Protocol of the Session on February 17, 2009

Herr Bauer, Sie sind schon eine Minute drüber, aber da Sie mehrmals gestört worden sind, dürfen Sie zu Ende reden.

Vielen Dank. - Sie haben gefragt, was unsere Vorschläge sind. Lesen Sie auf unserer Homepage nach, darin steht sehr viel, und vor allen Dingen denken Sie daran, allein das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz hat 572 Seiten. Soll ich Ihnen das innerhalb von fünf Minuten erklären? - Ich bin gerne bereit, nachher mit Ihnen zu diskutieren.

Ich fordere Sie auf, zur Kenntnis zu nehmen, dass es nicht auf dem Rücken der Patienten, aber auch nicht auf dem Rücken der Ärzte ausgetragen werden darf, sondern auf dem Rücken der verantwortlichen Politiker, die die Stimme dieser Bürger und dieses Volks nicht mehr verdient haben. - Vielen Dank.

(Beifall bei den Freien Wählern)

Danke schön, Herr Prof. Dr. Bauer. - Als Nächste hat Frau Kollegin Theresa Schopper das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Kollege Bauer, ich war schon ganz gespannt, ob Sie die Katze aus dem Sack lassen, doch habe ich noch nicht einmal das Kätzlein gesehen, was da herauskommt. Ich bin sehr gespannt, vielleicht muss ich wirklich einmal auf die Homepage gehen, um zu erfahren, was Sie Weises haben.

Nun zum Thema der Aktuellen Stunde: Es gab im Gesundheitswesen noch nie so viel Staat, wie wir seit dem 1. Januar in der Bundesrepublik haben. Früher waren die Krankenkassen vergleichsweise unabhängig davon, wie sie die Einnahmeseite gestalten. Jetzt ist es aber mehr oder weniger Staatsdirigismus - mit einem einheitlichen Beitragssatz in Höhe von 15,5 %.

(Beifall bei der FDP)

- Da brauchen Sie aber nicht so viel zu klatschen. Es freut mich, dass Sie einmal eine kleine Übereinstimmung haben.

(Georg Schmid (CSU): Das ist kein Beifall!)

Manchmal kommt es mir so vor, als wären Angela Merkel und Ulla Schmidt allein zu Hause. Niemand ist es gewesen. Niemand war es, der diesen Murks auf die Beine gebracht hat. Ich bin mir nach wie vor sicher, da hat viele dieser 378 Abgeordneten, die zugestimmt

haben, eine Politdemenz heimgesucht. Das, finde ich, ist angesichts der Situation nicht angesagt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eigentlich müsste ein Frohlocken durch die Arztpraxen gehen, wenn man hört: Drei Milliarden Euro mehr bundesweit und auf der Landesseite soll es 294 Millionen Euro mehr geben. Da würde man erst einmal denken: Prima, dann ist das Weihnachtsfest gesichert. - Aber mein Punkt ist, wir wissen zum Teil noch heute nicht, welche Gelder innerhalb der Praxen wie ankommen und wie die Verwerfungen ablaufen. Und genau diejenigen, die gewinnen, sind eigentlich diejenigen, die mit dem Patienten oder der Patientin kaum sprechen: Es sind die Pathologen, die Labormediziner, die Nuklearmediziner. Da, meine ich, läuft doch einiges falsch, wenn die "sprechende Medizin" genau diejenige ist, die nicht mehr in den entsprechenden Genuss kommt.

(Beifall des Abgeordneten Georg Schmid (CSU))

Noch eines will ich sagen. Ich lasse mich in der Politik gerne hauen, aber auch nicht für alles, weil nämlich im Wesentlichen die Selbstverwaltung ihren Beitrag dazu zu leisten hat.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abgeordneten Georg Schmid (CSU))

Das ist nicht ein Punkt, der aufgrund der Versäumnisse der Politik passiert. Auch die Spielräume sind noch zu wenig genutzt. Das möchte ich gerne auch an die Adresse der Kassenärztlichen Vereinigung richten. Für viele Ärztinnen und Ärzte in den Praxen, die gesagt bekommen, sie könnten auch über die freien Leistungen entsprechende Honorarzusätze erwirken gilt: Die Neurologen können es nicht, die konservativen Orthopäden, die konservativen Augenärzte können es auch nicht. Von daher hilft es denen nichts, wenn ich ihnen diesen weisen Rat auf den Weg gebe. Und wenn ich mir anschaue, was zum Teil Belegärzte, mit denen wir gesprochen haben, sagen: Sie haben einen abgesenkten Orientierungswert von 5,5 auf 3,5. Denen wird gesagt, sie müssten über die freien Leistungen, über die Ultraschalluntersuchungen, das Geld reinkriegen. Es kann doch nicht sein, dass ich den Patienten, wenn er in die Praxis kommt, nach diesem Grundsatz, Geld folgt Leistung, von oben bis unten durchschaue, nur um diese Sätze entsprechend auszuschöpfen. Da läuft wirklich einiges faul im Staate Bayern statt im Staate Dänemark. Für mich ist die Regionalisierung der entsprechenden Arzthonorare wirklich ein Mittel, womit, so meine ich, wir Fuß fassen könnten.

