Protocol of the Session on November 26, 2009

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Ich rufe nun auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Thomas Hacker, Dr. Andreas Fischer, Dr. Otto Bertermann und Fraktion (FDP), Georg Schmid, Thomas Kreuzer, Karl Freller u. a. und Fraktion (CSU) Arbeitnehmerdatenschutz durch klare Regelungen stärken - Endlich Rechtssicherheit herstellen! (Drs. 16/2677)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Franz Schindler, Horst Arnold u. a. und Fraktion (SPD)

Beschäftigtendatenschutz wirksam verbessern (Drs. 16/2687)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Sepp Daxenberger, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Datenschutz am Arbeitsplatz stärken Persönlichkeitsrechte abhängig Beschäftigter sichern! (Drs. 16/2691)

Ich bitte, den Grundlärmpegel ein wenig zu senken. Sonst dringen wir trotz der Lautsprecheranlage nicht durch. Tun Sie das bitte, meine Damen und Herren, bevor ich den Revolutionsknopf drücken muss!

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Erster Redner: Herr Kollege Dr. Fischer. - Er ist nicht da. Damit verfällt sein Redebeitrag.

Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Arnold für die SPD.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! "Was muss man hören oder lesen von Burschen, die nicht brav gewesen?" Die CSU bekennt sich zum Datenschutz. Willkommen im Boot!

(Beifall bei der SPD)

Aber, um weiterhin mit Wilhelm Busch an Ihre Adresse zu sprechen: "Wenn einer, der mit Mühe kaum gekrochen ist auf einen Baum, schon meint, dass er ein Vogel wäre, so irrt sich der."

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Meine Damen, meine Herren von der CSU, in der zurückliegenden Großen Koalition waren Sie es und Ihre Parteifreunde von der CDU, die wiederholte Anläufe zu einem Arbeitnehmerdatenschutz verhindert haben. Zuletzt hat Olaf Scholz, damaliger Bundesarbeitsminister, noch einen Entwurf vorgelegt, und dieser Entwurf ist auch die Basis unseres Antrags. Da ist von Ihnen nichts gekommen. Offensichtlich haben Sie sich damit begnügt, dass der seit dem 1. September 2009 gültige § 32 des Bundesdatenschutzgesetzes seine Funktion erfüllt. Aber - das ist mittlerweile klar - dieser wird in der Literatur, aber auch von der Rechtsprechung höchst kritisiert, weil er zu undurchsichtig ist. Der Bund deutscher Arbeitgeber warnt vor der Überregulierung und meint, man habe ein sehr dichtes Datenschutznetz.

Lidl, Post, Deutsche Bank - das ist nur die Spitze des Eisbergs. Arbeitnehmer haben in der heutigen Krise Angst und lassen sich viel gefallen. Der Norddeutsche Rundfunk entnimmt Blutproben, um die Tauglichkeit für

überlange Arbeitszeiten zu beweisen. Mancher der Arbeitnehmer ertrinkt lieber, als dass er um Hilfe ruft. Ziel unserer Anträge ist es, diese Hilfe umgehend und nachhaltig zu gewähren.

(Beifall bei der SPD)

In diesem Ziel sind wir uns allerdings im Hohen Haus, so wie ich das von der Antragslage her sehe, einig. Allerdings, Kolleginnen und Kollegen von CSU und FDP, stellen Sie in Ihren Antrag die Fragen, und wir geben in unserem Antrag die Antworten. Daran sieht man, dass das ein Spiel ist, das Sie gerade erst anfangen; wir haben es schon längst zu Ende gespielt.

Kolleginnen und Kollegen von der FDP, außerdem muss ich Ihnen eines sagen: Es ist schon bedauerlich, dass Sie Ihren Koalitionspartner dazu gebracht haben, diesen Fragenkatalog aufzusetzen. Noch trauriger ist aber, dass Sie dazu nicht sprechen. Das ist keine Haltung zum Datenschutz. So haben Sie das Copyright oder gar die Meinungsführerschaft nicht im Ansatz verdient. Das haben Sie hiermit deutlich zum Ausdruck gebracht.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Das zeigt sich auch deutlich bei der Handhabung sonstiger Datenschutzangelegenheiten. Auf der einen Seite sprechen Sie davon, Daten schützen zu wollen, und auf der anderen Seite verhindern Sie mit den fadenscheinigsten Gründen, und zwar vom Datenschutz her, unseren Antrag zu einem Informationsfreiheitsgesetz. Sie spielen ein beliebiges Spiel, und dieses beliebige Spiel ist unglaubwürdig.

