Protocol of the Session on June 23, 2009

Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Gesetzes über Zuständigkeiten im Verkehrswesen (Drs. 16/1517)

Gesetzentwurf der Abg. Georg Schmid, Thomas Kreuzer, Petra Guttenberger und Fraktion (CSU), Franz Maget, Prof. Dr. Peter Paul Gantzer, Harald Güller und Fraktion (SPD), Hubert Aiwanger, Tanja Schweiger, Bernhard Pohl u. a. und Fraktion (FW), Margarete Bause, Sepp Daxenberger, Dr. Christian Magerl u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN), Thomas Hacker, Jörg Rohde, Tobias Thalhammer und Fraktion (FDP) zur Änderung des Bayerischen Abgeordnetengesetzes (Drs. 16/1581)

Gesetzentwurf der Abg. Georg Schmid, Thomas Kreuzer, Petra Guttenberger und Fraktion (CSU), Franz Maget, Prof. Dr. Peter Paul Gantzer, Harald Güller und Fraktion (SPD), Thomas Hacker, Jörg Rohde, Tobias Thalhammer und Fraktion (FDP) zur Änderung des Bayerischen Abgeordnetengesetzes (Drs. 16/1582)

Gesetzentwurf der Abg. Margarete Bause, Sepp Daxenberger, Renate Ackermann u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Änderung des Bayerischen Abgeordnetengesetzes (Drs. 16/1583)

In der Tagesordnung sind die zur Überweisung anstehenden Gesetzentwürfe mit den als federführend angesehenen Ausschüssen aufgeführt. Gibt es hinsichtlich der Zuweisungsvorschläge Änderungswünsche? Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir gleich zur Beschlussfassung. Wer mit der Überweisung an die zur Federführung vorgeschlagenen Ausschüsse einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe. - Enthaltungen? - Dann ist es einstimmig so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 b auf:

Gesetzentwurf der Abg. Margarete Bause, Sepp Daxenberger, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) über die Aufnahme ausländischer Flüchtlinge sowie deren Versorgung mit Wohnraum (Flüchtlingsaufnahmegesetz - FlAufnG) (Drs. 16/1238) - Erste Lesung

Der Gesetzentwurf wird vonseiten der Antragsteller begründet. Frau Kollegin Ackermann hat jetzt das Wort. Sie fasst die Begründung mit der Aussprache zusammen, sodass sie zehn Minuten Redezeit hat. Alle weiteren Redner haben fünf Minuten. Frau Kollegin Ackermann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! "Geflohen, verwahrt und vergessen" - so ist ein Artikel im "Merkur" überschrieben. Er beschäftigt sich mit dem Leben von Flüchtlingen in unseren Einrichtungen. Die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN hat sich im vergangenen Jahr einen eigenen Eindruck davon verschafft, wie Gemeinschaftsunterkünfte in Bayern ausgestaltet sind. Ich kann Ihnen sagen, dieser Eindruck war verheerend. Es handelt sich um Massenunterkünfte, in denen Menschen auf engstem Raum unter unvorstellbar schlechten hygienischen Bedingungen und mit Gemeinschaftsküchen mit vielfach zu wenigen und zum Teil defekten Kochplatten in schlechtem hygienischem Zustand oftmals über Jahre hinweg leben müssen, ohne dass sie arbeiten dürfen. Sie werden mit Essenspaketen zwangsverpflegt, die sie gar nicht wollen.

Das ist die Lebenswirklichkeit von Menschen, die aus anderen Ländern geflohen sind und in unserem Land Zuflucht gesucht haben. Das ist unser Umgang mit Gästen. Ich weiß nicht, wie Sie mit Ihren Gästen zu Hause umgehen. Ich meine aber, dass das keine Art ist, Men

schen, die zu uns kommen, zu empfangen. Wir sollten ihnen schon eine neue Heimat oder zumindest eine gastfreundliche Aufnahme bieten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben deshalb bereits in der letzten Legislaturperiode etliche Anträge gestellt und Vorstöße unternommen, um die Situation in den sogenannten Gemeinschaftsunterkünften, die wir eigentlich nur als Lager bezeichnen können, zu ändern. Wir sind damit auf taube Ohren gestoßen. Wir haben uns aber nicht entmutigen lassen und in dieser Legislaturperiode einen erneuten Vorstoß unternommen. Vielleicht ist es der neuen Zusammensetzung des Landtags zu verdanken, dass mehr Offenheit gegenüber Menschen herrscht, die aus anderen Ländern zu uns kommen. So ist es auch dank der im Moment nicht anwesenden Ministerin Haderthauer gelungen, dass noch im vergangenen Jahr zwei Unterkünfte wegen untragbarer Verhältnisse geschlossen werden konnten.

