- Sie brauchen sich nicht gleich so aufzuregen. Es gibt keinen Grund zur Aufregung. Jeder, der im Geschichtsunterricht aufgepasst hat, weiß das.
Frau Kollegin, wir wollen zunächst einmal der SPD-Fraktion die Gelegenheit geben, sich zu beruhigen. Dann können Sie mit Ihrer Rede fortfahren. Bitte schön.
Offensichtlich verschließen viele Menschen die Augen vor dieser Realität. Ihre Ministerin, Frau Ulla Schmidt, ist so jemand. Sie hat schließlich eine der unverantwortlichsten Neuregelungen im Gesundheitswesen eingeführt, nämlich den Gesundheitsfonds, den wir ablehnen.
Es handelt sich um die unverantwortlichste Änderung im Gesundheitswesen, die es je gab. Wir lehnen diesen Gesundheitsfonds ab. Die Liberalen lehnen ihn in allen Bundesländern ab, im Gegensatz zu Ihnen. Wir haben dazu nämlich einen
bundesweit geltenden Parteitagsbeschluss gefasst. Alle Delegierten haben gegen den Gesundheitsfonds gestimmt - auch die Delegierten aus den Ländern, wo Geld hinfließt -, weil er ein planwirtschaftliches Instrument ist. Wir lehnen den Gesundheitsfonds ebenso ab wie die Honorarreform.
Ich stehe heute als Abgeordnete vor Ihnen, aber ich bin auch Patientin und Steuerzahlerin. Aus diesem Blickwinkel möchte ich Ihnen nun einige gravierende Fehler dieser Reform aufzeigen:
Erstens. Durch den Gesundheitsfonds wurde der Beitragssatz planwirtschaftlich erhöht. Vor dem 1. Januar hatten viele Kassen bei ihrem Beitrag die Zwölf vor dem Komma, ab dem 1. Januar waren es bundeseinheitlich 15,5 %. Diese Planwirtschaft hätte Honecker wohl nicht besser hinbekommen.
Jeder Bürger fühlt sich doch vollkommen unmündig, wenn er keine Wahlmöglichkeiten mehr hat, sondern nach dem Motto "friß oder stirb" einen Einheitsbrei vorgesetzt bekommt.
Zweitens. Mit der aktuellen Beitragssenkung wird das Geld von der rechten Tasche in die linke Tasche geschoben, und beide Taschen sind löchrig. Erst setzt die Bundesregierung den Beitrag generell auf 15,5 % herauf, dann senkt sie ihn generös im Rahmen des Konjunkturpakets II um 0,6 Prozentpunkte. Dafür werden aber im nächsten Jahr sechs Milliarden Euro Steuergelder in den Gesundheitsfonds gepumpt.
Wir haben im Koalitionsvertrag klipp und klar gefordert: Wenn der Beitragssatz steigt, wollen wir eine Bundesratsinitiative. Eine solche Steuersubvention ist im Grunde genommen eine versteckte Beitragserhöhung. Die Bundesregierung kann nicht erwarten, dass wir den Kakao, durch den sie uns zieht, auch noch trinken.
Der dritte Punkt: Neben all den monetären Aspekten schlägt negativ zu Buche - das ist mir ganz wichtig -, dass der Gesundheitsfonds zulasten der medizinischen Versorgung in Bayern geht. Weil die Versicherten hier im Freistaat durch ihre Leistung mehr erwirtschaften, zahlen sie mehr Geld in den Gesundheitsfonds ein als Versicherte in anderen Ländern. Die Kassen wiederum bekommen pro Versichertem einen Einheitsbetrag. Das klingt zwar gerecht, ist es aber nicht; denn ein Arzt in Regensburg hat selbstverständlich eine höhere Praxismiete und höhere Personalkosten als sein Kollege in Rostock oder Schwerin.
Ich bekomme als bayerische Patientin also nicht mehr die gleiche Versorgung in der gleichen Qualität. Der Arzt in Regensburg wird mir nicht mehr die Versorgung anbieten können wie sein Kollege in Mecklenburg-Vorpommern. Frau Sonnenholzner, wenn wir keine leistungsgerechte Bezahlung haben, dann schaden wir damit nicht einer gut verdienenden Kaste, wie sie offensichtlich in Ihrer Klischeefantasie besteht, sondern wir schaden damit 10 Millionen gesetzlich Krankenversicherten in Bayern. Das muss einfach klar sein.
Der Gesundheitsfonds und die Honorarreform verstärken die Verteilungskämpfe unter den Ärzten. Das ist äußerst bedauerlich. Regelleistungsvolumina und die Budgetierung, wo es sie noch gibt - es gibt sie noch in einigen Bereichen, zum Beispiel bei den Zahnärzten sind Instrumente einer Mangelverwaltung.
Selbst für Ärzte ist es schwierig, den Durchblick hier zu behalten, und für Patienten ist das erst recht vollkommen intransparent. Diejenigen, die hierfür verantwortlich sind, haben möglicherweise ein großes Interesse daran, den Mangel und die Rationierung, die im Gesundheitswesen herrschen, zu verschleiern.
