Protocol of the Session on February 9, 2010

Im Antragstext, der uns heute vorliegt, ist das nicht enthalten, liebe GRÜNE, und deshalb stimmen wir Ihnen nicht zu. Frau Kamm, Sie haben im Ausschuss erklärt,

dass Sie unseren Bedenken Rechnung tragen würden. Sie hätten das dann doch in Ihren Antrag hineinschreiben können. Ich bin sicher, dass wir das bilateral lösen können. Ich habe auch gesagt: Das ist das kleinere Problem.

Ich komme zu dem größeren Problem und schaue auf die rechte Seite des Hauses,

(Heiterkeit bei der SPD)

dort sitzt unser Koalitionspartner.

(Beifall bei der SPD)

Bisher habe ich zu diesem Problem noch kein Einlenken der CSU feststellen können. Ich versichere Ihnen aber: Dieser Punkt ist auf der langen Liste der Änderungen an den Kommunalwahlgesetzen enthalten, die wir im Hintergrund mit der CSU diskutieren. Schon im Anschluss an diese Debatte werde ich mit meinem ganzen Charme und meiner Überzeugungskraft versuchen, dieses Anliegen voranzubringen; ich befürchte aber, dass ich ein dickes Brett zu bohren habe.

(Zuruf von der SPD)

Daher muss die FDP-Fraktion zumindest aus Koalitionsräson diesen Antrag heute ablehnen.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN: Oh!)

Wir bleiben aber dran - versprochen. Wir sind also kein Bremsklotz, Frau Kollegin Kamm. Wir sind mit einem Ölkännchen unterwegs. Das große schwarze Getriebe ist aber schwer in Bewegung zu bringen.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kollege Rohde, wenn Sie bitte noch einen Moment verweilen. Es gibt eine Zwischenintervention von Frau Kamm.

Sehr geehrter Herr Kollege Rohde, Sie haben bereits die Internetseiten von AGABY studiert. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass dort natürlich nicht steht, dass die Arbeitsgemeinschaft AGABY für ein kommunales Wahlrecht ab dem ersten Tag eintritt. Vielmehr ist die Frage der Fristsetzung offen und bedarf einer detaillierten Regelung. Auch in unserem Antrag finden Sie nichts zum ersten Tag, sondern im Antrag steht, der Landtag soll die Kampagne unterstützen. Da wäre es doch ganz nett; wenn Sie das auch tun würden.

Außerdem steht im Antrag, dass sich die Staatsregierung im Bundesrat und bei der Bundesregierung für ein kommunales Wahlrecht einsetzt. Dort steht auch nicht: "ab dem ersten Tag". Sie konstruieren Schwierigkeiten,

die es gar nicht gibt. Sie können dem Antrag gut zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Rohde, bitte.

Frau Kamm, ich habe es in meiner Rede bereits ausgeführt: Die kleinen Probleme, sprich die Formulierung, die Präzisierung, würden wir sicher gemeinsam, bilateral, ohne Koalitionspartner aus dem Weg räumen können. Sie haben nicht hineingeschrieben, dass Sie es ab dem ersten Tag wollen; Sie haben aber auch nicht hineingeschrieben, dass Sie auf die Wartezeit Wert legen würden, was wir machen würden. Das ist kein unüberbrückbarer Graben - das ist überhaupt keine Frage. Ich sehe mir aber genau an, was zur Beschlussfassung vorliegt, und danach entscheide ich. Sie könnten Ihren Antrag mit einem Federstrich ändern. Ich könnte heute aber trotzdem nicht anders; das ist mir klar. Deswegen habe ich das auch so herausgearbeitet.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Wir haben eine offene Diskussion. Wir wissen, wo wir stehen. Schauen wir, ob die CSU nicht doch noch ihren Mitbürgern, die schon lange hier leben, ein Wahlrecht einräumen möchte. Für heute scheint sich das noch nicht abzuzeichnen. Deswegen ist unser Votum leider klar.

(Beifall bei der FDP)

Herr Staatsminister, schauen wir einmal, was die Charmeoffensive von Herrn Rohde in Ihre Richtung schon bewirkt hat. Sie haben das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Zacharias hat uns emotionale Argumente für die Zweite Lesung versprochen. Nun finden zu Dringlichkeitsanträgen in diesem Hohen Hause selten Zweite Lesungen statt.

(Jörg Rohde (FDP): Heute geht es um den Antrag der GRÜNEN!)

Ein Gesetzentwurf ist wunderbar; ich freue mich in der Tat darauf. Ich will Sie mit unseren Argumenten nicht vertrösten, sondern lege Ihnen schon heute offen auf den Tisch, dass ich Ihnen versichern kann, liebe Kolleginnen und Kollegen: Weder die christlich-liberale Koalition in München noch die christlich-liberale Koalition in Berlin setzt sich in diesen Legislaturperioden für eine Änderung des Grundgesetzes in diesem Punkt ein.

(Jörg Rohde (FDP): Schade!)

Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich ein kommunales Wahlrecht für alle Ausländer in Deutschland rundweg ablehne. Das kommt aus meiner Sicht überhaupt nicht in Frage.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Der Hintergrund ist ganz einfach. Wir haben ein klares Staatsangehörigkeitsrecht. Wir haben die deutsche Staatsangehörigkeit. Wir haben in der Tat eine entsprechend erweiterte Unionsbürgerschaft. Dies sind die Voraussetzungen dafür, das Wahlrecht wahrzunehmen. Bei normalen Wahlen in Deutschland ist die deutsche Staatsangehörigkeit die Voraussetzung. Innerhalb Europas haben wir vereinbart, dass allen Unionsbürgern das kommunale Wahlrecht einerseits und das Wahlrecht zum Europäischen Parlament andererseits zusteht, letzteres wahlweise in dem Land, in dem man lebt, oder in dem Land, aus dem man stammt.

