Simone Strohmayr
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Last Statements
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst ein mal einen wunderschönen guten Morgen. Es ist ein hartes Los, als erste Rednerin nach diesem wunder baren Fest im Schloss Schleißheim zu reden. Den noch möchte ich die Gelegenheit nutzen, um Sie mit einem Thema wachzurütteln, das mir ganz besonders am Herzen liegt.
Ich möchte Sie überzeugen, dass die Gleichstellung endlich auch in Bayern reformiert werden muss.
Sie erinnern sich vielleicht noch an den Amtsantritt von Horst Seehofer. Er verkündete vollmundig, er wolle Frauen endlich besser fördern. Vor allem wollte er die CSU weiblicher machen. Das Jahr 2011 hat er zum Jahr der Frau erklärt. Ich frage Sie: Was ist seit her geschehen?
Wenn ich auf die Reihen der CSU schaue, dann sehe ich fast ausschließlich Männer. Von über 90 Sitzen sind gerade einmal 19 von Frauen besetzt. Glaubt man der Presse, dann soll sich dieses Verhältnis noch verschlechtern; denn viele Frauen in der CSU-Frak tion hören auf und werden oft männliche Nachfolger haben.
Wie sieht es in der Regierung aus? Nachdem der Mi nisterpräsident fünf Jahre Zeit hatte, Frauenförderung hier in Bayern umzusetzen, sind von elf Ministern ge rade einmal drei Frauen. Eine von diesen Frauen ist unsere Sozialministerin, die leider jetzt noch nicht da ist. Am Beispiel der Sozialministerin möchte ich Ihnen schildern, wie Frauenpolitik hier in Bayern aussieht. Sie erinnern sich vielleicht daran, dass der Frauenför derer Seehofer als eine seiner ersten Taten das So zialministerium – damals war es noch das Sozial- und Gesundheitsministerium – zurechtgestutzt hat. Die Gesundheitspolitik hat man Frau Haderthauer nämlich nicht zugetraut. Aber das Frauenthema hat man ihr immerhin belassen.
- Das ist noch einmal eine andere Fragestellung. – Aber immerhin ist Frau Haderthauer zumindest formal für Frauen in Bayern zuständig, aber eben nur formal; alleine die Tatsache, dass sie heute nicht anwesend ist, zeigt, wie sehr ihr das Thema Gleichstellung am Herzen liegt.
Ein besonderes Engagement von Frau Haderthauer habe ich jedenfalls bei diesem Thema nicht bemerkt. Der Sozialbericht liefert verheerende Zahlen. Es ist längst klar: Frauen leben hier in Bayern oft mehr schlecht als recht. Vor allen Dingen alleinerziehende und ältere Frauen haben große Probleme.
Sie haben heute hier die Chance, unserem Entwurf eines Gleichstellungsgesetzes zuzustimmen und die Gleichstellung in Bayern endlich modern zu gestalten.
Ich bitte Sie: Gehen Sie diesen Weg mit uns und stim men Sie unserem Gesetzentwurf zu.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! "Kinder sind das köstlichste Gut eines Volkes" – so steht es in unserer Bayerischen Verfassung. So war es auch nur konsequent, dass wir in dieser Legislaturperiode hier im Bayerischen Landtag eine Kinderkommission ins Leben gerufen haben. Es ist wichtig und richtig, sich für die Belange von Kindern Zeit zu nehmen und ihren Anliegen Gehör zu verschaffen. Für die SPD-Fraktion
war es immer wichtig, sich den Anliegen von Kindern zu widmen. Ich erinnere mich daran, dass wir seit vielen Jahren in unserer Fraktion eine Arbeitsgruppe "Kinder" hatten. Ich erinnere mich auch an viele Anträge, die hier in diesem Parlament gestellt wurden und in denen wir immer wieder angemahnt haben, dass die Belange von Kindern hier in Bayern ernst genommen werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich könnte einfach und lapidar behaupten: Die Kinderkommission ist eine Erfolgsgeschichte. Ich muss gestehen, dieser Satz geht mir nur schwer über die Lippen, denn es war wirklich nicht einfach, Mitglied in dieser Kommission zu sein. Es war eine Herausforderung, über die Fraktionsgrenzen hinweg einstimmige Beschlüsse zu fassen, einen gemeinsamen Nenner zu finden, trotz der unterschiedlichen Vorstellungen. Für mich persönlich war es ganz besonders schwierig, sich mit Kompromissen abzufinden, die manches Mal weit hinter meinen persönlichen Erwartungen zurückgeblieben sind.
Trotzdem meine ich: Die Kinderkommission ist eine gute, eine sinnvolle Einrichtung. Unsere Arbeit hat sich gelohnt, der Bericht liegt Ihnen allen vor. Wir hatten 47 Sitzungen, die mit Themen prall gefüllt waren. Es wurden 15 überfraktionelle Beschlüsse gefasst, die zum Teil schon umgesetzt sind. Es gab sechs Anhörungen, 17 Informationsgespräche, elf auswärtige Informationsbesuche und viele, viele Veranstaltungen. Das alles zeigt: Wir waren eine fleißige Kinderkommission, und wir haben effektiv gearbeitet. Ich bin überzeugt, wir haben es geschafft, den Kindern hier in Bayern eine Stimme zu geben, auch wenn diese Stimme bestimmt noch nicht in die letzte Ecke Bayerns vorgedrungen ist. Dafür hatten wir, so meine ich, einfach nicht genug Zeit. Wir haben aber trotzdem mit vielen Kindern, Jugendlichen, Eltern, Pädagogen, Ärzten und Fachleuten gesprochen und haben ihre Anliegen angehört. Es wurde klar: Auch im reichen Freistaat Bayern gibt es Armut, Gewalt, Vernachlässigung und Flucht, und davon sind hier leider viele Kinder betroffen. Außerdem gibt es die vielen kleinen Belange von Kindern im Alltag, die auch wichtig sind.
Mit der Gründung der Kinderkommission hat der Bayerische Landtag, haben also alle Fraktionen gezeigt, dass sie Kinder ernst nehmen und, dass sie auf politischer Ebene einvernehmlich gewillt sind, das Leben der Kinder in Bayern zu verbessern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, kurz ein paar Worte zu den Themen, die mich unter meinem Vorsitz begleitet haben. Da war zunächst das Thema ElternKind-Entfremdung. Sie wissen vielleicht, in Bayern gibt es im Jahr 27.000 Scheidungen. 22.000 Kinder sind davon betroffen. Sie wissen sicherlich auch:
Scheidungskinder haben es in unserer Gesellschaft nicht unbedingt leicht. Hier gibt es dieses besonders schwierige und sicher nicht unumstrittene Thema der Eltern-Kind-Entfremdung. Vielleicht zur Aufklärung für diejenigen, die es nicht wissen: Es geht dabei darum, dass bei vielen Scheidungen nur ein Elternteil das Sorgerecht für das Kind bekommt. Der andere Elternteil hat oft noch nicht einmal ein Umgangsrecht. Dieser andere Elternteil wird natürlich seinem Kind entfremdet und hat nicht die Möglichkeit, ein Verhältnis zum Kind aufzubauen. Leidtragende sind letztendlich die Kinder. Sie wissen sicherlich, jedes Kind hat ein Recht auf Vater und Mutter. Dieses Recht ist in der UN-Kinderrechtskonvention festgeschrieben. Leider sieht die Wirklichkeit für viele Scheidungskinder aber anders aus. Angeregt von der Psychologin Christiane Förster haben wir ein Fachgespräch im Landtag organisiert, das auf sehr, sehr große Resonanz gestoßen ist. Über 400 Menschen waren im Landtag und haben mit uns diskutiert. Seit diesem Fachgespräch vergeht keine Woche, in der ich nicht Briefe von Eltern oder Angehörigen bekomme, die mir von ihrem Leid und ihrem Schicksal berichten. Kindern auch in schwierigen Lebensphasen gerecht zu werden, auch bei Scheidungen, muss Anliegen der Kinderkommission sein. Aber was kann der Staat tun? – Er kann nicht in die Familien hineinregieren und vorschreiben, wie eine Scheidung abzulaufen hat. Wichtig ist aber, eine Qualitätsoffensive für alle am Verfahren Beteiligten, also für Familienrechtler, Anwälte, Gutachter, Sozialpädagogen und Fachkräfte in den Jugendämtern, einzuleiten und diesen Gruppen bessere interdisziplinäre Wissensinhalte zu vermitteln. Wir haben deshalb angeregt, dass das Justizministerium und das Sozialministerium künftig besser zusammenarbeiten sollen. Inzwischen wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet, und es gab auch schon eine erste gemeinsame Fortbildung. Wir hatten also einen ersten kleinen Erfolg.
Ich möchte hier nicht verschweigen, dass meine eigenen Wünsche viel weiter gegangen wären. Ich hätte mir eine Pflicht zur interdisziplinären Fortbildung gewünscht. Das haben wir leider nicht erreicht, allerdings auch, weil das verfassungsrechtlich schwierig war. Es ist aber wichtig, an diesem Thema dranzubleiben, und künftige Kinderkommissionen sollten nachfragen, was mit den Beschlüssen passiert ist. Muss man vielleicht noch einmal nachbessern? – All dies sollte Thema einer künftigen Kinderkommission sein.
Als weiteres Thema möchte ich die Inklusion von Kindern mit Behinderung aufgreifen. Auch hier haben wir viele Gespräche geführt, meine Kollegin hat das bereits erwähnt. Wir waren unter anderem an der Universität Augsburg. Wir haben zwei gehörlose Kinder sehr intensiv betreut. Wir konnten erreichen, dass es zur Inklusion kam, und konnten uns diesen Inklusions
erfolg, diese Maßnahme, vor Ort anschauen. Wir waren – ich glaube, das kann ich für alle sagen – wirklich begeistert von dem, was hier passiert ist. In unserem Beschluss haben wir uns dafür eingesetzt, dass die gestützte Kommunikation für Menschen mit Behinderung, meist Autisten, als weiteres wichtiges Mittel der Kommunikation für Menschen mit Behinderung neben der Gebärdensprache und der Blindenschrift in Gesetze und Vorschriften aufgenommen wird. Auch hier konnten wir bereits den ersten Erfolg verbuchen. Die gestützte Kommunikation wird künftig in die Lehrerausbildung hier an der Ludwig-Maximilians-Universität in München aufgenommen. Das ist ein erster Erfolg, wenn auch nur ein kleiner Schritt, wobei wir uns viele weitere Schritte wünschen.
