Protocol of the Session on October 14, 2010

(Beifall bei der SPD)

Der Investitionshaushalt - Herr Eck, Sie kommen auch noch dran, du kommst noch dran - des Bundes für den Verkehr wird zusammengestrichen. Wichtige Schienenprojekte Bayerns stehen auf der Kippe. Einige sind angesprochen worden. Eine Elektrifizierung der Strecke Hof - Regensburg und Hof - Nürnberg, meine Damen und Herren, droht zu scheitern. Von der Strecke München - Lindau haben wir hier seit Monaten überhaupt nichts mehr gehört. Dass die Brenner-Zulaufstrecke von Berlin versemmelt wird, hat gerade die Landesgruppe der CSU - Sie haben gestern die "Süddeutsche Zeitung" gelesen - festgestellt. Und die Ausbaustrecke 38 München - Mühldorf - Freilassing ist es schon wert, dass man sie nicht nur als Verkehrspolitiker wie die Kollegen bisher, sondern auch wirtschaftspolitisch würdigt. Wir haben dort eine der

Schlüsselindustrien, die, glaube ich, allerdings in Ihrer etwas willkürlichen Clusterliste nicht aufgeführt wurde. Wir haben dort 25.000 Arbeitsplätze, Herr Minister. Wir haben dort eine der Regionen, wo Milliarden Investitionen anstehen und angekündigt sind. Jeder Wirtschafts- und Verkehrsminister in unserem Lande, der bei Trost ist, müsste mit Geld dahin fahren und müsste fragen "Was braucht ihr?" und sagen: Ich baue das. Das wäre eine Politik für Bayern, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

1,5 % des gesamten Güterverkehrs von ganz Deutschland rollen über diese altertümliche Strecke München - Mühldorf - Burghausen. Ich sage Ihnen, wenn Sie immer sagen, was bisher nicht passiert ist: Das war vorher Herr Schmid, der hat es ja zurzeit ein bisschen mit dem Staatseigentum. Alles, was dort jetzt passiert, was Sie und Herr Ramsauer im wöchentlichen Wechsel loben, sind Maßnahmen, die unter den SPD-Verkehrsministern auf den Weg gebracht wurden. Seitdem Sie dort oben sind, passiert nichts zusätzlich, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Herr Zeil, um die Situation insgesamt zu beschreiben: Sie von der FDP ermahnten noch vor Wochenfrist am 6. Oktober den Bundesverkehrsminister von der CSU, bei der Schieneninfrastruktur keine Verschnaufpause einzulegen. Sie, Herr Zeil - FDP -, fordern vom Bund CSU, CDU, FDP - dringend mehr Schwung beim Schienenausbau. Ja, wunderbar. Merken Sie eigentlich, wie widersprüchlich das ist, was Sie auch heute wieder in diesem Punkt abgeliefert haben?

(Beifall bei der SPD)

Lieber Kollege Eck, über die Zahlen, die dein eigener Minister nennt, müssen wir noch reden. 4.840 Kilometer Staatsstraßen sind sanierungsbedürftig, 35,6 % des Netzes. Der Nachholbedarf für die Erhaltung - Erhaltung, wohlgemerkt - ist bayernweit 720 Millionen. Ihr investiert 2010 80 Millionen. Bei einem Preis von 150.000 Euro pro Kilometer sind das etwa knapp über 500 Kilometer. Das heißt, 4.300 Kilometer Staatsstraßen werden am Ende des Jahres 2010 im gleichen oder in einem schlechteren, einem katastrophaleren Zustand sein als vorher. Das ist Infrastruktur, insbesondere für den ländlichen Raum in Bayern. Bravo, sage ich da.

Nein, es ist schon so, wenn man das ganz nüchtern sieht: Das größte Hindernis für die Infrastruktur in diesem Land sind die schwarz-gelben Wirtschafts-, Verkehrs- und Innenminister in München und Berlin, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD)

Da hier ein Liberaler gesprochen hat, ein Vertreter der Partei einer Frau Hamm-Brücher, eines Thomas Dehler, eines Burkhard Hirsch, eines Gerhart Baum und eines Otto Bertermann - ich schaue Sie an, weil Sie gerade traurig werden -, halte ich das, was Sie zu Stuttgart 21 gesagt haben, für bemerkenswert. Sie warnten davor, im Zusammenhang mit großen Infrastrukturprojekten Ängste zu schüren. Der Herr Ministerpräsident, der uns verlassen hat, hat dieser Tage ganz im Sinne seines Versuchs, schärfer zu werden, um irgendein Profil zu gewinnen, von einer Empörungskultur gesprochen, die in Stuttgart um sich greife.