(Beifall des Abgeordneten Georg Schmid (CSU))

- Es hat geheißen - das muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen, Herr Schmid -, dass der Minister Söder einen Erfolg hat. Ich habe bereits vor 14 Tagen Skepsis angemeldet. Glauben Sie denn im Ernst, dass der Labormediziner den Überweisungsträger ausgestellt hat, um dann seinen Gewinn an seinen Kollegen, den konservativen Augenarzt zu übertragen? - Da, meine ich, kenne ich mich aber etwas besser aus, dass dies nicht eintreffen wird.

Von daher ist das ein ehrenwerter Ansatz und hoffentlich werden wir auch zu einem Erfolg kommen. Aber eines möchte ich an die Adresse der Ärztinnen und Ärzte richten - das muss auch von der politischen Bühne aus erlaubt sein -: Sie haben den Arztberuf nicht nur wegen der guten Noten oder wegen des hohen Ansehens in der Bevölkerung ergriffen, der Beruf bringt mit Hilfe, Linderung und Heilung ein großes Maß an Verantwortung mit sich. Sie haben einen hippokratischen Eid geschworen. Wer heute Wachkomapatienten nicht mehr zu Hause besucht, sondern sie durch die Stadt fahren lassen will, der hat diesen hippokratischen Eid für mich verwirkt.

(Beifall bei den GRÜNEN und des Abgeordneten Dr. Otto Bertermann (FDP))

Ich möchte nicht, dass diese Politik, die im Wesentlichen von der Kassenärztlichen Vereinigung zu verantworten ist, auf dem Rücken der Patientinnen und Patienten ausgetragen wird. Herr Kollege Dr. Bauer hat die Nachrichten heute früh genauso gehört wie ich. Da gab es viele Widersprüche. Es hat geheißen, die Facharztpraxen bleiben heute geschlossen, die Proteste der Ärzte gehen weiter. Die Ärzte sind aber untereinander uneins. Die Hausärzte schlagen auf die Fachärzte ein, und die Politik sagt, es ist genug Geld im System. Ich glaube, wenn der Versicherte heute früh die Nachrichten gehört hat, weiß er, dass er den Facharzttermin heute stornieren kann. Er weiß aber auch: So teuer, wie die Krankenkasse zur Zeit ist, war sie noch nie.

Den Ärzten hat man gesagt, sie bekommen mehr Geld, aber sie erhalten in den allermeisten Fällen weniger Geld. Von daher brauchen wir mehr Transparenz im System. Auch ich würde gern wissen, wo die 280 Millionen Euro für Bayern hingegangen sind. Wir haben Anträge dazu eingereicht. Wir wollen, dass die Kassenärztliche Vereinigung uns Informationen darüber gibt. Es kann nämlich nicht so weitergehen, dass wir in der Politik zum Prügelknaben gemacht werden. Der Murks, der innerhalb der Großen Koalition gemacht wurde, hat zur Problemlösung auch bezüglich dessen, was uns noch an demografischer Herausforderung blüht, wirklich null Komma null beigetragen. Ich bin mir sicher: Dieser Murks wird uns noch oft auf die Füße fallen.

Ich denke, das Problem müssen wir vor der Bundestagswahl und nach der Bundestagswahl lösen. Als Anhänger der Bürgerversicherung sind wir GRÜNEN hier auf einem guten Weg. Dafür bitte ich um Unterstützung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Als nächster Redner hat Herr Kollege Dr. Zimmermann das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

(Georg Schmid (CSU): Jetzt kommt Sachverstand ins Spiel!)

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Sie hören es an meiner Stimme, ich bin etwas indisponiert. Trotzdem glaube ich, dass wir die Debatte, die uns schon vor 14 Tagen zusammengeführt hat, heute in aller Offenheit miteinander führen sollten.

Bei den vielen Wortmeldungen ist mir eines deutlich geworden: Das ärztliche Abrechnungssystem ist mit dem normalen Menschenverstand nicht mehr nachvollziehbar. Die Besonderheiten und Extratouren, die überall erkennbar sind und die insbesondere bei der Ärzteschaft größte Probleme auslösen, sind mit vernünftigen Maßstäben nicht mehr zu messen.

