Protocol of the Session on June 4, 2013

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Ach was!)

- Ja. Ich sage Ihnen gleich etwas. In der Zwischenzeit gibt es in Deutschland zwölf branchenbezogene Mindestlöhne. Davon haben Sie unter Rot-Grün einen eingeführt, wir haben elf eingeführt. Wir sind gegen einen gesetzlichen flächendeckenden und über alle Branchen gehenden Mindestlohn, weil wir der Meinung sind: Der Staat ist nicht für die Lohnfindung zuständig, sondern die Tarifparteien, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Es gibt aber in der Tat ein Versagen der Tarifvertragsparteien. Dort muss der Staat tätig werden. Wir haben uns – sowohl die Landtagsfraktion der CSU als auch die CDU in den Leipziger Beschlüssen und in der Zwischenzeit, wenn auch etwas später, aber immerhin, auch die FDP – auch dazu bekannt, solche Lohnuntergrenzen auf tariflicher Grundlage einzuführen, damit auf der Grundlage von Tarifvertragsregelungen die Allgemeinverbindlichkeit herzustellen und dort, wo es solche nicht gibt, in der Tat mit einer Kommission tätig zu werden. Das ist eine marktwirtschaftliche Regelung, die auf die verschiedenen Branchen und Regionen in Deutschland Rücksicht nimmt. Wir haben in Deutschland nicht umsonst 1.500 Tarifverträge. Damit kann nämlich auch entsprechend den Bedingungen reagiert werden. Ein einziger gesetzlicher flächendeckender Mindestlohn kann das nicht erfüllen. Deshalb sage ich zu Ihrer Aussage, es gebe keine Alter

native: Doch; es gibt viel bessere Alternativen, die wir umsetzen werden. Ihren Gesetzentwurf lehnen wir aber ab.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Nächster Redner ist, wie angekündigt, Herr Muthmann. Bitte schön, Herr Muthmann. Danach kommt Herr Dr. Runge.

Sehr geehrter Herr Präsident, lieber Kollege Beyer! Beim Einstieg "gutes Geld für gute Arbeit" oder "der Mensch muss von seiner Arbeit leben können" sind wir uns an dieser Stelle völlig einig. Ob dieses Ziel mit diesem Gesetz erreicht wird, sind wir uns noch nicht so sicher. Gott sei Dank ist dies die Erste Lesung, weswegen wir an dieser Stelle vor allem noch ein paar Fragen an die SPD-Fraktion vortragen wollen.

Das Gesetz heißt Gesetz zur Durchsetzung eines Mindestlohns in Bayern. Ich habe schon Zweifel, dass dies richtig ist. Es geht um eine Bindung der öffentlichen Hand. Im Ansatz ist dies auch noch logisch. Es geht aber auch um eine flächendeckende Bindung von Unternehmen, die wir beispielsweise im Rahmen der Wirtschaftsförderung unterstützen wollen, und zwar nur um diese. Sie selektieren also bei der Frage, welche Unternehmen letztlich gebunden sind. Sie führen Mindestlöhne nur für solche Unternehmen ein, die wir fördern wollen oder auch müssen, und lassen anderen, die keine Hilfen brauchen oder keine Hilfen erhalten können, freie Hand. Das erscheint nun nicht logisch. Wir kämpfen im Übrigen mit Maßnahmen der Wirtschaftsförderung seit Jahren um die regionale Wirtschaft gerade in strukturschwachen Regionen. Dort möchten Sie nun schwerpunktmäßig einen Mindestlohn einführen. Das ist fragwürdig und doch diskussionsfähig und -würdig. Das werden wir dann aber im Ausschuss machen.

Zweitens. Sie wollen einen gesetzlichen und flächendeckenden Mindestlohn. Wie sieht es mit der regionalen Differenzierung aus? Hierin ist bei aller Unterstützung der Zielrichtung nach unserer Einschätzung ein Kernproblem zu sehen; denn in München wird nun einmal mehr gezahlt als im Bayerischen Wald oder in anderen strukturschwachen Regionen.

