Protocol of the Session on October 27, 2009

Wir sind bereits weiter. Es ist sehr viel passiert. Wir werden diesen Antrag noch einmal mit großer Einmütigkeit beschließen. Wir wissen, dass die Staatsregierung alles tut, was notwendig ist. Herr Kollege Wörner, Sie haben die Paralympics erwähnt und uns auf die SkiWM und die Olympischen Spiele hingewiesen, die wir hoffentlich bekommen werden. Das wird mit Sicherheit ein zusätzlicher Anlass sein, dieses Ziel weiterhin und mit Nachdruck zu verfolgen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Für die Fraktion der Freien Wähler darf ich Herrn Kollegen Prof. Dr. Michael Piazolo das Rednerpult überlassen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Allgemeine Zustimmung und damit eine Druckerhöhung, nicht auf das Ministerium, sondern auf die Bahn durch das Ministerium. Ich möchte noch einen Punkt erwähnen: Die Begriffe "Barrierefreiheit" und "Zugang" kann man sehr eng sehen. Wir haben gerade in München eine große Sorge, und zwar nicht im Hinblick auf den Zugang, sondern im Hinblick auf die Sicherheit. Viele von uns wissen, dass es gerade im Raum München einen bösen Unfall mit einer stark sehbehinderten jungen Frau gegeben hat. Dabei ging es nicht direkt, sondern nur mittelbar um den direkten Zugang.

Ich möchte deshalb dieses Thema erweitern und dem Herrn Staatsminister auf den Weg geben, dass es nicht nur darum geht, sicher auf den Bahnsteig zu gelangen, sondern auch sicher in die U-Bahn oder die S-Bahn.

Vor dem Hintergrund der Paralympics sollten wir auf diesen Punkt besonderen Wert legen. Die Freien Wähler haben einen entsprechenden Antrag im Münchner Stadtrat gestellt. Die GRÜNEN haben dieses Thema ebenfalls mit einem Antrag aufgenommen. Unsere Zustimmung zu diesem Antrag haben Sie. Damit werden wir den Druck auf die Bahn erhöhen können.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Als Nächste hat Frau Kollegin Ackermann für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir reden über die S-Bahnen, aber wir reden auch über die behinderten Menschen und ihre Bedürfnisse. Ich möchte Ihnen einige Zahlen nennen: Es ist ein unglaublicher Vorgang, dass der Bund für den barrierefreien Ausbau der S-Bahnhöfe in München Regionalisierungsmittel in Höhe von 102 Millionen Euro zur Verfügung gestellt hat, und trotzdem nichts vorangeht. Von 138 S-Bahnhöfen waren im Jahr 2001 lediglich 23 voll behindertengerecht ausgebaut. Von 69 Bahnhöfen, die laut MVV unter verkehrlichen Gesichtspunkten vordringlich ausgebaut werden sollten, waren bis zum Sommer 2007 lediglich 21 Stationen mit einem Volumen von 29,4 Millionen Euro fertiggestellt. Jetzt sind in dem Topf immer noch 35 Millionen Euro, die nicht verbaut worden sind, obwohl die Notwendigkeit eines behindertengerechten Ausbaus auf der Hand liegt.

Die Erklärung hierfür lautet: Die Planungskapazitäten der Bahn sind unzureichend. Da muss ich mich schon fragen: Was tun diese Herrschaften, die da seit acht Jahren planen, obwohl so etwas letztendlich, wenn es einmal konzipiert ist, in jedem S-Bahnhof mit kleinen Abweichungen immer wieder gleich gebaut werden kann? Was tun diese Herrschaften? Warum setzen sie das Bayerische Behindertengleichstellungsgesetz nicht um? Wir bekommen jetzt zusätzlich zum Bayerischen Behindertengleichstellungsgesetz noch die UNRichtlinie für die Rechte behinderter Menschen. Sie wurde vom Bundestag im März ratifiziert. Aber hier passiert nichts. Nichts wird umgesetzt, obwohl das Geld, von dem sonst immer die Rede ist - wenn das Geld fehlt, können wir das nicht machen -, vorhanden ist. Das Geld liegt da, aber es passiert trotzdem nichts, und die behinderten Menschen schauen in die Röhre. Ich frage mich, was noch passieren muss, damit ein geltendes Gesetz wie das Bayerische Behindertengleichstellungsgesetz endlich umgesetzt wird. Muss es bewehrt werden oder was soll man noch tun, damit behinderte Menschen zu ihrem Recht kommen, einen barrierefreien Zugang zu S-Bahnhöfen zu haben? Das ist hier die Frage. Anscheinend liegt es am fehlenden Vermitt

