Protocol of the Session on December 4, 2012

(Zuruf der Abgeordneten Eva Gottstein (FREIE WÄHLER))

Offensichtlich wollen Sie nach Ihren Einlassungen gerade eines nicht: eine unabhängige Justiz. Wir wollen das, und ich danke ausdrücklich Herrn Kollegen

Schindler, der heute in einer Presseerklärung noch einmal sehr direkt darauf hingewiesen hat, dass in die Befugnisse der unabhängigen Justiz weder die Exekutive noch die Legislative einzugreifen hat. Er hat unter anderem formuliert, wie uns Herr Rinderspacher gerade noch einmal vorgehalten hat, auch der Ministerpräsident könne es nicht. Das hat er auch nicht getan. Er hat gesagt, er sei sich der Gratwanderung durchaus bewusst, wenn er diesen Fall thematisiere.

(Markus Rinderspacher (SPD): Er hat gesagt, das Verfahren muss neu aufgerollt werden!)

Nicht Sie, nicht ich, nicht die Ministerin, sondern ein unabhängiges Gericht entscheidet am Schluss. Und das ist gut so.

Frau Stahl, Sie haben gesagt, eine Kontrolle der Gerichte gebe es nicht. Entschuldigung, reden wir doch bitte nicht unseren gut funktionierenden Rechtsstaat schlecht. Unsere Verfassung sieht justizielle Grundrechte vor. Gerade weil es eine Kontrolle innerhalb der Justiz gibt, besteht die Möglichkeit, jede Entscheidung eines Gerichts durch die nächsthöhere Instanz überprüfen zu lassen. Das ist übrigens im Fall Mollath auch geschehen.

(Eva Gottstein (FREIE WÄHLER): Dann ist ja alles in Ordnung!)

Frau Kollegin, auch wenn Sie Sozialkunde nicht mögen und auf die Gefahr hin, dass ich Sie langweile: Gewaltenteilung heißt, dass dort, wo ein unabhängiges Gericht zuständig ist, dieses unabhängige Gericht auch entscheidet und nicht der Landtag oder die Exekutive, sondern das unabhängige Gericht.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Trotzdem schaut es so aus, als sei nicht alles in Ordnung!)

Das wird, wenn es so ist, ein unabhängiges Gericht auch feststellen. Herr Aiwanger, ich habe volles Vertrauen in die Gerichte.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Dann machen wir einen Untersuchungsausschuss, davor brauchen Sie dann keine Angst zu haben!)

- Auch in einem Untersuchungsausschuss können Sie nicht überprüfen, ob ein unabhängiges Gericht richtig gehandelt hat.

(Eva Gottstein (FREIE WÄHLER): Aber die Ungereimtheiten können wir aufklären!)

Auch hier zeigt sich, dass Sozialkunde manchmal gar nicht so dumm ist.

Ich sage Ihnen klar: Wir haben keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass unser System, in dem sich die Justiz selber kontrolliert, nicht erfolgreich ist. Ich habe sogar den Eindruck, dass es eine Vielzahl von sehr guten Beispielen dafür gibt, dass die innerjustizielle Kontrolle ganz hervorragend funktioniert und dass es keinesfalls zu Willkür kommt, wenn sich die Justiz selber kontrolliert und sich der Landtag und die Exekutive nicht einmischen.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Sie sagen also, alles ist sauber!)

Richtig ist, Herr Aiwanger, dass es aufgrund der in den Medien veröffentlichten Tatsachen − mehr kann ich dazu nicht sagen, und Sie auch nicht − Anhaltspunkte gibt, aufgrund derer auch ich der festen Überzeugung bin, dass die Staatsanwaltschaft im Rahmen der Prüfung eines Wiederaufnahmeverfahrens eine Entscheidung treffen wird und dass danach auch das Gericht unter den Voraussetzungen, die das Gesetz bei uns klar vorsieht, eine Entscheidung treffen wird. Auch hier gibt es keine Willkür. Es gibt ganz klare Voraussetzungen, unter denen die Wiederaufnahme eines Verfahrens möglich ist. Aufgrund der Außenwirkung begrüße ich es sehr − das sage ich ganz unumwunden -, wenn die Prüfung der Wiederaufnahme zügig vonstatten geht. Hier so zu tun, als wäre die Justiz nicht unabhängig, andererseits aber den Landtag über die Justiz stellen zu wollen, machen wir nicht mit.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Sie sagen also, alles ist in Ordnung!)

