Protocol of the Session on November 29, 2012

Ich nenne Ihnen die Zahlen: Während wir 1992 noch rund 18.000 blinde Menschen hatten, waren es im Jahr 2000 nur noch 17.000, und 2010 waren es gar nur noch 15.000. Das bedeutet eine Einsparung allein durch die sinkenden Fallzahlen von 19,4 Millionen

Euro. Es schient Sie nicht besonders zu interessieren, Herr Unterländer; denn Sie sind in wichtigen Gesprächen, aber es handelt sich hierbei um blinde Menschen. Sie haben eben mit dem Geld argumentiert, und ich sage Ihnen, dass 19,4 Millionen Euro durch die sinkenden Fallzahlen eingespart werden und 2,5 Millionen dadurch, dass nicht einmal der Satz von 2004 erreicht ist. Das ergibt über 20 Millionen Euro, die wir eingespart haben. Dem stehen 12 Millionen Euro gegenüber. Wir hätten alle Gruppen einbezogen, und dem verweigern Sie sich. Das ist völlig unverständlich und überhaupt nicht nachvollziehbar.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben sich jetzt dazu entschlossen, die Taubblinden für 2013 zu berücksichtigen − welch eine Großtat! Was ist dann aber mit den taubblinden Menschen 2014? Na ja, da ist die Wahl vorbei, da werden wir dann mal weitersehen. Sie hätten die Möglichkeit gehabt, das jetzt in den Doppelhaushalt einzustellen. Sie haben es nicht getan, und die hochgradig sehbehinderten Menschen haben Sie völlig durch die Maschen fallen lassen. Die haben Sie überhaupt nicht berücksichtigt. Ich frage mich schon, inwiefern dieses Vorgehen mit der UN-Konvention für die Rechte behinderter Menschen in Einklang zu bringen ist. Darin wird festgeschrieben, dass die Menschen mit Behinderung einen Nachteilsausgleich bekommen sollen und ihnen Teilhabe an der Gesellschaft ermöglicht werden soll.

Wie ist die Teilhabe eines hochgradig sehbehinderten Menschen gesichert, der keine Hilfsmittel bewilligt bekommt, um zum Beispiel Lese- oder Orientierungshilfen zu erwerben? Wo ist hier die Umsetzung der UNKonvention mitgedacht − und das in die Zukunft, für die nächsten zwei Jahre? Da sind Sie bereits damit fertig. Diesen Menschen wird keine Hilfe zur Teilhabe gegeben, und ich finde das äußerst schäbig, insbesondere dann, wenn man sieht, dass es sich im Vergleich zum Gesamthaushalt um einen lächerlich kleinen Betrag handelt, der aber für die betroffenen Menschen ein Riesenfortschritt gewesen wäre.

Sie sind hier Ihrer Verantwortung, sich für die Bedürftigen, die Schwächeren in der Gesellschaft einzusetzen, als Sozialpolitiker und Sozialpolitikerinnen der Koalition nicht gerecht geworden. Es tut mir leid für Sie. Dafür werden Sie sich vor den Wählern und insbesondere vor den Betroffenen verantworten müssen. Wir halten diesen Gesetzentwurf für richtig und hoffen, dass Sie sich vielleicht wenigstens beim nächsten Doppelhaushalt eines Besseren besinnen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Frau Kollegin. − Als Nächster hat Herr Profes

sor Dr. Peter Bauer von den FREIEN WÄHLERN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will Sie nicht wieder mit dem Aufzählen von Sachverhalten und den richtigen Zahlen langweilen; denn wir haben alle nur eine begrenzte Lebenszeit zur Verfügung. Deswegen spare ich mir hier weitere Ausführungen.

Aber ganz wichtig ist, dass wir dieses Thema auch in Anwesenheit der Frau Staatsministerin immer wieder diskutieren. Ich danke Ihnen, dass Sie gekommen sind. Sie standen ja dem Plenum einige Zeit nicht zur Verfügung. Deshalb noch einmal herzlich willkommen und vielen Dank, dass Sie uns zuhören!