lungsgeschick oder am fehlenden Nachdruck, den die Bayerische Staatsregierung ausübt, die nicht den nötigen Druck aufbaut, damit die S-Bahnhöfe endlich behindertengerecht ausgebaut werden und damit die Mittel, die ohnehin vorhanden sind, endlich verwendet werden, um das zu tun. Herr Wirtschaftsminister, ich fordere Sie auf: Setzen Sie sich dafür ein, dass behinderte Menschen einen Zugang zu S-Bahnhöfen bekommen, wie es nach dem Gesetz schon lange vorgeschrieben ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. Für die FDP-Fraktion darf ich nun den Kollegen Dr. Otto Bertermann ans Rednerpult bitten. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist schön, dass wir fraktionsübergreifend eine übereinstimmende Meinung haben, lieber Herr Kollege Wörner.

(Dr. Thomas Zimmermann (CSU): Der Stadtrat spricht!)

Die Frage ist, warum Sie den Antrag hochgezogen haben. Sind es sachliche Gründe oder politische, mit denen Sie sich hier profilieren wollen?

(Ludwig Wörner (SPD): Sachliche Gründe!)

- Gut. Ich will einmal fair weiterargumentieren: Hätte es nicht 2001 den Rahmenrichtvertrag gegeben, den der Freistaat verhandelt hat, wären die S-Bahnen bis heute noch nicht einmal behindertengerecht ausgebaut worden. Wir haben 117 Millionen zur Verfügung gestellt. Das muss man doch auch einmal anerkennen.

(Ludwig Wörner (SPD): Das war der Bund! Er hat das Geld zur Verfügung gestellt!)

Wir hatten 138 Bahnhöfe, von denen nur 23 behindertengerecht ausgebaut waren.

(Ludwig Wörner (SPD): Wie viele haben wir jetzt?)

Es ist ein Erfolg des Freistaates, dass jetzt wesentlich mehr ausgebaut sind. Ich würde den Blick nicht nur auf München richten. Wir müssen auch einmal über den Tellerrand hinausschauen. Es gibt über dreißig Bahnhöfe in Bayern, die nach dem Jahr 2011 nicht behindertengerecht ausgebaut werden können. Warum? Dafür ist doch nicht der Freistaat oder das Ministerium verantwortlich; das hängt an der Planungskapazität der Deutschen Bundesbahn. Es gibt eine Lenkungsgruppe, die in engem Kontakt mit dem Ministerium steht. Re

gelmäßig finden Besprechungen statt, und Behinderte sind auch miteinbezogen.

(Ludwig Wörner (SPD): Aber ohne Erfolg!)

Ich denke, wir haben alles darangesetzt, um diesen Menschen zu helfen.

Ich darf Ihnen selber noch etwas sagen: Wir haben, als wir letztes Jahr an die Regierung gekommen sind, im Oktober, also nach zwei Monaten, vom Wirtschaftsministerium an den Wirtschaftsausschuss eine Botschaft gesendet, indem wir uns mit diesem Thema beschäftigt haben. Auch Herr Zeil hat wiederholt konkret zu diesen Fragen Stellung genommen. Es liegt also nicht am Wirtschaftsministerium, sondern an der Planungskapazität und an der Bürokratie bei der Deutschen Bundesbahn.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Kamm?

Wir stimmen dem Antrag zu, aber wir sehen ihn kritisch.

Otto, Herr Kollege Bertermann, ist das ein Ja? - Frau Kollegin Kamm, bitte,

Es wundert mich schon sehr, ausgerechnet von einem Vertreter der FDP zu hören, dass man wegen der Planungskapazität die Bahnhöfe nicht barrierefrei gestalten kann. Gibt es denn keine freien Ingenieurbüros mehr?

Frau Kollegin Kamm, wir haben eben gesagt, dass wir nur deshalb, weil wir vom Freistaat Bayern aus 2001 diesen Rahmenrichtvertrag konzipiert haben, so weit zum barrierefreien Ausbau der Bahnhöfe in Bayern gekommen sind. Es liegt nicht am Freistaat, sondern nur an der Bürokratie und an der begrenzten Planungskapazität der Bundesbahn.