Schade finde ich es, dass es uns nicht gelungen ist, uns darauf zu einigen, dass es in allen Regierungsbezirken unabhängige Beratungsstellen zu Schulfragen gibt.
Das wäre auch eine schöne Sache gewesen, die sicher vielen Eltern geholfen hätte. An dieser Stelle wird aber auch die Schwäche der Kinderkommission erkennbar: Beschlüsse, die teuer wären, waren nur schwierig einstimmig zu fassen. Schade, kann ich nur sagen.
Trotzdem kann ich mich abschließend dafür aussprechen, dass es auch in der nächsten Legislaturperiode eine Kinderkommission gibt, denn ich meine, kleine Schritte sind letztendlich besser als keine Schritte.
Ich kann meinen zukünftigen Kolleginnen und Kollegen, und ich hoffe wirklich, dass sich auch ein paar Männer finden werden, die in die Kommission gehen
- Genau. Ich kann also meinen künftigen Kollegen nur raten, auch den Kollegen von der Regierungspartei, wer immer das sein wird, ein bisschen mehr Mut in diese Kommission mit hineinzunehmen.
Mehr Mut schafft vielleicht größere Schritte, und dann geht es auch schneller voran, wenn es um die Kinder geht.
Ich wünsche mir, dass die Kinderkommission in ihren Rechten gestärkt wird. Ich wünsche mir, dass wir eine eigene Kommission, mit einem eigenen Budget bilden können. Dann könnte diese noch effektiver arbeiten.
Am Schluss möchte ich meinen Kolleginnen noch Dank sagen, die ich sicherlich in guter Erinnerung behalten werde. In der einen oder anderen Auseinandersetzung lernt man sich dann sehr gut kennen. Letzen Endes konnten wir uns dann doch einigen, das war eine gute Sache. Herzlichen Dank auch an Frau Feldmann, die uns so engagiert begleitet hat. In diesem Sinne hoffe ich, dass wir das, was wir uns vorgenommen haben, in der nächsten Legislaturperiode schaffen werden.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, sehr geehrter Herr Präsident! Wir sprechen heute erneut über das Thema eigenverantwortliche Schule, das uns die gesamte Legislaturperiode, also bereits fünf Jahre, begleitet. Schulentwicklung ist heutzutage wichtig. Das hat mein Kollege von den GRÜNEN, Herr Gehring, bereits ausgeführt. Unsere Gesellschaft ist im Wandel. Das Leben hat sich in den letzten Jahren massiv verändert. Während man vor 40 Jahren, als wir noch Jugendliche waren, am Nachmittag gerade einmal eine Fernsehsendung ansehen konnte, können die Jugendlichen heute 24 Stunden lang ins Internet, am PC spielen oder sich auf ihr Handy Wissen oder Ablenkung herunterladen. Die Lebensbedingungen von Schülern und Erwachsenen haben sich in den letzten Jahren massiv verändert. Darum muss sich auch die Schule verändern. Schule kann und darf nicht mehr wie vor 100 Jahren aussehen. So kann sie nicht mehr gelingen. Stures Reproduzieren von Lerninhalten führt einfach nicht mehr zum Ziel. Wir dürfen uns nicht wundern, wenn wir auf diesem Wege immer mehr Kinder verlieren, immer mehr Kinder keinen Abschluss machen, Disziplinprobleme haben oder psychosomatische Probleme entwickeln.
Schüler müssen heute eigenverantwortlich und selbstgesteuert lernen können. Nur so können wir sie heute erreichen, motivieren und fördern. Damit sich Schulen auf diesen Weg machen können, brauchen wir motivierte Schulen, die eigenverantwortliche Schulprofile oder, wie wir es nennen, Schulprogramme entwickeln und diese umsetzen. Mein Kollege Gehring hat vorhin von dem Profi vor Ort gesprochen, der diesen Weg aufzeigen muss. Wir brauchen den Profi vor Ort, der dieses Schulprogramm, dieses Schulprofil entwickelt und der auf seinem Weg, nämlich der Entwicklung, begleitet und unterstützt wird.
Vor allem dürfen wir die Schulen nicht im BürokratieDschungel mit unzähligen Verwaltungsvorschriften, mit einem Mangel an Lehrkräften und Ressourcen al
leine lassen; denn so werden wir es nicht schaffen, Schulen zu aktivieren. Vielmehr würden wir sie dadurch behindern und keine Anreize schaffen, sich auf diesen Weg zu begeben. Um diesen Prozess erfolgreich bewältigen zu können, brauchen wir Anreize, Begleitung und Qualitätssicherung.
Herr Nöth, es ist gerade nicht so, dass wir ein Chaos wollen. Wir wollen einen klaren Rahmen vorgeben, in dem sich Schulen entwickeln sollen. Wir halten den Gesetzentwurf der GRÜNEN für einen Schritt in die richtige Richtung. Wir meinen aber auch, dass der Rahmen für und der Begriff der selbstständigen Schulen klarer definiert werden müssen. Deshalb haben wir eigene Anträge formuliert und eingebracht. Wir hoffen, dass wir dazu Ihre Zustimmung bekommen.
Eine selbstständige Schule braucht Freiraum und Gelingensbedingungen. Wir brauchen zum Beispiel eine Unterrichtsfreistellung für Schulleiter. Wir brauchen für die Schulen Möglichkeiten der Personalentwicklung. Die Schulen sollen eigenverantwortlich haushalten. Damit die Qualität gesichert wird, brauchen wir Organisationsstrukturen zur Qualitätsentwicklung. Herr Nöth, das ist unser Rahmen, damit wir nicht im Chaos versinken.
Schulen sollen Schulprogramme und Schulprofile erarbeiten, die lediglich den Weg beschreiben, wie sie staatliche Qualitätsansprüche erfüllen können. Wir wollen, dass die Schulkonferenzen über Entwicklungsvorhaben der Schulen abstimmen. Auf diese Weise wollen wir erreichen, dass auch die Lehrkräfte, die Eltern und die gesamte Schulfamilie mitgenommen werden. In der Umsetzungsphase sollen die Schulen von der Schulaufsicht oder einer Qualitätsagentur, zum Beispiel dem ISB, begleitet und unterstützt werden. Dadurch soll ein klarer Rahmen festgelegt werden. Weiterhin ist es ganz wichtig, dass den Schulen zusätzlich erforderlich werdende Budgetmittel zur Verfügung gestellt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eigenverantwortliche Schule kann gelingen. Umso beschämender finden wir den Gesetzentwurf der Staatsregierung. Die FDP hat bereits zu Beginn der Legislaturperiode groß angekündigt, wie wichtig ihr das Thema selbstständige Schule sei. Frau Will, was ist daraus geworden, nachdem wir fünf Jahre lang diskutiert haben? Wir hatten ausreichend Zeit, die Schulen von allen Seiten zu beleuchten und die entsprechenden Stellschrauben zu justieren. Ich sage es Ihnen, Frau Will: Gar nichts ist aus Ihrem Großvorhaben geworden. Nichts ist daraus geworden. Ihr Gesetzentwurf ist eine Gemeinheit für die Schulen, deren Erwartungen sehr groß waren. Dieser Entwurf zeigt, dass die FDP auf ganzer Linie gescheitert ist.
Gerade einmal an den großen Gymnasien, an den Realschulen und an den Berufsschulen kann Ihr Gesetzentwurf überhaupt umgesetzt werden. Außer einer zusätzlichen mittleren Führungsebene haben Sie nicht viel zu bieten. Frau Will, es mag sein, dass Sie wissen, was Schulen brauchen. Ihrem Koalitionspartner konnten Sie dies scheinbar nicht klar machen.
Der Spruch "als Tiger gestartet, als Bettvorleger gelandet" passt hier hervorragend. Schade, schade, schade, eine vergebene Chance. Wir werden auf jeden Fall dem Gesetzentwurf der GRÜNEN zustimmen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die meisten von Ihnen erinnern sich wohl noch an die Aussage von Horst Seehofer bei seinem Amtsantritt als Bayerischer Ministerpräsident. Er hat damals groß angekündigt, Frauen besser fördern zu wollen. Es hieß, die CSU muss weiblicher werden. Das Jahr 2011 hat er sogar zum Jahr der Frau erklären lassen. Ich kann nur sagen: Was für ein Geschwätz!
Was ist denn bisher tatsächlich passiert? Herr Seehofer scheint auf seiner Suche nach Frauen nur Männer zu finden. Gerade einmal 20 % der CSU-Abgeordneten sind weiblich. Wenn man der Presse glaubt, soll der Anteil 2013 noch geringer werden. Von neun Ministern sind gerade mal drei Frauen. Auch diese drei Frauen − sie sind heute nicht anwesend; daran sieht man, wie wichtig ihnen das Thema Frauen ist − werden wahrscheinlich nur deswegen geduldet, weil sie sich eben nicht um Frauenfragen kümmern, was aber ausweislich des Sozialberichts dringend notwendig wäre.
Das Bayerische Gleichstellungsgesetz gilt jetzt seit 16 Jahren. Ein Gleichstellungsbericht um den anderen zeigt, dass dieses Gesetz kaum Wirkung hat. Es ist ein zahnloser Tiger! Das zeigen auch folgende Zahlen: In bayerischen Ministerien sind nur drei von zehn Abteilungsleitungen an Frauen vergeben. Es gibt nur einen einzigen weiblichen Amtschef, nämlich in der Staatskanzlei. Im Durchschnitt liegt der Frauenanteil unter den Abteilungsleitern der bayerischen Ministerien bei 18 %. Bei den Referatsleitern liegt er bei 22 %. − Allein der gegenwärtige Geräuschpegel zeigt, dass das Interesse der Mehrheitsfraktionen am Thema Frauen besonders groß ist.
