Protocol of the Session on July 4, 2012

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank. Für die FDP-Fraktion hat jetzt Frau Kollegin Will das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zur Mittelschule sind jetzt reichlich Ausführungen gemacht worden. Also ich meine: So viel gibt das Gesetz jetzt nicht her.

(Beifall und Unruhe bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Aber nachher wird der Minister noch einiges dazu sagen, was wirklich wichtig ist.

Ich würde nicht sagen, dass es nur eine Namensänderung ist, sondern es hat wirklich Veränderungen gegeben. Ich möchte mich jetzt auf unseren Änderungsantrag auf der Drucksache 16/12217 konzentrieren mit den hier heute im Plenum diskutierten Änderungen. Insgesamt sollen im BayEUG - und das halte ich für ganz besonders wichtig - die sogenannten Zweiplus-zwei-Modelle gesetzlich verankert werden. Und das ist wirklich ein Erfolg; denn die Kooperation mit der vertieften Zusammenarbeit von Mittel- und Realschule, teilweise unter einem Dach, ist wirklich ein wichtiger Beitrag zu mehr Chancengerechtigkeit und mehr Durchlässigkeit im bayerischen Bildungswesen.

Es ist mein zentrales Anliegen als Bildungspolitikerin das sage ich immer wieder -, dass alle Kinder, unabhängig von ihrer Herkunft, möglichst gleichwertige Bildungschancen erhalten.

(Beifall bei der FDP)

Da ist die Aufgabe der Politik, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass möglichst kein Schüler und keine Schülerin die Schule ohne Abschluss verlässt.

Frau Kollegin Will, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, gestatte ich nicht. - Die Rahmenbedingungen sind so zu setzen, dass keiner die Schule ohne Abschluss verlässt. Dazu brauchen wir insgesamt mehr horizontale Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Schulformen.

Wohlgemerkt, wir Liberale sprechen hier nicht von einer Gemeinschaftsschule. Wir wollen weder die Mittelschule noch die Realschule abschaffen und auch nicht fusionieren, sondern wir wollen das bestehende System optimieren. Also: Beide Schularten sollen ei

genständig bleiben, und die Kooperation, wie sie jetzt ist, ist meiner Ansicht nach ein sehr, sehr guter Weg, um diese bildungspolitischen Ziele, die ich gerade aufgeführt habe, auch zu erreichen. Ich habe mich immerhin dafür eingesetzt, dass diese Zusammenarbeit aus Mittel- und Realschule möglich wird. Voraussetzung ist, dass alle Beteiligten der Schulfamilie vor Ort das auch wünschen. Es hat sich gezeigt, dass sich bereits viele Schulen auf diesen Weg gemacht haben und eine enge Kooperation eingegangen sind, und siehe da: Es funktioniert. Deshalb soll dies nun fest im BayEUG verankert werden - ein guter Tag sozusagen.

Bisher heißt es in Artikel 30a unter dem Titel "Zusammenarbeit von Schulen, kooperatives Lernen" - ich zitiere daraus -: "Die Schulen aller Schularten haben zusammenzuarbeiten." Diese allgemeine Aussage ist so weit richtig, aber die Praxis ist zumeist eine andere. Deshalb schaffen wir jetzt über den Artikel 30a hinaus die gesetzliche Verankerung der Kooperation aus Mittelschule und Realschule. Der Modellcharakter wird somit aufgelöst. Durch diese Kooperation der beiden Schularten wird Folgendes erreicht:

Die Zusammenarbeit zwischen den Schularten dient dazu, die Begabungspotenziale der Schülerinnen und Schüler noch besser zu erkennen und zu fördern. Zudem - das ist besonders wichtig - wird die Durchlässigkeit der Schularten erhöht, und konkret, wie bereits erwähnt, wird das Neun-plus-zwei-Modell verankert. Der Terminus "Neun plus zwei" bedeutet, dass gute Quali-Schüler den Realschulabschluss nicht nach der 10. Klasse ablegen, sondern ein 11. Schuljahr anhängen - an manchen Schulen ist das auch in einem Jahr möglich -, aber auch, dass Realschüler, die die Schule ohne Abschluss verlassen würden, einen Quali machen.

Manche arbeiten eng und vertieft zusammen, manche noch nicht. Für mich ist das ein Anfang einer echten Kooperation, und wir als Liberale werden dieses Neun-plus-zwei-Modell, um den echten Realschulabschluss in diesen Kooperationen machen zu können, noch weiterentwickeln. Dabei sind wir noch nicht am Ende.

(Beifall bei der FDP)

Frau Kollegin, Sie bleiben bitte gleich am Redepult. Herr Kollege Gehring, bitte; eine Zwischenbemerkung.

