalten, ist es angebracht, für die schwarzen Schafe die Profitabilität dieser Geschäftsmethode zu beseitigen. Denn nur, wenn sich dieses schon jetzt illegale Geschäftsgebaren nicht mehr lohnt, wird man es auf Dauer eindämmen können.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb ist das Erfordernis einer Bestätigung von fernmündlichen Vertragsschlüssen in Textform erforderlich, wenn das werbende Unternehmen nicht nachweisen kann, dass der Werbeanruf nicht wettbewerbswidrig war, insbesondere weil bereits eine Geschäftsbeziehung besteht oder der Verbraucher seine Einwilligung zum Werbeanruf erteilt hat. Seriöse Unternehmen werden hiervon nicht betroffen und nicht beschränkt. Selbstverständlich sind übrigens nicht Geschäfte des täglichen Lebens wie die telefonische Pizzabestellung gemeint. Die Details werden noch zu bestimmen sein. Ich plädiere aber dafür: Weniger ist oft mehr.

Der Antrag der Fraktion der Freien Wähler, der sich der Bundesratsinitiative aus Nordrhein-Westfalen anschließt, ist zu detailliert; er geht, meine ich, zu sehr in eine bestimmte Richtung. Ich halte es für besser, wenn wir einen eigenen Weg gehen. Die Forderungen der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sind mir teilweise zu bürokratisch, insbesondere in Bezug auf Nummer 3 "Predictive Dialer". Dieser Begriff ist im Sinne eines Callcenters, eines Telefonwerbeunternehmens zu verstehen. Eine Registrierungsfrist für alle Anbieter kann leicht zu einem

bürokratischen Monstrum werden, weil im Prinzip jeder betroffen wäre, der das Telefon als Werbemittel verwendet.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Deswegen stimmen wir diesen Anträgen nicht zu. Ich bitte Sie um Zustimmung zum Antrag der Koalitionsfraktionen.

(Beifall bei der FDP)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Arnold?

Als Zwischenintervention.

Als Zwischenintervention. - Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Kollege Dr. Fischer, Sie haben eben selbst von Textform gesprochen. Wenn ich Ihren Antrag richtig lese - und das muss ich als Jurist - und in Anbetracht des Wortbeitrages Ihrer Vorrednerin, der geschätzten Frau Kollegin Guttenberger, die von Schriftform spricht, frage ich mich, was Sie damit meinen. Haben Sie in der Koalition unterschiedliche Meinungen? Wenn Sie Textform meinen, können sogar wir zustimmen, aber die Schriftform ist nun einmal nach § 126 BGB notwendig: eine eigenhändige Unterschrift auf einer Urkunde beim Vertrag - und diese muss insoweit auch abgegeben sein. Herr Dr. Fischer, meinen Sie Textform oder Schriftform oder ist es Ihnen egal?

Bitte schön, Herr Kollege Dr. Fischer.

Gerade das ist der Unterschied. Wir wollen diese bürokratische Form nicht. In unserem Antrag steht deutlich, wenn Sie es lesen können, dass wir eine schriftliche Bestätigung wollen. Ich meine, das ist deutlich genug.

Es gibt noch weitere Redner in der Aussprache. Der Nächste ist Herr Kollege Streibl. Vielleicht können wir auch diese Fragen noch aufklären. - Herr Kollege Streibl, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! In der Sache sind wir uns wahrscheinlich relativ einig, dass wir eine unlautere Telefonwerbung ablehnen. Ich hatte als Anwalt öfter Mandanten, die in eine Vertragsfalle gerutscht sind. Vom Bundestag wurde das UWG bereits im Jahr 2009 geändert. Somit ist das Ganze unter Strafe bzw. Bußgeld gestellt worden. Von daher ist das ein

Nachjustieren in dem Sinne, dass Verbraucherschutzzentralen kritisieren und ermahnen, sodass man noch stärker geschützt wird. In den meisten Fällen gibt es unseriöse Firmen, die sich an das Verbot nicht halten, die Bürgerinnen und Bürger mit Telefonwerbeanrufen belästigen und versuchen, ihnen einen Vertrag aufzuschwatzen. Die meisten Anrufe gehen bei denjenigen Mitbürgern ein, die über 65 Jahre alt sind, bei denen versucht wird, sie in Verträge zu verwickeln.