Wir sind der festen Überzeugung, dass im Rahmen des Überprüfungsverfahrens eine rechtlich einwandfreie und der Angelegenheit angemessene positive Entscheidung getroffen wird.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Hubert Aiwan- ger (FREIE WÄHLER): Das wissen Sie heute schon!)

Ich darf nun das Wort an Herrn Ministerpräsident Horst Seehofer weitergeben.

Meine Damen und Herren! Ich habe mich gemeldet, weil ich den Spagat der Opposition, die sich verbal vor die Justiz stellt und sie gleichzeitig versteckt und offen kritisiert, nicht zulassen möchte.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Ich halte drei Punkte fest.

Erstens. Die Unterbringung von Herrn Mollath in einer psychiatrischen Einrichtung beruht auf einer vom Bundesgerichtshof höchstrichterlich bestätigten Entscheidung des Landgerichts Nürnberg-Fürth. Die weitere Notwendigkeit einer Unterbringung wurde und wird entsprechend der gesetzlichen Vorgabe einmal jährlich durch von Sachverständigen beratene Gerichte überprüft. Zuletzt geschah dies im September 2012. Liebe Frau Stahl, wenn Sie sagen, die Justiz könne sich nicht selbst kontrollieren, weise ich nur darauf hin, dass die rechtsstaatlich einwandfreie Kontrolle der Justiz durch den Instanzenzug bis hin zum Bundesgerichtshof gegeben ist.

(Beifall bei der CSU)

Zweitens. Die Justizministerin Beate Merk hat heute zwei sehr wichtige Sätze gesagt. Sie hat gesagt, es gibt einen Antrag der Staatsanwaltschaft an die Strafvollstreckungskammer am Landgericht Bayreuth auf Überprüfung der Fortdauer der Unterbringung. Das war auch meine Position, aber nicht, weil ich Misstrauen gegenüber der Justiz hätte, sondern weil es darum ging, neue Tatsachen, insbesondere die Rolle der Bank, in diese Beurteilung mit einzubringen. Das ist der Anlass.

Außerdem hat die Justizministerin gesagt, dass es einen Antrag der Staatsanwaltschaft Regensburg auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens geben werde. Auch dafür gibt es einen konkreten Anlass, nämlich die jüngste Presseberichterstattung. Von den Rednern der Regierungskoalition ist auch gesagt worden, dass überprüft werden müsse, ob diese Berichterstattung zutrifft. Ich betone ausdrücklich, dass zwei Anträge entweder schon gestellt oder zumindest vorgesehen sind. Die Anträge richten sich an die zuständigen Gerichte. Einmal soll die Unterbringung nochmals überprüft werden, obwohl sie im September 2012 überprüft worden ist. Diese Überprüfung, glaube ich, ist in dem Fall angesichts der Zweifel und Merkwürdigkeiten, die Herr Kollege Fischer genannt hat, und auch des Gutachtens der Bank, das bisher offenkundig nicht in das Verfahren eingeflossen ist, berechtigt. Davon muss man sauber den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens trennen. Dieser wird wohl gestellt. In beiden Fällen entscheiden aber letztlich die Gerichte. Das möchte ich noch einmal ausdrücklich festhalten.

Herr Kollege Schindler, wenn Sie mein ganzes Interview in der "Passauer Neuen Presse" gelesen haben, können Sie auch nicht unterschlagen, dass ich die Unabhängigkeit der Gerichte in meinem Interview am Wochenende ausdrücklich gefordert, bestätigt und begrüßt habe. Diese Unabhängigkeit wird auch von der Staatsregierung nicht infrage gestellt.

(Beifall bei der CSU und der FDP - Markus Rinderspacher (SPD): Und das ist der Spagat der Opposition?)

Ich möchte es in folgenden Satz fassen: Die Staatsregierung und auch die Regierungskoalition überprüfen nicht die Gerichte. Wir bitten die Gerichte, aufgrund neuer Tatsachen selbst eine Überprüfung durchzuführen.

(Harald Güller (SPD): Wessen Spagat ist das jetzt?)

