Es wäre schön, wenn das Wirtschaftsministerium entweder gar nicht zuhört oder seine organisatorischen Gespräche auf einen späteren Zeitpunkt verlegt.
Wir sind davon überzeugt, dass es eine Untergrenze gibt, unter der niemand dazu gezwungen werden darf, seine Arbeitskraft auf den Markt zu tragen.
In diesem Sinne ist der Anspruch auf Mindestlohn ein Menschenrecht. Die Synode meiner Kirche, die Synode der Evangelischen Landeskirche, hat es vor Kurzem genauso formuliert, als sie einen Antrag auf Einführung von Mindestlohn gebilligt hat. Wir alle, die wir uns engagiert haben, haben uns darüber geärgert,
wie die Evangelische Kirche beim Thema Stille Tage gekniffen hat. Hier allerdings bin ich auf meine Kirche stolz, dass sie hier endlich ein klares Signal in die gesellschaftliche Debatte ausgesendet hat.
Der Mindestlohn – darüber hätte ich gerne mit Herrn Zeil gesprochen – ist auch wirtschaftlich vernünftig. Aufzustocken heißt nichts anderes, als dass die öffentlichen Kassen, also wir alle, Dumpinglöhne subventionieren. Deshalb ist der Mindestlohn auch volkswirtschaftlich ein Gebot der Stunde.
An diesem Punkt hätte Kollege Zeil in der Tat heute etwas lernen können. Mitte Mai hat die FDP einen Bundesparteitag in Nürnberg veranstaltet. Das ist nicht weiter erwähnenswert. Es wäre auch nicht erwähnenswert, dass Herr Zeil dort geredet hat, wenn er sich dort nicht selbst gegen die Micky-Maus-Versuche der FDP gewandt hätte, eine irgendwie geartete Mindestlohnuntergrenze zu konstruieren. Er hat auf diesem Parteitag die Delegierten wissen lassen, dass es keine Geschäftsmodelle gebe, die auf Mindestlöhnen aufbauen. Das haben noch nicht einmal die Delegierten der FDP geglaubt. Das sollte uns zu denken geben. Minister Zeil ist mit seiner Position durchgefallen.
Selbst wenn das Herrn Zeil noch nicht zu denken gegeben hat, hätte ihm zumindest drei Tage später eine Reportage im Ersten Deutschen Fernsehprogramm über Werkverträge bei Daimler Benz zu denken geben müssen. Ich zitiere aus einer E-Mail, die unsere Fraktion erreicht hat:
Wie stellt sich Ihre Fraktion dazu, dass die Spedition XY dubiose Werkverträge mit der Daimler AG unterhält, bei der die
"Fremdarbeiter" gerade einmal 900 Euro netto für eine Arbeit am Band bekommen? Das ist weniger als ein Drittel der Stammbelegschaft, die aber das Gleiche tut. Am Monatsende gehen diese Vollzeitbeschäftigten zum Arbeitsamt und erhalten eine Hartz-IV-Aufstockung. Das summiert sich im Jahr auf über 8 Milliarden Euro.
Wer da noch sagt, dass es keine Geschäftsmodelle gibt, die auf Dumpinglöhne setzen, kennt schlichtweg die Wirklichkeit nicht. Der kann aber auch nicht Wirtschaftsminister sein.
Vor diesem Hintergrund und angesichts der Tatsache, dass ein Mindestlohn wegen der Verweigerungshaltung von Schwarz-Gelb auf Bundesebene nicht zu erwarten ist, gehen wir in Bayern erneut in die Offensive. Wir sagen: Der Freistaat Bayern, die Gemeinden und die Gemeindeverbände müssen eigene Handlungsspielräume nutzen, um dem Problem von Niedriglöhnen beizukommen. Das ist der erste Teil des Gesetzentwurfs, das Gesetz zur Durchsetzung eines Mindestlohns.
In unmittelbarem Zusammenhang mit dem ersten Teil steht der zweite Teil des Gesetzentwurfs, die Regelungen des Vergabewesens. Sie wissen, dass das Bayerische Bauaufträge-Vergabegesetz aufgehoben wurde, weil es der vom Europäischen Gerichtshof kritisierten niedersächsischen Regelung entsprach. Es gibt aber auch die Möglichkeit, einen europarechtskonformen Mindestlohn einzuführen und darauf aufbauend Vergaberegelungen zu treffen. Die Länder Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Thüringen haben die Kritik des Europäischen Gerichtshofs bereits zum Anlass genommen, neue europarechtskonforme Vergabegesetze zu erlassen. In den Ländern Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt haben die Regierungen Entwürfe einer darauf ausgerichteten Gesetzgebung vorgelegt. In Sachsen und in Hessen liegen auf das gleiche Ziel gerichtete Gesetzentwürfe der Opposition vor. Daher ist es auch in Bayern an der Zeit, den Entwurf eines europarechtskonformen Vergabegesetzes vorzulegen.