Ich sage es in aller Ruhe: Ich halte es für eine Unverschämtheit, wie dort mit Billigung von Liberalen, die einmal Bürgerrechtler waren, über Menschen geredet wird, die ein demokratisches Grundrecht wahrnehmen. Das sage ich ganz deutlich.

(Beifall bei der SPD)

Damit es ganz klar ist: Rechtsstaatliche Verfahren sind auch bei Infrastrukturprojekten ohne Wenn und Aber zu achten. Dafür steht gerade die SPD in diesem Land. Liebe Kolleginnen und Kollegen, seien Sie doch ehrlich zu sich selbst. In Stuttgart ziehen die Menschen offenbar zu Recht, wenn man Herrn Geißler zuhört, in Zweifel, dass alle Daten, Zahlen und Fakten rechtsstaatlich transparent auf den Tisch gekommen sind. Darin liegt der Mangel an Rechtsstaatlichkeit.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister Zeil, deshalb sage ich zu Ihnen als FDPler: Dies ist ein zutiefst bürgerlicher Protest, nicht nur wegen der Teilnehmer, sondern auch inhaltlich. Diesen Protest sollte man nicht mit Sprüchen wie "Ihr seid schon immer dagegen gewesen" hinweg reden.

In diesem Zusammenhang möchte ich ein Wort an Herrn Grube richten, den Nachfolger von Herrn Mehdorn. Herr Grube meinte, die Menschen in Stuttgart belehren und ihnen sagen zu müssen, dass sie kein Widerstandsrecht gegen dieses Projekt hätten. Meine Damen und Herren, lassen Sie uns miteinander Herrn Grube sagen: Die Frage, ob Bürger in diesem Land gegen ein Projekt das Grundrecht der Demonstrationsfreiheit bemühen dürfen, entscheidet nicht der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bahn AG, sondern das Grundgesetz.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Herr Zeil, Sie suggerieren mit Ihrer Rede, große Infrastrukturprojekte seien in Bayern nicht mehr durchsetzbar. Dafür hat es in der jüngeren Geschichte Bayerns tatsächlich Beispiele gegeben. In Wackersdorf ist zu Recht die Hybris eines FJS gescheitert. Beim Transrapid ist die Großmannssucht seiner Ich-wär-so-gernwie-er-Nachfolger gescheitert. Das gilt übrigens auch für die Landesbank, auch wenn Sie das hinterher nicht eingestehen wollten.

Schauen wir einmal in die Schweiz: In der Schweiz werden Milliarden Euro in den Ausbau der Bahn investiert. Keiner regt sich darüber auf; alle sind dafür. Dort werden nicht Stadtparks, sondern gleich der ganze Gotthard untertunnelt. Man hört dort keinen Protest. Warum ist das so? Warum geht das in der Schweiz und in Deutschland angeblich nicht, wie Sie behaupten? Dort ist das möglich, weil diesen Projekten eine echte Entscheidung des Volkes vorausgeht. Das ist das Entscheidende. Das ist auch die Wegweisung dafür, wie wir im 21. Jahrhundert Großprojekte durchbringen können.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir dürfen solche Projekte nicht gegen die Menschen durchbringen. Wir müssen die Menschen vielmehr vom Sinn, von den Kosten und vom Nutzen dieser Vorhaben überzeugen. Die Menschen müssen diese Projekte wirklich wollen und darüber entscheiden dürfen. Wir müssen in einer offenen Diskussion überzeugen und dürfen berechtigte Fragen nicht oberlehrerhaft vom Tisch wischen. Ich denke, hier sind wir nicht so weit von den Liberalen entfernt.