Zum Stichtag 31. Mai 2012 gab es insgesamt 114 Menschen, die von Taubblindheit betroffen sind. Die Hilfe für diese Menschen ist jetzt eine gewisse Verbesserung, die wir begrüßen. Aber es ist viel zu wenig; denn im Sinne eines Nachteilsausgleiches ist das Blindengeld eine wichtige soziale Leistung des Freistaates. Es soll der besonderen Situation von blinden Menschen Rechnung tragen und einen Ausgleich für den durch die Behinderung entstehenden finanziellen Mehraufwand darstellen. Dieses Geld wird zum Beispiel für zusätzliche Hilfsmittel wie Lesehilfen und so weiter benötigt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sollten sich noch einmal ganz klar vor Augen führen: Die UN-Menschenrechtskonvention formuliert ganz klar und deutlich das Recht auf gleichberechtigte Teilhabe am Leben. Diese Forderung der Menschenrechtskonvention hat die Bundesrepublik Deutschland rechtsverbindlich unterschrieben. Danach haben wir zu handeln. Danach haben wir unsere Gesetze im Bayerischen Landtag auszurichten. Deswegen haben die Fraktionen grundsätzlich − Herr Unterländer hat es bestätigt − die Notwendigkeit erkannt. Mir fehlt einfach die Handlung. Frau Ackermann hat noch einmal dargestellt, dass der Ausgleich zur Fehlentscheidung aus dem Jahr 2003 fehlt. Das haben wir bei Weitem noch nicht erreicht. Die Taubblinden haben einen außerordentlich großen Hilfsbedarf, beispielsweise durch Assistenz. Die FREIEN WÄHLER erkennen − das kann ich nur noch einmal betonen − die eingestellten 630.000 Euro im aktuellen Haushaltsentwurf schon an. Wenn Sie dies jedoch mit den benötigten Beträgen und den früheren Zahlen vergleichen, sehen Sie, dass das nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Damit wird den Taubblinden nicht sehr geholfen.

Deswegen formulieren wir an dieser Stelle: Dieser Haushaltsentwurf ist viel zu niedrig angesetzt. Wir set

zen uns dafür ein, dass der Haushaltsansatz erhöht wird. Die FREIEN WÄHLER fordern schon heute eine deutliche Erhöhung. Aber es scheint sich etwas zu bewegen. Ich bin Ihnen dafür sehr dankbar. Das geschah allerdings wieder auf Druck der Opposition und aufgrund der hervorragenden Zusammenarbeit in der Opposition.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD)

Das wollte ich an dieser Stelle auch einmal betonen.

Sie haben große Ankündigungen für das Jahr 2013 in die Öffentlichkeit posaunt. Das ist vorhin schon zitiert worden. Setzen Sie Ihre Ankündigungen so rasch wie möglich um. Verabschieden Sie kein Vier-Punkte-Programm, das sich bis zum nächsten Jahr hinzieht. Sie haben sehr wagemutig angekündigt: In der nächsten Legislaturperiode des Bundestages werden wir ein Bundesleistungsgesetz verabschieden. Für diesen Mut bewundere ich Sie schon sehr. Sie sollten jedoch an der Tagespolitik arbeiten. In diesem Zusammenhang ist die Umsetzung des Taubblindengeldes für Bayern wichtig. Da sollten wir vorangehen.

Die FREIEN WÄHLER begrüßen deshalb den Änderungsantrag von der SPD und den GRÜNEN und stehen voll dahinter. Wir werden diesem Antrag zustimmen. Ich bitte Sie noch einmal, dem Antrag heute zuzustimmen und kein Vier-Punkte-Programm oder ein Stufenprogramm anzukündigen, dessen letzte Stufe gar nicht mehr zünden kann, weil es andere Zusammensetzungen im Parlament gibt. Das möchte ich zu bedenken geben. Zünden Sie schon jetzt die vierte Stufe, machen Sie Nägel mit Köpfen, geben Sie den Taubblinden das, was ihnen zusteht, helfen Sie den besonders bedürftigen Menschen, geben Sie Ihrem Herzen einen Ruck, tragen Sie weiterhin Verantwortung für ein soziales Bayern, und stimmen Sie diesem Gesetzentwurf zu!

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD)

Bevor ich der nächsten Rednerin das Wort erteile, begrüße ich im Ehrengastbereich der Besuchertribüne den griechischen Innenminister Herrn Dr. Evripides Stylianidis.

