Protocol of the Session on July 18, 2012

Das Wort hat Frau Kollegin Stahl für eine Intervention.

Herr Dr. Herrmann, ich denke, wir sind uns einig, dass allein eine Sicherung von Datenschutzrechten im Melderecht nicht ausreicht, um den Datenhandel, der freigewerblich noch im Schwange ist, einzudämmen. Deshalb habe ich auf die Bundesratsinitiative hingewiesen, die von der CSU kam. Aber man war nicht bereit, endlich Schutzmechanismen in das Bundesdatenschutzrecht einzuführen.

Ich weiß nicht, worauf Sie noch warten wollen, ob Sie auf die EU warten oder worauf auch immer. Mit dem Melderecht allein lässt sich das Problem nicht lösen.

Außerdem frage ich mich, ob nicht generell ein Opt-in, also eine Einwilligungslösung, festgelegt werden sollte, wie der Bundesdatenschutzbeauftragte und die Landesdatenschutzbeauftragten es fordern, wobei aber auch der eine oder andere Ausnahmetatbestand formuliert werden kann. Durch eine solche Lösung wäre auch die Abfrage der Adressen von Schuldnern möglich. Hierum geht es ja, wenn ein Verfahren gegen einen Schuldner eingeleitet werden soll.

Aber Sie sprechen von Anfang an von einem Widerspruchsverfahren, bei dem nur ganz wenige wissen, dass man Widerspruch einlegen kann, es sei denn, das Einwohnermeldeamt weist hierauf hin. Nürnberg ist da relativ vorbildlich; auch andere Kommunen sind es.

Bei dem Widerspruchsrecht wollen Sie auch noch Ausnahmen machen. Das verstehe ich nicht. Wo soll da das große Problem liegen? Sie haben mit Ihrem Wortbeitrag bestätigt, dass Ihnen unser Antrag, der sich an den Datenschützern orientiert, zu weit geht. Insofern kann ich natürlich meinen Vorwurf aufrechterhalten, dass Sie nicht besonders datenschutzfreundlich sind.

Ich frage Sie auch noch, woher nach Ihrer Meinung die 400.000 Euro im Haushalt der Stadt Nürnberg stammen, wenn das Geld nicht aus Datenhandel gekommen sein soll.

Herr Kollege Dr. Herrmann, bitte.

Ich vermute, dass Sie nicht ganz genau zugehört haben. Ich habe erläutert, warum ich davon ausgehe, dass der Entwurf der Bundesregierung ein vernünftiger Ansatz ist. Er geht nicht von einer Widerspruchslösung aus. Man könnte mit

der Widerspruchslösung leben, wie sie derzeit in Bayern geltendes Recht ist. Ich bin der Meinung, dass die Bürger durchaus wissen, dass sie sich an ihre Behörde wenden können, wenn sie erreichen wollen, dass über sie keine Auskunft erteilt wird. Ich glaube, das hat sich mittlerweile herumgesprochen.

Der Entwurf der Bundesregierung geht ein Stück darüber hinaus. Er kehrt die Lösung um. Deshalb sehe ich den Bereich, um den es geht, abgedeckt, aber auch mit der Möglichkeit, bei berechtigtem Interesse eine Abfrage zu ermöglichen. Aus meiner Sicht ist das in dem Entwurf der Bundesregierung sehr gut gelöst. Denn danach ist es nicht erforderlich, dass viele Einzelfallprüfungen vorgenommen werden, die die Kommunen belasten würden. Dies sollte man dabei nicht ganz vergessen.

Ich glaube also, dass der Weg, den die Bundesregierung eingeschlagen hat, vernünftig ist.

Im Rahmen der Aussprache hat sich auch Herr Staatsminister Herrmann zu Wort gemeldet, dem ich hiermit das Wort erteile.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ausgangslage ist uns allen hinreichend klar. Der Bund hat seit der Föderalismusreform die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für das Meldewesen. Von dieser Kompetenz macht er mit dem Bundesmeldegesetz jetzt Gebrauch.

Das Bundesmeldegesetz, das der Deutsche Bundestag am 28. Juni verabschiedet hat, sieht vor, dass die Bürgerinnen und Bürger nur ein Widerspruchsrecht gegen einfache Melderegisterauskünfte für Werbung und Adresshandel haben sollen. Dieses Widerspruchsrecht soll nicht gelten, wenn die Meldedaten zur Bestätigung oder Berichtigung bereits vorhandener Daten verwendet werden sollen.

An diesem Beispiel mache ich etwas deutlich. In der Vergangenheit hat es natürlich auch den einen oder anderen Anhänger von Widerspruchslösungen gegeben. Aber aus meiner Sicht ist es geradezu abwegig, das Widerspruchsrecht in Fällen des Adresshandels außer Kraft zu setzen und einen beliebigen Datenabgleich zu erlauben. Damit würde eine Widerspruchslösung, wenn man für sie, aus welchen Gründen auch immer, eintritt, ad absurdum geführt. So etwas darf auf keinen Fall in das Bundesmeldegesetz kommen.