Das bisherige Gleichstellungsgesetz aus dem Jahr 1996 hat die Situation für Frauen kaum verbessert. Das zeigen auch die Neubesetzungen in der Führungsebene. 2011 gingen zum Beispiel nur vier von elf Abteilungsleiterstellen an Frauen. Nur 32 von 87 Referatsleiterstellen wurden mit weiblichen Perso
nen besetzt. Unter den drei neuen Amtschefs ist keine einzige Frau. Ich kann nur sagen: Traurig!
Es wird deutlich: Die Chancengleichheit von Männern und Frauen steht bei der schwarz-gelben Staatsregierung auf verlorenem Posten. Das geltende Bayerische Gleichstellungsgesetz hat Frauen im öffentlichen Dienst nicht wirklich weitergeholfen, obwohl gerade der öffentliche Dienst bei der Frauenförderung als Vorbild vorangehen sollte. Auch 16 Jahre nach Verabschiedung des Gleichstellungsgesetzes durch den Bayerischen Landtag kann von einer Chancengleichheit von Männern und Frauen in Bayerns Ämtern und Behörden keine Rede sein!
Deswegen ist es wichtig, dass wir dieses Gesetz reformieren. Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen, diskutieren wir heute über einen neuen Gesetzentwurf, den Gesetzentwurf der Sozialdemokraten, der im Vorfeld mit einer Vielzahl von Akteuren abgestimmt wurde. Wir wollen eine Erweiterung des Geltungsbereichs des Gleichstellungsgesetzes. Wir wollen, dass es nicht nur bei den Behörden und Kommunen angewendet wird, sondern auch dort, wo die öffentliche Hand Anteile hält, zum Beispiel in öffentlichen Krankenhäusern und Ähnlichem. Wir wollen die Privatwirtschaft auffordern, sich entsprechend diesen Grundsätzen zu verhalten. Uns ist aber klar, dass wir die Privatwirtschaft nicht verpflichten können.
Wir wollen, dass detaillierte Gleichstellungskonzepte mit umfassenden Analysen der aktuellen Situation und konkreten Zielvorgaben erarbeitet werden. Wir wollen − das ist uns besonders wichtig − eine Schiedstelle im Finanzministerium einrichten, an die sich Gleichstellungsbeauftragte im Streitfall wenden können. Wir wollen, dass es Sanktionsmöglichkeiten gibt, wenn Dienststellen oder Gemeinden das Gleichstellungsgesetz nicht anwenden oder nicht umsetzen. Diese Dienststellen sollten darauf hingewiesen werden, dass sie hier tätig werden müssen.
Wir wollen, dass in allen Laufbahn- und Berufsfachrichtungen, in allen Leitungsebenen und Funktionsstellen bei gleicher Qualifikation ein Frauenanteil von mindestens 50 % angestrebt wird.
Zur Quote haben wir bereits einen Gesetzentwurf eingereicht. Es wird uns immer wieder gesagt, dass wir keine Quoten brauchen. Frauen bräuchten keine Quote, sonst gäbe es nur noch Quotenfrauen, und das sei doch nicht wünschenswert. Zitiert werden dann oft irgendwelche Vorzeigefrauen, zum Beispiel Maria Höfl-Riesch, eine bekannte Skifahrerin, die bekanntlich nicht gegen Männer fährt, sondern nur gegen Frauen. Es werden zum Beispiel fünf Töchter und Enkelinnen von Firmengründern zitiert, die per
Erbe in ihre Position gekommen sind. Oder es werden Schauspielerinnen zitiert, die bekanntlich auch nicht mit Männern um ihre Rolle konkurrieren.
Es ist richtig: Diese Vorzeigefrauen brauchen keine Quote. Aber ich sage Ihnen: Die alleinerziehende Mutter, die gut qualifiziert ist, oder die Frau, die zu Hause ihre Mutter pflegt und trotzdem Abteilungsleiterin werden möchte, obwohl sie vielleicht derzeit Teilzeit arbeitet − diese Frauen brauchen die Quote. Ich sage Ihnen noch eines: Von diesen Frauen gibt es viele.
Deswegen fordern wir mit diesem Gesetzentwurf erneut eine Frauenquote im öffentlichen Dienst von 50 % bei gleichwertiger Qualifikation. Kein Mann muss fürchten, dass ihm hierbei irgendetwas weggenommen wird − nur bei gleicher Qualifikation soll die Quote gelten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, neben der Quote ist es uns wichtig, dass die Fortbildung, die Teilzeit- und die Telearbeitsplätze ausgeweitet werden. Auch das ist wichtig für die Frauen, die vielleicht eine Auszeit nehmen wollen oder die zu Hause Familie und Kinder haben oder eine Pflege leisten müssen. Wir wollen eine Regelung zur Bekämpfung von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz. Hierbei brauchen wir mehr Transparenz. Man muss mit diesem Thema offen umgehen, und Frauen, denen so etwas passiert ist, dürfen sich nicht scheuen, diese Vorfälle zu melden.
Wir brauchen auch ausreichend Freistellungen der Gleichstellungsbeauftragten, damit diese ihrer Arbeit nachkommen können. Wir schlagen bei 1.000 Beschäftigten eine halbe Stelle und bei 1.200 Beschäftigten eine ganze Stelle vor. Wir brauchen klare Definitionen, damit man diese Regelungen umsetzen kann.
Es ist uns auch wichtig, dass klar definiert ist, was die Gleichstellungsbeauftragten überhaupt machen sollen. Sollen sie nur nach innen, oder sollen sie nach außen wirken? Das sind die Fragen, die die Gleichstellungsbeauftragten haben. Wir meinen, beides ist wichtig, sowohl nach außen zu wirken, zum Beispiel Veranstaltungen organisieren und Ähnliches mehr, als auch nach innen zu wirken. Es ist wichtig, dass Gleichstellungsbeauftragte, wenn es gewünscht wird, zum Beispiel auch bei Personalangelegenheiten dazukommen können.
Wir brauchen einen aussagekräftigen Bericht vom Freistaat Bayern, aus dem hervorgeht, ob Dienstellen ihrer Pflicht nachkommen und ob sich die Gleichstellung von Männern und Frauen im Freistaat verbessert. Wir haben ein ganzes Maßnahmenbündel vorge
schlagen, um die Chancengleichheit von Männern und Frauen im öffentlichen Dienst zu verbessern.
Gleichstellung, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist wichtig. Es ist das effektivste Mittel gegen Frauenarmut. Ich möchte Sie auffordern, diesen Diskurs mit uns sachlich zu führen, um gemeinsam für die Frauen in Bayern Besserstellungen zu erreichen.
Herr Seidenath, bemerkenswert fand ich Ihre Aussage zum Equal Pay Day. Sie haben gemeint, dass wir ihn in Bayern nicht brauchen. Ich frage Sie: Ist Ihnen bekannt, dass die Entgeltungleichheit in Bayern bei 26 % liegt? Damit sind wir Spitzenreiter in Europa. Selbst im öffentlichen Dienst gibt es auch in Bayern − man sollte es nicht für möglich halten − eine Entgeltungleichheit, die über 5 % liegt, sehr geehrter Herr Kollege.
Des Weiteren wollte ich Ihnen noch mitgeben, dass ich vor allem davon gesprochen habe, dass bei den Neubesetzungen der Amtschefs − im Jahr 2011 waren es drei; aktuellere Daten liegen mir nicht vor −
keine einzige Position an eine Frau ging. Ich denke, insoweit können Sie mir nicht widersprechen.
Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen! Wenn ich den Dringlichkeitsantrag der CSU und der FDP lese, fällt mir dazu nur ein einziges Wort ein, und das heißt "Verarschung".
Wir diskutieren heute über die Gleichstellung bei der Rente für Mütter, die ihre Kinder vor dem Jahr 1992 geboren haben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, für uns Sozialdemokraten ist diese Gleichstellung eine Selbstverständlichkeit. Ich selbst bin Mutter eines Sohnes, der im Jahr 1992 geboren wurde und frage mich natürlich, mit welchem Recht ich Rentenansprüche bekommen soll, die eine Mutter, deren Kind ein paar Monate älter ist, nicht bekommt. Das ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, gegen die etwas getan werden muss. Wenn ich mir diesen Dringlichkeitsantrag ansehe, frage ich mich, was dieses Schauspiel soll. Die CSU ist in Bayern seit circa 50 Jahren an der Macht. Seit acht Jahren regiert sie im Bund mit.
Und auch die FDP regiert nun schon seit fast fünf Jahren. Was ist seither für die Frauen passiert? Nichts.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU und der FDP, neun Monate vor der Wahl ist Ihnen das Thema Frauen eingefallen. Mir fallen dazu nur zwei Wörter ein, nämlich "Wahlkampf" und "Verarschung".
Sie bringen in Ihrem Dringlichkeitsantrag keinen einzigen Vorschlag für eine realistische Gegenfinanzierung, obwohl dieses Vorhaben 13 bis 14 Milliarden Euro kosten soll. Ihr Finanzminister im Bund hat bereits abgewinkt und gesagt, dass keinerlei Spielraum für diesen CSU-Parteitagsbeschluss bestehe.
Später.
Liebe Kollegen und Kolleginnen, wir Sozialdemokraten sind für eine finanzielle Besserstellung der Mütter, die ihre Kinder vor dem Jahr 1992 geboren haben, um der Altersarmut bei Frauen vorzubeugen. Und Armut ist auch im reichen Bayern ein Dauerthema! Ich kann mich an unzählige Debatten zu diesem Thema erinnern. Jahr um Jahr debattieren wir hier den Sozialbericht und andere Gutachten, die feststellen, dass die Frauen in Bayern am stärksten von Armut betroffen sind. Die Zahlen wurden schon genannt. Für Alleinerziehende gibt es eine Armutsgefährdungsquote von 40 %. 28,3 % der alleinstehenden Frauen über 65 Jahren sind von Armut gefährdet, das ist jede dritte Frau. Ich halte das für einen wirklichen Skandal.
Frauen bekommen in Bayern gerade einmal die Hälfte der Rente, die den Männern zusteht, zirka 500 Euro im Monat. Das ist nicht hinzunehmen. Wir sind der Meinung, dass die Armutsbekämpfung in Bayern ein ganzes Maßnahmenpaket erfordert. Wir fordern seit Längerem eine ordentliche Einkommensentwicklung für alle. Dazu gehört zum Beispiel der gesetzliche Mindestlohn, den meine Kollegin gerade genannt hat. Nötig sind außerdem eine Stärkung der Tarifbindung sowie gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Ich möchte Sie daran erinnern, dass hier in Bayern die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen in den letzten Jahren sogar noch gestiegen ist, nämlich von 24 auf 26 %. Das ist Ihre Politik.
