Protocol of the Session on July 17, 2012

(Maria Noichl (SPD): Genau! - Beifall bei der SPD)

Nachdem vom damaligen Wirtschaftsminister jahrelang jede Notwendigkeit staatlicher Verantwortung geleugnet worden ist, wurde immerhin halbherzig und überbürokratisch ein Programm aufgelegt.

(Dietrich Freiherr von Gumppenberg (FDP): Ein gutes Programm!)

Wiederum hat man die Realität trotz großen Drängens der Opposition und aller Verbände nicht zur Kenntnis genommen. Ein notwendiges Anschlussprogramm wurde verpennt mit der Folge, dass wir seit dem 1. Januar eine förderfreie Zeit haben. Das ist eine Zeit der Unsicherheit für die Kommunen und eine ver

schenkte Zeit für den Aufbau einer vernünftigen Breitbandversorgung in Bayern. Das angekündigte Programm liegt immer noch bei der EU rum. Um von dieser beschämenden Tatsache etwas abzulenken, wird immerhin - das haben wir positiv zur Kenntnis genommen - im Haushalt eine große Summe Geld eingeplant. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die größte Summe im Doppelhaushalt nutzt aber nichts, wenn die rechtliche Grundlage fehlt, um dieses Geld an die Kommunen, die das Geld dringend brauchen, zu verteilen.

(Dietrich Freiherr von Gumppenberg (FDP): Die kommt aber!)

Da diese Ablenkung vom eigenen Unvermögen immer noch nicht reicht, werden die verbalen Visionen eines digitalen Bayerns immer größer. Die neueste Version heißt: Digitales Bayern 3.0. Dort werden beispielsweise Smartboards für alle Klassenzimmer gefordert. Das ist eine schöne Vision, da sie kostengünstig für den Freistaat ist. Das wird nämlich von den Kommunen bezahlt. Selbst für das schönste Smartboard braucht man jedoch einen Internetanschluss an der Schule, da es ansonsten sehr schwarz auf dem Bildschirm aussieht.

(Beifall bei der SPD)

Die nächste sensationelle Vision lautet, dass das nächste Facebook weiß-blau sein muss. Ich möchte die Kollegen bitten, einmal Facebook anzuklicken und sich die Farbgebung anzusehen. Dieses Thema ist schon durch.

Ein weiterer Punkt ist der Ausbau der Telemedizin. Auch in diesem Zusammenhang möchte ich nicht zum hundertsten Mal sagen, dass Telemedizin ohne Internet nicht funktioniert. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bringen wir ganz Bayern weg vom Analogen und hin zum Digitalen. Machen Sie endlich ernst mit einem vernünftigen Breitbandausbau.

(Beifall bei der SPD)

Eine der wichtigsten Grundvoraussetzungen für gleichwertige Lebensverhältnisse ist eine gute Infrastruktur. Es darf nicht abhängig sein von der Gnade der richtigen Geburt, ob ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln einen guten Arbeitsplatz oder Ausbildungsplatz erreiche. Das heutige Selbstlob zu den stagnierenden ÖPNV-Zuweisungen ist in diesem Zusammenhang nicht angebracht. Die Herausforderungen an den ÖPNV insbesondere in dünn besiedelten Regionen werden nämlich immer größer und die Kosten für die Kommunen immer höher. Der Ausbau eines barrierefreien Bahnhofes darf nicht abhängig sein von der Größe des Ortes, in dem ich wohne.

Eine gute Kinderbetreuung in Kindergärten und Kitas darf ebenfalls nicht von meinem Wohnort abhängig sein und darf nicht auf Sparmodelle wie Großpflegestellen umgestellt werden. Das wird uns vom Aktionsprogramm "Bayerns ländlicher Raum" nachhaltig angepriesen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es darf nicht von meinem Wohnort abhängen, ob ich in den Schlaglöchern der Staatsstraße in meinem Wohnort ganze Blumentöpfe versenken kann. Es ist schon gesagt worden: Auch das ist Verschuldung. Vor allen Dingen ist das extrem gefährlich für Motorradfahrer.