(Allgemeiner Beifall)

Er hält sich in München zu Gesprächen mit Frau Landtagspräsidentin Barbara Stamm, Frau Staatsministerin Christine Haderthauer und Herrn Staaatsminister Joachim Herrmann auf. Ich persönlich hatte schon vor einigen Monaten die Gelegenheit, mit Herrn Minister Dr. Evripides Stylianidis im Landtag zu spre

chen. Begleitet wird unser Ehrengast von der griechischen Generalkonsulin in München, Frau Sofia Grammata. Ich heiße Sie herzlich willkommen und wünsche Ihnen einen informativen Aufenthalt im Maximilianeum.

(Allgemeiner Beifall)

Jetzt hat Frau Brigitte Meyer von der FDP das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Der uns heute in Zweiter Lesung vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Blindengeldgesetzes übermittelt weitgehend ein Anliegen des Bayerischen Blindenbundes. Als Vertreter der Menschen, die von hochgradiger Sehbehinderung, von Blindheit oder von Taubblindheit betroffen sind, formuliert der Blindenbund Forderungen, die parteiübergreifend bei uns allen auf großes Verständnis stoßen. Würden die Vorschläge so, wie sie im Gesetzentwurf der GRÜNEN und der SPD ihren Niederschlag gefunden haben, umgesetzt, beliefe sich der Mehrbedarf im Haushalt auf über zwölf Millionen Euro. Nun kann man sagen, wie von Ihnen dargestellt: Das ist im Lichte der Kürzungen, die einst durch die staatlichen Einsparmaßnahmen vorgenommen wurden, und vor dem Hintergrund der Tatsache, dass erfreulicherweise die Anzahl der Menschen, die völlig erblinden, durch die Fortschritte in der Medizin immer weiter zurückgeht, eine vertretbare Größenordnung.

Frau Kollegin Ackermann, Sie haben den Betrag lächerlich genannt. Im sozialen Bereich − das wissen Sie alle − gibt es viele wichtige und anerkennungswürdige Forderungen. Zum Beispiel haben auch gehörlose Menschen im Lebensalltag höhere Aufwendungen, um am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Aktuell ist eine Besuchergruppe anwesend, in der sich drei gehörlose Personen befinden. In der heutigen Diskussion lautete eine Frage: Warum gibt es Blindengeld, und warum bekommen die Gehörlosen keine Unterstützung? Die unterschiedlichen Bedürfnisse zwingen uns, wenn man in der Regierungsverantwortung und in der Gesamtverantwortung steht, abzuwägen. Die Regierungsfraktionen haben sich deshalb bei der Ausweitung des Blindengeldes mit Blick auf die Kosten dafür entschieden, zunächst in einem ersten Schritt − nicht nur 2013, sondern fortführend, liebe Kollegin Ackermann − ein Taubblindengeld zu ermöglichen.

Der Lebensraum für Menschen, die weder sehen noch hören können, ist für mein persönliches Empfinden unvorstellbar eingeschränkt. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich als ziemlich junges Mäd

chen zum ersten Mal die Geschichte der englischen Schriftstellerin Helen Keller gelesen habe, die im Alter von 19 Monaten durch eine Krankheit ihr Augenlicht und ihr Gehör verloren hat und deren Sprache einzig das Fingeralphabet für Gehörlose war, das sie in die Handflächen ihrer Mitmenschen buchstabiert hat. Die Lebensgeschichte dieser jungen Frau hat mich damals sehr bewegt. Für mich zählt diese Art der Behinderung zu den schlimmsten Einschränkungen, die einen Menschen treffen können. Ohne Assistenz und ohne Hilfe ist für taubblinde Menschen selbst das Leben in den eigenen vier Wänden kaum zu bewältigen. Sie haben einen großen Hilfebedarf durch Assistenzkräfte zur Unterstützung der Kommunikation und zur Bewältigung des Alltags. Dies führt bei den Betroffenen zwangsläufig zu besonders hohen finanziellen Belastungen.

Deshalb war es uns im Rahmen des Doppelhaushalts 2013/2014 ein wichtiges Anliegen, die notwendigen Mittel zur Einführung eines Taubblindengeldes in doppelter Höhe des bisherigen Blindengeldes einzustellen. Das ist passiert. Dadurch haben wir die Möglichkeit, diesen Menschen mehr Teilhabe und Selbstbestimmung im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention zu ermöglichen.

