Protocol of the Session on July 4, 2012

Erfreulich ist auch die Zahl der steigenden M-Abschlüsse an den Mittelschulen. 800 Schüler mehr haben diesen im bisherigen Schuljahr erreicht. An den Mittelschulen haben somit 26,5 % diesen Abschluss gemacht. Das bedeutet, dass jeder vierte Schüler der Mittelschule nach Höherem strebt. Das ist eine sehr erfreuliche Entwicklung. Wir haben ein dazu passendes Übertrittsverhalten in Bayern. 40 % gehen an das Gymnasium, 30 % an die Realschule und 30 % an die Mittelschule. Ich meine, das ist eine gesunde Verteilung auf die Schularten, weil so am besten begabungsgerecht unterrichtet werden kann.

Nun stellt sich die Frage, warum sich die Mittelschule so gut entwickelt. Der Grund ist aus meiner Sicht die stärkere vertiefte Berufsorientierung, die dadurch zielgerichtet auf das Berufsleben vorbereitet, wodurch den Eltern mehr Vertrauen in diese Schulform gegeben wird.

(Markus Reichhart (FREIE WÄHLER): Wo sollen sie sonst hingehen?)

- Ja, in alle anderen Schularten. Es gibt in Bayern das Gymnasium, die Realschule und die Mittelschule. Diese Schulen können sie besuchen.

Die Schlagzeile "Mit 1,66 auf die Mittelschule" zeigt: Diese Schulart hat sich gut stabilisiert. Aber - das möchte ich auch mit Blick auf die Staatsregierung betonen - ich erwarte, dass die Mittelschule im Doppelhaushalt durch zusätzliche Stellenzuweisungen und strukturelle Verbesserungen weiter gestärkt wird.

Im Wesentlichen sieht das Gesetz folgende Neuregelungen vor: Die Grundschule und Mittelschule werden eigenständige Schularten. Für die wenigen verbleibenden Hauptschulen gibt es eine Übergangsregelung. Um die Entstehung der Mittelschule umfassend abzubilden, werden auch die Schulabschlüsse sprachlich angepasst. Die Möglichkeiten der kommunalen Selbstverwaltung werden gestärkt - das bedeutet eine Flexibilisierung der Schülerbeförderung -, und neben den Schulverbänden ist auch die Gründung von Zweckverbänden möglich.

Es gibt auch Änderungen im Bereich der Schülerheime. Ebenso werden Änderungen für Schulen in freier Trägerschaft vollzogen. Zudem erfolgt eine Anpassung des mittleren Schulabschlusses an die KMKRahmenvereinbarung. Für die Berufsschulen bedeutet dies jetzt: Mit 3,0 plus ausreichenden Englischkenntnissen wird der mittlere Bildungsabschluss erreicht. Geregelt wird auch die Ganztagsschule im Förderschulbereich.

Ich bitte um Zustimmung zum Gesetzentwurf und zu allen Änderungsanträgen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Vielen Dank. Für die SPD-Fraktion darf ich Frau Kollegin Pranghofer das Wort erteilen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gern drei Themen des Gesetzentwurfs, den Herr Taubeneder bereits in Auszügen dargestellt hat, ansprechen, von denen ich glaube, dass es wichtig ist, sie noch einmal zu nennen.

Vor allen Dingen möchte ich aufgreifen, was Herr Taubeneder gerade über die Mittelschule gesagt hat. Wir sagen: Im Resümee ist eigentlich außer dem Türschild "Mittelschule" in der Hauptschule nicht viel verändert worden.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN - Zurufe von der CSU)

Ich sage aber auch: Die Analyse war nicht falsch. Die Hauptschule steht vor strukturellen Herausforderungen; das ist richtig. Rund 300 der 980 Hauptschulen in Bayern sind einzügig. Davon sind viele aufgrund der demografischen Entwicklung schon in den nächsten Jahren in ihrem Bestand gefährdet. Auch das ist richtig. Richtig ist auch, dass diese vielen kleinen Hauptschulen nur noch ein begrenztes Bildungsangebot bereitstellen können, kein Ganztagsangebot mehr, kein Angebot zum mittleren Schulabschluss mehr und eben auch keine großen Differenzierungsangebote mehr.

Ich sage noch einmal: Die Analyse ist richtig, nur das, was man daraus gefolgert und jetzt auch im Gesetz verankert hat, ist eine falsche Entscheidung, weil das Gesetz eine rein technokratische Lösung bietet.