Es gibt aber immer noch sehr viele Gemeinschaftsunterkünfte. Viele Menschen müssen immer noch viele Jahre ihres Lebens dort verbringen. Wir haben deshalb in diesem Jahr eine Anhörung beantragt, die auch stattgefunden hat. Zu dieser Anhörung kamen viele Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen. Es waren Ärzte, Rechtsanwälte, Vertreter von Wohlfahrtsverbänden, Vertreter der Kirchen, und alle waren sich einig, dass diese Unterkünfte die Menschen physisch und psychisch krank machen. Wir wollen nicht, dass die Menschen dort weiterhin so leben müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deshalb haben wir einen Gesetzentwurf erarbeitet, mit dem wir versuchen, dazu beizutragen, dass das Leben der Flüchtlinge in Bayern verbessert wird.

Dieser Gesetzentwurf soll einen Paradigmenwechsel vollziehen. Er soll vom Prinzip der Hilfe wegführen und zum Prinzip der Selbsthilfe überleiten. Ich weiß nicht, ob Sie es wissen: Die Menschen, die zu uns kommen, sind keine Hilfeempfänger per se. Diese Menschen sind sehr oft gebildet und haben eine abgeschlossene Berufsausbildung. Sie konnten in ihrem Heimatland durchaus etwas leisten und würden auch hier gerne etwas leisten, wenn man sie denn ließe. Jedoch werden sie zu Hilfeempfängern degradiert, und damit wird wiederum einem weiteren Vorurteil Vorschub geleistet, nämlich dem Vorurteil, dass uns diese Menschen zur Last fallen. Sie wollen uns nicht zu Last fallen, sondern sie wollen hier ihre Fähigkeiten und Potenziale einbringen. Deshalb müssen wir ihnen auch die Möglichkeit geben, ihr Potenzial hier einzubringen. Genau das haben wir mit diesem Gesetzentwurf getan.

Deshalb sollen diese Menschen nicht mehr in Gemeinschaftsunterkünften leben. Sie sollen in dezentrale Wohnungen umziehen können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Gemeinschaftsunterkünfte werden weiterhin für die Menschen benötigt, die im Moment noch nicht in der Lage sind, eigenen Wohnraum zu schaffen. Die Menschen sollten aber nicht länger als zwölf Monate dort bleiben müssen. Dann sollten sie in eigene Wohnungen umziehen können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Um einem weit verbreiteten Vorurteil vorzubeugen, dass es sich dabei um eine ausgesprochen teure Maßnahme handeln würde, kann ich hier erklären, dass das Wohnen in dezentralen Wohnungen nicht teurer, sondern sogar kostengünstiger ist. Das beweist zum Beispiel die Stadt Leverkusen. Sie hat bereits 75 % der Flüchtlinge in Privatwohnungen untergebracht und damit jährlich Unterbringungskosten in Höhe von 76.000 Euro eingespart. Die Unterbringung in den Lagern ist also nicht billiger, sondern im Gegenteil sogar teurer und obendrein unmenschlicher.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Menschen, die weiterhin in den Gemeinschaftsunterkünften bleiben müssen, sollen aber auch bessere Bedingungen vorfinden. Sie sollen einen Wohnraum von mindestens acht Quadratmetern pro Person haben. Zu den einzelnen Wohneinheiten sollen Toiletten und Küchen gehören. Familienmitglieder sollen gemeinsam in einem abgetrennten Raum untergebracht werden können. Das ist kein Luxus, das ist eine Selbstverständlichkeit.

