Protocol of the Session on June 23, 2009

Abschließend habe ich an den Minister eine Frage. Er kann sie ausführlich oder auch kurz beantworten. In meinen Augen war es nicht nötig - und dabei auch etwas durchsichtig -, den Minister heute nochmals zu diesem Gutachten zu befragen, wo doch alle Informationen schon bekannt waren und auch für die Kollegen, die im Parlament neu sind, zumindest in der Fraktion erfahrbar, nachfragbar oder nachlesbar waren. Ich frage den Minister, ob er mir in dieser Auffassung zustimmt.

Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.

Natürlich kann man es so sehen, wie sich die aktuelle Debatte darstellt.

Im September 2001 hat die Organisation Greenpeace für alle deutschen Kraftwerke einen Widerruf beantragt. Seit sieben Jahren ist in der Sache nichts weiterverfolgt worden. Jetzt sind insbesondere drei neue Klage-Beitritte zu Isar 1 gekommen. Der Antrag für Isar 2 wurde übrigens zurückgezogen. Das zeigt, dass man auf bestimmten Seiten keine Bedenken hat, was Isar 2 betrifft. Das ist eine interessante Bemerkung, die man machen sollte.

Das zeigt auch, dass es aus meiner Sicht auch um politische Fragen geht. Aber ich habe damit kein Problem; das sage ich ganz offen. Wenn Sicherheitsfragen immer wieder erneut diskutiert werden und sich neue Kollegen da einarbeiten, habe ich dafür jederzeit Verständnis.

Mir kommt es letztlich nur darauf an, festzustellen, dass wir in Sicherheitsfragen bezüglich der grundsätzlichen Einschätzung der Kernenergie völlig unterschiedliche Auffassungen haben. Aber bei Sicherheitsfragen darf Ideologie nicht der Kompass sein. Im Vordergrund müssen die Sicherheit und die Ethik des Schutzes der Menschen stehen. Das ist der Maßstab der Staatsregierung.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Das Wort hat noch einmal Herr Kollege Hartmann.

Sehr oft haben Sie das Wort "sicher" in den Mund genommen. Stimmen Sie mir zu, dass ein AKW, das seit rund 25 Jahren am Netz ist, bei einer Zementstärke von 40 Zentimeter nicht gleich sicher ist wie zum Beispiel Isar 2, das gegenüber Isar 1 eine Zementstärke von 180 Zentimeter aufweist? Hat man das damals beim späteren Bau einfach so gemacht? Oder sind Sie selber der Meinung, dass es AKWs gibt, die weniger sicher sind, und solche, die sicherer sind? Das würde ich gern wissen.

Zum Schluss habe ich noch die Frage: Geht die Staatsregierung davon aus, dass es, wenn Isar 1 als ältestes AKW abgeschaltet wird, in Deutschland zu einem Stromengpass bzw. zu einer Stromlücke im Freistaat Bayern kommt?

Noch kurz etwas zu der Bemerkung der ehemaligen Kollegin Ruth Paulig. Sie hat damals freiwillig auf die Einsichtnahme verzichtet, weil sie nachher nicht mehr öffentlich über das Gutachten hätte reden dürfen. Diesen Grund zu nennen, gehört dazu.

Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.

Für die Sicherheit gelten die gemeinsam von Bund und Ländern ermittelten Standards. Das ist entscheidend. Da haben sich klügste Leute auch aus dem Bundesumweltministerium, die politisch ganz anderer Auffassung waren und bis heute sind, gemeinsam überlegt, welche Sicherheitsstandards festzulegen sind.

Wir haben übrigens auch ältere Kraftwerke als Isar 1, die in Deutschland in Betrieb sind. Sie werden in den Ländern, in denen beispielsweise die SPD regiert, nicht

abgeschaltet, weil sie den Sicherheitsstandards entsprechen. Wenn Sie aber etwas ändern wollen, müssen Sie die Sicherheitsstandards ändern, aber auch sagen, dass der damalige Bundesminister Trittin falsche Standards verwendet hat; diese sind in der damaligen Zeit entscheidend mit geprägt worden.

Erstens. Wir halten uns an die gemeinsam vereinbarten Standards. Dabei werden alle bayerischen Kraftwerke erhalten.

