Protocol of the Session on September 29, 2010

Lassen Sie mich zum Bereich Sicherheit und Kernenergie noch etwas sagen. Sie haben im Jahr 2000 die Laufzeit der Kernkraftwerke bis 2022 verlängert, also um 20 Jahre. Rot-Grün hat seinerzeit in den Vertrag nichts hineingeschrieben, was mehr Sicherheit angeht. Sie lesen im Gegenteil im Vertrag, die Bundesregierung werde nichts unternehmen, um höhere Anforderungen zu stellen.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Im jetzigen Vertrag steht: Es werden in der kommenden Novelle weitere Anforderungen zur Sicherheit nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erhoben. Das heißt, wir werden die Sicherheit der kerntechnischen Anlagen verbessern und nicht vermindern. Dann kommt der Beitrag der Konzerne. Wenn man das zusammennimmt - Brennelementesteuer und Vertrag -, werden die Konzerne 30 Milliarden Euro leisten müssen. 30 Milliarden Euro!

(Hubert Aiwanger (FW): Das zahlen die Beitragszahler! Das zahlen die Stromkunden! Wer denn sonst?)

- Das weiß ich nicht, wer es bezahlt.

(Hubert Aiwanger (FW): Wer denn sonst? Der Vorstand zahlt nichts!)

- Seien Sie doch einmal ehrlich: Dann bräuchten wir es doch gar nicht zu verlangen, wenn es die Stromkunden bezahlen müssten. Sie denken auch nur von gestern auf heute Mittag, Herr Aiwanger. Der Vorstand bezahlt es nicht. Aber für diese Leistung müssen die Konzerne 30 Milliarden Euro an Brennelementesteuer zahlen und in den Fonds einbringen. Ich sage nur: Bei der Verlängerung im Jahr 2000 hat die seinerzeitige rot-grüne Bundesregierung von den Konzernen null Euro verlangt, und wir verlangen 30 Milliarden Euro.

Herr Kollege Hartmann, Sie sagen, das nütze den Konzernen. Da müssten eigentlich die Kurse explodieren. Im Grunde sind sie nach unten gegangen. Ich finde, es ist eine starke Leistung, dass man die Konzerne in diesem Ausmaß zur Kasse bittet, um damit für die Energieeffizienz und für erneuerbare Energien etwas zu tun.

(Beifall bei der CSU - Hubert Aiwanger (FW): Das ist ja wirtschaftsfeindlich, was Sie machen!)

Es ist gesagt worden, auf diese Art und Weise würde die Einspeisung erneuerbarer Energie behindert. Ich stelle fest, das EEG gibt der Einspeisung von erneuerbaren Energien weiterhin Vorrang. Da findet keinerlei Verdrängung statt. Heute reagieren die Kernkraftwerke sehr viel schneller als beispielsweise die Kohlekraftwerke. Letztlich kommt auf diese Art und Weise der Strom aus Wind, aus Sonne, Biomasse und dergleichen. Und wenn es nicht reicht, was in einem hohen Ausmaß der Fall ist, dann werden die Kernkraftwerke zugeschaltet. Das ist eine vernünftige Energiepolitik. Ich sage ausdrücklich: Vorrang haben dabei die erneuerbaren Energien, die wir heute ausbauen. Ich sage aber auch, dass wir eine Grenze der Subventionierung sehen.

(Beifall bei der CSU)

Es kann nicht sein, dass die Dauersubventionierung über die Maßen hinaus zulasten der Haushalte stattfindet. Das muss in einem wirtschaftlich vernünftigen Umfang der Fall sein.

(Beifall bei der CSU)