Ist diese gesetzliche Fixierung des Neun-plus-zwei-Modells mit Realschulabschluss denn nicht eigentlich ein Ausdruck dessen, dass der mittlere Abschluss an den Mittelschulen eben doch nicht gleichwertig ist? Wir haben einen

mittleren Abschluss mit entsprechenden KMK-Standards, der an verschiedenen Schulen Bayerns erreicht werden kann. Dabei wird immer von "gleichwertigen Wegen" gesprochen, und ich habe auch großen Respekt vor den Leuten, die an der Mittelschule den M-Zug und nach der 10. Klasse den M-Abschluss machen.

Wenn Sie jetzt hier aber ein Neun-plus-zwei-Modell verankern, damit man dann einen, wie Sie sagen, echten Realschulabschluss bekommt, dann machen Sie damit doch ganz klar deutlich, dass dieser Mittelschulabschluss in Ihren Augen ein Abschluss zweiter Klasse ist und nicht dem Realschulabschluss entspricht; denn warum sollte ein Schüler nach der 9. Klasse zwei Jahre absolvieren, wenn er nach der 10. Klasse an seiner Schule einen mittleren Abschluss erreichen kann?

Ich denke, es ist gut gemeint, aber Sie zeigen damit eigentlich, dass Sie die Mittelschule abwerten und sie nicht gleichberechtigt neben die anderen Schulen mit mittleren Abschlüssen in Bayern stellen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das sehe ich nicht so. Sie haben vollkommen richtig gesagt, und es ist vorhin auch von den FREIEN WÄHLERN gesagt worden: Es ist sehr wichtig, dass der mittlere Schulabschluss der Mittelschule dem entspricht, was bundesweit als mittlerer Bildungsabschluss gilt. Aber in Bayern zählt der Realschulabschluss. Er ist insofern höherwertiger, als er in der ganzen Schullandschaft die Vielfalt abzeichnet.

(Thomas Gehring (GRÜNE): Das sagen Sie den Eltern!)

Wir haben einen mittleren Schulabschluss und einen Realschulabschluss, und all diejenigen, die wirklich gut zu dem mittleren Schulabschluss kommen und es wünschen, können diesen Realschulabschluss machen. Sie wissen ganz genau, dass damit die Anschlussfähigkeit an der FOS natürlich eine einfachere ist. Das muss ich hier nicht betonen, das wissen alle, die sich mit Schulpolitik beschäftigen. Das heißt nicht - das betone ich ausdrücklich und dagegen verwahre ich mich auch -, dass ich damit den mittleren Schulabschluss abwerte. Das will ich nicht, und das wird damit auch nicht geschehen; denn all jene mit mittlerem Schulabschluss werden sehr gern in Ausbildungsberufe genommen. Das möchte ich hier nochmals betonen: Wir denken immer - gerade auch im Zusammenhang mit der Diskussion über das G 8 -, dass alle nur Gymnasium und höhere Abschlüsse wollen. Alle, die es wollen, sollen es in unserem Schulsystem machen können. Aber ich werte niemanden ab, der einen anderen Abschluss macht, weil un

sere Möglichkeiten sowohl im dualen System als auch die Möglichkeiten der 43 % Hochschulzugangsberechtigten, die über andere Wege kommen, nicht durch einen Abschluss abgewertet werden. Das möchte ich hier noch einmal betont haben.

Sie reden es schlecht, wenn Sie denken, dass alle immer nur höhere Abschlüsse machen. Wir reden es nicht schlecht.

Frau Kollegin, verbleiben Sie bitte am Redepult. Es gibt eine weitere Zwischenbemerkung des Kollegen Steiner.

Frau Kollegin, stimmen Sie mir zu, dass hier zum Teil mit Gewalt versucht wird, die Mittelschule zu zerreden?

(Beifall bei der CSU - Widerspruch bei der SPD)

Ich sage das vor dem Hintergrund, dass einer meiner Söhne

(Zuruf von der SPD)

- jetzt hören Sie zuerst einmal zu! - jetzt den Mittelschulabschluss fertiggemacht und eine individuelle Bildung hat. Er war etwas später dran, und jetzt geht er auf die FOS. Was soll dieses Gerede hier, theoretisches Gerede, bei dem wir diese Schulart bewusst kaputtreden?

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Auch der Mittelstand und die Wirtschaft fordern die Mittelschule.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Ich gebe Ihnen recht; denn ich bin für Vielfalt, und die Mittelschule gehört in unserer Schullandschaft zur Vielfalt. Ich habe von Kooperation gesprochen, weil es sich durch die demografische Entwicklung ergibt, dass Realschulen zum Teil neu gegründet worden sind. Wir haben 16 neue Realschulen gegründet, teilweise zwei- und dreizügig, die in die Lage versetzt werden, mit Mittelschulen, die ein- und zweizügig sind, zu kooperieren, sodass auch im ländlichen Raum ein breites Angebot besteht. Niemand redet hier - das lasse ich auch nicht zu - die Mittelschule schlecht.

(Beifall bei der FDP - Zurufe von der FDP: Sehr gut!)

Vielen Dank. - Nun erteile ich Herrn Staatsminister Dr. Spaenle das Wort. Bitte schön, Herr Staatsminister.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Hohes Haus! Die pflichtmäßige Lustlosigkeit, mit der die Kolleginnen und Kollegen der Opposition diesen Gesetzentwurf begleiten, spricht dafür, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben.