Wir brauchen eine Eindämmung der prekären Minijobs, mehr Vollzeit- statt Teilzeitstellen und mehr Unterstützung für berufstätige Frauen. Wir brauchen mehr Kinderbetreuungsmöglichkeiten, flexiblere Arbeitszeitmodelle, Ganztagsschulen und vieles mehr.
Darüber hinaus brauchen wir natürlich eine bessere Absicherung von ALG-II-Zeiten und von Kindererziehungszeiten. Wir brauchen aber auch Verbesserungen für Frauen, die Pflegearbeit leisten. Dazu habe ich heute gar nichts gehört.
Für die Vermeidung von Altersarmut ist weiterhin die Gleichstellung von Frauen im Berufsleben wichtig. Ich nenne hier einige Themen, die Ihnen völlig fremd sind, zum Beispiel bessere Aufstiegschancen für Frauen, die Frauenquote und das Führen in Teilzeit. All diese Punkte gehören für mich und uns in ein vernünftiges Konzept zur Vermeidung von Altersarmut bei Frauen.
Ich möchte noch kurz einige Möglichkeiten der Gegenfinanzierung nennen, die Ihnen offenbar nicht eingefallen sind. Mir ist zum Beispiel spontan das Betreuungsgeld eingefallen. Diese Leistung soll über zwei Milliarden Euro p. a. verschlingen, obwohl sie Frauen davon abhält, erwerbstätig zu werden und sich dadurch selbst Rentenansprüche zu verdienen. Das ist widersinnig.
Auch eine Reform des Ehegattensplittings würde ein Einsparungspotenzial bieten. Dabei geht es um bis zu 24 Milliarden Euro. Auch da müssen wir rangehen, wenn wir Verbesserungen bei der Rente erreichen wollen. Ich möchte als Fazit festhalten: Verkaufen Sie uns Frauen nicht für dumm.
Wir werden den Dringlichkeitsanträgen der CSU und der FDP sowie der FREIEN WÄHLER nicht zustimmen. Dem Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN werden wir zustimmen.
Sehr geehrte Frau Kollegin, ich möchte Sie nur daran erinnern, dass seit dieser Zeit einige Jahre ins Land gegangen sind. Sie hätten die Uhren längst zurückdrehen können!
Frau Staatsministerin, Ihre Ausführungen erschüttern mich.
Ich beginne noch einmal von vorne. Frau Ministerin, Ihre Ausführungen erschüttern mich.
Vor allem finde ich es traurig, mit welcher Arroganz Sie dieses wichtige Thema hier behandeln.
Ich möchte Ihnen eine Frage stellen: Halten Sie es wirklich für ausreichend, wenn Sie Kinderkrippen mit einem Anstellungsschlüssel von 1: 11 finanzieren? Ich kann Ihnen aus meiner persönlichen Erfahrung als
Mutter eines dreijährigen Kindes sagen: Für Kinderkrippen, in denen fünf oder sechs Kinder auf eine Erzieherin kommen, reicht das nicht aus. Meine Tochter war in der Landtagskinderkrippe, die bestimmt eine sehr gute Krippe ist, weil sich Frau Stamm hier auch persönlich einsetzt. Trotzdem war es teilweise in Krankheitsfällen so, dass die Kinder jeden Tag eine neue Bezugsperson hatten, weil auch der Krankheitsfall nicht geregelt ist.
Frau Staatsministerin, sind Sie wirklich der Meinung, dass das ausreicht und es allein Aufgabe der Kommune ist, diese Aufgabe zu lösen? Ich erinnere Sie in diesem Zusammenhang nochmals an den Bildungsauftrag.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Grundschulen hier in Bayern haben beim großen Grundschultest gut abgeschnitten; darüber freuen wir uns sehr. Aber das ist nicht den Entscheidungen hier in diesem Haus zu ver
danken, sondern ausschließlich den Lehrerinnen und Lehrern sowie den Eltern.
Die Lehrerinnen und Lehrer haben es trotz aller Widrigkeiten geschafft, unsere Schüler immer wieder zu motivieren - trotz großer Klassen, fehlender mobiler Reserve, fehlender Verwaltungsunterstützung und vieler anderer Probleme mehr. Dieser Erfolg ist auch den Eltern zu verdanken, die an unzähligen Nachmittagen mit ihren Kleinen üben, lernen, nachholen, Nachhilfe organisieren - oft am Rand ihrer eigenen Leistungskraft und am Rand ihrer finanziellen Ressourcen.
Vor zwei Jahren hat mein mittlerer Sohn die 4. Klasse besucht; ich bin also noch gut mit dem Thema vertraut. Die Eltern von Kindern in diesem Alter interessiert nur eine Frage: Schafft mein Kind das Grundschulabitur? Gehen Sie doch einmal in die Abteilung Schule einer Buchhandlung. Dort finden Sie zu dem Thema ungefähr 30 Bücher mit Titeln wie: "Tipps zum Übertritt", "So lerne ich richtig", "Mathe - leicht gemacht", "So gelingt der Übertritt". Ich sage Ihnen: Über all diesen Aufgaben sitzt am Nachmittag die gute bayerische Mama und übt mit ihrem Kleinen, damit der Übertritt gelingt.
Kein Wunder, dass so viele Kinder unter diesem absurden Druck leiden. Ein Blick in die Statistik hilft weiter: Die Zahl der Schulverweigerer hat im vergangenen Schuljahr hier in Bayern um 10 % zugenommen. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Ich kann Ihnen noch eine erschreckende Zahl aus Schwaben nennen: Ungefähr 10.000 Kinder und Jugendliche aus dem Umkreis von Augsburg werden psychiatrisch behandelt. Das ist doch erschreckend, liebe Kolleginnen und Kollegen. Aber das ist der Preis für den Leistungsdruck, dem wir unsere Kinder aussetzen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, vom Wiegen und Messen allein wird die Sau nicht fett.
Wir sollten uns fragen: Ist es nachhaltig, was wir da mit unseren Kindern tun? Profitieren sie wirklich ein Leben lang von dem, was in der Schule stattfindet? Haben sie das Gelernte wirklich verstanden, oder reproduzieren sie es nur? Und: Sind gute Leistungen allein der Schlüssel zum Erfolg, oder brauchen wir vielmehr in einer modernen Welt Kompetenzen, zum Beispiel Teamgeist, Empathie, soziale Kompetenzen, Selbstwertgefühl? Gerade insoweit lässt der große Grundschultest viele Fragen offen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es lohnt sich dennoch, einmal genauer hinzuschauen. Der Test gibt nämlich genaue Auskunft darüber - jetzt bitte ich Sie wirklich zuzuhören -, dass fast nirgendwo anders in Deutschland die Diskrepanz zwischen sozialer Herkunft und Leistungen der Schüler so groß ist wie bei uns in Bayern. Auch insofern sind wir leider spitze.
Ein Kind aus einer Akademikerfamilie hat das Abitur sozusagen schon per Geburt in der Tasche. Ein Kind aus einer sozial schwachen Familie dagegen hat in unserem Bildungssystem schlechte Karten. Ich frage Sie: Wo ist hier die Chancengleichheit? Was ist mit den Kindern, die keine Eltern haben, die am Nachmittag mit ihnen lernen?
Es gibt so viele Möglichkeiten, hier Chancengleichheit herzustellen. Ein Ansatz - der Ansatz der guten Ganztagsschule - ist bei uns in Bayern Mangelware, und er ist viel zu knapp finanziert. Muttersprachlicher Unterricht für Migranten - Fehlanzeige. Einheitliche Sprachkonzepte vom Kindergarten an - Fehlanzeige. Sozialpädagogen in den Schulen - Fehlanzeige. Die Liste ließe sich endlos fortführen.
Zum Schluss eine Frage: Warum führen wir das heterogene Lernen, das wir in der Grundschule seit vielen Jahren praktizieren und das sich sehr bewährt hat, nicht fort? Längeres gemeinsames Lernen - das wäre ein echter Beitrag zur Erreichung von Chancengleichheit.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist echt schade, dass zu diesem Thema, das aus meiner Sicht ganz besonders wichtig ist, leider nur so wenige Kolleginnen und Kollegen anwesend sind, weil sie sich noch in der Mittagspause befinden. Ich möchte trotzdem den Kolleginnen und Kollegen, die hier sind, herzlich danken und ihnen meine Gedanken zu diesem Thema auf den Weg geben.
- Wunderbar, Herr Kollege. Da freue ich mich.
Seit dem letzten Dienstag gibt es eine neue Studie zum Thema Ganztag, nämlich die Bertelsmann-Studie, in der festgestellt wurde, dass Bayern bundesweit bei der Zahl der Ganztagsschüler das Schlusslicht ist. Das sollte uns zu denken geben. Diese Studie wurde vom Jugendinstitut durchgeführt und ist aus meiner Sicht eine schallende Ohrfeige für die CSU, für die bayerische Bildungspolitik und natürlich in erster Linie für unseren Minister Dr. Spaenle, der leider auch noch nicht da ist.
Alles Schönreden hilft hier nicht weiter. Bayern hat es verabsäumt, ein angemessenes Angebot an guten Ganztagsschulen zu schaffen. Gerade einmal 4,3 % der bayerischen Schüler besuchten im Jahre 2010/2011 eine gebundene Ganztagsschule. Und, sehr geehrter Herr Staatssekretär, leider wird es noch schlimmer, wenn wir uns die aktuellen Zahlen ansehen. Der Herr Minister hat in seiner Pressemitteilung erklärt, hier handle es sich um eine veraltete Studie und um veraltete Zahlen, obwohl diese Studie gerade einmal ein Jahr alt ist. Sehen wir uns doch einmal die aktuellen Zahlen an: Wir haben es im letz
ten Jahr geschafft, dieses Angebot um 0,7 % auszubauen. Respekt! Wir liegen jetzt bei einer Quote von 5 % der Schüler, die in eine gebundene Ganztagsschule gehen können.
