Protocol of the Session on February 9, 2010

Schnarrenberger gesagt hat, sie plane eine ganz konkrete Landesinitiative, um die bestehenden rechtlichen Probleme zu beseitigen. Wir fordern Sie auf, ihr zu folgen. Folgen Sie nicht dem Votum der FDP-Ausschussmitglieder des Kommunalausschusses, des Europaausschusses und des Verbraucherausschusses.

(Dr. Andreas Fischer (FDP): Aller Ausschüsse!)

Folgen Sie Ihrer Vorsitzenden, folgen Sie den 4.000 Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern der Petition. Folgen Sie denen, die für ein demokratisches Gemeinwesen in Bayern kämpfen. Beteiligen Sie sich an der Initiative. Sitzen Sie nicht als Bremsklotz ganz hinten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin Kamm. Nächster Redner ist Herr Lorenz für die CSU-Fraktion. Ihm folgt dann Frau Zacharias.

Bitte schön, Herr Kollege Lorenz.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren! In Artikel 20 des Grundgesetzes heißt es:

Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

- Auch in Artikel 28 wird ausdrücklich noch einmal vom Volk als bestimmendem Gremium für die Bildung von Gemeinderäten gesprochen. Der Gesetzgeber hat sich etwas dabei gedacht, warum er diesen Begriff und nicht den von Ihnen, Frau Kamm, gebrauchten Begriff der Einwohner gewählt hat. Ein Volk, eine Staatsbürgerschaft ist mehr als die zufällige Tatsache, dass man zu einem gewissen Zeitpunkt an einem gewissen Ort zusammenlebt und eine gewisse Zeit miteinander verbringt, sondern sie umfasst auch ein gewisses Bekenntnis zu einem Staat, zu einer Rechts- und einer Werteordnung.

Frau Kamm, in diesem Sinne können wir Ihrem Anliegen nicht beitreten. Wir sind sogar der Meinung, dass das der Integration nicht förderlich ist.

Sie haben gesagt, dass die Mehrzahl der hiesigen Ausländer schon lange hier lebe. Das ist richtig. Sie wissen selbst, dass man nach acht Jahren Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland in der Regel die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen kann. Es ist jedem unbenommen, dies zu tun. Wenn es, aus welchen Gründen auch immer, nicht getan wird, müssen wir es

respektieren. Aber dann schließt sich derjenige von gewissen Rechten der Bundesrepublik Deutschland aus. Es liegt also an ihm, sich zu entscheiden. Es ist aber im Sinne der Integration nicht förderlich, gleich ein elementares Recht der hier lebenden Staatsbürger, nämlich das Wahlrecht, vorab zu verteilen. Ein Wahlrecht kann quasi immer nur am Ende der Integration stehen.

(Alexander König (CSU): Sehr richtig!)

Wenn jemand lange hier gelebt hat, sich in Deutschland wohlfühlt, die Rechts- und Werteordnung akzeptiert, die Voraussetzungen erfüllt und sich zum Staat bekennt, kann er sich einbürgern lassen und mitwählen. Ich glaube, das ist der richtige Weg. In diesem Sinne können wir Ihrem Anliegen wie auch in den beiden Ausschüssen nicht folgen; denn dies ist der falsche Weg, die Integration voranzutreiben.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Zacharias.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass in dieser Sache von Ihrer Seite, Herr Lorenz, keine inhaltliche Performance zu erwarten war, habe ich mir gedacht. Ich darf aber sagen, dass die CSU schon bei unserer Ersten Lesung zum Thema "Kommunalwahlrecht für alle" mit abstrusen Argumenten kam, etwa das sei der Integration nicht zuträglich. Ich dachte, zwischenzeitlich hätten Sie gelernt und gemerkt, dass Zuwanderer, neudeutsche, biodeutsche Menschen mit Zuwanderergeschichte genau die gleichen Rechte haben wie diejenigen, die hier leben. Das hat meine Kollegin sehr schön gesagt. Mittlerweile ist jeder zweite Ausländer und jede zweite Ausländerin bis zu 17 Jahren bei uns. Ihnen kein Wahlrecht zu geben, ist falsch.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜ- NEN)