(Beifall bei der CSU - Zuruf von der CSU: Genau!)

Die bayerische Mittelschule hat die Pflichtschule in Bayern auf einen neuen Weg gebracht. Wir haben künftig noch fünf Hauptschulen klassischer Kultur; Kollege Taubeneder hat es angesprochen. Wir haben eine Mitwirkung der Kommunen im Bereich der Bildungspolitik, wie es sie in Bayern, bevor wir die Mittelschulverbundstrategie entwickelt haben, noch nie gab. Die Bürgermeister und Bürgermeisterinnen wirken in der Verbundversammlung unmittelbar an pädagogischen Entscheidungen und Standortentscheidungen mit.

Ich habe gemeinsam mit Kollegen Staatssekretär Sibler mit allen Sitzgemeinden-Bürgermeistern und -Bürgermeisterinnen von Haupt- und Mittelschulen Gesprächsrunden im unmittelbaren Gesprächskontakt durchgeführt. Auch in diesem Änderungsgesetzentwurf, der jetzt hoffentlich die Mehrheit des Hauses erfährt, haben wir unmittelbar Anregungen aus dem Kreis der Schulaufwandsträger aufgenommen, etwa in der Frage, wie die Sitze in den Verbandsversammlungen verteilt werden und wie wir die Rolle der Landkreise im Bereich der möglichen Übernahme von Fahrtkosten gesetzlich verankern, um dies von der Ausnahme zur Regel machen zu können.

Ich darf der Kollegin Will ausdrücklich für ihren Einsatz danken, die Kooperationsmodelle jetzt in eine Regelform zu überführen. Sie haben es an zwei Punkten angesprochen. Die Neun-plus-zwei-Regelung, lieber Herr Gehring, gilt nicht nur für die Möglichkeit, als Schüler einer Mittelschule den Realschulabschluss zu erwerben, sondern selbstverständlich auch - ich denke an das Aisinger-Modell aus Rosenheim - für Schülerinnen und Schüler an der Mittelschule selbst, die nicht den M-Zug besucht haben, sondern nach dem Quali den Weg zum mittleren Abschluss an ihrer Schule antreten wollen. Auch an der Mittelschule selbst den Abschluss entsprechend erfolgreich erreichen zu können, entspricht dem Prinzip, das ich hier erst vor wenigen Tagen darstellen durfte: "Kein Abschluss ohne Anschluss".

Die Möglichkeiten der Kooperation zwischen den Kommunen sind angesprochen worden. Sie sind ein wichtiger Schritt nach vorn und eine Möglichkeit, über die Kooperation - nicht nur das Modell - an Standorten

gerade in ländlichen Räumen Realschulangebote ausbringen zu können, wo dies bislang nicht möglich war.

Wir bringen Schulen näher zu den Menschen, obwohl die Zahl der Schülerinnen und Schüler in unserem Land zurückgeht. Das verstehen wir unter verantwortlicher Bildungspolitik. Wenn Sie sehen, dass die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die die Mittelschule besuchen, im Herbst wahrscheinlich die ZehntausenderGrenze überschreiten wird, was bedeutet, dass es auch 2012/13 mehr Schülerinnen und Schüler an der Mittelschule geben wird als in der aktualisierten Prognose für das laufende Jahr vorhergesehen, dann ist das zumindest eine Bestätigung dafür, dass die Weiterentwicklung der Mittelschule, die weit mehr ist als nur ein Namenswechsel, erfolgreich ist. Diese immer wieder gebetsmühlenartig vorgebrachte Behauptung kam ja ziemlich müde herüber.

Wir haben die Schulart in ganz Deutschland, die wie keine andere durch die vertiefte Berufsorientierung die jungen Menschen auf einen Weg in die duale Ausbildung vorbereitet. Dabei wirken die Arbeitsagenturen vor Ort unmittelbar an der Gestaltung der entsprechenden Angebote mit. Das ist ihr Alleinstellungsmerkmal. Durch diese Schulart, verbunden mit dem pädagogischen Alleinstellungsmerkmal des Klassenlehrerprinzips, mit einem mittleren Abschluss, der die KMK-Standards erreicht und erfüllt, mit der Möglichkeit dieser Anschlüsse, Neun-pluszwei-Modelle und andere, mit der Kooperation als Regelangebot, wissen wir das Netz der weiterführenden Schulen in Bayern so nahe wie möglich am Menschen, nämlich mit 941 Standorten im Bereich der Mittelschulen, auf einem guten Weg. Wir empfehlen diese Schule im Flächenstaat Bayern, gleich ob in verdichteten Ballungsräumen oder in ländlichen Räumen, den Familien als erfolgreiche Schulart, die den jungen Menschen einen guten Weg in ihr weiteres schulisches oder berufliches Leben ermöglicht.

Ich bitte um Zustimmung.

(Beifall bei der CSU und der FDP)