(Beifall bei der SPD)

Das Beispiel der ehemaligen DDR sollte uns zeigen, wie teuer es werden kann, wenn man eine marode Infrastruktur wieder aufbauen muss. Noch einmal: Wir wollen keine Sonntagsreden. Wir wollen konkretes Handeln.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den FREIEN WÄHLERN, es ehrt Sie, dass Sie sich immer an den Konzepten der Staatsregierung abarbeiten. Sie haben das selige Vertrauen, dass, wenn Sie nur oft genug einen vernünftigen Plan fordern, auch einer kommt, der Ihnen die Mühe erspart, eigene Vorschläge vorzulegen. Deshalb zu unser aller Inspiration einige konkrete Vorschläge zum Abschluss: Wir müssen die Breitbandversorgung endlich in staatliche Verantwortung geben. Sie ist Teil der Daseinsvorsorge und darf nicht auf die Kommunen abgeschoben werden.

(Beifall bei der SPD)

Außerdem brauchen wir ein Entschuldungsprogramm für notleidende Kommunen statt Wahlgeschenke im nächsten Doppelhaushalt.

(Beifall bei der SPD)

Wir brauchen eine regionale Wirtschaftspolitik, die endlich vom Gängelband aus München gelöst wird. Mit Regionalbudgets können örtliche Kompetenzträger sicher viel Sinnvolles anfangen. Wir brauchen ein bayerisches Sonderprogramm für barrierefreie Bahnhöfe. Alle Menschen mit Behinderungen, mit Rollatoren, mit Kinderwägen und mit Fahrrädern werden uns dafür unendlich dankbar sein.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Frau Kollegin Karl. - Als Nächster hat Herr Kol

lege Thomas Mütze von den GRÜNEN das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Man kann es natürlich so wie der Herr Vorsitzende Huber machen: Man hält die Nullachtfünfzehn-Rede, die man immer hält - "Bayern vorn" -, nennt immer nur die Zahlen, die man braucht, und heraus kommt immer, alles sei in Ordnung. Damit negieren Sie jedoch die Probleme, Herr Huber, und gehen sie nicht wirklich an. So kann man es machen, liebe Kolleginnen und Kollegen, aber so wollen wir es nicht machen.

(Beifall bei den GRÜNEN und den FREIEN WÄH- LERN)

Ich habe durchaus Verständnis für die Kolleginnen und Kollegen von den FREIEN WÄHLERN: Es liegt eine schöne Studie von Professor Magel vor, die man immer wieder herausziehen muss und über die man diskutieren will. Inhaltlich kann ich das nachvollziehen, lieber Kollege Muthmann, aber ich weiß nicht, ob es die richtige Art ist, darüber im Rahmen einer Aktuellen Stunde zu beraten, in der man über die Themen nur "drüberreitet" und darauf hofft, die richtigen Schwerpunkte zu setzen.

Vielleicht brauchen wir wieder eine Anhörung, um über das Ziel der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse reden zu können. Denn schauen Sie sich die Wissenschaft an: Diese negiert, dass die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse erreichbar sei. Dabei nimmt sie zwar auf ganz Deutschland Bezug, vor allen Dingen auf den Osten Deutschlands. Dort ist das tatsächlich so. Bei uns in Bayern mag das anders sein.

Ich will auf die einzelnen Punkte eingehen, die Sie genannt haben: Soll das Ziel der Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen in die Verfassung aufgenommen werden? Braucht es das? Es steht im Grundgesetz und in der Folge auch im Raumordnungsgesetz. Das ist dieselbe Debatte wie die zu der Frage, ob wir die Schuldenbremse noch in die Landesverfassung aufnehmen sollten. Das braucht es eigentlich nicht. Bundesrecht gilt auch in Bayern - wirklich!

Was den LEP-Entwurf angeht, so kann man sich darüber streiten, ob sich die Staatsregierung zu viel Zeit gelassen hat. Aber sie hat ja so viele andere "wichtige" Dinge zu tun. Jedenfalls ist die Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen im LEP-Entwurf enthalten.

Hinsichtlich des Punktes "Infrastruktur" bin ich ein bisschen enttäuscht, lieber Kollege Muthmann, weil

Infrastruktur bei Ihnen nur aus Staatsstraßen zu bestehen scheint.

(Zuruf von den FREIEN WÄHLERN: Breitband!)

- Möglicherweise noch Breitband. Aber die Debatte entzündet sich immer an den Staatsstraßen. Kollege Huber greift diesen Punkt sofort auf und greift die SPD an, was ich nicht verstehen kann.

Aber Infrastruktur ist doch mehr als Staatsstraßen. Ich habe den Eindruck, dass sich alles darauf fokussiert. Zum Glück hat die Kollegin Karl noch die Bahnhöfe und die Schienenwege genannt. Zur Infrastruktur gehört nämlich viel mehr als Staatsstraßen; dazu gehört auch die Versorgung mit Strom, Gas und Wasser.