(Beifall der Abgeordneten Isabell Zacharias (SPD) und Harald Güller (SPD))

Wer also glaubt, dass man mit dem Wechsel eines Namens - "Hauptschule" heißt jetzt "Mittelschule" oder auch mit dem Zusammenschluss von Schulen zu Mittelschulverbünden eine Schule attraktiver machen kann, den Schülerinnen und Schülern und den Eltern einen Mehrwert bieten kann, der irrt sehr.

(Beifall der Abgeordneten Johanna Werner-Mug- gendorfer (SPD))

Die Beispiele zeigen das auch. Wir sind demnächst in Amorbach. Die Mittelschule dort hat im nächsten Schuljahr eigentlich 30 Schüler erwartet; 15 werden es wohl sein; 15 sind nach Baden-Württemberg - ich nenne das direkt: - geflohen. Jedes andere Bundesland um uns herum sucht ebenfalls inhaltliche Lösungsansätze und Alternativmodelle. Wir tun das auch. Wir haben einen Lösungsansatz entwickelt, den Sie auch kennen. Das ist die Gemeinschaftsschule.

(Zurufe von der CSU: Ach! - Johanna Werner- Muggendorfer (SPD): Keine Ahnung!)

Aber die Lösungen, die Sie für die Schulen anbieten, sind im Grunde keine Lösungen. Sie werden das in den nächsten Jahren sicherlich noch schmerzhaft erfahren.

(Beifall bei der SPD)

Das zweite Thema, das ich ansprechen möchte, ist die kommunale "Freiheit" der Schülerbeförderung, die meines Erachtens in Wirklichkeit überhaupt keine Freiheit ist. Sie umschreiben diesen Gesetzesteil mit "Flexibilisierung der kommunalen Zusammenarbeit".

(Isabell Zacharias (SPD): Witzig, ja!)

Ich stelle fest: Sie suggerieren damit Freiheit, die keine Freiheit ist, weil Sie mit dem Gesetz den Landkreisen und den kreisfreien Städten die Möglichkeit geben, keine Beförderungsgelder mehr bezahlen zu müssen, solange die Schülerinnen und Schüler sozusagen im Verbund zusammenbleiben, also in die nächste Kommune fahren, wofür dann der Landkreis keine Beförderungsgelder in Rechnung stellen darf. Er kann sie erst dann in Rechnung stellen, wenn es über den Verbund hinausgeht. Sie suggerieren also Freiheit; die Realität sieht aber ganz anders aus.

Natürlich üben die Kommunen Solidarität untereinander, nämlich die Solidarität, die man eigentlich auch vom Land einfordern müsste. Im Grunde müssten auch bei den Beförderungsrichtlinien Anpassungen vorgenommen werden, weil die Kosten mit Ihrem System der Mittelschulverbünde für die Kommunen steigen. Die Kommunen investieren jetzt nämlich in Busse und nicht mehr in Köpfe.

(Beifall bei der SPD)

Als drittes Thema möchte ich etwas ansprechen, was sogar auf einen Antrag von uns zurückzuführen ist. Wir haben sozusagen das mittlere Bildungsangebot bzw. die mittlere Reife auf den KMK-Standard hingeführt. Ein entsprechender Antrag, den wir gestellt hatten, ist jetzt in diesem Gesetz umgesetzt. Das ist also eine positive Meldung. Dass den Schülerinnen und Schülern jetzt endlich ein mittlerer Bildungsabschluss auf KMK-Standard - übrigens schon in diesem Jahr auch bei den Berufsschulen und bei den Berufsfachschulen zugestanden wurde, ist für sie eine gerechte Sache. Deswegen haben wir das auch beantragt. Dem haben wir - das möchte ich ausdrücklich betonen - in der Einzelabstimmung auch zugestimmt. Aber wegen dieser anderen Dinge werden wir diesen Gesetzentwurf grundsätzlich ablehnen. Das Modell, das Sie entwickelt haben, wird keine Zukunft haben.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. Für die FREIEN WÄHLER hat jetzt Frau Kollegin Gottstein das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Ersten Lesung zu diesem Gesetz wurde einvernehmlich auf Aussprache verzichtet. Das war sehr sinnvoll, weil es eigentlich überhaupt nichts Neues gibt. Es sind in erster Linie redaktionelle und formale Änderungen, über die man nicht viel Worte verlieren muss. Das einzig Neue - Kollegin Pranghofer hat es gerade vorgestellt - ist die Anerkennung des mittleren Bildungsabschlusses im Rahmen des Berufsschulabschlusses mit 3,0. Natürlich sind wir der Meinung, dass das allein schon wegen der Gerechtigkeit zwischen den einzelnen Bundesländern zu machen war.