Der Entwurf der Bundesregierung hatte ursprünglich eine wesentlich datenschutz- und verbraucherschutzfreundlichere Regelung getroffen. Er ließ Melderegisterauskünfte für Werbung und Adresshandel nur mit

Einwilligung der Betroffenen zu. Die Bayerische Staatsregierung hat diese ursprüngliche Regelung bei der Behandlung des Regierungsentwurfs im Bundesrat im Herbst letzten Jahres ausdrücklich mitgetragen. Ich halte diesen ursprünglichen Regierungsentwurf für klar vorzugswürdig.

Gerade in Zeiten, in denen Google, Facebook & Co. wahrscheinlich über die allermeisten von uns weit mehr Daten haben, als das Melderegister jemals liefern könnte, muss der Staat bezüglich der Daten, die er selber erhebt, mit einer gewissen Vorbildfunktion agieren und darf nicht anderen Datenschutzbestimmungen gewissermaßen hinterherhinken. Dieser Vorbildfunktion wird die Einwilligungslösung zweifellos besser gerecht als die im Innenausschuss des Bundestages beschlossene Widerspruchslösung.

Zu Ihrem Beitrag, Frau Kollegin Stahl, lassen Sie mich eines sagen. Ich warne davor, aus einer in einem städtischen Haushalt ausgewiesenen Gebühreneinnahme automatisch auf Adresshandel zu schließen. Natürlich gibt es hier berechtigte Interessen. Wenn die Sparkasse Nürnberg - Sie haben von Nürnberg aus argumentiert - einen Kreditvertrag geschlossen hat, der mit Rückzahlungen nicht mehr bedient wird, den Schuldner anschreibt, aber das Schreiben mit dem Vermerk "unbekannt verzogen" zurückkommt, dann hat sie einen berechtigten Anspruch, sich beim Einwohnermeldeamt zu erkundigen, wohin der Schuldner verzogen ist. Dies ist juristisch völlig unumstritten. Aber jede solche berechtigte Auskunft kostet eine Gebühr von 10 Euro. Im Laufe des Jahres fällt eine Menge solcher Gebühren an. Aber aus diesen Einnahmen automatisch auf Adresshandel zu schließen, ist nicht gerechtfertigt. Ich kenne allerdings die Praxis in Nürnberg im Einzelnen nicht. Man muss mit Behauptungen gegenüber Kommunen vorsichtig sein.

Aber wir sind in diesem Hohen Haus darin einig, dass wir das Thema Datenschutz sehr wichtig nehmen wollen. Ich sage Ihnen deshalb im Namen der gesamten Staatsregierung ausdrücklich zu, dass die Staatsregierung dem Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages im Bundesrat nicht zustimmen wird. Vielmehr werden wir über den Bundesrat den Vermittlungsausschuss anrufen.

Der Bundesrat wird sich voraussichtlich im September mit dem Gesetzesbeschluss befassen. Die Bayerische Staatsregierung wird sich nachdrücklich dafür einsetzen, dass das Bundesmeldegesetz datenschutz- und verbraucherschutzfreundlicher ausgestaltet wird, wie es dem ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung vom Herbst letzten Jahres entsprach.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Herr Staatsminister, bleiben Sie bitte noch kurz hier. Wir machen eine Zwischenbemerkung daraus, weil der Herr Staatsminister schon fertig war. Das spielt aber keine Rolle. Herr Kollege Ritter, bitte.

Herr Staatsminister, nachdem Sie die Einwilligungslösung als klar vorzugswürdig bezeichnet haben, wenn ich es richtig verstanden habe, wollte ich Sie fragen, wann die Gesetzentwürfe der Bayerischen Staatsregierung zur Abänderung des Bayerischen Datenschutzrechtes kommen, wonach die Widerspruchslösungen in Einwilligungslösungen umgewandelt werden.

Vielen Dank, Herr Kollege Ritter. - Bitte schön, Herr Staatsminister.

Lieber Herr Kollege Ritter, wenn Sie nachvollziehen konnten, was ich vorher ausgeführt habe, so habe ich ausdrücklich formuliert, dass der Staat mit den Daten, die er selbst sammelt und über die Bürger erhebt, besonders sensibel umgehen muss. Deshalb können Sie aus meinen Ausführungen zu den Daten, die der Staat selbst sammelt, nicht automatisch schließen, dass das der Maßstab auch für die Vorschriften sein muss, die ich einem Privaten, der Daten hat, machen muss. Das ist schon ein Unterschied.

(Florian Ritter (SPD): Freistaat! Wir regeln unseren Datenschutz selbst!)

- Nein. Wir werden diese Fachdiskussion bei Gelegenheit noch einmal führen. Hier müssen wir schon unterscheiden. Auch das Bundesdatenschutzgesetz regelt nicht nur staatseigene Daten, sondern den Datenschutz im gesamten Datenverkehr und sehr wohl auch die private Speicherung und den Umgang mit privat gesammelten Daten. Deshalb, denke ich, ist es richtig, zu differenzieren.