Frau Kollegin Meyer, lassen Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Ackermann zu?

Nein, am Ende kann eine Frage gestellt oder eine Anmerkung gemacht werden.

Die dafür notwendige Gesetzesänderung ist in Vorbereitung. Sie wird zeitnah kommen, sodass taubblinde Menschen schnellstmöglich von diesem neuen Taubblindengeld profitieren können.

Selbstverständlich sehen auch wir die besonderen Belastungen von Menschen, die hochgradig sehbehindert sind. Wir sprechen auch mit solchen Menschen und wissen sehr wohl, was es bedeutet, mit diesen Behinderungen zu leben und welchen Bedarf es gibt. Wir müssen jedoch − das habe ich vorhin schon erwähnt − alle Anliegen im Blick haben. Es ist schön, wenn man in der Opposition sitzt und immer sagt: Das wollen wir, das wollen wir, das wollen wir und das wollen wir. Ich würde gerne wissen, wie es in Bayern ausschauen würde, wenn Sie die Möglichkeit hätten, das umzusetzen.

(Unruhe)

Das werden wir wahrscheinlich nicht erleben.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Wir haben das Anliegen der Menschen mit großen Seheinschränkungen im Blick und im Bewusstsein, auch wenn Sie uns unterstellen, dass dem nicht so ist. Wir werden nach Einführung des Taubblindengeldes im Jahre 2013 und 2014 im Zuge der Verhandlungen zum Nachtragshaushalt die Einführung des Sehbehindertengeldes prüfen. Dieses stufenförmige Vorgehen wurde bereits von Herrn Kollegen Unterländer dargestellt. Wir haben es Ihnen im Ausschuss ebenfalls schon dargestellt. Wir werden Wort halten, so wie wir das immer gemacht haben.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Frau Kollegin Meyer, bitte bleiben Sie am Redepult. Es liegen zwei Wortmeldungen für Zwischenbemerkungen vor, zuerst von Frau Kollegin Stamm und dann von Herrn Kollegen Werner. Bitte schön, Frau Kollegin Stamm.

Sehr geehrte Frau Kollegin Meyer, ich finde es schäbig, dass Sie eine Behindertenart gegen die andere ausspielen. Es geht darum, den Blinden oder den stark betroffenen Sehbehinderten zu helfen. Kollegin Ackermann hat ausgeführt, dass es nicht darum geht, wahnsinnig viel Geld einzusetzen, obwohl ich zwölf Millionen Euro als Haushälterin nicht wenig finde. Trotzdem ist das weniger als das, was unter Ministerpräsident Stoiber gekürzt wurde. Das ist das Erste.

Zweitens haben Sie vom Doppelhaushalt gesprochen und sich dabei selbst widersprochen. Was Sie machen: Sie geben die ganze Zeit ein Tröpfchen ins Wahljahr 2013. Wenn man einen Doppelhaushalt hat, ist es nach der Haushaltsordnung nicht zulässig, nur für das eine Jahr etwas einzustellen und sich bezüglich des anderen Jahres auf einen Nachtragshaushalt zu verlassen. Nachtragshaushalte sind nämlich nur für unvorhergesehene Einnahmen oder Ausgaben zulässig. Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben.

Was sollen denn die Betroffenen machen, wenn sie überhaupt nicht planen können? Machen Sie also endlich eine zuverlässige Sozial- und Haushaltspolitik!

Frau Kollegin Meyer, Sie haben das Wort.

Frau Kollegin Stamm, ich finde es mindestens genauso schäbig, wenn Sie mir unterstellen, ich spielte eine Behinderungsart gegen eine andere aus.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Im Gegenteil, ich habe betont, dass wir die Verantwortung in Bezug auf alle Behinderungsarten in gleichem Maße tragen.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Zum anderen denke ich nicht, dass ich mir, die ich als Bürgermeisterin zwölf Jahre lang für einen Haushalt verantwortlich war, von Ihnen sagen lassen muss, wie man einen Haushalt tatsächlich aufstellt.

(Beifall bei der FDP und der CSU - Thomas Ha- cker (FDP): Vielleicht können Sie mal zuhören, Frau Stamm! So groß kann das Interesse ja nicht sein, wenn man eine solche Zwischenbemerkung macht!)