Im Übrigen - damit darf ich abschließen - habe ich mich sehr gefreut, Frau Ackermann, dass Sie sich jetzt meinen frauenpolitischen Forderungen, die ich seit Wochen und Monaten formuliere, nahezu inhaltsgleich angeschlossen haben.
Ich danke Ihnen noch einmal für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich sehr, dass wir zumindest zu einem kleinen Teil dieses Thema ein bisschen konstruktiv voranbringen konnten.
Vielen Dank, Frau Ministerin, für die zusammenfassende Stellungnahme. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt abgearbeitet.
Ich darf jetzt noch allen engagierten Zwischenrufern und Rednerinnen und Rednern und allen anderen folgendes ans Herz legen. Wir haben zu Gast heute im Hohen Hause die Landesarbeitsgemeinschaft für kardiologische Prävention und Rehabilitation in Bayern die Herz-LAG. Es handelt sich um einen Informationstag zum Thema Aortenaneurysma - die Erweiterung der Hauptschlagader. Meine Damen und Herren, Sie haben in der Mittagspause und auch noch bis 16.00 Uhr Gelegenheit, in einer drei- bis vierminütigen Untersuchung sich selber etwas Gutes zu tun und als Beispiel zu wirken für unsere Bevölkerung im Lande.
Kolleginnen und Kollegen, wir fahren jetzt mit der Sitzung fort. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf: Beratung der zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsanträge Zur gemeinsamen Beratung rufe ich auf:
Dringlichkeitsantrag der Abg. Georg Schmid, Karl Freller, Renate Dodell u. a. und Fraktion (CSU), Thomas Hacker, Karsten Klein, Dr. Franz Xaver Kirschner u. a. und Fraktion (FDP) Arcandor/Quelle (Drs. 16/1527)
Dringlichkeitsantrag der Abg. Dr. Thomas Beyer, Angelika Weikert, Horst Arnold u. a. und Fraktion (SPD) Quelle/Arcandor - Taten statt bloße Worte (Drs. 16/1538)
Ich eröffne hiermit die gemeinsame Aussprache. Der erste Redner ist Herr Kollege Freller. Bitte schön.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Das Wort "dringlich" wird manchmal verwendet, obwohl eine Angelegenheit nicht dringlich ist. Im Augenblick diskutieren wir über einen Antrag zu einer Angelegenheit, die extrem dringlich ist und die uns hier im Hohen Hause einen muss. Wir müssen dort helfen, wo Hilfe dringend notwendig ist, um nicht Gefahr zu laufen, dass in einer Region ein Unternehmen endet, welches für diese Region seit acht Jahrzehnten von entscheidender und maßgeblicher Bedeutung war und ist. Es handelt sich um ein Unternehmen, das viele schwierige Zeiten überstanden hat, sich jetzt eigentlich wieder bestens aufgestellt hat und dennoch aufgrund vieler Faktoren, die ich hier nicht diskutieren will, in Gefahr gerät. Meine sehr verehrten Damen und Herren, es geht um ein Urgestein der fränkischen Wirtschaftsgeschichte. Es geht um die Quelle, ein Unternehmen, das jedem bekannt ist. Für die Region Mittelfranken und insbesondere für den Ballungsraum Fürth und Nürnberg ist Quelle von erheblicher und existenzieller Bedeutung.
Meine Damen und Herren, wir haben den Dringlichkeitsantrag deswegen eingereicht, weil wir der Auffassung sind, dass wir den Menschen in dieser Region ein klares Signal senden wollen. Das Unternehmen und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter liegen uns so am Herzen, dass wir alles tun möchten, um zu helfen.
Betroffen sind vor allem Kolleginnen und Kollegen aus dem Nürnberger Raum. Zu nennen sind Petra Guttenberger und Hans Herold, die die Fürther Stimmkreise direkt vertreten, aber auch die Nürnberger Günther Beckstein, Hermann Imhof und Markus Söder. Das Gleiche gilt gleichermaßen für die Kolleginnen und Kollegen von der SPD, den GRÜNEN und den anderen Parteien. Die Sorge um die betroffenen Menschen eint uns.
Sorgen haben die Region und ihre Arbeitnehmer. Sorgen haben aber auch viele andere Unternehmen in Bayern, die mit dem Konzern eng verbunden sind. Ich habe mir die Zahlen geben lassen, die zeigen, welchen Einfluss Quelle auf Bayern hat.