In seinen Pressemitteilungen nennt Herr Dr. Spaenle Phantasiezahlen. Er zählt nämlich alles Mögliche zum Ganztagsangebot dazu, unter anderem die Mittagsbetreuungen. Ich muss Ihnen sagen: Eine Mittagsbetreuung, die vor Ort von einer Mutter gewährleistet wird, ist keine Ganztagsschule!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, was in Bayern in den letzten Jahren passiert ist, ist ein Armutszeugnis. 5 % Ganztagsschule bedeutet, dass lediglich an 302 von 2.563 bayerischen Grundschulen eine gebundene Ganztagsschule vorhanden ist. Lediglich an 430 von 1.104 bayerischen Mittelschulen gibt es eine Ganztagsschule. Und man höre und staune: An 20 von 364 bayerischen Realschulen und an 33 von 413 Gymnasien gibt es eine Ganztagsschule. Das ist ein Armutszeugnis!
Gerade einmal an jeder zehnten weiterführenden Schule in Bayern gibt es damit eine gebundene Ganztagsschule. Man muss also weit fahren, bis man ein solches Angebot findet. Diese Zahlen sind - so meine ich - ein Schlag ins Gesicht der Schüler, die dieses Angebot benötigen, und auch der Eltern, die auf diese Angebote angewiesen sind. Längst wissen wir, dass unsere Gesellschaft heute bunt ist. Die Vielfalt der kulturellen und sozialen Hintergründe, der Begabungen und der Lernausgangslagen stellen eine Herausforderung für die Schule und den Unterricht dar. Bislang gelingt es uns in unserem Schulsystem nicht, faire Bildungschancen zu schaffen. Der Bildungserfolg hängt bei uns immer noch im hohen Maße von der Herkunft ab. Das belegt eine Vielzahl von Studien. Ich nenne nur exemplarisch die Pisa-Studie, die Iglu-Studie und andere. Immer wieder wird festgestellt: Die Chancen eines Akademikerkindes, auf ein Gymnasium zu gehen, sind 4,5-mal höher als die Chancen eines Arbeiterkindes.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das muss uns doch zum Nachdenken bringen. Guter Ganztag bietet viele Potenziale. Mit gutem Ganztag könnten wir so viel erreichen. Wir könnten Schulen gerechter und leistungsfähiger gestalten. Wir könnten Kinder effektiv unterstützen. Wir könnten das Familienleben entspannen und vereinfachen. Schade, dass wir dieses Potenzial nicht nutzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich auf die Eltern, auf die vielen alleinerziehenden Väter und Mütter und auf die vielen berufstätigen Eltern eingehen. Als berufstätige Mutter möchte ich stellvertretend für die vielen Mütter und Väter, die Kinder in der Schule haben, sagen: Ich weiß, was es bedeutet, wenn es kein gebundenes Ganztagsangebot gibt. Für die Eltern bedeutet das jeden Tag Stress, Sorgen, Hausaufgabenbetreuung am Telefon oder nach 22 Uhr oder private Nachhilfe für die, die sich das leisten können. Das können wir doch nicht wollen.
Ich kann Ihnen versichern, ich bin mit dieser Meinung nicht allein. Ich habe mich vor Kurzem mit Elternbeiräten in meiner Region zusammengesetzt. Ich kann Ihnen sagen, der Frust ist riesig. Es gibt einfach zu wenige, zu schlecht ausgestattete und zu vielfältige Ganztagsangebote. Es gibt gebundene und nicht gebundene Angebote, Mittagsbetreuung und Hort. Wer weiß da noch, was wo passiert? Es gibt zu wenige Informationen für die Eltern und keine Einbindung in die kommunale Bildungslandschaft, um nur einige Kritikpunkte zu nennen.
Bereits vor zehn Jahren hat Monika Hohlmeier festgestellt, dass sie für Ganztagsangebote eintreten werde. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann Ihnen nicht sagen, ob sie damals für eine echte gute Ganztagsschule eingetreten ist oder für Billigangebote.
Die IZBB-Mittel haben wir in Bayern jedenfalls mitgenommen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als viele bayerische Minister bei jeder Einweihung eines Ganztagsgebäudes vorne standen und sich lächelnd in der Zeitung haben abbilden lassen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, leider ist seit diesem Lächeln in verschiedene Kameras in Bayern in punkto Ganztagsschule wenig passiert.
Das Angebot ist nach wie vor völlig unzureichend. Es gibt - das habe ich schon gesagt - viel zu wenig gebundene Ganztagsangebote. In vielen Gymnasien gibt es Angebote zum Beispiel in der fünften und sechsten Klasse, dann hört es aber auf einmal auf; in den Grundschulen fängt das gebundene Ganztagsangebot erst mit der dritten Klasse an. Den Eltern bleibt es also allein überlassen, wie sie diesen Slalom-Kurs meistern. Es gibt keine durchgängigen Konzepte, keine durchgängige Qualität. Viel zu häufig gibt es noch die Bikini-Modelle - das sind offene Angebote, bei denen das Vormittagskonzept mit dem Nachmittagskonzept keinerlei Verbindung hat. Die Ausstattungen sind viel zu schlecht, zum Beispiel an den Grundschulen, wo statt 19 Stunden nur 12 Stunden zur
Verfügung gestellt werden. Es gibt viele Schulen, in denen der Ganztag neben dem Halbtag nicht richtig funktioniert. Die Schulen werden bei der Organisation der Ganztagsschule allein gelassen. Es gibt keine entsprechenden Verwaltungsstrukturen, und dort, wo es zu Klassenmehrungen kommt, das heißt in den ländlichen Gebieten, können keine Anträge gestellt werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Herr Minister oder lieber Staatssekretär, werden Sie endlich tätig! Sie haben zehn Jahre lang geschlafen. Ich fordere Sie heute auf, endlich tätig zu werden und uns Ihre Gesetzesvorstellungen vorzulegen.
Herr Ministerpräsident, schön, dass Sie beim Thema Frauen anwesend sind.
Sehr geehrter Herr Präsident, Sehr geehrte Frau Ministerin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie uns von den Feuerwehrschulen zu der Lage der Frauen in Bayern kommen. Längst sind uns die Fakten bekannt: Der Sozialbericht 2009, der Bericht zur sozialen Lage in Bayern 2010 und die Studie zur Chancengerechtigkeit von Männern und Frauen im ländlichen Raum haben eindrucksvoll belegt, dass Frauen in Bayern häufiger und stärker von Armut betroffen sind als Männer. Der Bericht zur sozialen Lage in Bayern 2011 - oh Wunder - bekräftigt dies erneut. Frauenarmut ist in Bayern ein ernst zu nehmendes Problem. Besonders schlimm finde ich, dass sich die Frauenarmut seit dem Jahre 2003 verschärft hat.
Diejenigen unter Ihnen, die meinen, dieses Problem löse sich von ganz allein, ohne etwas zu tun, sollten spätestens jetzt aufwachen. Das Thema regelt sich eben nicht von allein.
Lassen Sie uns gemeinsam in den Bericht zur sozialen Lage in Bayern 2011 schauen.
Wieder ist der Familientyp der Alleinerziehenden im Jahre 2009 derjenige mit dem höchsten Armutsrisiko. Davon sind in erster Linie Frauen betroffen. Deren Armutsgefährdung lag bei 14,8, also circa 15 %, und ist im Vergleich zum Jahr 2003 leicht gestiegen. Während der mittlere Wohlstand in Bayern im Durchschnitt in den letzten Jahren gestiegen ist - Männer konnten einen Lohnzuwachs von durchschnittlich 40 Euro verzeichnen -, stagniert er bei den Frauen, was vor allen Dingen mit dem Anstieg der Beschäftigungen im Niedriglohnsektor zu erklären ist. Den niedrigsten Wohlstand weisen Alleinerziehende mit Kindern auf. Das finde ich besonders beschämend. Frauen werden in Bayern für Kindererziehung finanziell immer noch abgestraft.
Der Sozialbericht 2011 beschreibt erneut, dass Geschiedene oder dauernd getrennt Lebende einen auffallend niedrigen Wohlstand vorweisen, soweit Kinder im Haushalt sind oder waren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist beschämend: Kinder sollten unser Leben doch bereichern. Es ist
traurig, wenn Kinder für viele Frauen in Bayern vor allen Dingen ein Armutsrisiko darstellen.
Doch die Kindererziehung ist nicht allein das Problem der Frauen in Bayern. Sie fassen generell schwerer Fuß in der Arbeitswelt. Hierzu ein paar Zahlen: 59 % der befristet Beschäftigten sind Frauen. Es ist kein Wunder, dass die wirtschaftliche Lage von Frauen oft unsicher ist. Sie können nicht genug in die Rentenkasse einzahlen. Frauen verdienen in Bayern ungefähr ein Viertel weniger als Männer. Bei selber Qualifikation und derselben Tätigkeit beträgt der Verdienstunterschied immer noch 8 %. Das muss man sich einmal vorstellen: Für genau die gleiche Tätigkeit bekommt eine Frau in Bayern 8 % weniger Gehalt als ein Mann.
Im Alter nehmen die Probleme der Frauen ebenfalls nicht ab. Am eklatantesten ist der Unterschied bei der Rente. Mit 853 Euro ist der Rentenbetrag der Männer doch erheblich höher als der Rentenbetrag der Frauen, der laut Bericht zur sozialen Lage in Bayern bei 506 Euro liegt. Am schlimmsten finde ich daher, dass die Renten der Frauen in den letzten zehn Jahren um 63 Euro gesunken sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das alles ist nicht neu. Frau Haderthauer, Sie selbst haben vor Kurzem die Studie zur Chancengerechtigkeit von Männern und Frauen im ländlichen Raum vorgelegt. Diese Studie belegt, dass weitaus mehr Frauen als Männer ein monatliches Grundeinkommen von unter 500 Euro erhalten. Umgekehrt sind es in den meisten Regionen die Männer - über 60 % -, die mehr als 1.500 Euro monatlich verdienen. Der Anteil der Frauen, die über 1.500 Euro verdienen, liegt vielerorts unter 20 %.