Vielen Dank, Herr Kollege.

(Beifall bei der FDP)

Als nächstem Redner darf ich Herrn Staatsminister Martin Zeil das Wort erteilen. Bitte schön.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin dankbar für die Unterstützung des ganzen Hauses für das Anliegen der Bayerischen Staatsregierung, auch von mir, die Barrierefreiheit des öffentlichen Nahverkehrs sicherzustellen. Ich finde auch interessant, Herr Kollege Wörner, dass Sie das MVV-Gebiet bis Garmisch ausdehnen. Ich glaube, uns eint das Ziel, dass die Verkehrsstationen, die überwiegend im Eigentum

der DB Station & Service AG stehen, dringend entsprechend ausgebaut werden müssen. Sie wissen auch, dass der Bund hier die Verantwortung für Infrastruktur und Finanzen hat. Nach einer Erhebung der Bayerischen Eisenbahngesellschaft aus dem Jahr 2002 besteht bei mehr als 800 Verkehrsstationen erheblicher Ausbaubedarf. Der Gesamtbedarf würde sich für vollständiges barrierefreies Reisen auf mehr als eine Milliarde Euro, belaufen. Vor diesem Hintergrund hat der Freistaat mit der DB den Vertrag über den barrierefreien Ausbau von S-Bahnstationen in München abgeschlossen und sich verpflichtet, 102 Millionen Euro zuzüglich der Planungskosten zur Verfügung zu stellen. Ich halte also fest, dass der Ausbau vollständig vom Freistaat finanziert wird, obwohl die Infrastrukturverantwortung beim Bund liegt.

(Eberhard Rotter (CSU): So ist es!)

Ohne diese Finanzierungsvereinbarung wäre ein weiterer barrierefreier Ausbau der S-Bahnstationen nicht in Sicht. Darüber hinaus beteiligt sich der Freistaat Bayern übrigens mit weiteren 40 Millionen Euro am barrierefreien Ausbau großer Bahnhöfe in Bayern, beispielsweise in Würzburg, Ingolstadt und Rosenheim.

Ich möchte noch erwähnen, dass ich kürzlich mit der Vereinigung der kommunalen Behindertenvertreter und der Behindertenbeauftragten der Staatsregierung, Frau Badura, Gespräche zu diesem Thema geführt habe. Ich nehme die Belange, die ich in diesen Gesprächen gehört habe, sehr ernst. Deswegen werden wir uns dafür einsetzen, auch weitere ergänzende Maßnahmen in Gang zu bringen, beispielsweise auch die Frage - ich bin Frau Kollegin Ackermann sehr dankbar, dass Sie das Thema aus dem Blickwinkel der Nutzer dargestellt hat -, ob der Mobilitätsservice auch tatsächlich funktioniert. Uns ist nämlich mehrfach dargelegt worden, dass dieser Mobilitätsservice oftmals bedauerlicherweise nur auf dem Papier steht. Das ist ja ein Versprechen, das die Bundesbahn gegeben hat, um die Mobilität für den Übergang sicherzustellen, bis die Bahnhöfe ausgebaut sind. Bis heute sind zwanzig S-Bahnhöfe fertiggestellt bzw. werden im Jahr 2009 noch fertiggestellt. Derzeit im Bau bzw. in einem Planungsstadium, das einen Baubeginn noch 2009, voraussichtlich 2010 ermöglicht, befinden sich acht weitere Stationen. Für die weiteren zum Ausbau vorgesehenen Stationen wird mit einem Baubeginn 2012/2013 gerechnet.

Der Entscheidung, welche Stationen wann barrierefrei ausgebaut werden sollen, wurden objektive verkehrliche und technische Kriterien zugrunde gelegt. Ich möchte noch einmal unterstreichen, dass die Kürzung der Regionalisierungsmittel durch die Bundesregierung im Jahr 2006 die Spielräume des Freistaats bei der Finanzierung der ÖPNV-Infrastruktur stark eingeschränkt

hat. Dennoch unternimmt die Staatsregierung große Anstrengungen, gemeinsam mit der DB AG - da kann sicherlich manches noch schneller gehen, das gebe ich zu - den Ausbau nicht nur in München stetig weiter voranzubringen. Wir sind jederzeit bereit, hier aktuell über die Maßnahmen und Aktivitäten zu berichten.

