Auch mit unserem geänderten Versammlungsrecht bleibt es dabei: Bayern ist das sicherste aller Bundesländer. Das Grundrecht, sich friedlich zu versammeln, wird durch unsere Verfassung geschützt.
Ich betone an dieser Stelle noch einmal, unser Verfassungsrecht schützt auch das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Und dieses Grundrecht gilt auch für deutsche Polizeibeamte. Das sollte man angesichts der Vorkommnisse in Berlin nicht in Vergessenheit geraten lassen.
Deshalb darf ich ganz lapidar sagen, meine Damen und Herren: Es gilt das alte Motto von Franz Josef Strauß: Liberal san ma scho, aber blöd san ma net. In diesem Sinne würde ich auch gerne diesen Gesetzentwurf beraten haben.
Herr Minister, einen Moment noch. Ich erteile jetzt noch schnell Frau Kollegin Stahl das Wort zu einer Zwischenfrage.
Ich teile Ihre Auffassung, dass man bei Versammlungen und Demonstrationen das Ziel im Auge haben sollte, eine Eskalation zu vermeiden, sodass tatsächlich die Deeskalation auch eine Rolle spielen muss. Aber da müssen Sie entscheiden. Reden Sie jetzt eigentlich vom Dulden oder von Deeskalation? Wir wollen nicht dulden, wenn gleichzeitig massiv Auflagen verletzt werden. Oder sagen Sie: Ich dulde etwas, weil ich unter Umständen das Ziel, keine Gewaltausbrüche zu haben, am Ende höher einschätze. Ich bin der letzteren Meinung. Das kam aber bei Ihren Ausführungen nicht so klar zum Vorschein. Sie hauen einerseits auf den Putz und andererseits reden Sie von Deeskalation.
Und jetzt möchte ich zum einstweiligen Beschluss des Verfassungsgerichts auch noch schnell etwas sagen. Das Gericht hat viele Regelungen noch nicht aufgehoben, weil wir sonst rechtsfreie Räume bekämen, was problematisch wäre. Das Gericht - das können wir der Entscheidung entnehmen - sagt: Bis zu einer endgültigen Entscheidung behalten wir die Regelungen bei. Dabei kann man zwischen den Zeilen lesen, dass das Verfassungsgericht diese Regelungen zumindest kritisch bewertet. Ein kleiner Teil Ihres Gesetzes wurde vom Gericht sogar akzeptiert. Hier haben wir tatsächlich nicht Recht bekommen. Das Verhältnis, das Sie hier dargestellt haben, ist jedoch ein anderes. Deshalb halte ich es für wichtig und plädiere dafür, eine endgültige Entscheidung über alle der von uns angegriffenen Punkte abzuwarten.
Eine letzte Bemerkung: Nicht nur die Organisationen, Gewerkschaften und Verbände haben Probleme, sondern auch Einzelpersonen. Diese Fälle gebe ich gerne an Ihr Ministerium weiter, wenn Sie dafür sorgen, dass diese Personen endlich nicht mehr mit weiteren Verfahren überzogen werden.
Frau Kollegin Stahl, dazu zwei Anmerkungen: Die Kostenentscheidung des Gerichts ist, wie sie ist. Sie können das drehen und wenden, wie Sie wollen. Ich habe Respekt vor diesem Gericht und sage, dass es sich bei dieser Kostenentscheidung sicherlich etwas gedacht hat. Eine zweite Bemerkung: Ich halte es für aberwitzig, wenn Sie versuchen, diesen klugen Einsatz vom vergangenen Sonntag in Fürth ins Gegenteil zu verkehren.
Was zählt, ist das Ergebnis. Entscheidend ist, dass die Veranstaltung in Fürth ohne Gewalt abgelaufen ist. Durch einen engagierten Einsatz wurde jedem, der Ge
walt im Sinn hatte, klargemacht, dass dort keine Gewalt geduldet wird, weder von Fußballfans noch von anderen Gruppen. Diese Taktik war im Ergebnis erfolgreich. Wenn in Berlin jemand sagt, er sei völlig überrascht gewesen, dass dort gewalttätige Chaoten unterwegs gewesen seien, kann ich das nur als eine grandiose Fehleinschätzung bezeichnen.
In Berlin wurde bereits zwei Tage vorher in Pressekonferenzen angekündigt, dass man dort beabsichtige, Gewalt auszuüben. Drei Tage später stellte sich der dortige Polizeipräsident hin und sagte, er sei davon völlig überrascht gewesen. Wir in Bayern werden so etwas nicht dulden. Ich freue mich, dass bei der Mehrheit des Hohen Hauses Einvernehmen darüber besteht, dass dies nicht das Verständnis von friedlichen Versammlungen auf unseren Straßen sein kann. Danach werden wir unser Versammlungsrecht gestalten und es in der Praxis umsetzen.
Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht mehr vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Ich schlage vor, beide Gesetzentwürfe dem Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz als federführendem Ausschuss zu überweisen. Damit besteht Einverständnis? - Dann ist es so beschlossen.
Gesetzentwurf der Abg. Thomas Hacker, Dr. Andreas Fischer, Jörg Rohde u. a. (FDP), Georg Schmid, Thomas Kreuzer, Christian Meißner u. a. (CSU) zur Änderung des Polizeiaufgabengesetzes, des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes und des Bayerischen Datenschutzgesetzes (Drs. 16/1271) - Erste Lesung
Auf die Begründung wird verzichtet, sodass ich gleich mit der Aussprache beginnen kann. Erste Wortmeldung: Herr Kollege Dr. Fischer.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen! Am 3. Dezember letzten Jahres habe ich Ihnen versprochen, dass die Online-Durchsuchung wesentlich entschärft wird. Ich freue mich, dass ich heute dieses Versprechen einlösen kann.
Wir haben in mehreren Punkten Änderungen vorgenommen. Die zentralste und wichtigste Änderung ist der Wegfall des Betretungsrechts. Die eigenen vier Wände sind vielleicht der letzte Rückzugsraum in unserer Gesellschaft. Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung hat für uns Liberale eine besonders hohe Bedeutung. Deswegen war es uns wichtig, hier eine Korrektur vorzunehmen. Wir haben das auch erreicht.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, es gibt aber noch einige weitere Punkte, die wir umsetzen konnten. Das Verändern und Löschen von Daten halten wir im Hinblick auf das Eigentumsgrundrecht für problematisch. Warum man Daten verändern muss, haben wir noch nie verstanden. Das wird es künftig auch nicht mehr geben. Das heimliche Löschen von Daten haben wir an höchste Voraussetzungen geknüpft. Wir haben es auf den Fall beschränkt, dass eine Gefahr für Leib oder Leben besteht. Bei einer Lebensgefahr, die nicht anders abgewendet werden kann, halten wir das Löschen von Daten für gerechtfertigt. Wir glauben aber nicht, dass es dafür noch einen Anwendungsfall gibt.
Wir haben außerdem die richterliche Kontrolle erheblich verbessert. Jede Maßnahme wird in Zukunft von einem Kollegialgericht überprüft. Der Grundsatz lautet, dass sechs Augen mehr als zwei Augen sehen. Dies ist ein weiterer Schritt, der liberale Handschrift zeigt.
Bei der Eilfallregelung wurden ebenfalls Änderungen vorgenommen; denn bisher war es so, dass jeder Polizeibeamte des höheren Dienstes eine Online-Durchsuchung anordnen konnte. In Zukunft ist das auf den Landespolizeipräsidenten und die Leiter der Präsidien beschränkt. Das ist ein Beitrag zu mehr Rechtssicherheit.
Außerdem wurden die Berichtspflichten an den Landtag ausgeweitet; denn diese bedeuten Transparenz. Diese Transparenz ist für uns Liberale besonders wichtig. Der Landtag wird künftig einen detaillierten Bericht darüber erhalten, wie viele Online-Durchsuchungen stattgefunden haben und wie sie abgelaufen sind.
Wir haben aus Anlass der Online-Durchsuchung einige weitere Änderungen vorgenommen, die die liberale Handschrift zeigen. Die automatische Aufzeichnung bei Abhöraktionen in Privaträumen haben wir aus dem Polizeiaufgabengesetz gestrichen, weil wir Liberale davon
überzeugt sind, dass vorher nicht abgesehen werden kann, ob der Kernbereich der Persönlichkeit betroffen ist oder nicht. Diese Streichung trägt unsere liberale Handschrift. Wir haben die Speicherfrist von Videoaufnahmen von zwei Monaten auf drei Wochen verkürzt. Das ist ebenfalls ein Beitrag zu mehr Rechtssicherheit.
Schließlich haben wir es erreicht, dass jemand, der von der Polizei beobachtet wird, anschließend über diese Beobachtung informiert wird. Auch das ist ein Beitrag zu mehr Rechtsstaat. Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Änderungen sind der erste Schritt in die richtige Richtung. Wir werden dabei nicht stehenbleiben. Sie werden vielleicht fragen, warum Journalisten noch nicht in den Kreis der Personen einbezogen worden sind, die von der Online-Durchsuchung ausgenommen sind. Ich sage Ihnen ganz offen: Hier stehen wir noch in Verhandlungen. Hier wird es noch weitere Nachbesserungen geben, die wir gemeinsam mit unserem Koalitionspartner vornehmen werden.