Die Handlungsvorschläge, die wir in unseren Anträgen vorstellen, sind weitgehend deckungsgleich mit den Vorschlägen, die in der Studie zur Chancengerechtigkeit von Männern und Frauen im ländlichen Raum der Frau Ministerin gemacht werden. Dazu gehört unter anderem eine bessere Kinderbetreuung, vor allem für die Kinder unter drei Jahren.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, es darf doch nicht sein, dass die Betreuungsquote für die Kinder unter drei Jahren in Bayern 2010 immer noch nur bei 18,5 % liegt und damit erheblich unter dem Bundesdurchschnitt von 23 % und weit unter dem Durchschnitt der neuen Bundesländer von 50 %. Sie erinnern sich, dass wir im Jahr 2013 bei 35 % sein wollten. Ich frage Sie, wann wir mit dem Tempo, mit dem wir bisher vorangegangen sind, dorthin kommen wollen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es darf nicht sein, dass nur 4 bis 5 % unserer bayerischen Kinder auf
eine echte Ganztagsschule gehen können. In dem Landkreis Augsburg sind es unter 2 % der Kinder. Es kann doch nicht sein, dass es nur so wenige sind. Hier müssen wir doch etwas tun.
Es kann doch nicht sein, dass die Randzeitbetreuung oder die Ferienbetreuung in Bayern totale Fehlanzeige ist.
Der Freistaat Bayern fühlt sich nicht zuständig.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht nur die Kinderbetreuung liegt im Argen. Wir brauchen gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Wir brauchen den Mindestlohn. Wir brauchen verstärkt die Wohnraumförderung. Viele wissen nicht, dass viele Sozialraumbindungen in den nächsten Jahren ablaufen und von den weniger werdenden billigen Wohnungen, die dann auf dem Markt sein werden, werden vor allem Frauen Nachteile haben, weil sie auf diesen Wohnraum angewiesen sind. Sie werden keinen billigen Wohnraum mehr finden.
Wir brauchen aber auch die Schaffung eines Notfallnetzes für Alleinerziehende.
Liebe Kolleginnen, im Bayerischen Landtag sind wir leider wenige.
Ich möchte Sie gezielt noch einmal ansprechen. Werden Sie mit uns tätig. Unterstützen Sie unsere Anträge. Wir brauchen keine weiteren farbigen Hochglanzstudien, die erneut diese Zahlen belegen. Wir müssen endlich tätig werden. Wir brauchen nachhaltige Hilfestellung für Frauen in Bayern.
Frau Ministerin, geben Sie mir recht, dass die Investitionen in Bayern, die wir getätigt haben - ich gebe Ihnen recht, dass wir sie getätigt haben -, notwendig waren, da wir erst 2003 mit der Betreuung von Kindern unter drei Jahren begonnen haben, falls Ihnen das entfallen sein sollte? Ich frage Sie des Weiteren, ob Sie mir recht geben, dass wir mit der Zahl von 18,5 %, die Sie im Bericht zur sozialen Lage 2011 ausgewiesen haben, Schlusslicht in Deutschland sind und eben nicht so hervorragend dastehen, wie Sie es uns gerade glauben machen wollten. Weiterhin stelle ich fest, dass eine Frau von 100 Euro im Monat, die sie bekommt, wenn sie zu Hause bleibt und ihr Kind betreut, nicht leben kann und dafür auch keine Rentenzeiten gutgeschrieben erhält. Ich frage Sie auch, ob Sie sich schon einmal ausgerechnet haben, wie viele Kinder denn eine Frau braucht, um von ihrer Rente leben zu können.
Sie haben gerade richtig gesagt: Es handelt sich um das schulvorbereitende letzte Kindergartenjahr. Warum, frage ich Sie, wollen Sie es dann nicht verpflichtend machen? Das wäre eine Verbesserung gewesen.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Unser Papst hat auf seiner Reise einen weisen Ausspruch gemacht. Er hat davon gesprochen, dass sich die von materiellen und politischen Lasten befreite Kirche besser und auf wahrhaft christliche Weise der ganzen Welt zuwenden könne. Ich habe diese Worte an den Anfang meiner Rede gestellt, denn ich meine, was für die Kirche und ihre Einrichtungen, für ihre Schulen gilt, das sollte erst recht für alle Privat-, Ersatz- und Ergänzungsschulen gelten. Für mich ist es keine Frage: Öffentliche Schulen und Ersatz- und Ergänzungsschulen sind gerade in diesem sensiblen Bereich gleichzustellen. Darum ist es gut, dass der Gesetzentwurf jetzt vorgelegt wurde. Es ist richtig, dass die Meldepflicht, nach der öffentliche Schulen schon immer das Jugendamt informieren müssen, wenn das Wohl einer Schülerin oder eines Schülers ernsthaft gefährdet ist, nun auch für die Ersatz- und Ergänzungsschulen gelten soll. Für mich stellt sich nur die Frage: Warum erst jetzt? - Es ist traurig, dass wir so lange gebraucht haben, um zu merken, dass hier eine Gesetzeslücke vorliegt. So viele Fälle von Gewalt und sexuellem Missbrauch mussten bekannt werden, um uns hier zum Handeln zu veranlassen.
Als Juristin ist mir selbstverständlich bekannt, dass es verfassungsrechtliche Grenzen beim Eingriff des Staates in die Privatschulen gibt. Ich meine aber, der Schutz der Kinder und Jugendlichen muss immer an erster Stelle stehen.
Daher ist es gut, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass wir zumindest jetzt reagieren, dass wir korrigieren, was korrigiert werden muss. Wir betrachten dies mit einem weinenden Auge, weil es aus unserer Sicht zu spät geschehen ist.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer gestern die Zeitung studiert hat, konnte sehen, wie ein
kleiner Junge namens Aden in einem Plastikwännchen saß. Er war total abgemagert. Es hieß: Er wird in einem Flüchtlingslager wieder aufgepäppelt.
Sie wissen vielleicht, dass Somalia gerade die schlimmste Hungersnot seit Jahrzehnten durchlebt. Tausenden geht es sicherlich so wie dem kleinen Aden. Sie sind völlig ausgezehrt. Sie fliehen in irgendwelche Nachbarländer. Wie es heißt, stirbt jedes zweite Kind auf der Flucht. In irgendwelchen Flüchtlingslagern, die total überbelegt sind, harren sie aus oder vegetieren dahin. Mittlerweile wird um Hilfe gefleht. Es ist alles willkommen, was irgendwie Linderung schafft.
Angesichts dessen ist es schade, dass jetzt nur wenige Kollegen im Plenarsaal sind und diesen Redebeitrag hören können. Es geht hier doch um ein sehr wichtiges Thema. Es ist auch auf unserer Landesebene wichtig. Auch wir stehen in der Verantwortung. Es reicht nicht aus, immer nur auf den Bund zu zeigen. Wir können nicht zuschauen, dass weltweit alle sechs Sekunden ein Kind durch Mangel- oder Unterernährung stirbt, dass jährlich über 350.000 Mütter an den Folgen ihrer Schwangerschaft sterben, dass über hunderttausend Kinder in der Welt keine Schule besuchen. Das können wir nicht hinnehmen. Wir stehen in der Verantwortung. Wir müssen etwas tun.
Natürlich hat der Freistaat Bayern dies selber erkannt. Er hat bereits 1992 Grundzüge für die Entwicklungszusammenarbeit erarbeitet. Weiterhin wurde auf der Ministerkonferenz 2008 in Dresden ausdrücklich bekräftigt: Die Länder bekennen sich klar zu ihrer Mitverantwortung für eine nachhaltige Entwicklung in der Welt und zu den Millenniumszielen.
Das war sicherlich ein erster wichtiger Schritt. Aber wir müssen diesen Weg weitergehen. 18 Jahre nach Schaffung der Grundzüge für die bayerische Entwicklungszusammenarbeit sind wir heute an einem Punkt angekommen, wo wir mehr machen müssen. Wir müssen die Entwicklungszusammenarbeit auf feste Füße stellen. Ich meine, das müssen gesetzliche Füße sein.
Wir freuen uns natürlich, dass in Bayern jährlich ein siebenstelliger Betrag für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung gestellt wird. Trotzdem: Die Entwicklungshilfe darf in Bayern nicht in erster Linie von unseren eigenen Interessen abhängen, also zum Beispiel dem Verkauf unserer Produkte und unseres Know-how dienen. Entwicklungshilfe darf auch nicht nach Gutsherrenart stattfinden. Es ist zwar nett, wenn ein bayerischer Minister in ferne Länder reist und irgendwelche Geschenke mitbringt. Aber es wäre für alle Betroffenen noch viel netter, wenn diese verlässli
che, nachhaltige Hilfe bekämen, um sich selber zu entwickeln, damit die Menschen vor Ort Essen bekommen und Schulen bauen können.
Fortbildung in bayerischen Brauereien - dieses Beispiel entnehme ich dem Bericht über die Entwicklungshilfe - oder in bayerischen Firmen mit dem Ziel, Wirtschaftskontakte zu schaffen, die später natürlich versilbert werden können, kann manchmal zwar helfen - das streite ich gar nicht ab -, aber sie kann doch nicht der alleinige Antrieb für Entwicklungszusammenarbeit in Bayern sein.
Es ist ein Armutszeugnis - das sage ich hier ausdrücklich -, dass wir es in Bayern noch nicht geschafft haben, für die Entwicklungszusammenarbeit einen zuständigen Ansprechpartner zu benennen.
Es gibt dazu einen Antrag, den alle Fraktionen beschlossen haben. Es gibt ein einstimmiges Votum des federführenden Ausschusses für Europaangelegenheiten. Wir halten die Staatskanzlei für den richtigen Ansprechpartner. Leider konnten wir diese Lösung aber noch nicht durchsetzen.
Sehr geehrte Frau Hessel, mir liegt wirklich sehr daran - ich spreche da den Antrag an, der dem Plenum noch nicht vorliegt -, dass Sie in dieser Angelegenheit noch einmal auf Herrn Zeil zugehen, der aus Gründen der Besitzstandswahrung um jeden Preis verhindern will, dass Zuständigkeiten in die Staatskanzlei verlegt werden. Es darf doch nicht sein, dass ein paar Euro in Ihrem Haushalt wichtiger sind, als damit den Kindern in der Welt zu helfen. Ich bitte Sie inständig: Appellieren Sie hier an Ihren Chef, damit sich da etwas ändert, dass zumindest die angedachte Ressortierung erfolgen kann.