Nordrhein-Westfalen hat bereits eine, wie wir meinen, sehr gute Bundesratsinitiative, Drucksache 557/10, die man im Grunde unterstützen kann, weil darin alles das enthalten ist, was gefordert und gebraucht wird, nämlich die Bestätigungslösung, eine Einwilligung, und zwar in Textform, um es schriftlich vor sich zu haben, und eine Erhöhung des Bußgeldes von 50.000 Euro auf 250.000 Euro.

Wiederum verbraucherunfreundlich, was wir auch als bürokratisches Monstrum sehen, ist die Schriftform, wenn nämlich Verträge permanent hin und her geschickt werden müssen; denn dann konterkariert sich das Ganze und wird irgendwo sinnlos. Über diese zwei Begriffe, Textform und Schriftform, war man sich in der Koalition wohl nicht ganz einig. Ein Blick in das BGB hätte erhellend wirken können. Auch bei Ihnen wird es Juristen geben, die des Lesens mächtig sind.

(Horst Arnold (SPD): Verstehen müssen sie es!)

- Ja - das ist das Proseminar Jura im ersten Semester -, das müsste man schon annehmen können.

Wir werden den Antrag der Fraktionen von CSU und FDP ablehnen, da uns die Schriftform zu weit geht. Bei der Abstimmung über den Antrag der GRÜNENFraktion werden wir uns enthalten, weil die Registrierungspflicht zwar gut gemeint ist, aber ein Monstrum entwickelt. Wir können dem Punkt nicht zustimmen, dass alle registriert werden müssen. Das ist eine Sache, die wir ablehnen. Insofern bitten wir um Unterstützung unseres Antrages, der eine Unterstützung der Bundesratsinitiative aus Nordrhein-Westfalen darstellt. Andere Bundesländer haben sicherlich auch gute Anträge, aber wenn man sie sich genau durchliest -

(Ulrike Gote (GRÜNE): Besonders NordrheinWestfalen!)

- Ja. Das kann man unterstützen und muss das Rad nicht neu erfinden und einen Antrag neu einbringen. Man kann auch einmal über den eigenen Schatten springen.

(Beifall bei der FDP)

Danke schön, Herr Kollege Streibl. - Der nächste Redner ist der Kollege Arnold. Bitte schön.

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Im Zeitalter des Internets steigt die CSUFraktion wieder einmal auf den Baum und wird von ihrem Koalitionspartner möglicherweise gebremst. Bei dem Antrag ist immer noch offen, ob Text- oder Schriftform gemeint ist. Eine juristische Präzisionsarbeit ist das wohl nicht, im Gegenteil. Er ist nicht nachvollziehbar. Deswegen werden wir diesen Antrag ablehnen.

In der Tat ist das Gesetz zur Bekämpfung unlauterer Telefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes seit 2009 zu kurz gefasst. Das haben aber auch schon viele Sachverständige bei der Anhörung im Bundestag gesagt. Gleichwohl hat man das durchgezogen. Immer noch gibt es getarnte GEZ-Mitarbeiter, die Gebühren einziehen wollen, untergeschobene Verträge, Anrufe mit unterdrückter Telefonnummer, Dialer-Ausbeutung - alles verboten bzw. reglementiert. Indes - die Vorredner haben es allesamt richtig gesagt - hat die Anzahl der Beschwerden nicht abgenommen, sondern nimmt zu.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, es geht ja nicht nur um die Beschwerden, sondern dahinter verbirgt sich eine hohe Dunkelziffer an begangenen Taten. Diese ist noch schwerer zu gewichten. Der § 7 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb sagt: Eine unzumutbare Belästigung liegt dann vor, wenn die Betroffenen nicht eingewilligt haben. - Wie soll man das beweisen? Wie soll man auf irgendeine Art und Weise beweisen, dass man eingewilligt hat? Die Fraktionen der Freien Wähler und der GRÜNEN wählen die Bestätigungslösung in Textform. Die Textform ist in der heutigen Zeit eine moderne: Es muss nicht schriftlich sein, wie man einen Brief an die Großmutter schreibt, sondern so, wie man sich im Zeitalter des Internets elektronisch, modern bewegt.