Drittens. Sie geben vor, eine neue Tariftreue bei öffentlichen Auftragsvergaben einführen zu wollen. Das tun Sie nicht, und das dürfen Sie wahrscheinlich auch gar nicht. Stattdessen wollen Sie die Unternehmen verpflichten, sich an Recht und Gesetz zu halten. Ist das notwendig, lautet die Frage; oder ist dies nicht vielmehr nur neue Bürokratie ohne Mehrwert? Müssen wir den Unternehmen wirklich eine weitere Unter

schrift dafür abringen, dass sie sich an das Gesetz halten?

(Dr. Thomas Beyer (SPD): Das Gesetz wird systematisch unterlaufen!)

Viertens. Vielleicht besteht der Mehrwert auch darin, dass Sie neue Sanktionsmechanismen einführen. Wollen wir aber das Problem an dieser Stelle wirklich bei den Strafen oder nicht vielmehr zunächst bei der Frage ansetzen: Wie bekommen wir eine effiziente Kontrolle? Wir müssen die bestehenden Mindestlöhne durchsetzen statt noch mehr deklaratorische Erklärungen abfordern. Bekommen wir das in den Griff, lautet eine weitere Frage.

Nächster Punkt. Was halten Sie eigentlich von Tarifverträgen, die schon für allgemeinverbindlich erklärt sind? Denn Sie sagen, dass solche Tarifverträge doch nicht mehr gelten sollen, wenn sie unter der politisch festgelegten Höhe von 8,50 Euro liegen. So werden diese allgemeinverbindlichen Tarifverträge ausgehebelt. Wird nicht so auch die verfassungsrechtlich vorgegebene Aufgabenverteilung, wer für die Löhne zu sorgen hat, wer Tarifverträge zu machen hat, verschoben, und werden dann die Tarifvertragsparteien nicht durch den Gesetzgeber überholt?

Eine weitere und letzte Frage an dieser Stelle. Wie sind Ihre Erkenntnisse bezüglich der Niedriglöhne im Bereich der staatlichen und kommunalen Beschäftigten? Dazu wollen Sie ja in § 1 Absatz 3 Nummer 1 etwas regeln. Mir ist aber nicht bekannt, dass es da überhaupt ein Problem gäbe.

Wir bitten also, bei den eigenen, bei den staatlichen und kommunalen Beschäftigten jetzt nicht alles durcheinanderzuschmeißen. Vieles wurde durcheinandergeworfen. Aus unserer Sicht sind viele Fragen offen. Wir würden uns freuen, wenn wir das alles im Ausschuss noch beraten könnten.

Was wir nicht mittragen, ist ein Vergabebürokratiemonster, das regionale Besonderheiten nicht mehr berücksichtigt und letztlich die eigentliche Zielsetzung nicht wirklich erreichen kann. Es werden sicherlich noch aufwendige, intensive und spannende Beratungen im Wirtschaftsausschuss zu führen sein.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Der nächste Redner ist Herr Dr. Runge. Ihm folgt Kollege Rohde.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Kollege Beyer hat schon angedeutet, er erwarte, dass die grüne Fraktion in den Beratungen den Gesetzentwurf wohlwollend begleiten

werde. Selbstverständlich werden wir das tun. Sie kennen unsere Initiativen, und wir kennen die Ihrigen.

Es geht um zwei Kernziele. Zum einen handelt es sich um die Forderung nach einem generellen Mindestlohn in Bayern, zum anderen um eine Tariftreueregelung für Bayern.

Was den Mindestlohn betrifft, so kann es – Kollege Beyer hat es ausgeführt – nicht angehen, dass es hierzulande immer mehr Menschen gibt, die in Vollzeit arbeiten, aber kein auskömmliches Arbeitsentgelt erhalten. Es kann nicht angehen, dass es immer mehr Aufstocker gibt. Es kann nicht angehen, dass es manche Unternehmen gibt, die zulasten des Staates und damit letztlich der Steuerzahler die Hand aufhalten.

