Protocol of the Session on October 27, 2009

(Allgemeiner lebhafter Widerspruch - Unruhe)

ist es mir eine besondere Freude, Sie hier zu begrüßen.

(Zahlreiche Zurufe - Anhaltende Unruhe)

- Nein, so habe ich das nicht gemeint. Frau Radermacher weiß schon, wie es gemeint ist.

Ich bitte jetzt Herrn Muthmann nach vorne.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf mich hinsichtlich der grundsätzlichen Begründung auf die Ausführungen des Kollegen Perlak beziehen; ich brauche das an dieser Stelle nicht zu wiederholen. Die Erläuterungen von Herrn Breitschwert haben mich in mancherlei Hinsicht überrascht. Wenn man das noch ins Kalkül zieht und die Entwürfe berücksichtigt, die in Ihrer Fraktion schon einmal im Gespräch waren, müsste man konsequenterweise auch die Optionsvariante aus dem Verkehr ziehen. Sie haben nämlich dargelegt, dass die Kommunen den geringeren Sachverstand hätten und daher ohne die Hilfe der Kammern und deren Kooperation nicht in der Lage wären, diese Aufgabe zu erfüllen. Die Optionsvariante passt nämlich mit dem, was Sie gesagt haben, auch nicht zusammen.

Wir wollen jedenfalls ein schlüssiges Gesamtkonzept zum Thema "Einheitlicher Ansprechpartner". Wenn man das Ziel eines "Einheitlichen Ansprechpartners" dadurch erreichen will, dass man Kammern und Kommunen mischt und den Kommunen die Chance lässt, im Rahmen ihrer örtlichen Zuständigkeit die Aufgabe an sich zu ziehen, dann führt das gewiss zu Vielem, aber sicherlich nicht zu einem klaren, einheitlichen Ansprechpartner, den die Dienstleistungsrichtlinie als Ziel vorgibt und den wir auch haben wollen.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Genau!)

Bayern lebt vom Handel, auch vom grenzüberschreitenden Handel. Es würde uns gut anstehen, eine Lösung zu finden, um ein derart wichtiges Ziel zu erreichen. Wir müssen auch den EU-Ausländern und Dienstleistenden, die hier Hilfe suchen, eine einheitliche Adresse präsentieren, wo ihnen in einem ersten Schritt weitergeholfen wird.

Ihre Bedenken, dass die Kammern nicht ausreichend zum Zuge kommen, kann ich nach dem von uns vorgelegten Gesetzentwurf nicht teilen. Denn es geht nur um eine erste Ansprechadresse. Es ist selbstverständlich, dass der Hilfesuchende bei fachspezifischen Problemen an die für ihn zuständige Kammer, an die für ihn zuständige Adresse oder gegebenenfalls an eine weitere Behörde vermittelt wird.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Thomas Goppel (CSU))

- Es wird einfacher als das, was wir sonst schon gehört haben, jedenfalls einfacher als das Optionsmodell, wo man als Hilfesuchender zunächst gar nicht weiß, muss ich zur Kammer, muss ich zur Stadt oder wo ist die für mich zuständige Stelle. Wenn dieser Gesetzentwurf käme, dann bräuchten wir möglicherweise einen einheitlichen Ansprechpartner, um den einheitlichen Ansprechpartner erst einmal ausfindig zu machen. Das wollen wir vermeiden. Wir wollen klare Strukturen und Lösungen, selbstverständlich unter Einbindung der Kammern, die alles weiterhin fachlich begleiten, Ratschläge geben und Hilfestellung anbieten sollen und werden, so wie wir das bisher schon kennen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, tun Sie den ausländischen Hilfesuchenden, den Gewerbetreibenden und all denen, die hier angesprochen sind, nicht den Tort an, sich hilfesuchend in einem Wust undurchschaubarer Zuständigkeiten um den einheitlichen Ansprechpartner kümmern zu müssen. Um das zu vermeiden, haben wir diese Initiative ergriffen und bitten Sie, unserem Vorschlag aus den genannten Gründen Ihre Gefolgschaft zu gewähren.