Wir haben ein Drei-Klassen-Wahlrecht: Wir haben zum einen die voll wahlberechtigten deutschen Staatsbürger; das ist gut. Wir haben zweitens die kommunalwahlberechtigten EU-Bürger; das müssen wir ausbauen. Wir haben des Weiteren die wahlrechtslosen Drittstaatler; das geht gar nicht.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜ- NEN)

Wir machen hier einen Unterschied zwischen einem Franzosen und einem Türken - warum? Wir machen einen Unterschied zwischen einem Niederländer und einem Schweizer. Das ist mir nicht einsichtig. Sie haben

noch gut Zeit bis zur Zweiten Lesung unseres Gesetzentwurfs, den wir im Oktober letzten Jahres eingebracht haben, um nochmals wirklich in sich zu gehen und zu prüfen, ob wir die Partizipation aller in Deutschland Lebenden auf kommunaler Ebene nicht doch mitverantworten wollen. Ich richte diesen Appell vor allem an all diejenigen, die in diesem Segment sitzen.

Liebe FDP, an euch liegt es jetzt. Das kann man gar nicht oft genug sagen. Das Mantra einer guten Idee kann ich hier nur wiederholen.

(Margarete Bause (GRÜNE): Legt doch da mal ein Veto ein!)

Eure Bundesjustizministerin ist Erstunterzeichnerin dieser wunderbaren Aktion für die Ausländerbeiräte, für die Integrations- und Migrationsbeiräte, für diese Arbeitsgemeinschaft. Sie hat sie erstunterzeichnet und gesagt, jawohl, das sei ein humanes EU-Recht, das müsse jedem gegönnt sein. An euch ist es, auf eure Landesvorsitzende zu hören. Andere Länder, andere Liberale in anderen EU-Ländern können es auch. Gebt euch einen Stoß und lasst nicht zu, dass sich eure Koalitionsehe bei jeder Kleinigkeit zuungunsten der Idee auswirkt.

Wir werden dem Antrag natürlich zustimmen. Zu den Damen und Herren ganz rechts sage ich: Bei der Zweiten Lesung werde ich hier nochmals ein Feuerwerk der Argumente bringen, warum wir natürlich für ein Kommunalwahlrecht für alle sein müssen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Der nächste Redner ist Herr Kollege Hanisch, ihm folgt Herr Kollege Rohde.

(Zuruf von den Freien Wählern: Jetzt will ich auch ein Feuerwerk! - Florian Streibl (FW): Jetzt aber Zunder!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Um es vorwegzunehmen: Wir Freien Wähler werden dem Dringlichkeitsantrag nicht zustimmen. Wir sind der Auffassung, dass das Wahlrecht ein Bürgerrecht und kein Menschenrecht ist. Wir sind auch der Auffassung, dass das Staatsvolk wählt, und so sieht es zumindest auch unser Grundgesetz vor. Ein Wahlrecht allein dient mit Sicherheit nicht der Integration. Es könnte im Gegenteil ein Punkt weniger sein, um die deutsche Staatsangehörigkeit zu erwerben. Es sollte langfristig das Ziel sein, dass jeder, der sich hier in Deutschland über einen längeren Zeitraum aufhält, auch die Staatsangehörigkeit erwirbt.

Als wir uns ein paar statistische Zahlen angesehen haben, haben wir festgestellt, dass auf kommunaler Ebene bei den meisten Ausländerbeiräten die Wahlbeteiligung unter 10 % gelegen ist, zum Beispiel in Kaufbeuren bei 7 %. Da taucht schon die Frage auf, ob dieses Wahlrecht eigentlich gewollt ist.

(Zuruf von der SPD)

Was uns momentan stört, ist Folgendes: Sie haben natürlich 4.000 Unterschriften gesammelt - bevor ich hier das Ganze zerlege, relativiere ich es wieder -, aber in Bayern leben 650.000 Betroffene, in der Bundesrepublik Deutschland sind es 6,75 Millionen. Wir meinen durchaus, das Ganze unter Umständen in Erwägung ziehen zu können. Aber dann müssten sich ein paar grundsätzliche Sachen ändern. Man müsste es zumindest an die Aussage koppeln, dass der Betroffene zehn Jahre bei uns gewohnt haben muss. Dann wären wir für ein aktives kommunales Wahlrecht. Aber da müssten wir noch einiges zusammenbasteln.