Herr Beyer, bitte lassen Sie mich schildern, wie wichtig dieses Unternehmen für diese Region ist. Ich möchte der Öffentlichkeit sagen, warum wir hinter einem Unternehmen stehen.
Lassen Sie mich bitte daran erinnern, dass dieses Unternehmen 700 Zulieferbetriebe in Bayern hat. Bayerische Unternehmen machen aufgrund der Quelle eine Milliarde Euro Umsatz.
Lassen Sie mich weiter ausführen: 200 Unternehmen sind mit über einer Million Euro beteiligt. Im wahrsten Sinne des Wortes ist die Quelle auch für Bayern eine Quelle. Denken Sie bitte auch daran, dass wir Betriebe haben, die von der Quelle abhängig sind. Zu nennen ist zum Beispiel ein Küchenhersteller aus dem Raum Neuburg an der Donau, der 90 % seiner Einrichtungen an Quelle veräußert. Auch dieser Küchenhersteller sowie die Holzwirtschaft dort sind nachhaltig betroffen. Ich möchte schildern, was alles an diesem Unternehmen hängt, damit die Leute wissen, dass uns in der Politik bewusst ist, wie eng alles miteinander zusammenhängt.
Jetzt geht es um die entscheidende Frage. Ich habe mit der Betriebsratsvorsitzenden, Frau Ulonska, telefoniert. Sie ist eine sehr aktive und rührige Frau, der ich großen Respekt ausspreche, da sie in den letzten Wochen sehr viel ausgestanden und viele Diskussionen geführt hat. Sie und Ernst Siebel, der Gesamtbetriebsratsvorsitzende, haben glaubhafte Diskussionen geführt. Ich muss sagen: Hohen Respekt vor der Personalvertretung von Quelle, die großen Einsatz gezeigt und überzeugenden Kontakt zur Politik aufgenommen hat.
Das ist auch sehr wichtig. Günther Beckstein hat mit Frau Ulonska Gespräche geführt. Sie ist sehr dankbar dafür, dass sich der Landtag intensiv bemüht. Frau Ulonska hat natürlich eine ganz große Sorge. Wenn heute oder morgen keine entsprechenden Entscheidungen hier oder in Berlin fallen, könnte dies das Aus für viele Teile des Unternehmens und die Arbeitslosigkeit vieler Menschen bedeuten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das möchten wir und alle, die den Antrag eingebracht haben - danke der FDP, die hier mitgezogen hat -, ansatzweise verhindern.
Um nicht missverstanden zu werden: Ich bin kein Wirtschaftsexperte. Doch mir ist vollkommen bewusst, dass wir nicht jedem Unternehmen helfen können. Wir können vor allem kein Geld zur Verfügung stellen, das nach einem Vierteljahr wieder verschwindet. Steuergelder würden damit auch vernichtet. Diese Verantwortung tragen wir generell in dieser Debatte. Wenn es eine Möglichkeit gibt, dass mit geringer Hilfe viel gerettet und zum Guten gewendet werden kann, dann sollten wir das unbedingt tun. Für mich war es eine erfreuliche Erkenntnis -ich wusste es nicht im Detail -, dass die Neuformierung von Quelle gerade im E-Commerce, also Internethandel, so hervorragend gelaufen ist, dass Quelle auf Platz 3 des Internethandels steht. Das ist eine enorme Leistung, die sich auch in den Zahlen ausdrückt. Nach Amazon und eBay ist Quelle inzwischen auf Platz 3. Quelle hatte letztes Jahr ein Plus von 24 % bei den Onlinenachfragen und hat über 13,4 Milliarden Euro an Waren und Dienstleistungen über das Internet erwirtschaftet. Das heißt, dass Substanz vorhanden ist. Die Betriebsratsvorsitzende sagte zu mir, sie komme sich vor wie bei einem Marathonlauf, bei dem bei Kilometer 40 möglicherweise die Kraft und die Unterstützung ausgehen.