(Beifall bei der SPD)

Aber nun genug der Schelte. Wir haben in diesem Zusammenhang gemeinsame Ziele formuliert, zumindest einen Grundkonsens erzielt. Für meine Fraktion steht fest, dass Arbeitgeber keine Blutentnahmen und keine Genomproben veranlassen dürfen. All dies muss zuverlässig geregelt werden, für einen harmonischen Rechtsstaat, der natürlich auch in diesem Haus gepflegt wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen stimmen wir von der SPD allen Anträgen zu, und wir erwarten aufgrund unseres gemeinsamen Grundkonsens, dass die Regierungsfraktionen unseren Anträgen ebenfalls zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Arnold. Nächster Beitrag: Frau Kollegin Guttenberger für die CSU-Fraktion.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Arbeitnehmerdatenschutz ist in Zeiten eines angespannten Arbeitsmarkts bei gleichzeitiger Zunahme technischer Möglichkeiten wichtiger denn je. Nicht zuletzt zeigen die Datenskandale der letzten Monate klar, dass der Verweis auf die gefestigte Rechtsprechung zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gerade nicht mehr ausreicht. Wir wollen deshalb durch ein eigenes Kapitel im Bundesdatenschutzgesetz eine Klarstellung treffen, um Lücken zu schließen und um nach außen Rechtssicherheit zu schaffen. Dadurch wollen wir natürlich die Schutzsituation der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bestmöglich verbessern. Daher wollen wir, dass künftig nicht mehr in der Rechtsprechung, sondern im Gesetz klargestellt wird, welche Fragen in Bewerbungsgesprächen gestellt werden dürfen, damit eindeutig klar ist, welche Überwachungstechnologien genutzt werden dürfen und unter welchen Voraussetzungen, um im Konfliktfall Unsicherheiten zu vermeiden.

Wir wollen auch, dass in der Frage des Gentests Sicherheit geschaffen wird, der in nahezu jedem Gespräch mit Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinnenvertretern immer wieder zum Tragen kommt. Es muss klar sein, dass Gentests grundsätzlich unzulässig sind. Es muss auch klar sein, dass Gesundheitsuntersuchungen nur dann zulässig sind, wenn sie dienstrechtlich relevant sind. Gleiches gilt auch für die Erfassung von außerdienstlichem Verhalten.

Durch diese gesetzliche Klarstellung müssen die Unsicherheiten, die derzeit in vielen Diskussionen immer wieder angesprochen werden, endgültig beseitigt werden. Der Koalitionsvertrag trifft hierzu wichtige und richtige Aussagen. Wir wollen, dass diese Vereinbarungen möglichst schnell in Gesetzesform gegossen werden.

Die Anträge der SPD und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN enthalten auch aus unserer Sicht viele wichtige und richtige Anliegen, die wir in großem Umfang teilen.

(Zuruf des Abgeordneten Franz Schindler (SPD))

Wir haben aber kein Verständnis für die Forderung in Ziffer 2, "Erhebung von Daten im Einstellungsverfahren", des SPD-Antrags, dass die im Rahmen eines Einstellungsverfahrens von Bewerbern zulässig erhobenen Daten umgehend zu löschen sind, wenn keine Einstellung erfolgt.

(Horst Arnold (SPD): Warum nicht?)

Das Allgemeine Gleichstellungsgesetz bietet die Möglichkeit, innerhalb von acht Wochen gegen eine Nichteinstellung vorzugehen. Deshalb können sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer kein Interesse daran haben, dass Daten umgehend gelöscht werden.

Wir können auch die Forderung in Ziffer 4, "Sonstiges", nicht nachvollziehen, dass für Betriebe und Verwaltungen mit fünf oder mehr Beschäftigten die Bestellung eines Beschäftigtendatenschutzbeauftragten vorzusehen ist. Ich nenne ein Beispiel zur Klarstellung: Ein Bäcker hat sieben Teilzeitverkäuferinnen, und dann braucht er einen Datenschutzbeauftragten mit besonderen Befugnissen, wobei die "besonderen Befugnisse" im Antrag nicht definiert sind. Ich halte das für völlig unverhältnismäßig.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Klar ist also nicht, welche Befugnisse und vor allem welche Qualifikation der Betreffende dann haben müsste.

(Horst Arnold (SPD): Zweites Staatsexamen!)