(Beifall bei den Freien Wählern - Zuruf der Abge- ordneten Christine Kamm (GRÜNE))

Herr Kollege Hanisch, Entschuldigung, einen Moment noch. Wären Sie bitte so freundlich, noch einen Moment dazubleiben. Das kam ein bisserl knapp. Frau Kamm würde sich noch gerne für eine Zwischenintervention zu Wort melden. Bitte, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Kollege Hanisch, es ist klar, dass man nicht vom ersten Tag seiner Anwesenheit an dieses Wahlrecht haben kann, sondern dass es natürlich an bestimmte Bedingungen geknüpft ist. Über die Bedingungen ist zu diskutieren, über die Aufenthaltsdauer, die hierfür vonnöten ist, ebenfalls. Ich freue mich, dass Sie mit in der Diskussion sind.

Das ist dem Dringlichkeitsantrag in der Form nicht zu entnehmen. Wir warten, was von Ihrer Seite noch alles kommt, dann schauen wir einmal.

Ich darf bekannt geben, dass dieses Mal die Fraktion der GRÜNEN zu ihrem Antrag namentliche Abstimmung beantragt hat. Jetzt hat sich der Kollege Rohde zu Wort gemeldet. Ihm folgt dann Herr Staatsminister Herrmann, bitte schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Meinen Vorrednerinnen von den GRÜNEN und von der SPD muss ich natürlich eines in Erinnerung rufen: Mit einem Veto kann ich nichts voranbringen. Das ist Teil unseres Problems.

Frau Kamm, Sie haben schon richtig zitiert: Auf der Delegiertenkonferenz der Ausländerbeiräte am 2. Februar in Zirndorf hat unsere Landesvorsitzende der FDP, die Bundesjustizministerin, Folgendes gesagt: "Das Recht auf Mitbestimmung und Mitgestaltung ist Kernstück der Demokratie und muss für alle Einwohnerinnen und Einwohner gelten." Das ist überhaupt keine Frage.

(Zuruf von der SPD)

Damit teilen und unterstützen wir als FDP dieses Anliegen der Antragsteller.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Und lehnen den Antrag ab!)

- Genau.

Mit dem vorliegenden Antrag habe ich aber zwei Probleme: ein kleineres und ein etwas größeres. Das kleinere Problem ist die unpräzise Zielsetzung. Die FDPLandtagsfraktion möchte nicht, dass jeder Nicht-EUBürger vom ersten Tag seiner Meldung beim Einwohnermeldeamt an ein aktives und passives Wahlrecht erhält. Hält er sich dagegen bereits fünf Jahre bei uns auf, dann würden wir ihm diese Rechte gerne einräumen. Die notwendige Grundgesetzänderung würden wir dann mit unterstützen.

Die Kampagne und der erste Spiegelstrich dieses Antrags enthalten die von uns geforderte Frist von fünf Jahren nicht. In der Broschüre zur Kampagne ist die Bundesratsinitiative von Rheinland-Pfalz aus dem Jahr 2007 abgedruckt. Diese Initiative enthält nicht die Forderung nach einem Wahlrecht, sondern scheint auf den ersten Tag abzuzielen.

Herr Kollege Rohde, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Das erübrigt sich. Sie können am Ende eine Zwischenbemerkung machen. Ich komme nämlich sofort auf Ihren Beitrag zu sprechen, Frau Kamm.

Mein Eindruck ist, dass diese Kampagne zwar in die richtige Richtung geht, aber eben einen Schritt zu weit.

In der Broschüre ist auch die Position der FDP aus dem Jahr 1997 abgedruckt - Sie sehen, wie lange wir schon da dran sind -, und auch 2007 hat die Bundestagsfraktion, der ich zu diesem Zeitpunkt angehört habe, bestätigt, dass wir dieses Ziel verfolgen, solange die fünf Jahre Wartezeit oder Aufenthaltszeit enthalten sind.

Im Antragstext, der uns heute vorliegt, ist das nicht enthalten, liebe GRÜNE, und deshalb stimmen wir Ihnen nicht zu. Frau Kamm, Sie haben im Ausschuss erklärt,