Eine ganz andere Sache ist die Unterbringung des Herrn Mollath in der Psychiatrie. Ich sage hier ganz deutlich: Herr Mollath ist weder im jetzigen Stadium
ein Märtyrer noch ist die Unterbringung über jeden Zweifel erhaben. Wir wissen nicht, ob er zu Recht oder zu Unrecht untergebracht worden ist. Offensichtlich haben auch Sie, Herr Ministerpräsident, Ihre Zweifel, weswegen Sie in Ihrer Verantwortung das Ihre getan haben, um ein Wiederaufnahmeverfahren in die Wege zu leiten. Die Justizministerin ist Ihnen hier gefolgt.
Ich sage ganz deutlich: Frau Staatsministerin, entweder ist es konsequent, zu sagen, dass Sie sich in überhaupt nichts einmischen, weil alles korrekt gelaufen sei. Aber dann bedarf es auch keines Wiederaufnahmeverfahrens. Oder Sie erkennen, dass es hier Merkwürdigkeiten gibt, die es rechtfertigen, bezüglich des hohen Gutes der persönlichen Freiheit ein Gericht zu befassen und aufgrund neuer Tatsachen einen Wiederaufnahmeantrag zu stellen. Dabei haben Sie, Herr Kollege Dr. Fischer, durchaus recht: So ganz eindeutig ist das mit den neuen Tatsachen nicht. Vielleicht steht dahinter in der Tat ein gewisses Eingeständnis. Ich will es nicht näher bewerten.
Fakt ist aber, dass Sie, Frau Justizministerin, offensichtlich zu der Überzeugung gelangt sind, dass eine Überprüfung erforderlich ist. Dann frage ich aber nach dem Warum. Sind vielleicht neue Tatsachen auf den Tisch gekommen, die die Medien, Herr Ministerpräsident, aber nicht nur die Medien, sondern auch unsere Fraktion und andere in diesem Hohen Haus zutage gefördert haben?
Deswegen kann ich es nicht begreifen, dass Sie, Frau Staatsministerin, Kritik an unserem Vorgehen üben. Eigentlich hätten Sie uns dankbar dafür sein müssen, dass wir Tatsachen ans Licht gefördert haben, die Ihnen die Möglichkeit gegeben haben, jetzt einen Wiederaufnahmeantrag in die Wege zu leiten, um einem vielleicht Unschuldigen zu seinem Recht zu verhelfen. Ich sage es mit der gebotenen Vorsicht: vielleicht zu seinem Recht zu verhelfen; denn selbstverständlich stehen wir zu einer unabhängigen Justiz. Selbstverständlich achten und respektieren wir die Gewaltenteilung.
Aber man muss auch in einem Rechtsstaat an anderen Gewalten Kritik üben dürfen. Das haben wir und haben auch Sie in vielen anderen Bereichen getan. Ich erinnere nur an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu der Gleichsetzung, Soldaten seien potenzielle Mörder. Diese Gleichsetzung haben Sie zu Recht kritisiert.
Wenn wir die Gewaltenteilung achten, dann heißt das nicht, dass wir alles kritiklos zur Kenntnis zu nehmen hätten. Es ist die Aufgabe eines Parlamentariers, den
Deswegen, Frau Justizministerin, würde er eigentlich Ihren Dank und nicht Ihre Kritik verdienen. Ob Ihr Verhalten allerdings Dank verdient oder nicht, steht auf einem anderen Blatt. Vielleicht muss Ihr Verhalten eher kritisch beäugt werden, weil Sie, wie Kollegin Aures richtig gesagt hat, seit einem Jahr untätig sind. Sie sind bezüglich dieses Falles und vieler anderer Fälle in unserem Ausschuss gerade ein einziges Mal erschienen, um Stellung zu nehmen.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir befassen uns mit einem Fall, in dem es darum geht, dass festgestellt werden muss, ob jemand zu Recht oder zu Unrecht in der Psychiatrie untergebracht ist. Nachdem das meiste zum Ablauf gesagt worden ist, möchte ich mich damit befassen, was die Justizministerin angeblich oder tatsächlich gemacht hat.
Der Fall begann damit, dass Herr Mollath im September 2003 dem Amtsgericht eine Verteidigungsschrift von 106 Seiten übergab und im Dezember eine siebenseitige Strafanzeige erstattete. Die Strafanzeige wurde genauso wie die Verteidigungsschrift in der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth bewertet. Dort kam man zu dem Ergebnis: Es ist nichts zu veranlassen.