Deshalb bitten wir darum, dass die Staatsregierung ihren Weg fortführt, den sie schon sehr positiv und mit persönlichem Einsatz des Herrn Ministerpräsidenten eingeschlagen hat. Ich sage an dieser Stelle ausdrücklich: Herr Ministerpräsident, herzlichen Dank auch vom Betriebsrat. Für die intensiven Gespräche, die geführt worden sind, hat es ein großes Lob gegeben. Durch die Gespräche ist ein großes Vertrauen entstanden, und wir haben die Hoffnung, dass die Staatsregierung die Entwicklung wohlwollend begleitet und mithilft, entsprechende Hilfen zu veranlassen. Dass dies nur begrenzt möglich ist, ist jedem bewusst, der sich mit der schwierigen Materie auseinandersetzt.
Ich möchte noch einen interessanten Punkt ergänzen. Im Versandhandel ist alles noch erheblich komplexer und schwieriger als im normalen Verkauf, da viel mehr vorfinanziert werden muss. Deswegen hat Quelle im Gegensatz zu anderen Unternehmen doppelte Schwierigkeiten, in dieser Komplexität verstanden zu werden. Es ist dringend notwendig, dass ein neuer Katalog aktuell - heute, morgen oder übermorgen - gedruckt werden kann. Nur wenn der Katalog rausgeht, können auch Bestellungen eingehen und Ware eingekauft sowie verkauft werden. Dann läuft der Geldfluss wieder an. Das sind die Anliegen, die wir haben. Ich bin sehr dankbar, dass sich die Staatsregierung dafür einbringt und die Kolleginnen und Kollegen so mitziehen.
Ich betone noch einmal: Diese Quelle, dieses Unternehmen mit all den anderen Tochtergesellschaften, die hier noch dranhängen, ist von großer Bedeutung. Wir
sollten alles tun, um dieses Unternehmen zu retten. Wir sollten vor allem dort helfen, wo die Steuergelder sinnvoll verwendet werden können. Vielleicht werden aus Steuerausgaben jetzt erheblich mehr Steuereinnahmen in der Zukunft.
Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Die Wirtschaftskrise zeigt zunehmend auch hier in Bayern Wirkung. Das gilt für alle Branchen und für alle Regionen. Angesichts des Engagements der Opposition bei Nichtigkeiten am heutigen Tage hätte ich mir bei diesem ernsten Thema eine höhere Präsenz in diesem Hohen Hause gewünscht, als wir sie derzeit feststellen können. Das möchte ich hier sehr deutlich sagen.
Hier geht es um einen ganz schwierigen Vorgang. Wir sprechen in dieser Stunde über Tausende von Arbeitsplätzen. Quelle hat allein in Deutschland zehntausend Arbeitsplätze, einen Großteil davon in Bayern. Deshalb möchte ich unsere Gesamtlinie und unsere konkrete Vorgehensweise bei Arcandor und bei Quelle darstellen. Es ist wichtig, in der Öffentlichkeit deutlich zu machen, welche Prinzipien im Umgang mit einzelnen Unternehmen gelten, und welche globalen und nachhaltigen Prinzipien für unsere Volkswirtschaft insgesamt gelten. Beides muss politisch in einem Zusammenhang betrachtet werden.
Erstens. Ich stelle fest, dass wir als Bayerische Staatsregierung das Konjunkturprogramm des Bundes, das in der Sache richtig ist und schnell kam, voll unterstützt haben. Dieses Konjunkturprogramm ist sehr gut geeignet, um Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern und Wachstum wiederherzustellen.
Zweitens. Wir haben den bayerischen Doppelhaushalt 2009/2010 mit großer Geschwindigkeit verabschiedet. Dieser Doppelhaushalt ist ein konjunkturpolitisches Instrument. Wir haben trotz der gesunkenen Steuereinnahmen eine hohe bayerische Investitionsquote von 13,6 % oder - in Zahlen ausgedrückt - von 5,6 Milliarden Euro in diesem Haushalt. Trotz der schwierigeren Situation bei den Steuereinnahmen kürzen wir diese Investitionen um keinen einzigen Euro. Im Gegenteil: Von diesen 5,6 Milliarden Euro haben wir 1,7 Milliarden Euro durch ein Beschleunigungsprogramm zeitlich vorgezogen.
Drittens. Wir haben einen Mittelstandsschirm aufgespannt, der vor allem für kleinere und mittlere Betriebe in dieser Krise eine Hilfe darstellt. In diesem Mittelstandsschirm sind großzügigere Betriebsmittelbürgschaften, der verstärkte Einsatz von Rettungsbürgschaften und der verstärkte Einsatz von Bürgschaften für Investitionsdarlehen vorgesehen. Dieser eigenständige bayerische Mittelstandsschirm hat ein Volumen von 200 Millionen Euro. Wir haben damit bis Ende Mai zirka 700 Unternehmen in Bayern mit einem Volumen von zirka 130 Millionen Euro unterstützt.
