Frau Dr. Mennel und Herr Dr. Bußjäger statten dem Bayerischen Landtag einen Besuch ab, zum einen zum gegenseitigen Erfahrungsaustausch über die Parlamentsarbeit, zum anderen zum Austausch über die Arbeit im Rahmen der Bodenseekonferenz. Das sind zwei wichtige Dinge. Wir freuen uns, dass wir in gutnachbarlicher Gemeinschaft zusammen beraten können. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Aufenthalt und eine gute Reise zurück nach Vorarlberg.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrter Herr Aiwanger, die Abschussplanung, das Verbissgutachten, Verbisszahlen und die Zahlen des erlegten Wildes in unseren Wäldern sind Themen, die uns in diesem Hause noch oft beschäftigen werden, die sehr kontrovers diskutiert werden und draußen immer wieder Probleme mit sich bringen.
Wir müssen eine praktikable Lösung finden, eine Lösung, die auch mit den Verbänden, den Praktikern abgesprochen ist. Genau das ist Ihr Vorschlag nicht. Der Entwurf der Freien Wähler fordert eine Änderung des Bayerischen Jagdgesetzes bei der Abschussplanung dahin gehend, dass statt der behördlichen Abschuss
planung eine nicht-hoheitliche Vereinbarung getroffen wird; so formulieren Sie das. Der Gesetzentwurf stützt sich auf das Pilotprojekt zur Befreiung von Vorschriften der Abschussplanung für Rehwild, das die Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft im Jahr 2000 auf den Weg gebracht hat. Grundlage dafür war ein Beschluss des Bayerischen Landtags vom 21.03.2000.
Was spricht gegen Ihren Entwurf? - Erstens. Rehwild darf nach den Vorgaben des § 21 Absatz 2 des Bundesjagdgesetzes nur aufgrund eines behördlichen Abschussplanes erlegt werden. Dieser ist in Gemeinschaftsrevieren von den Revierinhabern und den Jagdvorständen aufzustellen und wird von der Unteren Jagdbehörde im Einvernehmen mit dem Jagdbeirat bestätigt oder festgesetzt. Im Jahr 2001 beauftragte das Staatsministerium für Landwirtschaft und Forsten in Abstimmung mit dem Obersten Jagdbeirat, in den alle Interessenvertreter der Jagd eingebunden sind, die LWF - die Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft - mit dem Pilotprojekt zur "Befreiung von den Vorschriften der Abschussplanung für Rehwild …" in Hegegemeinschaften - Herr Aiwanger, das ist genau der springende Punkt - mit mindestens tragbarer oder günstiger Verbissbelastung. Das Projekt sollte auf wissenschaftlich abgesicherter Basis wesentliche Entscheidungshilfen zur Deregulierung ergeben.
Herr Aiwanger, genau da liegt das Problem; da besteht ein Irrtum. Es handelt sich nämlich um Reviere, in denen eine günstige oder sogar ideale Verbisssituation besteht. Es gibt nach wie vor sehr viele problematischere Reviere, wo Ihre Regelung nicht funktionieren würde.
- Ja, gleich sind wir so weit. Deswegen ist mir absolut unverständlich, warum Sie in Ihrem Entwurf pauschal von "äußerst positiven Erfahrungen" reden. Bei dem Projekt ist überhaupt nicht herausgekommen, ob das lauter positive Erfahrungen sind. Man hätte dieses Pilotprojekt in allen Revieren durchführen müssen.
Nochmals: Das Projekt der Landesanstalt bezog sich ausschließlich auf Hegegemeinschaften mit tragbarer Verbissbelastung. Ihr Gesetzentwurf berücksichtigt den Verbiss nicht.
Der Gesetzentwurf bezieht sich auch pauschal auf Schalenwild. Ich gehe schon davon aus, dass Sie als Jäger den Unterschied zwischen Rehwild und Schalenwild kennen.
Zweitens. Ihr Entwurf stößt bei vielen Fachleuten und Fachstellen auf Ablehnung. In ihrem Abschlussbericht fordert die Landesanstalt ausdrücklich, dass eine Ausweitung der Hegegemeinschaften mit zu hoher Verbissbelastung keinesfalls erfolgen soll. Vor allem haben sich die betroffenen Verbände im Obersten Jagdbeirat 2007 einstimmig gegen die Ausweitung des Pilotprojekts auf alle Hegegemeinschaften ausgesprochen.
Mir ist unverständlich, weshalb Sie bei der Vorbereitung auf die Einbringung dieses Antrags diesen Abschlussbericht nicht gelesen haben. Offensichtlich haben Sie ihn nicht gelesen, und deswegen kommt es zur Unterscheidung zwischen Revieren mit erträglicher Verbisszahl und Revieren, in denen es nach wie vor große Probleme gibt.