Herr Huber, Ihre Argumentation kennen wir schon. Im Grunde sind Sie ja sogar schon etwas umgeschwenkt. Ihre Argumentation: "Einen Mindestlohn bejahen wir, aber er muss tariflicher Art sein." Das bedeutet tarifliche Untergrenzen. Wir wissen alle, wie es da läuft.

Herr Kollege Muthmann, Ihre Frage – vielleicht war es eine rhetorische Frage – hat mich schon verwundert. Auch bei der öffentlichen Hand läuft es so, wie Sie es gesagt haben. Die Tarifflucht ist doch ein ganz leichtes Unterfangen. Man geht viel zu leicht in Bereiche hinein, in denen es gar keinen Tarif gibt. Dies exerziert die öffentliche Hand viel zu oft vor, gerade auch Kommunen. Ich nenne zum Beispiel Landratsämter, die den Postdienst oder die Pforte auslagern, damit man nach einem anderen Tarif, nämlich dem des Bewachungsgewerbes, zahlen kann. Ich denke dabei auch an das kommunale Krankenhaus, welches Töchter gründet, damit die Pflegehelferinnen und Pflegehelfer deutlich schlechter bezahlt werden können. All das ist üblich.

Wenn dann gesagt wird, tarifliche Lohnuntergrenzen seien die Lösung, dann muss ich sagen: In unseren Augen sind die nicht die Lösung. Mindestlöhne machen Sinn und sind in unseren Augen dringend angesagt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bezüglich der Tariftreueregelung erinnere ich mich an 1996. Da kam ich ganz frisch in den Landtag. Da ging es um den Beschäftigungspakt Bayern. Ein Teil dieses Paktes war die Tariftreue- und Nachunternehmererklärung. Der damalige Ministerpräsident und der Wirtschaftsminister haben diese Regelung über den grünen Klee gelobt.

Das alles hat sich bewährt. Zwar gab es den einen oder anderen Fallstrick – es ist nicht alles so gelebt

worden, wie es auf dem Papier stand -, aber in unseren Augen gab es keine Notwendigkeit für das, was 2009 passiert ist. Zuerst hatten wir eine nichtgesetzliche Regelung, die irgendwann gesetzlich wurde, indem sie in das Bayerische Bauaufträge-Vergabegesetz geschrieben wurde. Diese Regelung wurde Ende 2009 nach dem Rüffert-Urteil ersatzlos gestrichen.

Es ist schon dargelegt worden: Mittlerweile gibt es mehr Bundesländer, die eine entsprechende Regelung haben, als vor dem Rüffert-Urteil. Es gibt sehr wohl einen europarechtskonformen Weg. Der ist alles andere als eine riesengroße Bürokratie, Herr Kollege Muthmann. Man differenziert hier, so wie es das Urteil hergibt. Wo die öffentliche Hand der alleinige Nachfrager ist bzw. eine überragende Nachfragemacht hat, gilt der repräsentative Tarifvertrag. In den Branchen, die unter das Arbeitnehmerentsendegesetz fallen – Bauhaupt- und Baunebengewerbe, aber auch viele andere Bereiche -, gilt mindestens der branchenspezifische Mindestlohn. Das Ganze wird durch den Mindestlohn flankiert, um den es hier ja auch geht.

Wir hielten es für gut, wenn Bayern wieder zu einer solchen Regelung käme. Bayern hätte dann eine Vorbild- und Vorreiterfunktion. So könnte man den einen oder anderen Missstand, den es bei öffentlichen Vergaben gibt, beheben. Es wäre also sinnvoll und zielführend, wenn wir darüber zu einer positiven Debatte kämen.

Herr Kollege Beyer hat Ihnen – zum Ärger der Dame, die hinter ihm sitzt – ja schon die Hand gereicht. Das Stichwort ist Frauenförderung. Vielleicht kommen wir mit dem Gesetzentwurf der SPD insgesamt weiter.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der nächste und vorläufig letzte Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist Herr Kollege Rohde.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Beyer, ich bin sehr erstaunt, wie aufmerksam Sie die FDP-Parteitage verfolgen. Dies hat mich sehr gefreut. Wir wussten, dass unsere Parteitage sogar bei der Sozialdemokratie immer auf großes Interesse stoßen. Respekt!