Meine Damen und Herren, ich kann überhaupt nicht verstehen, liebe Frau Kollegin Zacharias, dass Sie nicht nachvollziehen können, wieso wir einen Unterschied zwischen einem Franzosen und einem Türken machen. Ich glaube, Sie haben die gesamte Entwicklung dessen, was heute die Europäische Union ausmacht und was uns in den inzwischen 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union in besonderer Weise verbindet, nicht mitbekommen.

(Beifall bei der CSU)

Sie wollen keinen Unterschied machen und können nicht nachvollziehen, dass wir uns heute in der Tat aufgrund der Entwicklung in den letzten 50 Jahren in einer anderen Art und Weise mit den Kollegen in Österreich, mit den Franzosen, mit den Niederländern, mit den Belgiern verbunden fühlen als mit den Bürgerinnen und Bürgern irgendeines anderen Landes auf dieser Welt. Offensichtlich ist doch einiges an Ihnen vorbeigegangen. Wir sagen dazu: Ja, Unionsbürger sind etwas Besonderes. Das beruht vor allen Dingen auch auf Gegenseitigkeit. Das ist eine gemeinsame Vereinbarung aller europäischen Länder, die sich gegenseitig dieses kommunale Wahlrecht für die Unionsbürger eingeräumt haben. Das ist aber nicht Grundlage dafür, dass jeder, der in unser Land kommt, das kommunale Wahlrecht beanspruchen könnte. Ich sehe, dass eines der Mitglieder des Aktionskreises, auf den Sie sich beziehen, auch ein Aktionskreis Asyl ist. Das lenkt den Blick darauf, dass nach Ihrer Vorstellung offensichtlich auch jeder Asylbewerber, der in unser Land kommt und sich nur entsprechend lange genug aufhält -

(Zurufe von den GRÜNEN)

- Entschuldigung! Was will denn der Arbeitskreis in diesem Aktionsbündnis, wenn es nicht offensichtlich auch darum gehen soll, dass auch die Asylbewerber das kommunale Wahlrecht bekommen sollen? Was soll denn der Arbeitskreis im Aktionsbündnis? Ich kann Ihnen nur sagen: Das hat mit der Wahrnehmung von staatsbürgerlichen Rechten in unserem Land überhaupt nichts zu tun. Deshalb bitte ich nachdrücklich, diesen Antrag abzulehnen.

(Beifall bei der CSU)

Herr Staatsminister, Entschuldigung, wenn Sie freundlicherweise noch eine Zwischenbemerkung von Frau Kamm zulassen.

Herr Kollege Herrmann, Sie haben so getan, als ob es um ein Wahlrecht für jeden, der kommt, gehe. Es geht um ein Wahlrecht für die 4,5 Millionen Bürgerinnen und Bürger, die schon sehr, sehr lange hier wohnen. Der Durchschnitt wohnt bereits 17 Jahre hier - das ist nicht jeder, der kommt, sondern das sind die vielen Bürgerinnen und Bürger, die hier leben,

(Beifall bei den GRÜNEN)

seit langer Zeit arbeiten, Steuern zahlen, ihre Kinder aufziehen und sich in das Gemeinwesen einbringen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bitte schön, Herr Staatsminister.

Liebe Frau Kollegin Kamm, Sie wissen ganz genau: Wenn jemand seit 17 Jahren in Deutschland wohnt, hier arbeitet und seine Steuern zahlt, dann hat er nach dem geltenden Staatsangehörigkeitsrecht jederzeit die Möglichkeit, einen Antrag auf deutsche Staatsangehörigkeit zu stellen,

(Alexander König (CSU): Sehr richtig!)

und hat sogar einen Anspruch auf Einbürgerung. Wenn er dies nicht getan hat - das gilt in der Tat für die Mehrzahl dieser vier Millionen, von denen Sie gesprochen haben -, wenn jemand ganz bewusst sagt, ich will nicht deutscher Staatsangehöriger werden, was ich respektiere, sondern Staatsbürger eines anderen Landes bleiben, dann sehe ich nicht ein, warum jemand, der ganz bewusst sagt, ich will nicht deutscher Staatsangehöriger werden,

(Alexander König (CSU): Sehr richtig!)

trotzdem das Wahlrecht bekommen soll. Deshalb lehne ich das nach wie vor ab.

(Beifall bei der CSU - Alexander König (CSU): Das gibt es sonst nirgendwo auf der Welt!)

Meine Damen und Herren, damit ist die Aussprache geschlossen. Namentliche Abstimmung ist beantragt. Zwischen dem Antrag und der tatsächlichen Abstimmung müssen aber 15 Minuten liegen. Wir haben erst zwölf Minuten erreicht. Deswegen werde ich die Sitzung gleich für drei Minuten unterbrechen; danach beginnt die namentliche Abstimmung.

Zwischenzeitlich darf ich das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Antrag der Abgeordneten Aiwanger, Schweiger, Dr. Fahn und anderer und Fraktion (FW) , betreffend Stärkung der ambulant betreuten Wohngemeinschaften, Drucksache 16/2181, bekannt geben. Mit Ja haben 61 Abgeordnete gestimmt, mit Nein haben 96 gestimmt. Stimmenthaltungen keine. Damit ist der Antrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 2)