Drittens. Ihr Entwurf ist deswegen nicht zu befürworten, weil er juristisch eine einzige Schlamperei ist. Was wollen Sie denn ändern, Bundes- oder Landesrecht? Das wird in Ihrem Antrag nicht klar. Sie sind jetzt zwar darauf eingegangen, dass es vom Bundesrecht her eine Befreiung gäbe, aber das ist nicht der Fall. - Wer ist Eigentümer im Sinne Ihrer Regelung? Meinen Sie die Jagdgenossenschaften, oder wen?
- Das ist ein Gesetzentwurf. Wir machen hier kein Planspiel wie in der Schule, sondern wir sind das Parlament. Sie müssen schon konkret formulieren. Da hätten Sie die Hausjuristen in Ihrer Fraktion fragen müssen.
Was bedeutet "auf Antrag"? Damit formulieren Sie genau das, was wir nicht wollen. Dann könnte das Landratsamt entweder sagen, ihr bekommt eine Vereinbarung, oder es kann sagen, ihr bekommt keine. Was wollen wir denn? Genau das ist nicht praktikabel und führt zu noch mehr Bürokratie. Wir brauchen gewiss eine Vereinbarung, aber weshalb zimmern Sie ein Konstrukt, das juristisch völlig undefinierbar ist und Beliebigkeiten Tür und Tor öffnet? Ich weiß nicht, wer Sie da beraten hat, vielleicht der Herr Küblböck. Das ist doch unmöglich.
Wer ist nach Ihrer Regelung Eigenjagdbesitzer? Sind diejenigen, die ihr Revier verpachtet haben - wie Jagdgenossenschaften - und diejenigen, die das Gemeinschaftsrevier in Regie bejagen, vom Anwendungsbereich ausgeschlossen? In diesen Fällen gibt es keinen Jagdpächter und keinen Vertragspartner, es sei denn, man trifft eine In-sich-Vereinbarung.
Wir brauchen eine praktikable Regelung; da gebe ich Ihnen recht. Dazu ist es aber nach meiner Ansicht notwendig, dass alle Beteiligten ausreichend und umfassend vorbereitet werden, damit man in diesem schwierigen Konfliktfeld von Jagd und Wild eine zielführende Lösung findet. Ihr Antrag bietet eine solche Lösung jedenfalls nicht, und deswegen können wir ihn nicht befürworten.
Herr Kollege, Sie haben Ihre Redezeit ein bisschen überzogen, aber dazu sind Sie schwer provoziert worden. Es sei Ihnen verziehen.
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute über das neue Jagdgesetz, wie es die Freien Wähler gerne nennen, zu entscheiden. Ich möchte mich partiell meinem Vorredner anschließen und sagen: Man kann nirgendwo lesen, dass das Gutachten ein voller Erfolg war; man liest genau das Gegenteil, dass nämlich der Verbiss nach sechs Jahren größer war als vorher. Sie müssen das Gutachten wirklich noch einmal genau studieren, wenn Sie auf dieser Grundlage ein Gesetz ändern wollen.
Sie wollen vordergründig - und das sollen wir sehen die Eigenverantwortung vor Ort stärken; Sie wollen die Flexibilität der Grundstückseigentümer und der Jäger stärken, Bürokratie abbauen und weniger Kontrollen. Herr Aiwanger, Sie schreiben in diesem Zeitungsartikel am Schluss: Wir hoffen auf weniger Verbiss.
Nur zu hoffen, ist sicher nicht das Richtige, und ich glaube auch nicht, dass es ihr eigentliches Anliegen ist, den Abschussplan für das Rehwild wegzubekommen. Sie haben sogar selbst hier am Rednerpult gesagt, Ihr eigentliches Ziel ist, irgendwann das Verbissgutachten wegzubekommen. Sie haben es hier gerade vorhin
In Wirklichkeit wollen Sie Jägern und Grundstückseigentümern die Möglichkeit geben, völlig alleine unter sich auszumachen, was abgeschossen wird und was nicht. Das ist ein Umweg hin zu Ihrem Ziel, das Verbissgutachten zu schleifen. Wenn Sie das Verbissgutachten wirklich für so wichtig halten, wie Sie es in Ihrem zweiten Anlauf betont haben, hätten Sie es ins Gesetz aufnehmen müssen. Auf keinen Fall kann es die richtige Lösung sein, ins Gesetz den Begriff nicht hineinzuschreiben, der dessen wichtigste Grundlage ist.