Zweitens. Definitiv steht fest: Wenn der Ausstiegsbeschluss bleibt und Bayern aussteigen muss, dann müssen wir die 60 bis 70 % - je nach Anteil - substituieren. Dabei haben wir nur drei Möglichkeiten. Entweder macht man von dem Gebrauch, was einmal die Mehrheit des Münchner Stadtrats erwogen hatte, nämlich aus Isar 2 auszusteigen, aber dafür stärker in die Kohle einzusteigen. Kernenergie durch Kohle zu substituieren, halte ich aus ökologischer Sicht für völlig unvertretbar.

Drittens. Wir können beispielsweise überlegen - das ist die Diskussion von der Nordküste -, Offshore-Anlagen in Form von Windkraftwerken zu errichten. Rein technisch ist das nicht uninteressant. Praktisch bedeutet es natürlich, dass neue Leitungen gelegt werden müssten. Wahrscheinlich ist an unterirdische Verlegung gedacht. Aber die niedersächsischen Behörden erzählen uns, dass das einen Kostenfaktor in der Größenordnung des Zehn- bis Fünfzehnfachen des Gewohnten bedeuten würde. Diese Mehrkosten würde der bayerische Steuer- und Stromzahler tragen.

Viertens. Zu denken ist auch an Stromimport aus dem Osten.

Lieber Herr Hartmann, es ist keine schlüssige Begründung, wenn Sie sagen: Ich schaue kein Gutachten an, weil ich dazu nichts sagen darf. Das wirkt auf mich so: Ich lasse mich nicht mehr gut informieren, damit ich hinterher meine Meinung behalten kann. Als neuer Kollege sollten Sie wirklich einen anderen Maßstab für sich gelten lassen.

(Beifall bei der CSU)

Jetzt erteile ich noch einmal Herrn Kollegen Dr. Fahn für eine Frage das Wort.

Herr Kollege Dr. Hünnerkopf, zunächst einmal zu Ihnen: Sie sagten, hier würde mit den Ängsten der Bevölkerung gespielt. Das verstehe ich nicht. Es war Innenminister Dr. Schäuble, der am 16. Juni erklärte, Atomkraftwerke könnten grundsätzlich zu einem Angriffsobjekt von Terroristen werden. Beziehen Sie Ihre Äußerung auf Bundesmini

ster Dr. Schäuble? Wegen dieser Äußerung des Bundesinnenministers ist dieses Thema zurzeit in der Presse. Deshalb halte ich diese Diskussion für berechtigt. Dieses Thema ist in den Medien. Deshalb müssen wir darüber diskutieren und Antworten auf die gestellten Fragen geben. Irgendwann müssen Sie sich dieser Frage stellen, weil Sie sonst ein Problem mit Ihrer Glaubwürdigkeit bekommen. Sie sagen immer, dass die bayerischen Kernkraftwerke die sichersten der Welt seien. Deshalb ist die Politik, zu diesem Thema nichts zu sagen, auf die Dauer falsch.

Herr Staatsminister, ich habe Ihnen vier Fragen gestellt. Ich frage Sie, ob Sie mir diese Fragen beantworten wollen, ja oder nein, oder ob Sie dies mit der Begründung ablehnen, dass sich diese Fragen lediglich aus Zeitungsberichten ergeben hätten.

Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich alle vier Fragen, die Sie gestellt haben, zusammenbringe. Ich möchte aber zwei Dinge sagen:

Die Grundaussage lautet, dass alle geltenden Vorschriften eingehalten werden und Schutzmaßnahmen getroffen wurden. Ich lade gerne alle Kolleginnen und Kollegen zu einer Sitzung ein, wenn dies gewünscht ist. Die Einsichtnahme ist bei der Gewährleistung der Vertraulichkeit jederzeit möglich. Ich hielte es für gefährlich, wenn wir aufgrund eines Zeitungsberichts - so renommiert dieser auch sein mag - in diesem Haus gemeinsam vereinbarte Standards verletzen würden. Wir haben ebenfalls Aufsichtsbehörden. Der Bund prüft auch uns. Wenn diese Berichte tatsächlich zuträfen und wenn es so wäre, dass Bayern Defizite hätte, würden wir keine Befragung mit dieser Struktur durchführen, sondern hätten eine ganz andere Diskussion.