Wenn ich das zusammenfasse, meine Damen und Herren, so kann ich feststellen: Die Bundesregierung hat ein mutiges Konzept vorgelegt, ein langfristig tragfähiges, ein realistisches, das die Stromversorgung Deutschlands sichert, das umweltfreundlich ist, das die Energie effizient steigert und das die erneuerbaren Energien weiterhin ausbaut. Darin sind wir vorbildlich in der Welt. Die CSU-Fraktion trägt dieses Energiekonzept voll und ganz mit.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Huber. - Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Kohnen. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Huber, ich glaube, Sie waren in den letzten zehn Jahren nicht da.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Was haben Sie eigentlich mitbekommen? - Haben Sie mitbekommen, dass Sie in der Großen Koalition im Bund den Atomausstieg mitgetragen haben, und zwar über zehn Jahre lang? - Das Einzige, was Sie getan haben: Sie haben, als Sie merkten, im Jahr 2009 könnte etwas anderes herauskommen, den Netzausbau blockiert. Nichts anderes haben Sie getan. Außerdem, Herr Huber, haben Sie Kontakte zu den Kollegen von der CSU aus Landshut? - Die haben eine andere Meinung als Sie. Sie sind schlichtweg nicht mehr auf der Höhe der Zeit.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich sage Ihnen eines: Die Menschen in diesem Land sind auf der Höhe der Zeit. Denn die Menschen in diesem Land waren sich zehn Jahre lang sicher - sicher, dass die Politik verstanden hat, was von ihr erwartet wird. Die Menschen erwarten Antworten von der Politik angesichts des Klimawandels, angesichts der zur Neige gehenden fossilen Ressourcen und angesichts der ungelösten Frage des Atommülls. Zehn Jahre lang war man sich sicher, wie diese Antwort lautet. Sie lautet Ja zum Atomausstieg, und sie lautet Ja zu erneuerbaren Energien. Das ist der Zukunftsweg.

Die Menschen waren sich auch sicher, dass es ein Ende in Bezug auf den Atomausstieg geben wird. Vor allen Dingen waren sich die Unternehmen sicher. Die Unternehmen und die Kommunen waren sich sicher, dass sie ihre Investitionen in die Umwelttechnologien und in die Anlagetechnik für die erneuerbaren Energien gut einsetzen für die Wirtschaft in diesem Land. Denn sie waren sich sicher, dass es dazu kommen

wird, dass der Strom aus erneuerbaren Energien den Atomstrom ablösen wird.

Und was haben Sie noch geschafft? Sie haben großartig von Arbeitsplätzen gesprochen. Was haben denn die Unternehmen geschafft? - Sie haben geschafft, dass 300.000 Menschen in den letzten zehn Jahren in Lohn und Brot gebracht wurden. Diese Anzahl ist für das Wirtschaftwachstum enorm. Das sind Arbeitsplätze, Herr Huber.

(Beifall bei der SPD)

Was ist passiert? - Sie waren sich alle sicher, Menschen und Unternehmen, bis zum Jahr 2010. Seit gestern ist aber klar geworden, was Sie tun. Sie kündigen einen Zukunftsweg auf, der ganz klar gezeigt hat, wie diese Wirtschaft vorankommen kann und wie vor allen Dingen die Energiepolitik angesichts des Klimawandels in Richtung einer Energiewende vorankommen kann. Das haben Sie gestern aufgekündigt, und das haben Sie zu einem einzigen Zwecke getan. Sie haben das Ganze um die Atomlobby herumgestrickt. Nichts anderes haben Sie getan.

Ich frage Sie, die Herren und die wenigen Damen in der CSU-Fraktion und FDP-Fraktion: Was ist denn revolutionär an Ihrem Konzept? Ist es revolutionär, weil sie konsequent Politik gegen die Mehrheit in diesem Land machen? Ist es revolutionär, dass Sie in der Energiepolitik eine Rolle rückwärts machen - zurück in die Atomsteinzeit? Oder ist es gar revolutionär, dass Sie mehr Atommüll produzieren, obwohl die Endlagerfrage ungelöst ist? - Herr Kollege Reiß sagte vor Kurzem: Ach, dieser kleine Teil macht nicht mehr so viel aus. Das ist ja eh schon wurst. - Das ist eine krasse Einstellung. Oder legen wir noch eines drauf bei der Endlagerfrage, Herr Huber. Gehen Sie doch einmal zurück in die Kohl-Ära. Wie ist denn Gorleben zustande gekommen? - Das war keine geografische Frage, sondern eine rein politische. Sie haben das Moratorium wieder aufgehoben. Nichts anderes haben Sie getan.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Jetzt frage ich Sie: Ist es allen Ernstes revolutionär, sich dem Diktat der Atomlobby zu unterwerfen? Ist das revolutionär?