(Beifall bei der SPD)

Das heißt doch nicht, dass das alles ist, sondern man muss auch weiterhin an die Verbraucher denken. Denken Sie an stärkere ordnungsrechtliche und zivilrechtliche Sanktionen. Es geht nicht nur um Ordnungswidrigkeiten, sondern schauen Sie auch in den strafbaren Bereich hinein: Es geht insbesondere um die Stärkung der Verbraucherrechte gerade bei der Rückabwicklung widerrufener Verträge. Das ist eine heikle Situation, die oftmals große Beweisprobleme bereitet. Es geht um die Auswertung der Erfahrungen insbesondere der Bundesnetzagentur hinsichtlich der

Beanstandungen und Ahndungen und der Prüfungsfeststellungen.

Warum haben wir von der SPD-Fraktion nicht nachgezogen, wie zum Beispiel zum Antrag der GRÜNEN? Wir haben natürlich gewusst, dass Hannelore Kraft zusammen mit den GRÜNEN in NRW einen vernünftigen Gesetzesvorschlag gemacht hat - wir haben ihn am 16.09.2010 registriert - und denken, dass wir die Arbeit nicht doppelt machen müssen. Deswegen haben wir nicht nachgezogen. Wie gesagt, die SPD und die GRÜNEN waren wieder einmal schneller als alle anderen.

Diesen Vorschlag, den Kollege Streibl dankenswerterweise angesprochen hat, der aber Ross und Reiter in Form von parteilicher Verantwortung nicht genannt hat, liegt in Textform vor und enthält insbesondere auch eine Beweislastumkehr für die Unternehmer, wenn es darum geht, solche Verträge einzuklagen.

Die Mehrheiten im Bundesrat sind klar. Deswegen wäre es schön, wenn Bayern das in diesem Zusammenhang mit unterstützen würde.

Die Dialer-Registrierung ist wünschenswert, erfordert aber einen erheblichen verwaltungstechnischen und bürokratischen Aufwand. Der Verbraucher sollte es uns aber wert sein.

Was die Steigerung der Rechtsverfolgungskapazitäten zur Anwendung des Ordnungswidrigkeitengesetzes anbetrifft: Meinen Sie jetzt nur Ordnungswidrigkeiten oder meinen Sie auch Straftaten? Es ist zwar ein frommer Wunsch, aber etwas unglücklich ausgedrückt, weil nahezu keine Substanz enthalten ist. Wie stellen wir uns das vor? Konzentrationszuständigkeit und Ausbau von Stellen in der heutigen Zeit, bei welcher Stelle? - Das müssen wir alles noch thematisieren. Aber der Gedanke ist richtig. Deswegen werden wir von der SPD die Anträge der GRÜNEN und der Freien Wähler positiv unterstützen.

(Beifall bei der SPD und den Freien Wählern)

Vielen Dank, Herr Kollege Arnold. - Jetzt kommt die Zwischenintervention des Kollegen Dr. Fischer. Bitte schön.

Kollege Arnold, mit der elektronischen Signatur wird sich sicherlich vieles erledigen. Aber so lange das noch nicht überall klar ist, frage ich Sie: Sehen Sie nicht die Gefahr, dass durch eine E-Mail, deren Absender nicht klar erkennbar ist, das Risiko besteht, dass jemandem etwas untergeschoben wird?

Diesbezüglich müssen Sie in § 126 b BGB nachlesen. Dort ist die Textform ganz klar dargestellt. Wenn das Erfordernis erfüllt ist, dann gibt es kein Problem, und wenn nicht, dann ist die Textform nicht erfüllt. Ich wusste nicht, dass wir uns wieder ins erste Semester begeben, aber mit Ihnen gern.