Allerdings soll es nach unserem Gesetzentwurf auch so sein, dass es Personengruppen gibt, die überhaupt nicht in derartige Einrichtungen gehören, die davon ausgenommen sind. Dazu gehören unbegleitete Minderjährige, Schwerbehinderte, Personen, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern, traumatisierte Personen und Personen, die in einem verwandtschaftlichen Verhältnis zu den genannten Personen stehen. Für diese Personen sind Gemeinschaftsunterkünfte von vornherein ungeeignet.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir wollen, dass die Verteilung der Flüchtlinge in Bayern durch den Integrationsbeauftragten der Staatsregierung geregelt wird. Darüber hinaus wollen wir erreichen, dass die sogenannte Residenzpflicht gelockert wird. Sie trägt nämlich dazu bei, dass Menschen

oft keine Arbeit und keine Wohnung finden; denn sie dürfen ihren Distrikt nicht verlassen. Deshalb haben wir in den Gesetzentwurf geschrieben, dass die Residenzpflicht insbesondere dann gelockert werden soll, wenn Menschen zu Familienangehörigen oder in deren Nähe ziehen wollen, wenn die gesundheitliche Situation einen Wohnungswechsel nahelegt oder wenn der Umzug geeignet ist, Arbeitslosigkeit oder den Bezug von öffentlichen Leistungen zu beseitigen oder zu verringern.

Weil wir wollen, dass Selbsthilfe staatlicher Hilfe vorgeht, müssen wir den Menschen die Möglichkeit geben, sich selbst zu helfen. Ich sage Ihnen, die Menschen wollen das, und sie können das auch. Deshalb müssen wir den Schritt vollziehen und die Unterbringung der Menschen, die im Moment vorherrscht, beenden. Ich habe gerade gesehen, auf der Zuschauertribüne hat ein Ehepaar Platz genommen, das 17 Jahre in einer Gemeinschaftsunterkunft gewohnt hat. Es handelt sich um ein Wissenschaftler-Ehepaar aus der ehemaligen UdSSR. Man stelle sich vor, was diese Menschen in unsere Gesellschaft hätten einbringen können, wenn man sie nicht über eine so lange Zeit in einem Lager hätte leiden lassen.

Ich bitte Sie, diesen Gesetzentwurf positiv zu bescheiden. Ich glaube, wir sind in diesem Land wirklich weiter, als dass wir es nötig hätten, unsere Gäste in Lagern unterzubringen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau Kollegin, vielen Dank. Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Seidenath.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei der Aufnahme ausländischer Flüchtlinge sowie deren Versorgung mit Wohnraum - das ist das Thema des Gesetzentwurfs, der uns heute hier zur Beratung vorliegt - ist derzeit vieles im Fluss. Frau Ackermann hat bereits erwähnt, wir haben in München zwei Gemeinschaftsunterkünfte - an der Rosenheimer Straße und an der Waldmeisterstraße - geschlossen. Wir hatten zu dem Thema am 23. April die große Anhörung mehrerer Ausschüsse. Der sozialpolitische Ausschuss hat sich außerdem am 21. April in der Erstaufnahmeeinrichtung an der Baierbrunner Straße ein Bild von der aktuellen Situation gemacht.

Das Thema ist ein sehr sensibles, dem wir uns mit großer Ernsthaftigkeit nähern müssen. Frau Ackermann, ich denke, wenn man die Unterkunftssituation so pauschal beurteilt, wie Sie es tun, nämlich indem man sie in den düstersten Farben schildert, wird man dieser Ernsthaftigkeit und Sensibilität nicht gerecht. Ich sage

ganz ausdrücklich: Frau Ackermann, Sie haben die Situation schlechter dargestellt, als sie ist.

(Beifall bei der CSU)

Ich möchte an dieser Stelle eine Lanze für die Regierungen brechen, die bei uns für die Unterbringung von Asylbewerbern zuständig sind. Wir haben uns selbst den Eindruck verschaffen können, dass die Regierungen alles in ihrer Macht Stehende tun und sich mit großer Hingabe und großem Engagement um die Flüchtlinge kümmern. Man muss sich einmal vor Augen halten, wer hier zu uns kommt: Es kommen Menschen in einer elementaren Notlage. Sie finden bei uns ein sicheres Obdach, und sie erhalten, wenn sie ankommen - wir haben es gesehen -, ein Survival-Paket für die ersten Stunden. Sie erhalten Lebensmittel, die auf ihre individuellen Bedürfnisse zugeschnitten sind, und Betreuung in vielfältiger Form. Das sind große humanitäre Leistungen. Das ist gelebte Nächstenliebe. Das ist Mitmenschlichkeit, die hier bei uns Tag für Tag praktiziert wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Noch eines: Wenn Flüchtlinge zu uns kommen, wird in einem Asylverfahren geprüft, wie ihre persönliche Situation ist. Es wird entschieden, ob sie dauerhaft bei uns bleiben können oder ob sie in ihr Heimatland zurückkehren müssen. Während dieser Zeit erhalten sie Obdach und Hilfe, und erst danach, wenn klar ist, dass sie bleiben dürfen, setzt der Bezug von Integrationsleistungen ein. Noch einmal: Erst danach gibt es Integrationsleistungen. Deshalb lehnen wir die Abkehr vom Sachleistungsprinzip, wie sie in dem Gesetzentwurf mitschwingt, ab. Gegen eine generelle Abkehr vom Sachleistungsprinzip spricht auch das Bundesrecht. Das Sachleistungsprinzip ist in § 3 Absatz 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes verankert.