Mir ist es ein besonderes Anliegen, in dieser Debatte gegenüber der Öffentlichkeit klarzumachen, dass wir in dieser schwierigen Lage unsere Antworten nicht daran ausrichten, wer am lautesten ruft. Wir geben diese Antworten auch nicht nach bestimmten Branchen oder bestimmten Betriebsgrößen. Unser Ansatz lautet, dass nach wirtschaftspolitischer Vernunft und unter Berücksichtigung der Zukunftsfähigkeit eines unternehmerischen Konzepts geholfen wird. Ich bin stolz darauf, dass wir einer so großen Zahl kleiner und mittlerer Betriebe in Bayern geholfen haben.
Viertens. Wir haben auch bei Arcandor nach klaren Prinzipien gehandelt. Ich habe zusammen mit dem Wirtschaftsminister bereits am 19. Mai mit dem Vorstandsvorsitzenden in der Staatskanzlei gesprochen. Wir waren beide der Meinung, es würde bei dem Businessplan, der vorgelegt wurde, Sinn machen, beim Bund einen Antrag zu stellen. Ich habe auch mit den Arbeitnehmer-Vertretern von Arcandor, Quelle und Primondo am 5. Juni gesprochen. Darüber hinaus gab es vielfältige und pausenlose telefonische Kontakte.
Die Arbeitnehmer und das Management von Arcandor müssen wissen, dass die Politik nicht Programme auflegt und die weitere Entwicklung dann einfach der Realität überlässt. Die Bayerische Staatsregierung hat sich sehr stark darum bemüht, dass jeder gestellte Antrag auch der von Arcandor - sorgfältig geprüft wird. Diese Prüfung erfolgte im Hinblick auf die Arbeitsplätze, auf die Steuergelder und auf das tragfähige und zukunftsfähige Unternehmenskonzept. Die Staatsregierung ist der übereinstimmenden Meinung, dass es keinen Sinn machen würde, einen Holzweg wie bei Holzmann zu beschreiten. Dort wurden unter dem Deckmantel der Sicherung von Arbeitsplätzen Steuermittel mit dem Ergebnis eingesetzt, dass am Ende die Arbeitsplätze und die Steuermittel verloren waren. Das ist keine echte Hilfe für die Betroffenen.
Ich war deshalb bei diesem Thema ganz persönlich in Kontakt mit der Bundesregierung und dem Bundeswirt
schaftsminister. Der Bundeswirtschaftsminister hat eine sorgfältige Prüfung des Einsatzes des Deutschland-Fonds ermöglicht. Dabei geht es um 115 Milliarden Euro, die die Bundesregierung aufgelegt hat. 75 Milliarden Euro davon entfallen auf Bürgschaften, der Rest auf Kredite. Ich habe mich nicht damit abgefunden, dass uns die Kommission nach zwei Tagen zugerufen hat, dass dies nicht ginge. Ich wollte eine sorgfältige Prüfung. Diese ist durchgeführt worden. Wir haben der Firma Arcandor nach einer Absprache zwischen dem Wirtschaftsministerium und der Staatsregierung gesagt, dass sie den Antrag auf eine Rettungsbeihilfe stellen sollte. Dies war aus Gründen, die ich gleich nennen werde, nicht möglich. Dann hat der Wirtschaftsminister in Absprache mit mir dem Konzern Arcandor nahegelegt, einen modifizierten Antrag auf Rettungsbeihilfe zu stellen.
Ich war noch eine halbe Stunde, bevor der Antrag auf Insolvenz gestellt wurde, in Kontakt mit dem Bundeswirtschaftsminister, dem Management und dem Betriebsrat. Ein stärkeres Engagement der Eigentümer, der Banken und der Vermieter konnte nicht erreicht werden. Meine Damen und Herren, wenn bei der Finanzierung über eine Milliarde Euro fehlt und keine Lösungsmöglichkeit mehr gegeben ist, gibt es nach unserem Insolvenzrecht schon wegen der Organhaftung keine andere Möglichkeit, als einen Antrag auf Insolvenz zu stellen. Dies war bitter, aber nach einer guten Woche der sorgfältigen Prüfung am Ende unausweichlich.