Ich habe mich zu Beginn meiner Amtszeit sehr intensiv mit diesen Fragen beschäftigt, habe meine Mitarbeiter befragt und mir Prüfvorgänge angesehen. Hier wird auf einem hohen fachlichen Niveau eine gute Arbeit geleistet. Diese Arbeit ist so gut, dass die von uns beauftragten bayerischen Experten für Reaktorsicherheit auf der ganzen Welt gefragt sind. Jede Einzelfrage kann in einem Gremium vertraulich diskutiert werden. Das ist keine Frage. Mir ist es aber wichtig zu sagen: Es besteht keine Notwendigkeit, unsere Atomkraftwerke abzuschalten. Noch einmal: Das Bundesumweltministerium hat uns erst im November letzten Jahres genau diese Position bestätigt.

(Dr. Hans Jürgen Fahn (FW): Das ist unbefriedigend, weil Sie nicht auf meine Fragen eingegangen sind!)

Herr Staatsminister, ich sehe keine weiteren Fragesteller mehr. Damit ist die Ministerbefragung beendet. Herr Staatsminister, ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen.

(Beifall bei der CSU - Zuruf eines Besuchers von der Medientribüne)

- Sie haben hier nicht das Wort. Würden Sie bitte diesen Herrn hinausführen?

(Unruhe im Plenarsaal)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen, das kurze Satyrspiel ist beendet. Wir fahren in der Tagesordnung fort.

Ich rufe auf:

Aktuelle Stunde gem. § 65 GeschO auf Antrag der FDP-Fraktion "Ärzte-TÜV im Internet - Staatsmedizin auf dem Weg zum gläsernen Arzt und Patient?!"

In der Aktuellen Stunde dürfen die einzelnen Redner der Fraktionen grundsätzlich nicht länger als fünf Minuten sprechen. Auf Wunsch einer Fraktion erhält einer ihrer Redner bis zu zehn Minuten Redezeit. Dies wird auf die Anzahl der Redner der jeweiligen Fraktion angerechnet. Ergreift ein Mitglied der Staatsregierung das Wort für mehr als zehn Minuten, erhält auf Antrag einer Fraktion eines ihrer Mitglieder Gelegenheit, fünf Minuten ohne Anrechnung auf die Zahl der Redner dieser Fraktion zu sprechen. Der erste Redner ist Herr Kollege Dr. Bertermann von der FDP.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben dieses Thema für die heutige Aktuelle Stunde gewählt, weil wir der Meinung sind, dass die Qualität der ärztlichen Behandlung auch für Bayern und für Deutschland ein Thema ist. Wir sind der Meinung, dass gerade der bayerische Patient ein Recht und einen Anspruch darauf hat, vor den Behandlungen ordentlich und sachgerecht informiert zu werden. Wie kann dies funktionieren? Wie kann der bayerische Patient richtig und sachlich informiert werden? Wie kann er den Internetportalen ausweichen und prüfen, was für ihn und seine Behandlung richtig und gut ist, und das bereits im Vorfeld der Behandlungen beim Arzt?

Ich habe Sorge um den bayerischen Bürger, der letztlich ins offene Messer rennt, wenn er nicht weiß, was

und wie behandelt wird. Der Patient braucht Informationen darüber, was ihn erwartet. Was ist der richtige Weg? Wie können wir den richtigen Weg finden? Wir brauchen auf der einen Seite einen sachlich und korrekt informierten Patienten und auf der anderen Seite einen gut ausgebildeten und fortgebildeten Arzt. Ist dies in Deutschland oder Bayern gegeben? Ich bin der Meinung, dass wir in Bayern und Deutschland einen erheblichen Nachholbedarf bei der Patienteninformation haben. Ähnlicher Nachholbedarf besteht bei der Ausbildung und Fortbildung der Ärzte. Hier können noch Korrekturen angebracht werden.