Dieser Sachverhalt ist Gegenstand der Behandlung im Rechtsausschuss des Bayerischen Landtags im Mai 2004 gewesen. Alle Berichterstatter, Mitberichterstatter und der Berichterstatter, der das Thema übernommen hat − denn die beiden Originalberichterstatter waren bei der Besprechung gar nicht mehr dabei -, kamen einstimmig zu dem Ergebnis, dass in Anbetracht der ihnen vorliegenden siebenseitigen Anzeige mit dem gesamten Inhalt keine Ermittlungen zu veranlassen seien, dass die Ministerin die Staatsanwaltschaft nicht anweisen sollte, gleichwohl zu ermitteln.
Vor diesem Hintergrund finde ich es unfair, jetzt so zu tun, als hätte die Staatsministerin den Staatsanwalt zur Ermittlung veranlassen müssen. Dann müssten wir uns alle selber an die Brust klopfen, dass wir ebenso wenig wie die staatsanwaltschaftliche Person, die das gemacht hat, erkannt haben, dass Ermittlungen geboten seien.
Im Jahr 2007 gab es eine Petition. Sie betraf die Unterbringung. Mit den jetzt gestellten Fragen hatte sie nichts zu tun. Dann kam aufgrund des "Report"-Berichts die Anfrage − Frau Aures, Sie haben es dargestellt − zu der HVB-Geschichte. Die Justizministerin stellte dann in dieser Sitzung dar − ihr Redebeitrag umfasst 29 Seiten; sie sind Bestandteil des Protokolls -, wie der Leitende Oberstaatsanwalt im Gerichtsbezirk Nürnberg-Fürth den HVB-Bericht bewertete. Sie haben doch immer gewollt, dass die Ministerin ihre Bewertung nicht an die Stelle der Bewertung der Topleute, die dort sitzen, stellt. Jetzt aber wollen Sie der Ministerin vorwerfen, dass sie ihren Leitenden Oberstaatsanwalt nicht überstimmt hat? Jetzt wollen Sie ihr vorwerfen, dass sie nicht gesagt hat: "Was der schreibt, ist alles Unsinn!"? Ich fordere Sie auf: Bleiben Sie fair. Überlegen Sie sich, ob Sie die Möglichkeiten einer Ministerin an dieser Stelle nicht überbeanspruchen.
- Herr Rinderspacher, jetzt kommen wir zu der Frage: Was kam danach? Am Freitag gab es einen Bericht in den "Nürnberger Nachrichten", wonach ein Richter zwei Jahre, bevor er selbst geurteilt hat, gegenüber anderen Amtspersonen dasselbe Urteil quasi schon einmal ausgesprochen haben soll. Als das bekannt wurde, hat die Ministerin reagiert und die Wiederaufnahme angeordnet.
Bedenken Sie bitte, welche Geschichte dieses Land hat und ob Sie nicht zufrieden sein müssten; denn dieses Land hat einen Weg gefunden, die Justiz sehr lange zu respektieren, aber einzugreifen, wenn es irgendwann doch notwendig ist, und das ist hier der Fall. Deswegen haben Sie keinen wirklichen Anlass − außer der politischen Auseinandersetzung, in der wir uns befinden -, der Justizministerin hinsichtlich der Handhabung einen Vorwurf zu machen.
Natürlich laufen Dinge ungut. Ich war in der Registratur und habe mir den Vorgang von 2004 geholt. Herr Mollath schickte im Oktober 2004 nochmals 25 Seiten. Aber da die Petition erledigt war, ist ein Eingangsstempel des Bayerischen Landtags dabei, und die 25 Seiten sind bei der Stammakte abgeheftet. Wenn wir sie bekommen hätten, wären wir nach der Lektüre dieser 20 Seiten vielleicht zu der Auffassung gekommen: Es ist doch alles anders. − Aber so war es halt nicht. Wer muss, wer soll jetzt zurücktreten? Wir alle, weil wir es nicht geschafft haben, das zu organisieren?
Ich bin sehr froh, dass der Fall überprüft wird. Wenn einem Richter in einer Zeitung so etwas unterstellt
wird − ich warte heute noch auf sein Dementi −, dann ist es gut, dass die Wiederaufnahme angestrebt wird.
Aber bevor daraus ein Riesentheater, gar ein Justizskandal konstruiert wird, muss man abwarten, was am Schluss herauskommt. Die Rechtfertigung dafür, dass wir uns in diesen Fall einmischen − Frau Stahl, Sie haben das korrekt ausgearbeitet −, erwächst daraus, dass niemand hier drin möchte, dass ein Mensch zu Unrecht in der Psychiatrie untergebracht ist.