Noch eines, Frau Ackermann: Es gibt tolle Projekte, die auch einmal Erwähnung finden müssen. Ich denke zum Beispiel an die freiwillige Rückkehrberatung; denn Asylbewerber dürfen grundsätzlich nach einem Jahr arbeiten. Es gibt Leute, die während ihrer Zeit in Deutschland unheimlich viel gelernt haben, eine Ausbildung gemacht haben, vielleicht so viel gelernt haben, dass sie sich nach der Rückkehr in ihr Heimatland nicht nur eine sichere Existenz aufbauen, sondern ihr Wissen sogar weitergeben und als Arbeitgeber fungieren können.

Tatsächlich - und das räume ich bewusst ein - haben wir gesehen, dass es im Einzelfall in den Asylbewerberunterkünften Missstände gibt. Diese müssen abgestellt werden; das ist klar. Der allzu kleine Raum in der Erstaufnahmeeinrichtung, in dem sechs Menschen und ein Kleinkind hausen, ist nicht tragbar. Die Tatsache, dass einige Familien bei uns 17 oder - wie in Dachau

im Moment - 18 Jahre in einer Gemeinschaftsunterkunft leben, kann nicht hingenommen werden. Hier besteht Handlungsbedarf.

Vieles kann auf der Grundlage geltenden Rechts geändert werden. Für einiges brauchen wir Rechtsänderungen. Allerdings müssen wir bei Rechtsänderungen differenziert und überlegt vorgehen. Wir müssen beispielsweise nach dem Aufenthaltsstatus der Flüchtlinge differenzieren und sehen, welche Folgewirkungen Änderungen haben. Wenn beispielsweise in einer Gemeinschaftsunterkunft nur noch junge, unverheiratete Männer wohnen, bringt das neue Probleme und sozialen Sprengstoff mit sich.

Die CSU wird nach Absprache in der Koalition und nach sorgfältiger Analyse der Anhörung eigene Vorschläge unterbreiten. Schnellschüsse helfen nicht weiter. Noch einmal: Missstände müssen abgestellt werden, aber es darf keine Schnellschüsse bei Rechtsänderungen geben. Die Anhörung vom 23. April hat gezeigt: Wir müssen sensibel mit dem Thema umgehen. Diesen Anforderungen wird Ihr Gesetzentwurf nicht gerecht. Deshalb werden wir ihn ablehnen.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege. Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Weikert.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Meine Vorrednerin und mein Vorredner haben schon darauf hingewiesen, dass die Anhörung zur Umsetzung des Asylbewerberleistungsgesetzes in Bayern etwas zutage gebracht hat, von dem man sagen muss, wenn man sich das Protokoll durchliest: Diejenigen, die in Bayern dafür Verantwortung tragen, müssen sich dafür schon ein bisschen schämen - eigentlich nicht ein bisschen, sondern gewaltig.

(Zuruf von den GRÜNEN: Ja!)

Bei dieser Anhörung wurden viele Missstände deutlich. Alle, die bei dieser Anhörung nicht als Vertreter staatlicher Behörden anwesend waren, freie Rechtsanwälte, Vertreter von Wohlfahrtsverbänden, Vertreter freier Flüchtlingsorganisationen, aber auch Vertreter der Kommunen - insofern waren es auch Vertreter von Behörden und der Stadt München -, haben ein Bild gezeichnet, das nicht nur Handlungsbedarf aufzeigt, sondern nach unserer Meinung deutlich für eine Wende in der Asylpraxis spricht.

(Beifall bei der SPD)