Auch in der Verkehrspolitik bleibt am Ende nur eines: Sie müssen mehr Demokratie wagen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Herr Kollege Dr. Beyer, ich stelle fest, dass Sie im Hinblick auf die Zeit notariell den Punkt getroffen haben. Wir sind ein wunderbares Team. Herr Kollege Rotter hat jetzt noch den Wunsch nach einer Zwischenbemerkung geäußert.

Herr Kollege Rotter, sind Sie später nicht mehr da?

Geschätzter Herr Kollege Dr. Beyer, gestatten Sie, dass ich Sie auf eine Widersprüchlichkeit in Ihren Ausführungen aufmerksam mache. Sie loben einerseits, dass nach elf Jahren SPD-Verkehrsministerschaft auf Bundesebene viele Gelder nach Bayern geflossen seien, und beklagen andererseits, dass die in Bayern zuständigen Minister die Verwendung dieser Mittel verschlafen hätten. Ich möchte Sie daran erinnern, dass so viele Bundesmit

tel für den Straßenausbau nach Bayern geflossen sind, weil andere Länder ihre Kontingente gar nicht verbauen konnten. Die bayerische Straßenbauverwaltung war demgegenüber in der Lage, diese Mittel zu übernehmen. Darauf ist der Umstand zurückzuführen, dass bei uns so viel gebaut worden ist.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kollege Rotter, ich sehe darin keinen Widerspruch. Sie bestätigen, dass ich mit meiner Behauptung, dass unter rot-grünen Bundesministern viel Geld nach Bayern geflossen ist, Recht habe. Vielen Dank für diese Bestätigung.

Nun zum Schlaf der Gerechten. Damit meinte ich den Schlaf in den letzten Monaten, seit Herr Ramsauer Bundesverkehrsminister ist. Geschätzter Herr Kollege Rotter, ich freue mich wahnsinnig auf die Diskussion um die ABS 38, die wir in zwei Stunden führen werden. Sie haben doch immer wieder erklärt, dass die Nachholbedarfe befriedigt würden, wenn die CSU erst einmal im Bund am Ruder ist. Tatsächlich passiert nichts mehr. Es geht zurück. Das ist kein Widerspruch, sondern leider die Realität.

(Beifall bei der SPD)

Für die FDP bitte ich Herrn Kollegen Dr. Kirschner ans Mikrofon.

Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Geehrter Herr Dr. Beyer, ich habe jetzt den Eindruck gewonnen, wir seien in Stuttgart und nicht in München. Man kann über alles diskutieren, aber eines ist klar: Rechtsstaatlichkeit bedeutet, dass man sich gegen einen Protest mündlich wehren kann. Das gehört auch dazu.

(Beifall bei der FDP)

Zurück zu Bayern: Warum ist es innerhalb kürzester Zeit gelungen, das Rad zurückzudrehen und dorthin zu kommen, wo wir jetzt sind? Vor zwei Jahren haben wir noch geglaubt, dass wir erst im Jahr 2015 wieder auf die richtige Bahn kommen werden. Wir haben kalkuliert, dass die Steuereinnahmen massiv zurückgehen werden. Tatsächlich haben wir statt minus 5 % innerhalb von 15 Monaten ein Plus von 3,2 % erreicht.

Herr Kollege Dr. Runge, Sie haben vorhin in Ihrem Vortrag gesagt, dass inzwischen weitgehend alles vom Bund und nur noch sehr wenig von Bayern entschieden werde. Was die Zahlungspflichten angeht, gebe ich Ihnen hier grundsätzlich recht. Entscheidend ist deshalb die Frage, welchen Einfluss Bayern im

Bund ausübt. In dieser Hinsicht ist beste Arbeit geleistet worden.

(Beifall bei der FDP)

Warum sind wir so weit gekommen? Das liegt zum einen an den politischen Rahmenbedingungen. Ich sage es ganz deutlich: Der Grund ist die Kurzarbeit und die Verlängerung der Kurzarbeit. Wir haben uns nie dagegen gestellt. Die Äußerung von Herrn Kollegen Roos ist falsch. Wir hatten Milliarden-Konjunkturprogramme und haben eine hohe Staatsverschuldung. Außerdem gab es den Rettungsschirm. Ich wiederhole jetzt nicht die Zahlen, die Herr Minister Zeil genannt hat. Diese Zahlen sprechen aber für sich. Wenn man aus der Praxis kommt und mit diesen Problemen zu tun hat, kann man sich nur vor den Leistungen, die mit diesen Rettungsschirmen erreicht worden sind, verneigen. Wir konnten in Bayern, insbesondere im Mittelstand, Arbeitsplätze halten. Für die Politik gilt es, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den betroffenen Unternehmen zu danken, die massiv auf Lohn verzichtet und die Kurzarbeit geduldet haben.