Wir tun das und gehen den Weg, den uns das Urteil des Europäischen Gerichtshofs weist. Wir knüpfen daran an. Eine Vergabe ist nur dann möglich, wenn die Unternehmen sich verpflichten, dort, wo das Arbeitnehmer-Entsendegesetz gilt, mindestens den allgemeinverbindlichen Tariflohn zu bezahlen. Durch die europäische Gesetzgebung ist es auch ermöglicht worden, dass bei Verkehrsunternehmen der spezifische Tariflohn gelten muss. Hierzu ein Hinweis: Der Freistaat Bayern bekommt im Jahr über eine Milliarde Euro vom Bund, um Nahverkehrsleistungen durch SBahnen oder Regionalbahnen einzukaufen. Wir sagen: Der Freistaat soll diese Leistungen bei den Unternehmen einkaufen, die ordentlichen Lohn bezahlen und Vergaben nicht mit Dumpingangeboten erschleichen.
Nur dort, wo Tariflöhne nicht gezahlt werden, muss eine vergaberechtsspezifische Mindestlohnregelung
Nun noch einmal zur Durchsetzung des Mindestlohns: Für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Gemeinden, der Gemeindeverbände und des Freistaates ist der Mindestlohn grundsätzlich mit dem tariflichen Lohn erfüllt. Selbstverständlich gehen hier die Regelungen des öffentlichen Dienstrechts vor. Wenn der Freistaat aber Dritte beauftragt, verlangen wir, dass insbesondere dann, wenn Fördermittel oder Zuwendungen ausgereicht werden, ein Mindestlohn bezahlt werden muss. Es ist nicht einzusehen, dass im Sozialwesen tarifgebundene Unternehmen von Unternehmen unterlaufen werden, die nicht tarifgebunden sind, die aber die gleiche Förderung bekommen. Das ist nichts anderes als die Förderung spezifischer Gewinninteressen.
Die FDP und die CDU/CSU wissen noch nicht genau, wie sie hier handeln wollen. Ich war gestern bei einer Diskussion mit der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. Dort hat Herr Blume gesagt, dass zwar etwas für die Arbeitnehmerrechte gemacht werde, aber nicht gesetzgeberisch, sondern "eher flankierend". Die Mindestlöhne sollten doch lieber die Tarifparteien vereinbaren. Wir nehmen Sie ernst. Wir schlagen eine Mindestlohnkommission vor, die aus zwei Vertretern der Spitzenorganisationen der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber und aus zwei Vertretern der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besteht. Zusätzlich soll der Kommission ein vorsitzendes Mitglied angehören, das durch das Arbeitsministerium, das Staatsministerium von Frau Haderthauer, bestellt wird. Damit schlagen wir eine Regelung vor, die die Tarifparteien mit einbezieht. Diese Regelung sieht nicht vor, dass der Gesetzgeber tätig wird. Der Gesetzgeber wird einmalig tätig, indem er nach unserem Entwurf zum 1. September 2013 mit einem Mindestlohn von 8,50 Euro die Startlinie zieht. Die weitere Entwicklung bestimmt dann die paritätisch besetzte Kommission.
Alle die, die aus Gründen der Parteiräson das Wort Mindestlohn nicht in den Mund nehmen, sondern von Lohnuntergrenzen reden, die damit aber bei den Menschen den Eindruck erwecken, sie meinten das Gleiche, können diesem Gesetzentwurf zustimmen. Er enthält eine Regelung, die gegenüber der Tarifautonomie im öffentlichen Recht nachrangig ist, die aber die Tarifparteien an die entscheidende Stelle setzt. Verehrte Kolleginnen und Kollegen der FDP und der CSU, wenn Sie es ernst nehmen – ich weiß, dass es einige ernst meinen -, können Sie diesem Entwurf zustimmen.
Ich möchte ausdrücklich noch erwähnen, dass die GRÜNEN mit uns schon einmal für eine ähnliche Regelung gekämpft haben. Lieber Kollege Dr. Runge, ich erinnere mich noch daran, dass wir mit Matthias Jena unseren Entwurf vorgestellt haben. Das war der erste Versuch. Ich hoffe, wir gehen auch jetzt Seit an Seit. Jetzt sind die Kollegen und Freunde der FREIEN WÄHLER an der Reihe. Auf den Wahlveranstaltungen bringen es die FREIEN WÄHLER immer wieder fertig, sich zwischen hart kapitalistischen und fast schon sozialistischen Argumenten zu bewegen, wenn zwei Leute auf der Bühne sitzen. Der Vorsitzende schafft es in einer Person, sonst brauchen die FREIEN WÄHLER zwei dazu. Immer wieder hört man aber, dass ihr die Sozialen seid. Bei unserem ersten Versuch hat Kollege Muthmann gesagt, die FREIEN WÄHLER würden den Weg, dass es natürlich einen Mindestlohn geben müsse, mitgehen. Der Entwurf sei aber zu bürokratisch, außerdem würden damit Frauen gefördert, und der Vergabe würde die Ökologie zugrunde gelegt. Wir haben als Angebot für die FREIEN WÄHLER den Gesetzentwurf um diese Themen bereinigt. Jetzt kommt es darauf an: Wollt ihr tatsächlich, dass wir eine Regelung schaffen, die unter Heranziehung der Tarifparteien die Möglichkeit schafft, dass Menschen, Männer und Frauen, nur mehr zu einem anständigen Gehalt arbeiten dürfen? Frau Kollegin Zacharias, Sie haben das Angebot an die FREIEN WÄHLER bewusst missverstehen wollen. Die FREIEN WÄHLER sind im Moment allerdings nur noch männlich vertreten. Ich glaube, wir sprechen damit gleich die Richtigen an.