Wahrscheinlich haben Sie den Fernseher eingeschaltet, weil es um das Thema Mindestlöhne geht und Sie neugierig waren, was die FDP auf dem Gebiet macht.

Heute machen Sie es uns natürlich sehr einfach, indem Sie in Ihren Gesetzentwurf den flächendeckenden branchenunabhängigen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro hineinschreiben. Da kriegen Sie von

jedem FDPler, egal, an welcher Stelle, eine Neinstimme; das gibt es überhaupt nicht.

Es mag sein, dass Sie mit dem Gesetzentwurf hehre Ziele verfolgen. Sie haben umrissen, was Sie möchten. Aber ich sage Ihnen auch: Mit diesem Gesetzentwurf werden Sie es nicht schaffen. Unter "Lösung" verstehen Sie den Grundsatz, dass das Unternehmen sagen muss, es werde sich an Tarifverträge halten und Mindestlöhne zahlen.

Es kann zwei Arten von Unternehmern geben. Einmal ist an den böswilligen Unternehmer zu denken, selbst wenn es ihn eigentlich nicht gibt. Der sagt: Ich habe eine Sekretärin; ich bewerbe mich um den öffentlichen Auftrag; meine zehn Unterauftragnehmer mit Werkverträgen habe ich nicht so im Griff, aber ich zahle meiner Sekretärin die 8,50 Euro. Das wäre eine mögliche Skizzierung des einen Unternehmers.

Dann gibt es natürlich den Unternehmer, der mit bestem Wissen und Gewissen sagt: Ja, wir machen das; wir haben aber jemanden drin, der einen Werkvertrag hat. Aber der Unternehmer hintergeht diesen. Dieser kann es nicht kontrollieren, weil er keinen Einfluss hat. Auch da wird die Begründung schwierig.

Man kann also die Regelung, die Sie vorschlagen, umgehen. Da frage ich mich: Ist es die richtige Regelung, mit der man das gewünschte Ziel erreichen kann?

Sie haben die Lohnkommission skizziert. Eine Lohnkommission würde ich mir immer ohne Gesetzgeber wünschen. Jetzt sind wir natürlich im öffentlichen Bereich. Da kann man überlegen, ob man zum Beispiel die kommunalen Spitzenverbände an diese Stelle setzt. Dann wäre niemand von der Staatsregierung dabei. Wenn sich dann die Spitzenverbände und die entsprechenden Gewerkschaften einig sind, kann die Staatsregierung, im Zweifel auch eine Bundesregierung etwas für allgemeinverbindlich erklären, nämlich dahin, dass Lücken, die es für eine Tarifflucht möglicherweise gibt, geschlossen werden.

In europarechtlicher Hinsicht stelle ich Ihnen die Frage, ob das, was Sie gesagt haben – Sie haben eine Reihe von Bundesländern aufgeführt, in denen es das schon gibt -, schon überprüft worden ist. Es muss ja vor Gericht Bestand haben. Wir dürfen jetzt nicht etwas machen, was revidiert werden muss; denn gegen das Europarecht haben wir schon verstoßen. Ich würde mir Gewissheit wünschen.

Zwei meiner Vorredner haben schon auf sehr interessante Punkte hingewiesen. Herr Huber hat den Gesichtspunkt der Konnexität herausgegriffen. Das ist absolut richtig. Aber in der Debatte muss das zumin

dest geprüft werden. Wenn wir in Bayern ein Gesetz verabschieden, das die Kommunen mit Mehrkosten belastet, müssen wir doch Geld hinterherschicken. Wir sind jetzt in der Ersten Lesung; da greife ich nur die interessanten Punkte heraus.

Auch Herr Kollege Muthmann hat einen interessanten Punkt genannt: die Aushebelung anderer, bestehender Tarifverträge. Aushebelung darf natürlich nicht passieren.

Ich bin jedenfalls gespannt, wie die Debatte verläuft. Aus der Sicht der Liberalen kann man dem Gesetzentwurf, wie er jetzt vorliegt, nicht zustimmen.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Runge?