Protocol of the Session on January 29, 2013

(Joachim Unterländer (CSU): Tarifautonomie!)

- Die Tarifautonomie ist völlig in Ordnung. Warum aber soll der Staat dafür zahlen, wenn sich die Tarifpartner nicht einigen? Wenn ein Arbeitgeber keine Untergrenzen für einen Mindestlohn will, gibt es keinen Mindestlohn. Da haben wir jetzt lange zugeschaut. Deswegen müssen wir uns einbringen.

(Volkmar Halbleib (SPD): Soziale Ausbeutung!)

Wieso machen es andere EU-Staaten und nur wir in Deutschland nicht? Das müssen Sie mir erklären.

In der Tat müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie die Lebensphasen besser abgesichert werden, in denen Frauen und Männer keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können, weil sie Angehörige pflegen oder Kinder erziehen. Weder die Erziehung der eigenen Kinder noch das Pflegen von Angehörigen darf zur Armutsfalle werden. Vor allem darf Armut im Alltag nicht weiblich sein. Für uns ist es eine Frage der Gerechtigkeit, dass die Anrechnungszeiten für die Erziehung von Kindern, die vor 1992 geboren sind, ausgeweitet werden. Wir müssen das endlich tun. Sie sind am Ruder. Sie haben auf Bundesebene die Macht. Sie könnten das hinkriegen, wenn Sie es wollten. Sie wollen das aber nicht. Sie wollen die Bevölkerung täuschen. Meine Damen und Herren, das nehme ich Ihnen übel.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Dr. Strohmayr. Ihr wird dann Frau Kollegin Karl folgen.

Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen! Wenn ich den Dringlichkeitsantrag der CSU und der FDP lese, fällt mir dazu nur ein einziges Wort ein, und das heißt "Verarschung".

(Beifall bei der SPD)

Wir diskutieren heute über die Gleichstellung bei der Rente für Mütter, die ihre Kinder vor dem Jahr 1992 geboren haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, für uns Sozialdemokraten ist diese Gleichstellung eine Selbstverständlichkeit. Ich selbst bin Mutter eines Sohnes, der im Jahr 1992 geboren wurde und frage mich natürlich, mit welchem Recht ich Rentenansprüche bekommen soll, die eine Mutter, deren Kind ein paar Monate älter ist, nicht bekommt. Das ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, gegen die etwas getan werden muss. Wenn ich mir diesen Dringlichkeitsantrag ansehe, frage ich mich, was dieses Schauspiel soll. Die CSU ist in Bayern seit circa 50 Jahren an der Macht. Seit acht Jahren regiert sie im Bund mit.

(Alexander König (CSU): Das hat sich auch bewährt!)

Und auch die FDP regiert nun schon seit fast fünf Jahren. Was ist seither für die Frauen passiert? Nichts.

(Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der CSU und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU und der FDP, neun Monate vor der Wahl ist Ihnen das Thema Frauen eingefallen. Mir fallen dazu nur zwei Wörter ein, nämlich "Wahlkampf" und "Verarschung".

(Beifall bei der SPD - Alexander König (CSU): Diese Ausdrucksweise!)

Sie bringen in Ihrem Dringlichkeitsantrag keinen einzigen Vorschlag für eine realistische Gegenfinanzierung, obwohl dieses Vorhaben 13 bis 14 Milliarden Euro kosten soll. Ihr Finanzminister im Bund hat bereits abgewinkt und gesagt, dass keinerlei Spielraum für diesen CSU-Parteitagsbeschluss bestehe.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

(Philipp Graf von und zu Lerchenfeld (CSU): Können Sie sagen, wann?)

Liebe Kollegen und Kolleginnen, wir Sozialdemokraten sind für eine finanzielle Besserstellung der Mütter, die ihre Kinder vor dem Jahr 1992 geboren haben, um der Altersarmut bei Frauen vorzubeugen. Und Armut ist auch im reichen Bayern ein Dauerthema! Ich kann mich an unzählige Debatten zu diesem Thema erinnern. Jahr um Jahr debattieren wir hier den Sozialbericht und andere Gutachten, die feststellen, dass die Frauen in Bayern am stärksten von Armut betroffen sind. Die Zahlen wurden schon genannt. Für Alleinerziehende gibt es eine Armutsgefährdungsquote von 40 %. 28,3 % der alleinstehenden Frauen über 65 Jahren sind von Armut gefährdet, das ist jede dritte Frau. Ich halte das für einen wirklichen Skandal.

(Beifall bei der SPD)

Frauen bekommen in Bayern gerade einmal die Hälfte der Rente, die den Männern zusteht, zirka 500 Euro im Monat. Das ist nicht hinzunehmen. Wir sind der Meinung, dass die Armutsbekämpfung in Bayern ein ganzes Maßnahmenpaket erfordert. Wir fordern seit Längerem eine ordentliche Einkommensentwicklung für alle. Dazu gehört zum Beispiel der gesetzliche Mindestlohn, den meine Kollegin gerade genannt hat. Nötig sind außerdem eine Stärkung der Tarifbindung sowie gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Ich möchte Sie daran erinnern, dass hier in Bayern die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen in den letzten Jahren sogar noch gestiegen ist, nämlich von 24 auf 26 %. Das ist Ihre Politik.