(Beifall bei den Freien Wählern, Abgeordneten der SPD und der GRÜNEN)

Als nächstem Redner darf ich Herrn Dr. Martin Runge für die GRÜNEN das Wort erteilen. Bitte schön.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Es ist gesagt worden, wir haben einen klaren Gesetzentwurf vorgelegt mit einer klaren Linie. Das heißt, Ansprechpartner sind die Landkreise und die kreisfreien Städte. Es gibt kein Mischmodell, weder optionale noch additive originäre Zuständigkeiten für andere, sprich, auch nicht für die Kammern. Das ist begründet, aber selbstverständlich ist eine Zusammenarbeit da, wo sie nötig und angebracht ist, überhaupt nicht ausgeschlossen; das wird auch so gelebt werden.

Die Hauptargumente sind genannt worden: Weniger Bürokratie, mehr Transparenz, mehr Einfachheit. Es heißt schließlich auch: Einheitlicher Ansprechpartner.

Ich möchte noch einige Argumente hinzufügen. Herr Kollege Breitschwert hat mich in seiner bemerkenswerten Lese dazu veranlasst, darauf einzugehen, warum nicht die Kammern herangezogen werden. Die Kammern - nicht alle, aber einige - haben viel zu viele Hüte auf, sie sind hoheitlich zuständig, sie sind in der Beratung tätig, sie leisten Lobbyarbeit, und sie betätigen sich wirtschaftlich in Konkurrenz zu ihren Zwangsmitgliedern. Das ist der erste Punkt.

Ich komme zum zweiten Punkt. Für ausländische Unternehmen sind die Kammern erst einmal gar nicht zuständig, obwohl sie in ihren Briefen reklamieren, sie seien für alles und jedes zuständig.

Zum Dritten werfen wir die Frage auf: Wollen wir die Kammern wirklich an erster Stelle mit Daten aus erster Hand füttern? - Wir meinen: Nein.

Das Vierte muss für Sie, Herr Breitschwert, wirklich das K.o.-Kriterium sein. Die Kammern weigern sich, auch nur einen Hauch von Fachaufsicht zu ertragen, und diese wäre im Falle des Einheitlichen Ansprechpartners notwendig.

Herr Breitschwert, Sie haben eine sehr interessante Bemerkung zu den Kommunen bzw. gegen die Kommunen gemacht. Die Kommunen seien dauernd auf der Suche nach Geldersatz, Stichwort Konnexität. Ich kann Sie beruhigen, die Kammern sind das in ungleich stärkerem Maße.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Da haben wir auch hier im Landtag leidvolle Erfahrungen gemacht. Ich erinnere an das Beispiel OWZ Bayern. Betrügerischer Bankrott, so hat das Ganze geendet. Was ist da passiert? - Die Kammern haben unter anderem ihre Mitarbeiter durchfinanzieren lassen. Wenn Sie das den Kommunen vorwerfen, dann richten Sie diesen Vorwurf auch einmal an die Adresse einzelner Kammern. - Ich meine nicht alle Kammern, Ihre zum Beispiel nicht, Herr Kirschner. - Sie wägen ab? - Selbst das könnte also gegeben sein. Ich meine aber jetzt zwei andere Kammern.

Ich vermute, wenn der Kollege Breitschwert jetzt nicht die Rede, die ihm das Wirtschaftsministerium aufgeschrieben hat, herausgegriffen und vorgelesen hätte, sondern die Rede, die ihm das Innenministerium vorbereitet hätte, dann hätte das Ganze einen ganz anderen Zungenschlag gehabt.

(Dr. Franz Xaver Kirschner (FDP): Unglaublich!)