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ihr Energiekonzept ist keine Revolution, sondern eine einzige Kapitulation - Kapitulation vor der Atomlobby, und nichts anderes.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich wünschte mir eine solche Klientelpolitik angesichts dessen, wie die Sozialverbände schimpfen und Ihnen vorhalten, dass Sie im Moment die Kinderarmut im Land zementieren. Ich wünschte mir, dass Sie darauf einmal so reagieren, wie Sie auf die Atomlobby reagieren. Aber das tun Sie nicht.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Das Einzige, was Sie zeigen: Sie zeigen den Menschen die kalte Schulter in diesem Bereich. Zu dieser Politik, die Sie auch vom Bund aus in den letzten zwei Jahren in Bayern betreiben, kann ich nur herzlich gratulieren - gegen die Mehrheit der Menschen in diesem Land.

Herr Söder, Sie können sich in diesem Herbst warm anziehen. Ein heißer Wind wird Ihnen ins Gesicht blasen, aber nicht nur am 9. Oktober. Am 9. Oktober wird es in München das größte Oppositionsbündnis geben. Die Menschenkette wird auch zu Ihnen, zum Umweltministerium reichen. Reihen Sie sich in die Kette ein. Kommen Sie endlich zu Verstand und wir weiter in der Energiepolitik.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Glauber. Bitte schön.

Frau Präsidentin, Hohes Haus, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Huber, es geht um eine Frage des politischen Stils. Wie diese Laufzeitverlängerung zustande gekommen ist, das ist fraglich. Für die Politik ist das ein schwarzer Tag. 75 % unserer Bevölkerung wollten diese Laufzeitverlängerung nicht. Man hat sie jedoch beschlossen, Herr Huber, weil die Atomkonzerne den Politikerinnen und Politikern auf dem Schoß saßen. Die Menschen draußen verstehen aber eine solche Politik nicht mehr. Wir müssen uns nicht wundern, wenn die Volksparteien immer mehr Wählerinnen und Wähler verlieren; denn das ist die falsche Art, Politik zu machen.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Frau Kohnen hat es angesprochen. Die CSU in Landshut war Vorreiter gegen Isar 1. Sie hat es nicht einfach so getan. Warum möchte sie, dass Isar 1 vom Netz geht? - Es ist ein Siedewasserreaktor, der von Universitäten als gefährlich eingestuft wurde. Wir haben eine lange Latte an Gründen. Wir werden einen solchen Reaktor wahrscheinlich zehn Jahre länger am Netz lassen. Was ist das für ein Umgang mit Sicherheit? - Das kann nicht sein. Wir müssen dem Sicherheitsbedürfnis gerecht werden. Wir müssen sol

che Reaktoren vom Netz nehmen. Wir müssen unsere Bevölkerung vor solchen Gefahren schützen.

(Beifall bei den Freien Wählern, der SPD und den GRÜNEN)

Wir streiten über den richtigen Ansatz, Laufzeitverlängerung ja oder nein. Eines ist aber sicher: Wir haben mit der Laufzeitverlängerung den regenerativen Energien eine große Chance genommen. Viele kommunale Stadtwerke, viele private Investoren hatten viel Geld investiert. Wir waren auf einem sehr guten Weg und diesen Weg verlassen wir jetzt.

(Erwin Huber (CSU): Warum denn?)

Und warum verlassen wir diesen Weg? - Das ist völlig unverständlich. Überall auf der Welt werden wir Deutsche um unsere Energiestandards und unser EnergieKnow-how beneidet. Warum? - Weil wir extrem viele Mittel in die Forschung und in die Technik stecken. Bei den erneuerbaren Energien sind wir Vorreiter. Ja, das ist so. Nur, Sie verlassen diesen Weg. Und warum? Weil Sie letztendlich die Laufzeitverlängerung wollen und damit die Entwicklungschancen beschneiden.

(Erwin Huber (CSU): Das stimmt doch gar nicht! Hubert Aiwanger (FW): Reden Sie mit den Chefs der Stadtwerke!)

- Alle Stadtwerke und alle lokalen Investoren werden Ihnen das bestätigen. -

(Zuruf von der CSU)

- Wir diskutieren darüber. Sie sind anderer Meinung. Das Problem ist, durch Ihre Laufzeitverlängerung erzeugen Sie weitere 4.400 Tonnen radioaktiven Abfall. Wir haben darüber diskutiert, dass Bayern über 60 % aus Atomstrom gespeist wird. Das bedeutet für Bayern: 1.200 Tonnen für weitere zwölf Jahre.