Ich weiß, dass es im Vorfeld des Gesetzes, das ich jetzt leider nicht mehr in allen Einzelheiten begründen kann, viel Unmut gab. Viele haben sich übergangen gefühlt. Aber wir sind doch alle erwachsen. Es darf nicht sein, dass gute Vorschläge abgelehnt werden, weil man sich beleidigt fühlt oder weil man vielleicht nicht schneller war als andere.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie um Zustimmung. Herzlichen Dank, Herr Präsident! Ich glaube aber, dass die Redezeitanzeige nicht korrekt eingestellt war.
Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Runge, Ihre Wortmeldung hat mir gezeigt, wie sehr Sie unser Vorpreschen verletzt hat. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle entschuldigen. Das hätte man auch anders machen können. Dennoch handelt es sich um ein wichtiges Thema. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie die Punkte, die Sie gerade angesprochen haben, im Rahmen der Gesetzesdebatte in den Ausschüssen eingebracht hätten. Sicherlich hätte es die Möglichkeit gegeben, den einen oder anderen Punkt noch zu ändern.
Sie haben zu schnell über unseren Gesetzentwurf hinweggelesen. Ich möchte etwas richtigstellen: Die Zuständigkeit haben wir eindeutig geregelt; sie soll bei der Staatskanzlei liegen. Ich weiß nicht, woran es lag. Sicherlich haben Sie zu schlampig gelesen. In der Sache sollten wir uns jedoch nicht auseinanderdividieren lassen. Es wäre doch schade, wenn es den Kindern aufgrund solcher Beleidigungen an entsprechender Hilfe fehlen würde. Das sollte nicht der Fall sein. Deswegen sollten wir das Gesetz zumindest zum Anlass nehmen, um diesen Weg weiterzugehen. Ein Gesetz ist auf jeden Fall besser als irgendwelche Verwaltungsrichtlinien.
Herr Dechant, Sie haben gesagt, wir würden mit diesem Gesetzentwurf suggerieren, die ganze Welt retten zu wollen. Sicherlich haben Sie unseren Gesetzentwurf gelesen. Wir fordern keine zusätzlichen Mittel ein, sondern wir wollen die Mittel, die bisher schon zur Verfügung gestellt werden - Sie haben selbst von einem siebenstelligen Betrag gesprochen -, nur effektiver verteilen. Wir müssen über eine effektive Verteilung diskutieren und über die Frage: Wo besteht Einigkeit, wo besteht keine Einigkeit? Wir müssen diese Mittel einfach effektiver einsetzen. Darum geht es uns in erster Linie. Diesen Diskussionsprozess müssen wir führen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Frau Ministerin! Die Verfassung des Freistaats Bayern stellt in Artikel 3 Absatz 1 klar: "Bayern ist ein Rechts-, Kultur- und Sozialstaat. Er dient dem Gemeinwohl." Wir müssen uns heute fragen: Wird der jetzt vorgelegte Sozialhaushalt diesem Verfassungsanspruch gerecht?
Zunächst fällt auf, dass der Sozialhaushalt insgesamt im Volumen ansteigt. Anders als sicherlich viele andere Teilhaushalte wird im Einzelplan 10 insgesamt nicht gekürzt, sondern es gibt geringe Steigerungen.
2011 steigt der Haushalt um 1,5 %, 2012 immerhin um 6,3 %. Das ist sicherlich positiv.
Aber lassen Sie uns genauer hinschauen. Steigerungen gibt es nämlich allein bei der Förderung der Kinderbetreuung. Natürlich ist auch das erst einmal positiv. Wir alle wissen jedoch, dass es hier einen riesigen Nachholbedarf gibt. Die Staatsregierung hat nämlich jahrelang geschlafen und den Anschluss längst verpasst. Dass man dann natürlich mehr Mittel braucht, um aufzuholen, müsste allen klar sein.
Als ich 2003 in den Landtag kam, war das Wort "Kinderkrippe" außer in den sozialdemokratisch regierten Metropolen hier im Freistaat nicht bekannt oder wurde sogar verteufelt. In Plenardebatten wurde uns Sozialdemokraten immer wieder vorgeworfen, wir wollten die bayerische Familie zerstören, wir wollten den Müttern die Kinder wegnehmen. So sah es 2003 noch aus.
Dann kam plötzlich die Kehrtwende. Sie kam natürlich nicht ganz freiwillig, sondern hauptsächlich durch den Druck des Bundes. 2003 lag die Betreuungsquote bei den Kindern unter drei Jahren bei 3 %. Diese Quote hat sich mittlerweile gebessert. Trotzdem bedarf es immer noch einer enormen Kraftanstrengung, die Vorgaben des Bundes zu erfüllen.
Darüber hinaus gibt es im Bereich der Kinderbetreuung in Bayer immer noch viele Baustellen. Ich nenne einige: Wir brauchen kleinere Gruppen, gerade bei den ganz kleinen Kindern, bei den Kinderkrippen. Wir brauchen mehr Erzieherinnen. Wir wünschen uns eine bessere Qualität. Wir müssen dafür sorgen, dass der Bildungs- und Erziehungsplan überall umgesetzt werden kann. Wir müssen dafür sorgen, dass Sprachförderung überall geschieht.
Wir brauchen eine Lösung für die Krankenhausfälle. Das gilt gerade für kleine Einrichtungen, in denen Erzieherinnen fehlen und die Gruppen mit den Problemen alleingelassen werden.
Wir brauchen Freistellungen für die Leitung, zum Beispiel für die Verwaltungsarbeit. Aber wir brauchen auch weniger Verwaltungsarbeit.
Wir brauchen Inklusion von hoher Qualität in den Kinderbetreuungseinrichtungen.
Der jetzige Haushaltsansatz lässt, auch wenn er erhöht wurde, für all das, was ich genannt habe, wenig Raum. Auch in Zukunft wird es also all das, wovon ich eben gesprochen habe, nicht geben. Es wird vermutlich keine qualitativen Nachbesserungen beim BayKi
BiG geben; die Diskussion darüber steht noch an. Das heißt konkret: Die Eltern und die Träger werden mit den Problemen, mit den Krankenhausfällen, mit der Größe der Gruppen, mit der Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsplans und mit der Sprachförderung alleingelassen.
Weiterhin wird es in Bayern auch kein kostenfreies Kindergartenjahr geben, obwohl es den Menschen mit dem Koalitionsvertrag versprochen worden ist.
Ihr Marketingspruch, Frau Haderthauer, wird nicht Realität. Bayern ist kein Familienland.
Frau Ministerin, besonders schade finde ich, dass in Bayern nach wie vor nicht gewährleistet ist, dass jedes Kind ein warmes Mittagessen bekommt.
Natürlich übernimmt der Bund im Rahmen der HartzIV-Regelung für die Hartz-IV-Kinder die Kosten des Mittagessens.
Aber neulich habe ich mit Elternbeiräten zusammengesessen. Da wurde diskutiert: Das Mittagessen kostet in den meisten Einrichtungen über 3 Euro. Das ist für viele Familien, die keine Hartz-IV-Familien sind, zu viel. Wir brauchen eine staatliche Subventionierung, damit gewährleistet ist, dass wirklich alle Kinder ein Mittagessen bekommen.
Bayern ist ein reiches Land, aber ein Familienland ist es mit diesem Haushalt sicherlich nicht. Das wird im Übrigen auch dadurch deutlich, dass im Bereich der Landesstiftung Hilfe für Mutter und Kind und auch in der Schwangerenberatung gestrichen wurde; das haben Sie vorhin zu erwähnen vergessen. Es handelt sich immerhin um 1,2 Millionen Euro pro Jahr. Wo steht hier der Mensch im Mittelpunkt?
Wir haben exemplarisch einen Antrag zur Familie herausgezogen, über den wir namentlich abstimmen wollen. Es ist der Antrag auf Drucksache 16/7310. Hier geht es um die Förderung von Maßnahmen und Einrichtungen für die Familie. Dazu würden wir uns Ihre Zustimmung wünschen.
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! So positiv die Entwicklung im Bereich der Betreuungsangebote für Kinder zu bewerten ist, so traurig sieht es in anderen Bereichen des Sozialhaushaltes aus. Da braucht man gar nicht weit zu
gehen. Kaum werden die Kinder Jugendliche, schon wird wieder gespart. Aus Gründen der Haushaltskonsolidierung ist nämlich der Ausbau der Jugendsozialarbeit eingefroren worden. Wir haben so oft über die Sozialarbeit an Schulen gesprochen. Wir waren uns alle einig, dass da wertvolle Arbeit geleistet wird. Umso unverständlicher ist es für mich, dass gerade in diesem Bereich gespart wird. Längst gibt es noch nicht an allen Schulen einen Schulsozialarbeiter. Ich frage Sie erneut, Frau Ministerin, weil Sie das so in den Mittelpunkt Ihrer Rede gestellt haben: Wo steht der Mensch hier im Mittelpunkt, wenn wir bei der Jugend zu sparen anfangen?
Ich komme von der Jugend- zur Behindertenpolitik! Auch hier haben Sie mit 2,9 Millionen Euro pro Jahr massiv gekürzt. Sie wissen, dass uns die UN-Konvention zur Inklusion verpflichtet. Aber diese Inklusion ist im Sozialetat nicht angekommen. Das Wort kommt in Ihrem Haushalt überhaupt nicht vor. Im Gegenteil: Es gibt Kürzungen im Landesplan für Menschen mit Behinderungen. Es gibt auch noch keinen Aktionsplan, wie ein Konzept in Bayern umgesetzt werden könnte.
Es ist erfreulich, dass es zur Inklusion an Schulen eine gemeinsame Arbeitsgruppe gegeben hat, die auch ein Ergebnis vorgelegt hat. Aber Inklusion bedeutet nicht nur Inklusion an Schulen. Es gibt auch die Inklusion an Kindergärten. Hierzu gibt es bisher wenig innovative Vorschläge im Rahmen Ihres Gesetzentwurfs zum Bayerischen Kinderbildungs- und betreuungsgesetz.
