Protocol of the Session on July 14, 2010

(Beifall bei der FDP und Abgeordneten der CSU)

Als Nächster hat der Herr Kollege Dr. Linus Förster das Wort.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit der Fußball-WM wissen wir, dass wirklich wichtige Entscheidungen am besten vom Kraken Paul zu treffen wären. Auch im Falle der Absenkung des Wahlalters, zu der ich jetzt kurz sprechen werde, wäre das vielleicht der bessere Weg, zu einem richtigen Ergebnis zu kommen, als das Begehren in diesem Hohen Haus in die Hände der Mehrheit der Regierungskoalition zu legen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Ich muss gestehen, dass ich bei der Frage nach der Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre den Kraken Paul und seine Muscheln bisher nicht befragt habe. Aber ich kann Ihnen dafür einige wissenschaftlich fundierte und klare Quellenangaben, die für die Absenkung des Wahlalters sprechen werden, nennen. Keine Angst, ich werde bei dieser Zweiten Lesung nicht noch einmal alle Argumente aufwärmen, die wir bisher hatten - zumal auch die Kollegen Perlak, Tausendfreund und Hanisch einige der Argumente genannt haben -, sondern nur noch einmal auf ein paar Dinge ganz klar abzielen.

Vieles von dem, was Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoalition, gesagt haben, ist nicht unbedingt falsch, aber es ist so willkürlich wie das Absetzen des Kraken in einer mit Muscheln gefüllten Kiste beim Orakel der Fußballsieger. Die Kollegen Lorenz und Fischer haben bei der Ersten Lesung ganz bewusst darauf abgezielt, dass das Wahlrecht und die Volljährigkeit aneinander gekoppelt bleiben sollen. Man merkt, da argumentieren ein Betriebswirt und ein Jurist. Wären sie Politologen oder Historiker, dann wüssten Sie nämlich besser Bescheid. Herr Kollege Hanisch ist zwar auch Ökonom, aber er hat anscheinend eine breitere Allgemeinbildung. Denn er hat darauf hingewiesen, dass bei der Bundestagswahl 1972 die damals noch nicht Volljährigen wählen durften. Die Volljährigkeit lag bei 21 Jahren, warum soll das jetzt nicht gelten?

Dieses Wissen war anscheinend auch mit Grundlage für das Urteil einer eindeutig kompetenteren Vertreterin des Bayerischen Innenministeriums, die 2006 bei einem Hearing der SPD-Landtagsfraktion ganz klar gesagt hat - das war ein Hearing zur Absenkung des Wahlalters auf 14 Jahre -, dass es keine juristische Bedenken gebe, die dem entgegengehalten werden könnten. Sie stand damit nicht allein, denn es gab und gibt keinen schlüssigen verfassungsrechtlich-juristischen Grund für den Ausschluss Jugendlicher vom Wahlrecht als fundamentalem Recht der Demokratie. Dafür gibt es keine Rechtfertigung.

Bei der eingeschränkten Geschäftsfähigkeit, der Anwendung des Jugendstrafrechts auf Jugendliche über 14 Jahren, Religionsmündigkeit, der Wahl, bei welchem Elternteil man in einem Scheidungsfall leben will, und auch der Tatsache, dass man mit 14 in Parteien eintreten, Wahlkampf machen und Unterschriften sammeln darf - auch bei Ihnen, bei der CSU und der FDP ist das der Fall -, ist es doch unsinnig, dann nicht entscheiden zu dürfen, wer letztendlich als Politiker den Wählerwillen vertritt. Aber diese Argumente werden von den Juristen angeführt, unter anderem des bayerischen Innenministeriums, die bestimmt

nicht unter dem Verdacht stehen, sich ständig auf der Seite der SPD herumzutreiben.

Auch entwicklungspsychologische Erkenntnisse haben ergeben, dass es keinen Grund gibt, Jugendlichen ab 14 - ich betone hier wieder ganz bewusst, dass das schon für 14-Jährige gelten sollte, und wir fordern das Wahlalter 16 nur, damit Ihnen die Zustimmung leichter fällt -, dieses Recht abzusprechen. Die Einsichtsfähigkeit für die Bedeutung des Wahlrechts ist da.

Das haben auch die Ergebnisse der Jugend-Enquetekommission ergeben. Da, meine sehr verehrten Damen und Herren, appelliere ich noch einmal an Sie: Vertrauen Sie doch einmal den Erkenntnissen in Forschung und Materialsammlungen, die wir als Abgeordnete in diesem Hohen Haus in Auftrag gegeben haben, und glauben Sie mir doch einmal das, was wir selber erarbeitet haben. Das hat doch auch etwas mit einer Selbsteinschätzung zu tun. Die Jugend-Enquetekommission hat sich in einer Empfehlung klipp und klar - lesen Sie es nach, das ist vielleicht für den einen oder anderen ein Grund, dieses Werk einmal in die Hände zu nehmen - für eine Absenkung des Wahlalters ausgesprochen. Das bringen die jungen Menschen.