Die SPD will sich nicht damit zufriedengeben, nur zu hoffen. Es gibt klare Vorstellungen für die Waldbesitzer, für das Allgemeinwohl, für die Jäger und Jägerinnen und natürlich auch für die Wildbestände. Ich will diese Vorstellungen ganz, ganz kurz zusammenfassen: Für die Waldbesitzer wünschen wir uns, dass der Verbiss zurückgeht; denn Jahr für Jahr wird da draußen durch den Verbiss Geld vernichtet. Unser Ziel muss sein: Der Verbiss muss zurückgehen. Das Gutachten hat gezeigt, dass der Verbiss durch die Abschussplanfreiheit nicht zurückgegangen ist. Es waren nur die grünen Bereiche, also nur sehr gute, und Sie möchten das nun weiter ausdehnen.
Der Bericht des Obersten Rechnungshofs hat deutlich gemacht, für die Waldbesitzer entstehen Kosten, die sie tragen. Viele wissen gar nicht, dass sie Kosten tragen, weil ihnen nicht bewusst ist, wie viel Geld da draußen weggebissen wird. Für die Allgemeinheit haben wir als Bayerischer Landtag die Verantwortung, die Waldverjüngung voranzutreiben. Wir haben die Verantwortung, den Waldumbau voranzutreiben, und wir haben die Verantwortung, im Rahmen des Klimawandels ganz besonders auf den Wald zu schauen. Vor diesem Hintergrund können freie Abmachungen zwischen Privaten und Jägern nicht der richtige Weg sein.
Verantwortung tragen wir aber natürlich auch für die Jägerinnen und Jäger. Ich denke, für einen ehrenwerten Jäger, der seine Arbeit im Revier erledigt, ist das Verbissgutachten das allerbeste Zeichen dafür, dass er seine Arbeit vor Ort gemacht hat.
Keiner der ehrenwerten Jäger - derjenige, der sagt, ich will Jäger sein, ich genieße den Wald, aber ich weiß auch, dass ich Wild dezimieren muss, damit es nicht überhandnimmt - wird sich gegen das Verbissgutachten stellen. Ich sage noch einmal: Herr Aiwanger, Ihr
eigentliches Ziel ist es, das Ganze in private Hände zu legen und die staatliche Kontrolle aufzugeben. Das können wir nicht, und das wollen wir nicht. Dafür werden Sie unsere Stimme nicht bekommen.
In Anbetracht der Wildbestände haben wir auch eine Verpflichtung dem Wild gegenüber. Richtiger Tierschutz heißt, dem Wild ausreichend Wald zu bieten oder - ich möchte es umdrehen - das Wild in einer Zahl zu halten, die der Wald verträgt. Das ist unsere Aufgabe. Dazu brauchen wir das Verbissgutachten und die staatliche Kontrolle.
Lassen Sie mich die Forderungen der SPD klar benennen: Wir sind der Auffassung, der Sinn und die Notwendigkeit des Verbissgutachtens können nicht hoch genug eingeschätzt werden. Wir sind sogar dafür, eine revierweise Ausweitung vorzunehmen. Wir wollen auch in Zukunft Waldbegänge haben und sagen ein klares Ja zum behördlichen Abschussplan und zur Kontrolle. Diese muss gestärkt und nicht geschwächt werden.
Während Sie den Antrag stellen, das Jagdgesetz zu ändern, sehen wir ganz andere Baustellen. Uns brennen ganz andere Dinge auf den Nägeln, die man im Zusammenhang mit dem Jagdgesetz ändern müsste. Uns geht es zum Beispiel darum, die Jagdaufsicht wieder in die Hände der Forstbehörden zu legen. Sie wissen, dass das wichtig wäre. Sie wissen, dass wir dort die Fachleute hätten und die Jagd damit aus dem politischen Spiel - der Landrat traut sich nicht, etwas zu sagen, weil er wiedergewählt werden möchte - nehmen würden. Wir würden auch dafür einstehen, dass die Revierpachtzeiten verkürzt werden. Denn nur dann kann ein Waldbesitzer einem Jäger auf die Finger klopfen und sagen: Freunderl, wenn es nicht klappt, dann wird nicht verlängert. Wir würden auch dafür stehen, dass die Abschusszeiten der Böcke im Winter an die der weiblichen Tiere angepasst werden und dass der Jagdschutzparagraph gestrichen wird.
Es ist klar, dass wir Ihrem Gesetzentwurf nicht zustimmen können. Ich möchte der FDP noch einen kleinen Seitenhieb versetzen, weil Herr Dechant gesagt hat, er ist in Zukunft für Wald und Wild. Herr Dechant, im Bund setzt sich die FDP für die Hotelbesitzer ein, und wir zahlen es mit unseren Steuermitteln. In Bayern setzen Sie sich für Jäger ein, die im Übermaß das Wild hegen wollen, und wir zahlen es mit unserem Wald. So kann es nicht sein.