Lieber Herr Huber, ich habe von Ihnen keine Antwort gehört auf die Fragen, die die Kommunen haben, welche ihre Wasserversorgung zurückbauen wollen. Sie haben kein Wort dazu gesagt, dass sie vielleicht eine Förderung brauchen, weil sie es über die Beiträge nicht finanziert bekommen.

Kollege Huber hat also alle Probleme negiert; das habe ich schon gesagt. Aber lieber Kollege Huber, wenn alles so toll ist, wie Sie es beschrieben haben Sie haben übrigens nur den Arbeitsmarkt hergenommen, um Ihre Argumentation zu unterfüttern -, warum gibt es dann den Staatssekretärsausschuss zur Demografie? Warum gibt es den "Aktionsplan Demografischer Wandel"? Den Vorsitz hat sogar der Herr Ministerpräsident übernommen - also ganz wichtig! Warum gibt es die regionale Wirtschaftsförderung, die Disparitäten ausgleichen soll? Warum gibt es die Abwanderung? Deren Entwicklung in den vergangenen zehn Jahren hat Kollege Muthmann aufgezeigt. Warum gehen die Menschen aus den ländlichen Räumen weg? - Weil sie für sich keine Chancengerechtigkeit sehen. Warum gibt es in Bayern zahlreiche Gemeinden - die genaue Zahl liegt mir momentan nicht vor; die Kollegen können sie bestimmt nachreichen -, die ihren Haushalt aus eigenen Mitteln nicht ausgleichen können?

Lieber Kollege Huber, schließlich haben Sie den infamen Vorwurf erhoben, die Menschen im Großraum München seien dem Ehrenamt nicht so zugeneigt; das haben Sie an der Freiwilligen Feuerwehr festgemacht. Eine Stadt wie Aschaffenburg, die eine Berufsfeuerwehr hat, hat natürlich auch Freiwillige Feuerwehren. Auch in einer Stadt wie München - ebenfalls mit Berufsfeuerwehr - arbeiten Menschen ehrenamtlich, aber auf anderen Feldern. Kollege Huber, das war wirklich ein bitterer Vorwurf; Sie sollten ihn überdenken.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir können morgen weiterreden; denn die FREIEN WÄHLER haben dankenswerterweise dasselbe Thema noch einmal auf die Tagesordnung gesetzt.

Lieber Kollege Huber, Sie sagten, beim Krippenausbau sei Bayern vorn. Vor wenigen Jahren behaupteten Sie hier im Plenum, das seien sozialistische Verwahranstalten. Heute stellen Sie sich an die Spitze der Bewegung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte achten Sie darauf, wer Überbringer dieser Nachricht ist! Betreuungsgeld auf der einen Seite, Krippenausbau auf der anderen Seite - das passt nicht zusammen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zurufe von der CSU: Doch! - Sehr wohl!)

- Ja, ihr habt zu viel Geld. Ihr könnt alles machen.

Die Frage lautet: Was ist die Realität, und was sind die Pläne? Für die Realität nur ein Beispiel - Herr Präsident, ich weiß, ich bin schon über der Zeit -: In dem Plan zur demografischen Entwicklung des Landes heißt es, alle Grundschulen mit mindestens 26 Schülerinnen und Schülern sollten erhalten bleiben. Wir haben in der letzten Woche die Petition der Grundschule Hausen, Landkreis Miltenberg, erhalten. Es geht darum, die 1. Grundschulklasse einzurichten oder zumindest die Chance zu eröffnen, zwei Jahre zu überbrücken, bis die Schülerzahlen wieder stimmen. Die Staatsregierung aber sagt: "Njet!". Soweit zur Realität Ihrer Pläne. Pläne sind immer nur so viel wert, wie sie in der Wirklichkeit umgesetzt werden können.

(Beifall bei den GRÜNEN, den FREIEN WÄH- LERN und Abgeordneten der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Mütze. - Als Nächster hat Herr Kollege Freiherr von Gumppenberg von der FDP das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, "Mia san mia". Lieber Herr Muthmann, auch ich bin Niederbayer. Ich wäre der Erste, der schreien würde, wenn es nicht gut liefe. Aber allen Ernstes, lieber Herr Muthmann: Was treibt Sie an, in dieser Form zu behaupten, dass wir in unserem wunderschönen Bayern, in unserem wunderschönen Niederbayern -

(Zuruf von den GRÜNEN)

- Sie kriegen nicht die Prosa.

Was treibt Sie an zu behaupten, es gebe Regionen, die unterentwickelt seien, denen es schlechter gehe?

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)