Kolleginnen und Kollegen, wir haben uns über keine EU-Richtlinie so den Kopf zerbrochen und darüber so viel diskutiert wie über die Dienstleistungsrichtlinie. Es

gab Anhörungen einzelner Fraktionen, es gab gemeinschaftliche Anhörungen - Stichwort: Bolkensteinhammer, Herkunftslandprinzip für vorübergehend grenzüberschreitend erbrachte Dienstleistungen. Das wurde im Sinne aller hier entschärft. Und was passiert? - Die Umsetzung kommt und kommt nicht. Das ist ein Armutszeugnis für die Staatsregierung, das ist nicht wirtschaftsfreundlich, das ist nicht im Sinne der Kommunen, aber auch nicht im Sinne anderer, die sich mit der Angelegenheit befassen und die hier tätig werden wollen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Breitschwert, selbstverständlich haben auch wir das Informationsmaterial der Kammern. Wenn wir aus den Schreiben der von Ihnen genannten Kammern an die Staatsregierung und konkret an die Staatskanzlei vom September dieses Jahres zitieren würden, dann müssten Sie und vor allem die Mitglieder der Staatsregierung mit hochrotem Kopf den Saal verlassen. Da wird Fehler über Fehler aufgelistet. Es geht schon damit los, dass behauptet wird, das Protokoll sei von der Staatsregierung, konkret von der Staatskanzlei falsch zitiert worden. Es wird dann auf die ganzen Schwachpunkte hingewiesen.

Entscheidend ist, dass auch die Kammern Ihnen ins Stammbuch schreiben: Liebe Staatsregierung - Das "lieb" vergesse ich gleich wieder -, besonders bedauerlich ist, dass wir nach fast zwei Jahren der intensiven Diskussion auf Bundes- und Landesebene in Bayern immer noch keine Entscheidung haben. Zwei Jahre lang ist nichts vorangegangen. Deswegen greifen Sie unseren Gesetzentwurf auf, und stimmen Sie ihm in der Zweiten Lesung zu.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die FDPFraktion darf ich dem Kollegen Dr. Franz Xaver Kirschner das Wort erteilen. Bitte schön.

(Prof. Dr. Georg Barfuß (FDP): Das ist die Rede vom Wirtschaftsministerium!)

Ich habe keine Rede vom Wirtschaftsministerium.

(Zuruf von der SPD: Vom Innenministerium!)

Sehr geehrtes Präsidium, werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Perlak ist in Straubing ein sehr erfolgreicher Bürgermeister gewesen.

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Oberbürgermeister!)

- Oberbürgermeister, Entschuldigung. Herr Kollege Muthmann von den Freien Wählern war Landrat. Herr Runge, ich weiß nicht, ob Sie einmal Bürgermeister waren, vielleicht werden Sie es einmal irgendwo. Insofern ist das, was Sie ausführen, eindeutig pro Kommune bzw. Stadt. Sie vergessen dabei eines: Es geht um den Kunden, der aus dem Ausland kommt. Es geht um den, der von außen kommt und breitgefächerte Informationen haben möchte. Ich habe selbst die Erfahrung gemacht, dass ich nicht wusste: Wo gehe ich denn in Österreich hin, wo gehe ich in Italien hin? - Ich gehe doch niemals zur Kommune. Wissen Sie, warum nicht? - Weil ich damit automatisch festgefahren bin. Ich habe keine Optionen mehr, ich habe nur eine einzige Information von einer Kommune. Das ist für mich ein wesentliches Thema; deswegen sehe ich die Dinge anders als Sie.

Auf den ersten Blick habe ich auch gedacht, das Thema Kommune, also Landkreise und kreisfreie Städte, hat einen gewissen Charme. Man dezentralisiert und macht kein Moloch daraus. Das klingt im Ansatz verständlich und vernünftig. Ich weiß aber über diverse Kommunen und Landkreise sehr gut Bescheid. Die Stadt Straubing nehme ich dabei bewusst aus, weil dort das Thema Wirtschaft und Informationen sehr hoch gehängt wird. In anderen Landkreisen geht es aber so weit, dass man dann, wenn man um drei Uhr nachmittags bei der Wirtschaftsförderung anruft, den Anrufbeantworter dran hat.