Ich möchte hier keine Verantwortung hin oder her schieben, ich will aber sagen, dass der Ausbau eigentlich Aufgabe des Bundes wäre. Der Freistaat Bayern beschleunigt die Dinge aber in vorbildlicher Art und Weise, indem er sich mit hohen Summen beteiligt.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Herr Staatsminister, die Kollegen der Opposition möchten gerne mit Ihnen diskutieren. Zuerst hat sich Herr Dr. Runge zu einer Zwischenbemerkung gemeldet.

Wie üblich bedarf Ihre Rede, Herr Staatsminister, wieder einiger Richtigstellungen. Sie haben im letzten Satz gesagt, der Freistaat habe "mit eigenen Mitteln" gehandelt. Vorher haben Sie die gut 100 Millionen Euro angesprochen. Redlicherweise müssten Sie sagen, dass diese Mittel über die Umfinanzierung aus dem Haushaltsplan 0707 tatsächlich Bundesmittel sind.

(Ludwig Wörner (SPD): So ist es!)

Sie haben das Geld immer aus den Regionalisierungsmitteln genommen, die eigentlich dazu gedacht sind, Zugkilometerleistungen zu bestellen. Das war meine erste Anmerkung. Ursprünglich kam das Geld aus der Mineralölsteuer. Dann bekommen wir es nach Bayern als Regionalisierungsmittel, und Sie haben das Geld dort herausgebrochen für den schon genannten Zweck.

Ich habe Herrn Kollegen Bertermann sehr genau zugehört, der immer auf die DG AG gezeigt hat und gesagt hat, die Planungskapazitäten würden fehlen. Herr Kollege Rotter und ich monieren das an ganz vielen anderen Stellen. Es gibt zahlreiche Beispiele, wo es dem Freistaat Bayern so wichtig ist, dass er in Vorleistung geht und entweder eine Vorfinanzierung macht - was in diesem Fall gar nicht nötig wäre, weil die Mittel zur Verfügung stehen - oder private Büros beauftragt. Ich könnte Ihnen hier eine ganze Liste konkreter Namen für dieses oder jenes Projekt nennen. Das gilt zum Beispiel für die Verlängerung der S 7. Hier muss ich einfach anmerken, dass das eine Frage der Prioritäten ist. Warum ist Ihnen der behindertengerechte Ausbau nicht so wichtig? Warum handhaben Sie den nicht genauso und sagen: Wir nehmen das als Freistaat in die Hand und beauftragen eines der vielen Planungsbüros, die wir hier in Bayern haben, damit diese die fehlenden Kapazitäten ersetzen?

Ich hätte noch einen dritten Punkt, den ich eigentlich am liebsten Herrn Kollegen Thomas Goppel überlassen würde. Herr Goppel, Sie haben sich gerade wieder dafür eingesetzt. Manchmal hapert es nicht an den fehlenden Planungskapazitäten, sondern daran, dass die entsprechende Verkehrsbelastung für Bahnhöfe zwar gegeben ist, oft aber die Ausbaupläne der Linien offen sind, weil dafür die Gelder noch nicht zur Verfügung stehen. Also wartet man bis ins nächste oder übernächste Jahrzehnt. Das kann bei Bahnhöfen mit einer hohen Belastung, also mit hohen Fahrgastzahlen, nicht der Fall sein, zumal dann, wenn wir alle das Thema ernst nehmen.

Herr Staatsminister: Bitte schön. Als nächstes dann Herr Dr. Beyer zu einer Zwischenbemerkung.

Herr Kollege Dr. Runge, würde ich auf Ihrer Linie antworten, so müsste ich sagen: Wie so oft geht Ihr Beitrag an der Sache vorbei. So einfach will ich es mir aber nicht machen. Ich möchte deshalb sagen: Wir wollen uns, was die Planung anbelangt, nicht auch noch in die Durchführungsverantwortung drängeln. Ich habe versucht, das vorhin darzustellen. Sie würden sich schön bedanken, wenn wir auch noch dafür Geld ausgeben würden, obwohl die Bahn hier zuständig ist. Ich bin deshalb für Unterstützung dankbar, wenn es darum geht, diesen Plan abzuarbeiten. Ich rede auch ständig mit der Bahn und versuche, sie zu veranlassen, die Dinge zu beschleunigen. Ich glaube aber nicht, dass wir hier eine parallele Planungsstruktur des Freistaats aufbauen sollten.