(Beifall bei der FDP)

Wie können wir einen Arzt finden? Das übliche Prozedere besteht darin, dass über Mund-zu-Mund-Propaganda und über Freunde ein Arzt gesucht wird. Inzwischen haben wir aber auch eine ganze Reihe von Internetportalen, die anbieten, korrekte Informationen über Ärzte und Krankenhäuser zu geben. Hier gibt es qualitativ hochwertige und weniger hochwertige Seiten. Es gibt zum Beispiel eine Seite der Kassenärztlichen Vereinigung in Bayern mit einer ausgezeichneten Patienten-Versorgung. Wir haben ein Online-Portal der Kassenärztlichen Vereinigung, das - weil wir in Bayern sind - exzellent ist. Außerdem gibt es in Bayern schon seit Jahren eine Patienten-Hotline, mit der sich der Patient direkt an die Kassenärztliche Vereinigung wenden kann, um mit seinen Sorgen und Nöten fachlich qualifiziert beraten zu werden.

Der langen Rede kurzer Sinn: Die Verwirrung des Bürgers ist groß, wenn er einen gut ausgebildeten Arzt und eine gute Klinik finden will. Ich möchte jetzt keinen Frontalangriff auf die AOK fahren. Die AOK hat ihre Verdienste, sie hat ihren Hausarztvertrag, und sie hat den bayerischen Hausärzten gut geholfen. Aber der AOK-Arzt-Navigator - nicht der AOK-Arzt-Alligator - ist eines ihrer "Babies", wie sie es bezeichnet. Wenn Sie im Internet unter dem Begriff "Navigator" nachschauen, so ist der Navigator ein Offizier auf einem Schiff oder in einem Flugzeug, der die Richtung angibt. Das gab es früher. Jetzt gibt es nur noch in einigen alten russischen Flugzeugen Navigatoren, weil diese Flugzeuge noch nicht über modernes Equipment verfügen.

Ich möchte noch etwas zum Ärzte-TÜV sagen: Der Ärzte-TÜV suggeriert dem Patienten, dass es sich bei ihm um eine unabhängige objektive Bewertungsinstanz handele. Nach dem Menschenbild, das dahinter steht, ist der Arzt ähnlich wie ein Pkw zu bewerten. Welches individuelle Menschenbild steht hinter solchen Äußerungen?

Wenn wir die Schöpfung bewahren wollen, wie das Herr Staatsminister Dr. Söder immer wieder einmal gesagt

hat, muss auch die Individualität des Arztes bewahrt werden. Das heißt, wir können ihn nicht wie bei der TÜV-Untersuchung eines Pkws durch ein Raster schieben - das geht nicht.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, kommen wir zu den harten Kriterien: Wie wollen wir Vertrauen messen? Wie soll Vertrauen hinsichtlich der Arzt-Patienten-Beziehung gemessen werden? Wie wollen wir, um es noch direkter zu sagen, im Bereich der Palliativmedizin das Vertrauen messen? Nach welchen Kriterien wollen Sie diese letzte medizinische Begleitung bewerten? Wollen Sie ihr eine 1, eine 2, eine 3, eine 4 oder eine 5 geben? Ich meine, dass es ganz bestimmte Bereiche gibt, die sich der Messbarkeit entziehen und bei denen wirklich nur die Beziehung zwischen Arzt und Patient eine Rolle spielt. Diese lässt sich nicht bewerten.

Ein Weiteres. Wie wollen Sie dem Missbrauch entgegenwirken? Wie wollen Sie dafür Sorge tragen, dass in anonymen Internet-Portalen Ärzte nicht verunglimpft werden, die keine Chance haben, auf die Vorwürfe zu reagieren? Das kann eine Praxis nämlich leicht in den Ruin treiben. Die Objektivität und die Verifizierbarkeit einer Äußerung sind also nicht gegeben. Dabei haben wir schon solche Dinge im Bereich der Medizin. Es gibt eine Kooperation für Transparenz und Qualität im Gesundheitswesen. Dieser Kooperation für Transparenz und Qualität im Gesundheitswesen hat sich auch die AOK angeschlossen; der AOK-Bundesverband ist nämlich Mitglied dieser Organisation. Deshalb fragt man sich: Warum braucht die AOK als große Versicherung jetzt ein extra Internet-Portal? Man fängt schon an, darüber nachzudenken und sich zu fragen: Handelt es sich wirklich um ein ernsthaftes Anliegen, ist das ein Irrweg, oder ist das letztendlich ein Marketing-Gag? Ich meine, wir sollten mit den Versichertengeldern im Interesse der Patienten verantwortungsvoll umgehen.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Alex- ander König (CSU))