(Beifall bei der FDP)

Ich möchte hier ein lautes Dankeschön an viele mittelständische Unternehmer richten, die dafür gesorgt haben, dass diese Krise überwunden werden konnte. Diese Unternehmer haben teilweise sogar ihre Häuser als Sicherheiten zur Verfügung gestellt, um die Unternehmen weiterhin am Laufen zu halten.

(Beifall bei der FDP)

Ich möchte kurz auf das Thema DSL zu sprechen kommen: Im Wesentlichen gibt es derzeit zwei technische Möglichkeiten: Entweder machen wir es über den Funk. Dagegen wehren sich aber viele. Jeder will DSL, jeder will mindestens fünf, sechs oder zehn Megabit, damit er zuhause schnell surfen kann. Jeder Unternehmer will es auch. Eines ist aber auch klar: Derzeit können wir es nur kurzfristig über den Funk machen. Dagegen gibt es Bürgerinitiativen, mit denen man leben muss. Alternativ eine unterirdische Verkabelung innerhalb von fünf oder zehn Jahren in ganz Bayern herzustellen, ist aus zwei Gründen völlig ausgeschlossen: Erstens ist es aus zeitlichen Gründen ausgeschlossen, weil Bayern ein großes Land ist. Bis wir zum letzten Weiler kommen, haben wir riesige Probleme.

(Maria Noichl (SPD): Aber anfangen muss man!)

- Wir haben schon angefangen.

Zweitens bräuchten wir für diese Maßnahme allein in Bayern zwischen 12 und 15 Milliarden Euro. Das, was ich nicht verstehe, habe ich bereits im Wirtschaftausschuss artikuliert. Auf der einen Seite gibt es den Betreiber, der Geld verdienen will, und auf der anderen Seite gibt es den Nutzer, der die Verkabelung am liebsten kostenlos haben möchte. Darüber müssen wir irgendwann einmal diskutieren. Entweder legen wir als Mindeststandard das fest, was wir jetzt schon haben, oder jemand, der mehr haben möchte, muss dafür bezahlen. So einfach ist es. Soviel zum DSL. Man bekommt im Leben nichts umsonst.

(Beifall bei der FDP)

Große Sorge bereitet mir trotz der derzeit wunderschönen Situation die Exportabhängigkeit. Wir sind ein Exportland. Wir waren sehr schnell unten, wir sind in Deutschland neben Baden-Württemberg am tiefsten gefallen. Genauso schnell geht es wieder hoch. Woher kommt das? Die Aufträge kommen im Wesentlichen nicht aus dem Inland, sondern aus dem Ausland, aus China, Indien oder Brasilien, also aus den Schwellenländern. Diese Sorge treibt mich um. Hier teile ich grundsätzlich die Meinung von Herrn Roos, dass die Inlandskaufkraft gestärkt werden muss. Es ist aber nicht Aufgabe der Politik, darauf Antworten zu geben, sondern das ist die Aufgabe der Tarifpartner. Da mischen wir uns nicht ein.

(Beifall bei der FDP)

Wir befinden uns in einem massiven Wettbewerb mit den zukünftigen Weltwirtschaftsspitzenländern. Soweit sie es nicht schon sind, gehören dazu China, Indien und Brasilien. Leider diskutieren wir in diesem Haus immer wieder über Themen, bei denen man wie zum Beispiel bei der Nanotechnologie nur Risiken und Gefahren sieht. Bayern ist nicht mehr ein forschungsfreundliches Land, sondern wenn wir der linken Seite folgen, sind wir eher ein forschungsfeindliches Land. Ich nenne nur die Entwicklung und friedliche Nutzung der Atomenergie, die Biotechnologie, die Gentechnologie oder die Nanotechnologie.