(Dr. Paul Wengert (SPD): Besser als keinen!)

Da braucht keiner aus dem Ausland anzurufen.

(Unruhe - Zurufe von der SPD)

Ich habe hervorragende Kontakte zu den bayerischen Kammern. Ich sage Ihnen, so schlecht ist das nicht. Die IHK verfügt über ein interessantes Netzwerk, das für den, der Einheitliche Ansprechpartner sucht, ganz wichtig ist. Wir reden hier von kreisfreien Städten. Das sind relativ große Städte, wie zum Beispiel München. Für München ist es relativ einfach, sich ein Netzwerk oder ein Büro zu leisten, das mit Fachpersonal besetzt ist. Gehen Sie aber einmal in einen kleinen Landkreis im Bayerischen Wald oder in Niederbayern. Solche Landkreise können sich jetzt schon nicht einmal mehr einen Wirtschaftsförderer leisten geschweige denn einen englisch- oder französischsprachigen Ansprechpartner. Wie soll das gehen? Wir bauen damit eine Bürokratie auf, die die kleinen Landkreise massiv belastet. Daher kommen wir um das Optionsmodell gar nicht herum.

(Widerspruch bei den GRÜNEN)

- Ich spreche aus Erfahrung, weil ich oft mit diesem Problem zu tun habe. Ich habe schon öfter Anträge gestellt, von denen Sie nur träumen können. Glauben Sie es mir.

Wir reden über Ansiedlungen aus dem Ausland. Haben Sie schon einmal ein Unternehmen im Ausland gegründet? Ja oder nein? Sie sollten mich bitte einmal dazu fragen.

Wir haben 96 Landkreise und kreisfreie Städte. Das ist eine zu große Zahl von Stellen. Eine kleinteilige Verordnung entwertet den Einheitlichen Ansprechpartner als wirtschaftspolitischen Ansiedlungsfaktor. Das Problem der Sprachen muss in den kleinen Landkreisen bewerkstelligt werden. Aus organisatorischen Gründen ist eine Einbindung der Wirtschaft unverzichtbar. Eine Übertragung der Aufgaben auf die Landkreise wird die teuerste Lösung werden. Sie können nicht in den kleinen Landkreisen einen Einheitlichen Ansprechpartner aufbauen, der über die erforderliche Sachkompetenz verfügt. Das geht nicht. Das können Sie in Nürnberg, in Regensburg oder vielleicht in München tun.

Was passiert in der Praxis? Wenn ich mich zum Beispiel als Autozulieferer aus dem Ausland in Bayern ansiedeln möchte und ungefähr eine Region im Auge habe, gehe ich in die Region München, in die Region Ingolstadt oder in die Region Regensburg. Was passiert dann? Wenn ich zur Stadt gehe, bin ich festgefahren. Ich gehe immer zur Kammer, weil ich dort weitgefächerte Möglichkeiten habe. Ich bekomme bei der Kammer Informationen über Banken. Ich bekomme bei der Kammer Informationen über Beteiligungsgesellschaften. Ich bekomme bei der Kammer Informationen über die Messeförderung. Ich bekomme bei der Kammer Alternativen zum Grundstückserwerb genannt. Ich bekomme bei der Kammer Auskünfte über Verkehrsanbindungen und ich bekomme Auskünfte über die Schwerlastförderung. Ich bekomme darüber Auskünfte, wo die beste DSL-Anbindung möglich ist. Ich bekomme eine Auskunft darüber, wo ich die notwendigen Zertifizierungen bekomme. Wenn ich zum Beispiel einen Holz verarbeitenden Betrieb habe, kann mir die Stadt die fachlichen Auskünfte gar nicht erteilen, die in der Summe bei der Industrie- und Handelskammer schon vorhanden sind. Wer soll es denn finanzieren, wenn wir solche Fachstellen aufbauen? Das geht doch gar nicht.

(Sepp Daxenberger (GRÜNE): Dann sind die Landkreise zu schwach aufgestellt!)