Herr Kollege Dr. Förster, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Eine Zwischenintervention, damit ich mit meiner Zeit zurechtkomme.

Mir ist gesagt worden, es sei eine Zwischenfrage.

(Zuruf von der SPD: Danach!)

- Aha, gut.

(Tobias Thalhammer (FDP): In 48 Sekunden ist es auch keine Intervention mehr!)

Es ist die Entscheidung des Fragestellers, ob er eine Zwischenfrage oder Zwischenintervention stellt, nicht die Interpretation des Redners. Aber nachdem der Fragesteller einverstanden ist mit Ihrer Interpretation, lassen wir hernach die Zwischenbemerkung zu.

Bitte, Herr Kollege Förster, Sie haben weiterhin das Wort.

Lassen Sie mich die Zeit noch nutzen. Die Anhörung hat allerdings auch ergeben, dass eine Absenkung des Wahlalters auf 14 Jahre mit einem stärkeren Erlernen von Demokratie an den Schulen zwingend verbunden werden muss.

Lehrpläne und schulisches Leben müssen dementsprechend angepasst werden. Das fordern wir als SPD auch. Das ist doch wunderbar, weil wir es dann wirklich schaffen können, auch im Bereich von Schule und Bildung gemeinsam das bewusste Anwenden von Demokratie und seinen Rechten zu erlernen. Das sollten wir unterstützen.

Kollege Dr. Fischer hat bei der Ersten Lesung ganz richtig gesagt, dass das Wahlalter 16 allein kein Mittel gegen Politikverdrossenheit sei. Da stimme ich ihm zu, auch insofern, als er gesagt hat, am wirksamsten gegen Politikverdrossenheit eine Politik wäre, die weniger verdrossen macht. Er sagte: Es liegt an uns, die jungen Menschen zu motivieren und sie für eine gesellschaftliche und politische Teilhabe zu begeistern. Dazu sage ich: Mit solchen Reden allein hier im Plenum werden Sie das nicht erreichen.

(Beifall bei der SPD)

Deswegen bitte ich Sie: Geben Sie den jungen Menschen eine Chance und das ihnen zustehende Recht. Stimmen Sie dem Antrag auf Absenkung des Wahlalters zu.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Dr. Förster. Jetzt hat der Kollege Dr. Herz das Wort zu einer Zwischenbemerkung.

Herr Kollege, über Repräsentativität lässt sich natürlich streiten. Ich hatte neulich Gelegenheit, mit über 100 Realschülern zwischen 15 und 18 Jahren, zehnte Klasse, über genau dieses Thema zu diskutieren. Was sagen Sie dazu, dass kein Einziger das Wahlalter gesenkt haben wollte?

(Jörg Rohde (FDP): Die Erfahrung habe ich auch gemacht!)

Bitte schön, Herr Dr. Förster.

Dazu kam auch gerade ein Zwischenruf. Natürlich hat der eine oder andere auch schon einmal die Erfahrung gemacht, dass er an einer Schule war und von Jugendlichen erfahren hat, dass sie das vielleicht gar nicht wollen. Aber die Tatsache, dass es Einzelne nicht wollen, ist doch kein Grund dafür, dass wir ihnen grundsätzlich das Recht wegnehmen. Nehmen Sie einmal die Beteiligung an verschiedenen Wahlen und leiten davon ab: So und so viele Leute wollen gar nicht wählen gehen, also lassen wir das mit dem Wählen.

(Ulrike Gote (GRÜNE): Genau!)

Das Wahlrecht ist ein Recht und dieses Recht dürfen wir den jungen Menschen, die es nutzen wollen, nicht vorenthalten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abge- ordneten Ulrike Gote (GRÜNE))

Das ist die wesentliche Aussage dabei.

Als Nächster hat der Kollege Prof. Piazolo das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde mich kurz halten, weil die meisten Argumente schon ausgetauscht sind.

Weswegen unterhalten wir uns heute? Natürlich, weil es eine Reihe von Gesetzesvorschlägen gibt, aber natürlich auch, weil wir uns alle ein klein wenig unwohl fühlen in der momentanen Situation mit fallenden Wahlbeteiligungen, mit steigender Verdrossenheit gegenüber Politik und Parteien.

Wir überlegen dabei natürlich: Wie können wir die Menschen wieder besser einbinden? Wie können wir sie beteiligen? Wie können wir sie dazu bringen, dass sie Politik spannend finden, dass sie mitmachen? Mitmachdemokratie ist eines der Schlagworte. Insofern begrüßen wir als Freie Wähler die Diskussion, die wir führen. Wir sind natürlich auch für die Stärkung der direkten Demokratie. Auf der anderen Seite sind wir stolz auf das, was in den letzten Jahrzehnten in der Bundesrepublik Deutschland an repräsentativer Demokratie passiert ist, wie sie umgesetzt wurde. Es geht natürlich darum, das richtige Verhältnis zu setzen zwischen direkter und repräsentativer Demokratie. Es geht - das ist auch bei den Anträgen bewusst geworden - um Stellschrauben, die man dabei verändern kann.