Heute wird der erste Schritt zur Reform des Polizeiaufgabengesetzes und des Verfassungsschutzgesetzes gegangen. Ein zweiter Schritt wird folgen. Ich freue mich, dass wir heute diesen ersten Schritt umsetzen, und bedanke mich bei allen, die dabei mitgeholfen haben.
Herr Präsident, Hohes Haus! Durch Gesetz vom 8. Juli 2008 wurde die Möglichkeit geschaffen, dass Polizei und Verfassungsschutzbehörden unter ganz engen Vorgaben verdeckt auf informationstechnische Systeme zugreifen können. Grundlage für dieses Gesetz war die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Februar 2008, in der einerseits ein Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme festgeschrieben wurde, in der aber andererseits klargestellt wurde, dass dieses Recht nicht schrankenlos ist und darin unter gewissen engen Bedingungen eingegriffen werden kann.
Wir haben im Hinblick auf diese Rechtsprechung im vergangenen Jahr den Rahmen, den uns das Verfassungsgericht gegeben hat, bewusst voll ausgeschöpft. Wir haben das getan, weil es hier darum geht, die Gefahr, die uns durch Terroristen droht, abzuwehren. Wir wissen, wie schwer es ist, wenn man mit Situationen rechnen muss, die man sich vorher nie vorstellen konnte. Wir wissen, was auf dem Spiel steht, wenn wir von
Planungen erfahren, die zum Ziel haben, Hunderte von unschuldigen Menschen umzubringen. Wenn eine derartige Gefahr droht und wir der Polizei und den Verfassungsschutzbehörden die Aufgabe übertragen, diese Gefahr abzuwehren, dann müssen wir ihnen auch das Handwerkszeug dafür geben.
Ich möchte mir als Politiker nicht vorwerfen lassen, nur aus Feigheit vor der Diskussion irgendwelche Wischiwaschi-Regelungen beschlossen zu haben, sodass unsere Behörden im entscheidenden Moment nicht handeln konnten.
Wir haben dieses Gesetz deshalb sehr weit gezogen, weil wir Vertrauen in unsere Behörden haben. Im Polizeirecht gibt es den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der sehr deutlich besagt, dass eben nur die Mittel eingesetzt werden dürfen, die unbedingt notwendig sind, und dass man nur den milderen Eingriff machen kann, wenn ein minder schwerer Eingriff ausreicht. Wir haben so viel Vertrauen zu unserer Polizei und zu den Verfassungsschutzbehörden, dass wir davon überzeugt sind, dass man das Gesetz auch in der jetzigen Fassung so gehandhabt hätte und hier keine Gefahr bestanden hätte. Wir sind aus Verantwortung gegenüber unseren Bürgern an die Grenze dessen gegangen, was wir für rechtlich möglich gehalten haben.
Der Koalitionspartner sieht es, wie Sie vom Kollegen Fischer gerade gehört haben, etwas anders. Deshalb gab es Koalitionsvereinbarungen, die wir hier entsprechend erfüllen. Was beinhalten sie? - Zunächst einmal gibt es kein verdecktes Betreten von Wohnungen beim Eingriff in den Computer. Die Kollegen hatten hier verfassungsrechtliche Bedenken. Ich sage deutlich: Ich habe diese verfassungsrechtlichen Bedenken nicht. Selbstverständlich ist man nie davor gefeit, dass das Verfassungsgericht einen neuen Weg geht. Wir waren der Meinung, dass diese Regelung im Rahmen der Verfassung liegt. Jetzt haben wir natürlich das Problem, dass man nur noch von außen auf den Computer zugreifen kann. Wir haben eine umfassende Anhörung von Experten durchgeführt, die uns gesagt haben, wie schwierig und wie technisch problematisch das ist, was bedeutet, dass uns möglicherweise eine Vielzahl an Informationen verloren geht. Ich kann nur hoffen, dass die Technik sich weiterentwickelt und ein Eingriff von außen künftig besser durchgeführt werden kann.
Zweitens gibt es ein Verbot von automatischen Aufzeichnungen in Privatwohnungen und Räumlichkeiten von Geheimnisträgern. Die Kollegen der FDP sahen hier die Gefahr des ungewollten Eindringens in den Kernbereich. Ich muss aber sehr deutlich sagen: Wenn
man Erkenntnisse bekommen hätte, wenn ein an sich unproblematisches Gespräch in den privaten Bereich gegangen wäre, hätte man diese Erkenntnisse sowieso nicht verwerten dürfen. Schon nach bisheriger Rechtsgeltung hat es keine Verwertung gegeben. Ich habe so viel Vertrauen in die Behörden, um davon überzeugt zu sein, dass man diese gesetzliche Vorgabe eingehalten hätte.