Ja, ich komme zum Ende. Ich möchte nur noch darauf hinweisen, dass wir bei den Beratungen im Ausschuss Zeit haben, über dieses Thema zu diskutieren. Ich würde mich aber freuen, wenn die Brücken, die wir mit diesem Gesetzentwurf bauen, angenommen werden.
Ich würde mich schon heute freuen, wenn die Tatsache "wer ordentlich arbeitet, wird auch ordentlich bezahlt" nicht nur in Ihren, den schwarz-gelben Wahlkampfveranstaltungen gebracht würde, sondern wenn sie auch Eingang in unsere Aufgabe, nämlich die Gesetzgebung, finden würde.
Der nächste Redner ist Herr Kollege Huber. Er ist schon unterwegs. Ihm folgt dann Herr Kollege Muthmann. Bitte schön, Herr Kollege Huber.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Da Herr Kollege Dr. Beyer sagte, er sei stolz auf diesen Gesetzentwurf, muss ich zunächst darauf hinweisen, dass dies offenbar eine Aktion ist, die unter den SPD-Fraktionen im Bund und in den Ländern abgestimmt ist.
Im Wesentlichen hat die SPD-Landtagsfraktion Gesetzentwürfe ihrer Kollegen aus den anderen Ländern abgeschrieben. Meine Damen und Herren, das ist also ein Plagiat.
Das heißt aber nicht, dass wir uns damit nicht inhaltlich auseinandersetzen. Wenn Sie es selbst nicht besser gewusst haben, dürfen Sie abschreiben. Das habe ich bei der SPD Bayern sowieso unterstellt.
Zweitens. Wenn Sie schon abschreiben, sollten Sie doch auch die besonderen bayerischen Verhältnisse berücksichtigen, beispielsweise das Konnexitätsprinzip, das in der Bayerischen Verfassung strenger als in anderen Ländern niedergelegt ist. Wenn Sie also die Kommunen zu einem bestimmten Mindestlohn verpflichten wollen, dann hat dies entweder keine Wirkung – dann können wir Ihren Gesetzentwurf sowieso vergessen – oder es führt zu Mehrbelastungen der Kommunen. Dann müssten Sie diese ausgleichen. Eine Konnexitätsregelung ist in Ihrem Gesetzentwurf aber nicht enthalten. Deshalb würde er im Falle der Wirksamkeit in Bayern schon verfassungswidrig sein.
- Was heißt da Erbsenzähler? Sie sagen doch immer: kommunalfreundlich, vergessen dann aber die kommunalspezifischen Regelungen. Eigentlich könnte ich damit meine Rede schon beenden, weil damit schon alle Gründe für die Ablehnung genannt worden sind. Ich will mich aber, weil ich Kollegen Dr. Beyer schätze, mit dieser Sache auch auseinandersetzen.
Erstens. Sie bedauern in Ihrem Vorwort, dass es so viele atypische Arbeitsverhältnisse gibt, beispielsweise Zeitarbeitsverhältnisse, Arbeitsverhältnisse unter Hartz-IV-Bedingungen und dergleichen mehr. Ich möchte doch einmal darauf hinweisen, wer dies vor zehn Jahren eingeführt hat – nämlich die SchröderRegierung unter Rot-Grün. Das ist die Grundlage. Die Agenda 2010 ist die Grundlage für alle diese atypischen Arbeitsverhältnisse.
Zweitens. Wir haben diesen atypischen Arbeitsverhältnissen viele Giftzähne gezogen – wir, nicht Sie –, beispielsweise, indem wir bei der Zeitarbeit Lohnuntergrenzen eingeführt haben – bei Ihnen gab es das nicht –, indem wir bei Hartz-IV-Verträgen jetzt die Rentenversicherungspflicht eingeführt haben, indem wir bei Hartz IV nicht nur die Sätze angehoben haben, sondern auch Verbesserungen für Kinder eingeführt haben. Das alles sind Verbesserungen, die unter Schwarz-Gelb stattgefunden haben, nicht unter RotGrün, meine Damen und Herren.
Sie vergießen Krokodilstränen. Diese atypischen Arbeitsverhältnisse wurden letztlich im Wesentlichen von Ihnen selbst verursacht.