Es passiert Folgendes: Dem Beitragszahler werden zusätzliche 2,7 Milliarden Euro abverlangt, um die ambulante ärztliche Versorgung sicherzustellen oder noch zu verbessern. Keiner weiß aber - Frau Kollegin Sonnenholzner, Sie haben es auch schon angesprochen -, wo diese 2,7 Milliarden Euro oder die auf Bayern entfallenden 280 Millionen Euro geblieben sind. Wo ist das Geld? Weiß das überhaupt jemand? Der Bürger draußen fragt sich: Sind die Politiker balla-balla? Da wird Geld in das System hineingegeben, und die Ärzteschaft muss ihren Patienten mitteilen, dass sie im gleichen Umfang wie 2007 nicht mehr behandelt werden können, weil es die Honorarreform trotz der zusätzlichen finanziellen Mittel nicht zulässt, die Patienten ordnungsgemäß zu behandeln.

Kolleginnen und Kollegen, ich frage mich: Wie kann das sein? Mir ist ein Brief des Herrn Dr. Köhler - Sie wissen, das ist der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung - mit Datum vom 26. Januar in die Hände gefallen, in dem er alle Vertragsärzte anschreibt. Ich darf zitieren, Herr Präsident.

Bitte schön.

Ich zitiere:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

das neue Jahr hat mit einem Paukenschlag für Sie begonnen. Wahrlich, von jetzt auf gleich ist eine vollkommen neue Honorarwelt auf Sie eingestürzt. Derzeit haben viele Kolleginnen und Kollegen zudem den Eindruck, dass das Geld nicht bei ihnen ankommt.

- Wie ich gerade erwähnt habe.

Die vielen kursierenden Falschinformationen und Gerüchte tun ihr Übriges, um für viel Verwirrung zu sorgen. Die meisten dieser Meldungen sind schlicht und ergreifend nicht seriös. Was das neue System tatsächlich für den Quartalumsatz Ihrer Praxis bedeutet, kann erst nach Abschluss der Abrechnung des ersten Quartals festgestellt werden. Erst wenn die tatsächlichen Zahlen vorliegen, können wir analysieren und, falls notwendig, Korrekturen vornehmen.

Mit diesem Schreiben schildere ich Ihnen den tatsächlichen Ablauf der Dinge. Aber wo ist jetzt die Kassenärztliche Vereinigung, sei es im Bund, sei es im Land? - Die sind alle unter dem Teppich; keiner ist dabei gewesen, als der Bewertungsmaßstab festgelegt wurde. Kolleginnen und Kollegen, ich muss das hier so deutlich ansprechen, weil sich beim Bürger draußen nicht der Eindruck festsetzen darf, dass die Politik einen solchen Murks, wie schon mehrmals angesprochen, tatsächlich zu verantworten hat.

(Beifall bei der CSU)

Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen, dass die Honorarreform nicht Bestandteil des Fonds ist. Darauf lege ich großen Wert. Ich muss sagen, ich persönlich war nie ein Fan des Fonds; das ist hier im Haus allgemein bekannt. Wahrscheinleich hätte man dem SPD-Antrag von damals folgen sollen, den Fonds erst einmal virtuell einzuführen.

(Kathrin Sonnenholzner (SPD): So was!)

- Ja, bitte, man muss sich auch einmal eingestehen können, dass man einen Fehler gemacht hat.

Nach den Erfahrungen in den ersten Wochen dieses Jahres muss man tatsächlich der Auffassung sein, dass es so nicht weitergehen kann, zumal der Selbstverwaltung und den Kassenärztlichen Vereinigungen die Sache völlig entglitten ist. Sie geben es selbst zu, sind aber nicht in der Lage, den Schalter so umzulegen, dass diese Situation rasch bereinigt werden kann.

Vor diesem Hintergrund ist es zu begrüßen, dass das Kabinett heute in einer Resolution die Position des Freistaates Bayern zur Honorarreform deutlich macht. Ich bin auch der Meinung, dass das Anliegen in einer aus

gewogenen Art und Weise in den Bundesrat eingebracht werden soll, um die anderen Bundesländer von unserer Auffassung zu überzeugen. Ich persönlich bin auch der Meinung, dass die Umsetzung des neuen Vergütungssystems, wie in der Resolution vorgesehen, unmittelbar gestoppt werden soll. Ich glaube, dann wieder Ruhe und Zufriedenheit bei meinen ärztlichen Kollegen feststellen zu können.

(Beifall bei der CSU)

Als nächste Rednerin hat Frau Kollegin Sandt das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Unterschied zwischen sozialer Marktwirtschaft und Planwirtschaft ist doch eigentlich ganz einfach: Die Marktwirtschaft funktioniert, die Planwirtschaft hat überall versagt.

(Beifall bei der FDP - Theresa Schopper (GRÜNE): So einfach ist es dann auch wieder nicht! - Ulrike Gote (GRÜNE): Deshalb haben wir die Finanzkrise! - Zuruf des Abgeordneten Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD) - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

- Sie brauchen sich nicht gleich so aufzuregen. Es gibt keinen Grund zur Aufregung. Jeder, der im Geschichtsunterricht aufgepasst hat, weiß das.