Wir sind heute noch verpflichtet, zu akzeptieren, dass die Verurteilung wegen dieser Taten rechtskräftig ist. Unsere einzige Chance besteht darin, das überprüfen zu lassen. Sie besteht nicht darin, dass wir das bestreiten und uns selbst zum Richter machen.
Vielen Dank, Herr Kollege. − Entgegen meiner Ankündigung hat sich Frau Staatsministerin Dr. Merk doch entschlossen, die verbleibenden drei Minuten Redezeit im Rahmen dieser Debatte zu nutzen. Sie haben das Wort, Frau Staatsministerin.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich auf einige Vorwürfe eingehen: Frau Aures, wenn Sie die Protokolle − sie sind sehr ausführlich − gelesen und die Rechtsexperten in Ihren Reihen zurate gezogen hätten − Sie haben den Vorsitzenden des Verfassungs- und Rechtsausschusses in Ihren Reihen −, würden Sie nicht erschrecken, wenn Sie die Zeitung lesen. Sie verstünden auch, dass Recht nicht im Schweinsgalopp betrieben werden kann, sondern Besonnenheit und Sorgfalt erfordert, vor allen Dingen dann, wenn es um ein Freiheitsrecht geht.
Lieber Herr Pohl, Sie wissen genau, dass die Wiederaufnahme keine Goodwill-Entscheidung ist. Ich kann
es mir noch so sehr wünschen, ich kann es noch so sehr wollen − wenn die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen, habe ich als Justizministerin, wie sonst auch, nach den Gesetzen des Rechtsstaates zu handeln; das tue ich. Ich wiederhole: Wenn die Voraussetzungen nicht erfüllt sind, ist das nicht möglich. Durch einen Bericht am Freitag sind die Voraussetzungen evident geworden; darauf habe ich reagiert. Das war die erste Möglichkeit zu reagieren, und diese habe ich genutzt. Tun Sie bitte nicht so, als ob man ein Wiederaufnahmeverfahren schnell aus dem Handgelenk schütteln könnte. Gerichtliche Entscheidungen müssen aus gutem Grund auch eine gewisse Bestandskraft haben. Da die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind, kommt es nun zum Wiederaufnahmeverfahren.
Die Amtszeit des bisherigen Präsidenten des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, Herrn Dr. Karl Huber, endet mit Ablauf des Monats Februar 2013. Die Staatsregierung hat beschlossen, Herrn Dr. Karl Huber zur Wiederwahl als Präsident des Verfassungsgerichtshofs vorzuschlagen. Herr Dr. Huber ist bereit, im Fall seiner Wiederwahl das Amt anzunehmen, und hat eine entsprechende Erklärung gemäß Artikel 6 des Verfassungsgerichtshofgesetzes abgegeben.
Die Richter-Wahl-Kommission hat in ihrer Sitzung am 28. November 2012 beschlossen, der Vollversammlung die Wahl von Herrn Dr. Huber zu empfehlen. Eine Gegenkandidatin bzw. ein Gegenkandidat wurde vonseiten der Fraktionen nicht vorgeschlagen.
Wir kommen damit zur Wahl. An Ihrem Platz finden Sie einen Stimmzettel vor, auf dem der vorgeschlagene Kandidat aufgeführt ist. Außerdem enthält Ihre Stimmkartentasche eine gelbe Namenskarte, die für die Wahl zu verwenden ist. Urnen für die Namenskarten und für die Stimmzettel befinden sich auf beiden Seiten des Sitzungssaals im Bereich der Eingangstüren. Ich bitte, sowohl die Namenskarte als auch den Stimmzettel nicht selbst in die Urne einzuwerfen, sondern diese den hierfür bereitstehenden Schriftführern
und Mitarbeitern des Landtagsamts auszuhändigen. Nur so kann der ordnungsgemäße Ablauf des Wahlvorgangs sichergestellt werden.
Die Wahl ist beendet. Die Auszählung der Stimmzettel erfolgt außerhalb des Plenarsaales. Das Wahlergebnis wird sobald wie möglich bekannt gegeben. Wir fahren zwischenzeitlich in der Tagesordnung fort.
Gesetzentwurf der Staatsregierung für ein Gesetz zur Bereinigung des Landesrechts (Drs. 16/14914) - Erste Lesung