- Ein zweites Staatsexamen im Bäckerhandwerk ist gewiss immer nachgefragt und vorhanden, in der Realität also äußerst wirksam. Wir können dem Antrag deshalb nicht zustimmen.

Ebenso geht es uns mit dem Antrag der GRÜNEN. Ich greife Ziffer 3 d des Antrags heraus, das Verbot der Messung des "Sozialverhaltens", wenn es keinen Bezug zu den Arbeitsanforderungen hat. Das ist zwar auf den ersten Blick durchaus nachvollziehbar, aber solange nicht klar ist, was in diesem Zusammenhang unter "Sozialverhalten" zu verstehen ist, können wir einer solchen Vorfestlegung nicht zustimmen.

Beide Anträge können wir in weiten Teilen voll und ganz mittragen, aber beide Anträge enthalten auch Passagen, denen wir nicht zustimmen können. Deshalb werden wir beide Anträge ablehnen. Dem Antrag der CSU und der FDP werden wir zustimmen.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Horst Arnold (SPD): Das ist die Bäckerlobby!)

Vielen Dank. Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Kamm für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die heute eingebrachten Dringlichkeitsanträge belegen, dass die Notwendigkeit einer Neuregelung beim Arbeitnehmerdatenschutz endlich auch im Bewusstsein Vie

ler in der Politik zumindest teilweise angekommen ist. Ein klares Arbeitnehmerdatenschutzgesetz ist nötiger denn je. Arbeitnehmer wie Arbeitgeber bewegen sich vielfach in einem Rechtsraum mit Lücken und Unklarheiten und in einer sich widersprechenden Gesetzgebung. In diesem Raum der Unsicherheit haben sich über Jahrzehnte hinweg Praktiken eingebürgert, die nicht in Ordnung sind.

Fast wöchentlich wird die Öffentlichkeit mit neuen Skandalen konfrontiert und wundert sich darüber, was hierzulande alles möglich ist und was Menschen auf einem Arbeitsplatz in diesem Lande alles passieren kann. Die Skandale haben dabei häufig ihren Ursprung nicht in kleinen Firmen und Klitschen, sondern durchaus in renommierten Großunternehmen, bei denen man so etwas eigentlich nicht für möglich gehalten hätte. Wir erinnern uns beispielsweise an die Ausspähung der privaten Kontendaten bei Airbus, bei der Landeshauptstadt Stuttgart und bei der Deutschen Bahn, die die Kontenbewegungen von einer Vielzahl von Mitarbeitern, sogar von ihren Lokführern, erfasst und überprüft hat. Wir denken an die Videoüberwachung am Arbeitsplatz. Ich nenne hier die Unternehmen Schlecker, Plus und Lidl. Wir denken daran, wie eine Mitarbeiterin von Lidl vor ihrem privaten Kleiderspind von einer beauftragten Detektei beim Wechseln ihrer Arbeitskleidung gefilmt wurde; wir denken an die Überwachung des Mail- und Telefonverkehrs bei einer Vielzahl von Unternehmen.

Meine Kolleginnen und Kollegen, wir denken weiter an unzulässige Datenerhebungen und unzulässige Fragen bei Einstellungsgesprächen bis hin zu Urin- und Blutproben bei Daimler, beim NDR, beim WDR und auch beim Bayerischen Rundfunk. Wir denken an illegale Methoden bei der Arbeitnehmerüberwachung via Handy und GPS, die von einer Vielzahl von Unternehmen praktiziert werden, weil die möglichen Geldbußen so niedrig sind, dass sie überhaupt nicht mehr abschreckend wirken.

Wir fordern die Bayerische Staatsregierung daher auf, in allen Bereichen, auf die sie Einfluss hat - also natürlich auch beim Bayerischen Rundfunk - für einen ausreichenden Arbeitnehmerdatenschutz zu sorgen, und zwar bei den Einstellungstests, den Auswahlverfahren, bei der Erfassung, der Auswertung, der Speicherung und beim Schutz der Arbeitnehmerdaten, beim Auskunftsrecht für Arbeitnehmer bezüglich der von ihnen gespeicherten Daten und natürlich auch bei der Einrichtung von Datenschutzbeauftragten. Wir haben kein Verständnis für die Erfassung von Blut- und Urinproben, weil sie zwar eine Vielzahl von höchst sensiblen Informationen über den betreffenden Menschen liefern, aber kaum Informationen, die das Arbeitsverhältnis betreffen. Wir brauchen eine vorbildliche Rolle des Frei