(Beifall bei der SPD - Alexander König (CSU): Das ist Tarifpolitik, Frau Kollegin!)

Wir brauchen eine Eindämmung der prekären Minijobs, mehr Vollzeit- statt Teilzeitstellen und mehr Unterstützung für berufstätige Frauen. Wir brauchen mehr Kinderbetreuungsmöglichkeiten, flexiblere Arbeitszeitmodelle, Ganztagsschulen und vieles mehr.

(Alexander König (CSU): Das haben Sie aus unserem Kreuther Papier abgeschrieben!)

Darüber hinaus brauchen wir natürlich eine bessere Absicherung von ALG-II-Zeiten und von Kindererziehungszeiten. Wir brauchen aber auch Verbesserungen für Frauen, die Pflegearbeit leisten. Dazu habe ich heute gar nichts gehört.

Für die Vermeidung von Altersarmut ist weiterhin die Gleichstellung von Frauen im Berufsleben wichtig. Ich nenne hier einige Themen, die Ihnen völlig fremd sind, zum Beispiel bessere Aufstiegschancen für Frauen, die Frauenquote und das Führen in Teilzeit. All diese Punkte gehören für mich und uns in ein vernünftiges Konzept zur Vermeidung von Altersarmut bei Frauen.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte noch kurz einige Möglichkeiten der Gegenfinanzierung nennen, die Ihnen offenbar nicht eingefallen sind. Mir ist zum Beispiel spontan das Betreuungsgeld eingefallen. Diese Leistung soll über zwei Milliarden Euro p. a. verschlingen, obwohl sie Frauen davon abhält, erwerbstätig zu werden und sich dadurch selbst Rentenansprüche zu verdienen. Das ist widersinnig.

(Beifall bei der SPD)

Auch eine Reform des Ehegattensplittings würde ein Einsparungspotenzial bieten. Dabei geht es um bis zu 24 Milliarden Euro. Auch da müssen wir rangehen, wenn wir Verbesserungen bei der Rente erreichen wollen. Ich möchte als Fazit festhalten: Verkaufen Sie uns Frauen nicht für dumm.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden den Dringlichkeitsanträgen der CSU und der FDP sowie der FREIEN WÄHLER nicht zustimmen. Dem Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN werden wir zustimmen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Frau Kollegin Sandt, jetzt hätte ich Sie beinahe übersehen. Ich erteile Ihnen das Wort zu einer Zwischenbemerkung.

Frau Dr. Strohmayr, Sie haben sich gerade darüber empört, wer wann was nicht geändert hat. Ist Ihnen bekannt, dass die Festlegung für die Anerkennung der Kindererziehungszeiten für nach 1992 geborene Kinder unter der Regierung Schröder beschlossen wurde? Damals waren bekanntlich die SPD und die GRÜNEN an der Regierung. SPD und GRÜNE hätten es damals in der Hand gehabt, diese Regelung zu ändern. Sie haben sie nicht geändert. Wir ändern sie jetzt.

(Beifall bei der FDP)

Bitte schön, Frau Kollegin Dr. Strohmayr.

Sehr geehrte Frau Kollegin, ich möchte Sie nur daran erinnern, dass seit dieser Zeit einige Jahre ins Land gegangen sind. Sie hätten die Uhren längst zurückdrehen können!

(Beifall bei der SPD)

Jetzt erteile ich Frau Kollegin Karl das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Kinder sind in den Jahren 1984, 1986, 1989 und 1990 geboren. Ich bin somit eine der Mütter, über die heute so viel geredet wird. Ich glaube, es macht Sinn, dass einmal eine Betroffene dazu das Wort ergreift.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, für meine Fraktion sage ich: Natürlich gibt es keine Kinder erster und zweiter Klasse. Es ist völlig egal, ob sie vor 1992 oder danach geboren sind. Deshalb muss diese Gerechtigkeitsfrage bei der Rente gestellt werden.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb hat die Bundes-SPD in ihrem neuen Rentenkonzept festgelegt, dass ein Konzept für die Realisierung der Angleichung von Anrechnungszeiten erarbeitet werden soll. Genau dies werden wir ab Herbst in Regierungsverantwortung in Berlin auch tun.

(Beifall bei der SPD)

Wie geht denn die CSU mit diesem Thema um? − Meines Wissens ist sie immer noch Teil der Bundesregierung.

(Zuruf von der SPD: Noch!)

Hat die CSU die CDU von der Wichtigkeit dieses Themas überzeugt wie wir unsere Bundespartei? − Mitnichten! Hat sie im Kabinett eine Mehrheit für dieses Projekt erkämpft? − Mitnichten! Ganz im Gegenteil, es gab eine Vollklatsche von Finanzminister Schäuble, der dafür gar kein Geld ausgeben will. Das war also eine Niederlage für die CSU auf der ganzen Front.

(Beifall bei der SPD)