Ich glaube, bis jetzt haben die Volksbegehren und Volksentscheide, gerade in letzter Zeit, durchaus eine Erfolgsgeschichte geschrieben, die aber auch mit den aktuellen Gesetzen möglich war und mit dem, was im Moment vorgesehen ist. Insofern wollen wir durchaus das eine oder andere ausprobieren. Wir haben es beim Wahlalter ja schon angedeutet, Herr Kollege Hanisch, dass man einmal versuchen kann, das Wahlalter abzusenken, und ähnlich sehen wir es auch bei den Formen der direkten Demokratie.

Trotzdem - ich gebe zu, es gab in unseren Reihen auch kontroverse Diskussionen - werden die Freien Wähler die Vorschläge ablehnen, obwohl wir viel Sympathie haben und auch einiges, was vorgeschlagen wurde, für sehr sinnvoll erachten, insbesondere die Verlängerung der Frist von 14 Tagen auf einen

Monat, weil sich diese Hürde doch als sehr hoch erwiesen hat. Bei den anderen Einzelvorschlägen können wir aber leider nicht mitgehen und werden deshalb die Anträge ablehnen.

Zur Absenkung des Quorums von 10 % auf 5 % ist schon einiges gesagt worden. Für uns ist es natürlich wichtig, dass eine möglichst - relativ - hohe Zahl von Bürgern den Vorschlägen zustimmt. Wir sehen da 10 % als richtig und auch als gut an. Mit den finanziellen Auswirkungen auf das Haushaltsrecht des Landtags haben wir beim Einbringen von Volksentscheiden schon die eine oder andere Erfahrung gemacht und wissen, dass man nicht durchkommt. Für uns im Landtag ist das Haushaltsrecht das Königsrecht, und da gilt es, eine Abwägung zu finden. Ich sage ganz offen, dass ich persönlich nicht ganz mit dem zufrieden bin, was der Verfassungsgerichtshof hier entschieden hat. Ich würde zwar eine gewisse Lockerung, wie wir sie aus anderen Parlamenten kennen, als positiv betrachten, aber ich würde es nicht begrüßen, die Lockerung per Gesetz so stark auszuweiten, wie es die Vorschläge insbesondere der SPD und der GRÜNEN vorsehen.

Alles in allem sind wir dafür, die Diskussion weiterzuführen. Wir werden selbst Vorschläge dazu einbringen. Wir bitten um Verständnis dafür, dass es den einen oder anderen Vorschlag gibt, den wir nicht unterstützen können.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Danke schön, Herr Professor Piazolo. Nun hat noch Kollege Jörg Rohde das Wort, bitte schön.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zuerst habe ich eine schlechte Nachricht für Kollegen Förster: Krake Paul hat nur eine Lebenserwartung von drei Jahren. Auch wenn der Antrag der SPD zur Absenkung des aktiven Wahlalters auf 16 Jahre auf kommunaler Ebene realisiert würde, dürfte Krake Paul nicht an Abstimmungen teilnehmen.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Grundsätzlich sollten wir das aktive und das passive Wahlrecht nicht auseinanderlaufen lassen. Damit wissen Sie auch schon, wie die FDP-Fraktion am Ende votieren wird. Wir führen dazu keine juristischen Gründe ins Feld. Natürlich kann ein Gesetz geändert werden, und dann gelten andere Spielregeln für die Bürgerinnen und Bürger. Herr Kollege Förster, es gibt auch andere Studien. Ich habe eine Studie der Universität Hohenheim gefunden, die deutliche Wissensund Verständnisunterschiede von jungen Menschen über 18 Jahren und unter 18 Jahren belegt. In einem

Alter von über 18 Jahren ist das politische Verständnis wesentlich größer. Junge Menschen unter 18 Jahren sind wesentlich anfälliger für politische Verführer, und das kann nicht in unserem Interesse sein.

(Zuruf der Abgeordneten Ulrike Gote (GRÜNE))

Diese Studie ergibt keinen Unterschied im Interesse an der Politik. Bei jungen Menschen über 18 Jahren und unter 18 Jahren ist etwa das gleiche Interesse an Politik vorhanden. Es gilt auch nicht, dass, wer mehr Wissen über Politik hat, auch mehr Interesse daran hat, an Wahlen teilzunehmen. Das ist zumindest eine interessante Erkenntnis. Die Studie gibt also keine Begründung dafür her, dass wir das aktive Wahlalter zwingend auf 16 Jahre senken müssten.