Es ist ein himmelweiter Unterschied, ob die Legislative oder die Exekutive die Justiz überprüft oder ob die Legislative und die Exekutive die Justiz bitten, aufgrund bestimmter Tatsachen eine Überprüfung durchzuführen. Wir achten exakt auf den gesetzlich vorgeschriebenen Weg.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Herr Streibl, ich habe Ihnen in dieser Debatte zugehört. Herr Kollege, vielleicht können Sie dem Kollegen Streibl auch die Aufmerksamkeit ermöglichen, damit er mir jetzt zuhören kann. Ihr Beitrag war ein Vorgang, den man, wenn man 32 Jahre in einem Parlament ist, selten erlebt. Nachdem Sie die Reaktionen aus der Justiz gehört haben, haben Sie erklärt, sie stellten sich vor die Justiz und so weiter und so fort. Gleichzeitig haben Sie aber die politische Verantwortung definiert und gesagt, wenn die Justiz ausreichend personell ausgestattet wäre und wenn sie ausreichend Zeit hätte zu arbeiten, dann wären die Fehler nicht passiert. Ich halte es für infam, zu sagen, es seien Fehler passiert.

(Lebhafter Beifall bei der CSU und der FDP)

Sie haben nicht gesagt, es könnten Fehler passiert sein, sondern Sie haben unterstellt, dass Fehler passiert sind und dass diese Fehler nicht passiert wären, wenn die Justiz richtig ausgestattet gewesen wäre.

Das wäre meine Bitte zum Schluss: Wir haben das gemeinsame Interesse − denn ich möchte hier niemandes glaubhafte Einstellung zum Rechtsstaat infrage stellen; ich habe hier auch nie eine Kollegin oder einen Kollegen angetroffen, der eine andere Einstellung hätte − und die gemeinsame Überzeugung, dass die Überprüfungen aus unterschiedlichen Gründen stattfinden müssen. Dabei geht es um die Unterbringung und die Wiederaufnahme des Verfahrens. Ich bitte, es wenigstens ab heute als Chance zu begreifen: Diese Regierung möchte nichts unter den Tisch kehren. Sie möchte nichts vertuschen. Sie hat ein Interesse, dass rechtsstaatlich einwandfrei überprüft

wird, ob Herr Mollath zu Recht in der Unterbringung sitzt.

(Zuruf von den FREIEN WÄHLERN: Unglaub- lich!)

Wir haben auch ein Interesse daran, dass das Verfahren überprüft wird. − Was daran "unglaublich" sein soll, Herr Kollege, müssen Sie mir einmal erklären. − Das ist eine saubere Vorgehensweise.

(Anhaltender lebhafter Beifall bei der CSU und der FDP)

Der Justizministerin möchte ich für das, was sie hier und heute gesagt − auch das wird wieder missinterpretiert − und angekündigt hat, meinen Dank und meinen Respekt aussprechen.

(Anhaltender Beifall bei der CSU und der FDP)

Für die FREIEN WÄHLER darf ich das Wort nun an Herrn Bernhard Pohl weitergeben.

Herr Präsident, Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Guttenberger, Sie haben eine interessante Vorlesung über die Gewaltenteilung in Verbindung mit Sozialkunde gehalten. Aber ich muss Ihnen sagen: Sie haben die Gewaltenteilung leider nicht im Entferntesten verstanden.

(Lachen bei der CSU)

Denn, Frau Kollegin Guttenberger, sonst wäre Ihnen nicht entgangen, dass wir das Ermittlungsversagen im Zusammenhang mit den Vorwürfen von Geldwäsche und Steuerhinterziehung ganz maßgeblich angeprangert haben. Frau Kollegin Guttenberger, vielleicht ist es Ihrer Aufmerksamkeit entgangen, aber die Staatsanwaltschaft, die Ermittlungsbehörden und die Finanzbehörden gehören zur Exekutive, nicht zur Judikative.

Herr Ministerpräsident, Sie haben gesagt, dass der Kollege Streibl mit Bezug auf die Justiz Fehler angemahnt hat. Dazu muss ich Ihnen sagen: Die Justiz besteht nicht nur aus den Gerichten, sondern auch aus den Ermittlungsbehörden. Dass dort Fehler und Versäumnisse passiert sind, lässt sich wahrlich nicht wegleugnen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Eine ganz andere Sache ist die Unterbringung des Herrn Mollath in der Psychiatrie. Ich sage hier ganz deutlich: Herr Mollath ist weder im jetzigen Stadium