Noch einmal: Zum Bundesmeldegesetz haben wir eine klare Auffassung, und diese werden wir auch so im Bundesrat einbringen.

Vielen Dank, Herr Staatsminister. - Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen im Rahmen der Aussprache. Damit ist diese hiermit geschlossen und wir kommen zur Abstimmung. Wir haben vier Anträge, und ich lasse zuerst über die Anträge abstimmen, zu denen keine namentliche Abstimmung beantragt wurde.

Zunächst der Dringlichkeitsantrag von den Fraktionen der CSU und der FDP auf Drucksache 16/13266: Wer diesem Dringlichkeitsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das sind die Fraktionen der CSU, der FDP und der SPD. Gegenstimmen, bitte? - Das sind die Fraktionen der GRÜNEN, der FREIEN WÄHLER und Frau Kollegin Pauli. Stimmenthaltungen? - Keine. Damit ist dieser Antrag angenommen.

Nun kommen wir zum Dringlichkeitsantrag der FREIEN WÄHLER auf Drucksache 16/13273. Wer diesem seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das sind die CSU, die FDP, die FREIEN WÄHLER, die SPD und Frau Kollegin Pauli. Wer ist dagegen? - Niemand. Wer enthält sich? - Das sind die Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN. Damit ist dieser Antrag angenommen.

Wir kommen zum Dringlichkeitsantrag der SPD-Fraktion auf Drucksache 16/13288. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist zögerlich die CSU,

(Inge Aures (SPD): Die trauen sich nicht!)

dann aber frohen Herzens die FDP, die FREIEN WÄHLER, die SPD und Frau Kollegin Pauli. Gegenstimmen? - Keine. Stimmenthaltungen? - BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist dieser Antrag ebenfalls angenommen.

Nun stimmen wir namentlich über den eingereichten Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 16/13265 ab. Das ist der Antrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN. Dazu haben wir die Abstimmungsurnen verteilt. Die Abstimmung beginnt jetzt. Sie haben fünf Minuten Zeit.

(Namentliche Abstimmung von 14.14 bis 14.19 Uhr)

Wir schließen die Stimmabgabe in zehn Sekunden ab. - Vielen Dank. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die namentliche Abstimmung ist hiermit abgeschlossen. Wir teilen Ihnen das Ergebnis später mit.

Zwischenzeitlich rufe ich den nächsten Themenkomplex auf, das sind die Dringlichkeitsanträge zum Thema Länderfinanzausgleich.

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Georg Schmid, Renate Dodell, Karl Freller u. a. und Fraktion (CSU), Thomas Hacker, Karsten Klein, Dr. Andreas Fischer u. a. und Fraktion (FDP)

Änderungen im Länderfinanzausgleich zu Gunsten Bayerns durchsetzen (Drs. 16/13267)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Dr. Martin Runge, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Konzept statt Klagen: Strategie für einen neuen Länderfinanzausgleich vorlegen! (Drs. 16/13270)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Volkmar Halbleib, Inge Aures u. a. und Fraktion (SPD) Reform des Länderfinanzausgleichs: Statt Wahlkampfaktionen endlich mehr Konzept, Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft bei der Vertretung bayerischer Interessen (Drs. 16/13289)

(Unruhe)

- Bitte, liebe Kollegen. - Hallo!

Dazu gibt es die gemeinsame Aussprache, die ich mit Herrn Kollegen von und zu Lerchenfeld eröffne. Er ist der Erste. Bitte schön, Graf Lerchenfeld, Sie haben das Wort. Ihnen folgt Herr Kollege Hallitzky.

Sehr geehrter Herr Präsident, Hohes Haus! Das bayerische Kabinett hat in dieser Woche Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht, um gegen die Auswirkungen des derzeitigen Länderfinanzausgleichs vorzugehen. Trotz intensiver Bemühungen der Geberländer, auf dem Verhandlungsweg Reformen des Ausgleichssystems zu erreichen, setzen die Nehmerländer nach wie vor auf Verzögerungen und versuchen, die Belastungen der Nehmerländer weiter in die Zukunft zu tragen.

Wir wollen nicht unbedingt eine Reduzierung für die Nehmerländer, aber wir gehen davon aus, dass wir auf jeden Fall eine Deckelung für Bayern brauchen, damit wir nicht mit ständig steigenden Ausgaben rechnen müssen. Die notwendigen grundlegenden Veränderungen am System des Länderfinanzausgleichs können sicherlich durch Verhandlungen erreicht werden, die dann ab dem Jahr 2020 greifen werden. Bis zur Sommerpause 2012 sollte ein verbindlicher Fahrplan zu einer kurzfristigen Änderung, beispielsweise durch eine Erhöhung des Bundesanteils, vorgelegt werden.