Es gibt auch Inklusion in der Arbeitswelt. Das Recht auf Arbeit ist in der Verfassung verankert, Frau Ministerin. Für Menschen mit Behinderungen gilt das aber offensichtlich nicht. Da herrscht im Haushalt absolute Fehlanzeige. Und wie sieht es mit der Inklusion im Alltag aus? Immer noch sind die meisten Bahnhöfe, die meisten Verwaltungsgebäude und die meisten Schulen nicht behindertengerecht. Menschen mit Behinderungen kommen in diese Gebäude meist überhaupt nicht hinein. Auch hier kann ich keinen Aufbruch in Bayern sehen.
Ich habe natürlich festgestellt, dass Sie bei den Senioren mit Behinderung etwas nachgelegt haben. Da hat Sie scheinbar das schlechte Gewissen doch etwas gedrückt, weil Sie hier nun Geld verteilen wollen.
Und jetzt noch ein Wort zu den Senioren, sehr geehrte Damen und Herren. Auch bei den Einrichtungen für die Pflege älterer Menschen, bei der Angehörigenarbeit und bei der Förderung neuer Wohnformen gerade im ambulanten Bereich wird gespart. Das ist mutig. Und wenn man sich die demografische Entwicklung
ansieht, kann man auch sagen, das ist kontraproduktiv.
In den kommenden Jahren wird die Anzahl der zu pflegenden Menschen massiv ansteigen. Das wissen Sie. Auch die Demenzerkrankungen werden massiv zunehmen. Da ist es doch klar, dass wir ausreichend ambulante und stationäre Einrichtungen brauchen und vor allen Dingen auch neue Konzepte und neue Wohnformen, die diesen Menschen gerecht werden.
Wir brauchen natürlich vor allen Dingen auch mehr Menschen, die bereit sind, andere Menschen zu pflegen. Uns muss die Frage umtreiben, wie wir den Pflegeberuf attraktiver machen können. Ein wichtiger Schritt wäre es, den Auszubildenden in diesem Bereich die Bürde der Schulgeldzahlung abzunehmen.
Da ist leider nichts passiert, obwohl Sie doch mehrmals der Presse mitgeteilt haben, Sie setzten sich dafür besonders ein. Es ist letztlich zu einem Kompromiss gekommen, nach dem 150 Euro Zuschuss vorgesehen sind. Ich glaube allerdings, dass das viel zu wenig ist. Damit werden wir es nicht schaffen, den Pflegeberuf attraktiver zu machen. Wenn wir weiter nichts tun, ist der Pflegenotstand garantiert. Ihr Vorschlag, eine Pflegebeauftragte vorzusehen, wird die Pflege in Bayern alleine nicht retten.
Wir müssen uns noch um Vieles gewaltiger anstrengen, um hier für die Betroffenen das Notwendige zu erreichen.
Traurig bin ich auch, dass Sie nicht bereit sind, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Mehrgenerationenhäuser zu unterstützen. Sie Frau Ministerin, sprachen vorhin in Ihrer Rede davon, dass es Ihnen besonders wichtig sei, die Menschen zu aktivieren. Und genau dies passiert in diesen Mehrgenerationenhäusern. Hier werden die Menschen aktiviert. Sie werden zusammengeführt, und hier haben Sie Raum für Kontakte und Austausch. Hier wird schnelle Hilfe angeboten oder organisiert. Und das Ehrenamt wird eingebunden. Warum also werden die Mehrgenerationenhäuser nicht vom Freistaat Bayern unterstützt?
Sie wissen, dass das Bundesministerium die Förderung jetzt umgestellt hat. Die ursprüngliche Förderung ist ausgelaufen und die neue Förderung sieht vor,
dass 10.000 Euro entweder vom Land oder von den Kommunen zu bezahlen sind. Es ist schade, dass dieser Betrag jetzt wieder den Kommunen auferlegt wird.
In Bayern gibt es immerhin 90 Mehrgenerationenhäuser. Ich sage Ihnen, nicht jede Kommune wird das leisten können. Damit ist Ihre Entscheidung letztendlich eine Entscheidung gegen das eine oder andere Mehrgenerationenhaus.
Wir werden auch diesen dazugehörigen Antrag heute zur namentlichen Abstimmung stellen.
Zum Schluss möchte ich noch auf die Themen Bürgerarbeit und Ehrenamt im sozialen Bereich eingehen. Viele Tätigkeiten im Sozialwesen wären in gleicher Qualität überhaupt nicht leistbar, wenn es das Ehrenamt nicht gäbe. Frau Ministerin, Sie haben vorhin in Ihrer Rede Staatssekretär Markus Sackmann für seine Verdienste gelobt. Das ist richtig. Staatsekretär Markus Sackmann weiß um den Wert des Ehrenamtes. Er schließt sich unserer Forderung nach verlässlichen Strukturen im Ehrenamt an. Wir fordern, 650.000 Euro einzustellen, damit diese Strukturen ausgebaut werden können. Wir bitten auch bei diesem Antrag um namentliche Abstimmung. Da können Sie dann zeigen, wie Sie zum Ehrenamt stehen.
Ich habe noch drei Sekunden. Ein großer Wurf ist der Sozialhaushalt nicht. Es ist auch kein familienfreundlicher Haushalt. Ich kann hier keinen "Aufbruch Bayern" feststellen. Wir werden diesem Einzelplan nicht zustimmen.
Liebe 129 Kollegen leider sind nicht alle da -, liebe 58 Kolleginnen! Es ist gut, dass wir heute erneut im Rahmen der Zweiten Lesung zum Gleichstellungsgesetzentwurf der GRÜNEN über Gleichstellung diskutieren können. Wie dringend nötig dies ist, zeigt allein das Zahlenverhältnis von 129 Kollegen zu 58 Kolleginnen. Ich habe bereits in der vorigen Woche darauf hingewiesen, dass wir in diesem Jahr zum 100. Mal den Internationalen Frauentag feiern. Ich denke, das ist ein besonderer Anlass, hier noch einmal genauer hinzuschauen und Defizite, die nach 100 Jahren Frauenbewegung immer noch vorhanden sind, endlich zu beseitigen.
Der öffentliche Dienst hat eine Vorbildfunktion, und diese muss er auch wahrnehmen. Meine Kollegin hat eben schon darauf hingewiesen. So gebe ich auch die Hoffnung nicht auf, die männliche Mehrheit hier im Hause und die Frau Staatsministerin - ich habe Sie gerade da oben gesehen - von einer aktiven Gleichstellungspolitik zu überzeugen. Frau Haderthauer, ich sehe sehr wohl, dass in einer Riege von acht Männern und nur drei Frauen im Kabinett Gleichstellung nicht ganz oben auf der Agenda steht. Aber, Frau Haderthauer, es ist doch an Ihnen, etwas zu ändern.
Es ist an Ihnen, ein anderes Selbstverständnis einzufordern und ein Gender-Bewusstsein zu schaffen, Zielvorgaben zu machen und diese zu kontrollieren. Das sind Ihre Aufgaben, und ich fordere Sie nachdrücklich auf, diese auch wahrzunehmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen leider feststellen, dass Berufs- und Karrierechancen auch 2011 im öffentlichen Dienst in Bayern noch verbessert werden müssen. Wir haben die Zahlen schon hundertmal ausgesprochen. Frauen erreichen auch in Bayern die besseren Schulabschlüsse. Es machen zum Beispiel 23 % der Frauen und nur 18 % der Männer Abitur. Trotzdem schaffen Frauen seltener den Sprung in die Führungsebene. Es gibt nur 11 % Professorinnen an Bayerns Hochschulen. Das ist weniger als in der Türkei, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das kann doch nicht sein!
Das zeigt mir, dass die bisherigen Bemühungen einfach nicht ausreichen, und, Frau Haderthauer, in Ihrem eigenen Bericht steht, dass die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern nicht gleichmäßig erfolgreich in allen bayerischen Dienststellen angekommen ist. Klarer kann man es doch gar nicht ausdrücken. Hier muss etwas passieren!
In Führungspositionen gibt es im öffentlichen Dienst immer noch viel zu wenige Frauen. In der Besoldungsgruppe C 4 - ich sage das immer wieder - gibt es nur 8,5 % Frauen, in B 9 6,7 %. Sehr geehrte Frau Ministerin, hier muss sich etwas ändern!
Ich möchte noch einmal an die Diskussion in der vergangenen Woche anknüpfen. Mein Kollege Seidenath hat wie heute auch wieder erklärt, es sei doch so toll,
was in den letzten zehn Jahren, als er im öffentlichen Dienst gearbeitet hat, passiert sei. Die Quote von null ist in den Führungspositionen auf nicht einmal 10 % angestiegen. Herr Seidenath, wir wollen nicht weitere 40 Jahre warten, und es stimmt auch nicht, dass sich dieses Problem von alleine löst.
Es ist richtig, der Staat stellt nach Note ein. Die Frauen haben die besseren Noten und sie werden im öffentlichen Dienst eingestellt. Das bestreite ich überhaupt nicht. Aber kaum sind sie im öffentlichen Dienst angekommen, erhalten sie die schlechteren Bewertungen. Unsere unzähligen Anfragen, die Sie vorhin nannten, haben genau dies ergeben: Frauen werden im öffentlichen Dienst schlechter als Männer bewertet, und dies führt dazu, dass sie eben nicht aufsteigen können.
Dieses Problem löst sich nicht von allein! Das müssen wir angehen,
wenn wir Frauen tatsächlich eine Chance geben wollen, auch in Führungspositionen zu kommen.
Bewerbungskriterien sind im öffentlichen Dienst immer noch männlich. Dabei geht es nämlich um Dauerpräsenzen, und nicht um Qualität und Können, und dies müssen wir als Allererstes abstellen.
Ich habe es bereits angesprochen: Wir brauchen ein neues Gender-Bewusstsein. Wir brauchen die Quote. Das Führen in Teilzeit muss gezielt gefördert werden. Ich habe die Zahlen bereits unzählige Male genannt. 40,5 % der Führungspositionen wurden nie in Teilzeit ausgeschrieben. Das zeigt doch, dass hier das Bewusstsein dafür völlig fehlt, dass man auch in Teilzeit führen kann. Wir brauchen Fortbildungsmaßnahmen für Frauen, wir brauchen auch Fortbildungsmaßnahmen, die das Gender-Bewusstsein fördern. Auch hier liegt vieles im Argen.