Die FDP Bayern hat auf ihrem Landesparteitag in Fürth am vergangenen Wochenende Minister Söder aufgefordert, eine Bundesratsinitiative für ein einfaches, transparentes und gerechtes Vergütungssystem auf den Weg zu bringen. Ich freue mich über den heutigen Vorstoß, der im Ministerrat gestartet wurde; denn Transparenz und Ehrlichkeit sind die beste Medizin für unser Gesundheitswesen.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! In der letzten Dreiviertelstunde haben wir einen ganzen Wust an medizinischen Begrifflichkeiten gehört. Es ist in der Tat für einen Laien und einen normalen Menschen schwierig, hier durchzusteigen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen aufpassen, dass wir in diesem medizinischen Sprachdschungel nicht das Eigentliche aus dem Auge verlieren, um das es uns allen geht, wie hier mehrfach deutlich gemacht wurde: nämlich um eine gute, nachhaltige, effiziente, kompetente und flä
chendeckende Gesundheitsvorsorge und -fürsorge für den Menschen vor Ort. Bei all den Zahlen, die wir diskutieren, und bei all den Gesprächen, die wir mit den Fachleuten führen, muss deutlich werden: Wo geht es denn hin? Kollegin Stewens und Dr. Bauer haben gesagt, dass die Menschen und die Ärzteschaft von uns Politikern zu Recht die Planungssicherheit und eine Angabe verlangen, in welche Richtung wir gehen wollen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier möchte ich einen Aspekt deutlich herausstellen. Über die Situation, dass aufgrund des Budgets in den Praxen nicht einmal mehr die Betriebskosten gedeckt werden können und dass es deswegen reihenweise zu Insolvenzen unter den niedergelassenen Fachärzten kommen könnte, hat der selbsternannte Vordenker der SPD in Sachen Gesundheitspolitik, das Mitglied des Deutschen Bundestages Professor Dr. Lauterbach vor Kurzem auf einem Symposium in Hamburg referiert. Ich darf hier eine wichtige Aussage zitieren, weil diese Überlegung für mich im Mittelpunkt der gesamten Diskussion steht. Professor Lauterbach, SPD-Vordenker, sagt:
Die Krankenhäuser werden sehr viel Wert darauf legen, mit den medizinischen Versorgungszentren schnell an den Markt zu gehen. Es gibt schließlich nur eine begrenzte Zahl von Praxen, die zu haben sind. Dies seien die Praxen der Ärzte im Altersbereich zwischen 45 und 55 Jahren, die zum Teil hoch verschuldet sind, wo aber die Ärzte sehr gut verstehen, dass sie in zehn oder 15 Jahren diese Praxen nicht mehr teuer verkaufen können.
Um diese Weichenstellung geht es in den nächsten Wochen und Monaten, auch im September: Wo wollen wir hin?
Wir wollen kein dirigistisches Gesundheitswesen, wir wollen keine Gleichmacherei in den Praxen, sondern eine Stärkung der freiberuflichen, selbstständigen Ärzteschaft, und zwar nicht aus verbandstaktischen Gründen und nicht deswegen, weil wir einer Lobby nachgeben, sondern weil wir davon überzeugt sind, dass kleine, mittelständische, selbstständige Arztpraxen vor Ort, die subsidiär arbeiten können, näher am Menschen sind und daher menschlicher, nachhaltiger und effizienter Gesundheitsfürsorge und Gesundheitsvorsorge betreiben können.
Frau Kollegin Sonnenholzner, selbstverständlich gibt es daneben auch wichtige Einrichtungen der gesundheitlichen Versorgung, zum Beispiel die Pflegedienste. Der selbstständige, freiberufliche, niedergelassene Arzt ist aber sozusagen Wirbelsäule dieses Systems.
Wir wollen eben keine Einheitspreise, weil sie nicht den Menschen zugutekommen. Durch eine bundesweite Vorgabe von Einheitspreisen wird die regionale Kostenstruktur vollkommen ausgeblendet. Auf eine Nivellierung der Vergütung von heute folgt eine Nivellierung der Qualität von morgen für den Patienten, für den Menschen.
Deswegen wollen wir auch kein Pauschalsystem, weil das nicht nur leistungsfeindlich, sondern auch intransparent ist, weil es die tatsächliche Leistung verbirgt und weil es aufwendige und weniger aufwendige Leistungen gleich behandelt.
Wir begrüßen daher diesen Initiativantrag des Ministerrats, der genau in diese Richtung geht und unsere Zielrichtung klarmacht, dass wir keine staatlich verordnete, dirigistische, zentralistische Staatsmedizin wollen, sondern eine mittelständische, flächendeckende Struktur, in der die selbstständigen Arztpraxen die Wirbelsäule darstellen. Das ist gut so.
Herr Kollege Hintersberger, Sie haben die Redezeit um 1 Minute 17 Sekunden überschritten. So werden Sie nie Oberst bei der Bundeswehr; das kann ich Ihnen gleich sagen.