Ansonsten bestehen wir nach wie vor auf unserer Kritik. Nach wie vor sind die Kosten durch das Mittelschulmodell, bei dem sich inhaltlich nicht viel geändert hat, unkalkulierbar. Nach wie vor ist die Schülerbeförderung mehr geworden. Nach wie vor unterstützen wir den Gemeindetag in seiner Kritik, dass die Abschätzung der Gesetzesfolgekosten überhaupt noch nicht geklärt ist.

Wir wünschen der Mittelschule viel Erfolg, aber da muss einiges geändert werden. Es müssen die Aufnahmeprüfung und die Projektprüfung geändert werden, die am Runden Tisch als Schnellschuss entwickelt wurden. Das vorherige Verfahren, um in die Mittelschule aufgenommen zu werden, war sehr sinnvoll, war erprobt und bewährt.

Wir fordern wesentlich flexiblere Lösungen bei der Klassenbildung. Das ist hier teilweise nicht praxisgerecht. Es wird hier auch wieder am Runden Tisch letztendlich über Schicksale der Schulstandorte entschieden. Wir fordern eine wesentlich stärkere Berücksichtigung der regionalen Gegebenheiten und in diesem Zusammenhang mehr Handlungsmöglichkeiten, mehr Mitsprachrecht für die Kommunen. Momentan ist es immer noch so, dass in erster Linie der Schulverbundkoordinator entscheidet; dann gibt es ein Schiedsgericht. Das passt noch nicht.

Aber: Wenn Sie wollen, dass dieses Modell einigermaßen gelingt, dann brauchen Sie wesentlich mehr Personal. Und bitte nicht wieder die Rechnungen, wo alle Ihre Lehrer sind. Suchen Sie sie! Sie sind nicht draußen, und sie sind nicht in der Mittelschule. Mehr Personal auch für diese Schulart!

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und Abge- ordneten der SPD)

Danke. Für die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Herr Kollege Gehring.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Gesetzesänderung ist eine Folgeänderung eines vor Kurzem geänderten Gesetzes über die Mittelschule. Wir bzw. die Staatsregierung brauchen dieses Gesetz jetzt, weil die Hauptschule einen neuen Namen hat, nämlich Mittelschule.

Herr Kollege Taubeneder, es ist schon sehr vermessen, von einem Erfolgsmodell zu reden, wenn man einfach feststellen muss, dass fast alle Hauptschulen jetzt diesen Namen Mittelschule übernommen haben. Das ist eine Namensänderung, aber noch kein Erfolg und kein Erfolgsmodell.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und den FREIEN WÄHLERN)

Es hat sich inhaltlich faktisch nicht sehr viel geändert. Das bestätigt Ihnen jeder Praktiker.

Die Hauptschule hat jetzt einen neuen Namen, heißt Mittelschule, und so en passant wird mit diesem Gesetzentwurf die alte bayerische Volksschule zu Grabe getragen, nämlich als Volksschule mit Grund- und Hauptschule. Da lohnt es sich vielleicht doch einmal, kurz in der Bayerischen Verfassung nachzusehen, in Artikel 135, den ich mit Erlaubnis der Präsidentin zitieren darf: "Die öffentlichen Volksschulen sind gemeinsame Schulen für alle volksschulpflichtigen Kinder." Welches bildungspolitische Potenzial ist eigentlich in diesem Verfassungsartikel enthalten? -: Gemeinsame Schulen für alle volksschulpflichtigen Kinder! Man hätte aus dieser Mittelschule tatsächlich eine gemeinsame Schule, eine Mittelschule für die mittleren Altersjahrgänge ab Klasse 10 machen können, und wäre damit sogar auf dem Boden der Bayerischen Verfassung gewesen. Sie machen diesen Verfassungsartikel jetzt durch ihre Politik eigentlich obsolet.

Es geht um eine Namensänderung, es geht um formale Änderungen. Dennoch haben sie einige Auswirkungen.

Es gibt jetzt die Trennung zwischen Grund- und Mittelschule, wo wir Grund- und Hauptschulen zusammen als gemeinsame Organisationseinheit hatten. Diese getrennten Grund- und Mittelschulen werden zwar weiterhin nur einen Schulleiter haben, der Leiter zweier organisatorisch selbständiger Schulen ist. Es wird organisatorisch mehr Aufwand geben. Das werden vor allem die Schulsekretärinnen spüren: Sie werden zwei Haushalte führen müssen, zweimal Personalverwaltung; also da wird mehr Bürokratie geschaffen, ohne dass es irgendeinen pädagogischen Sinn oder einen pädagogischen Mehrwert aus dieser Trennung gibt.

Zum tatsächlichen Problem wird diese Gesetzesänderung für die Schulen in privater Trägerschaft, vor allem für die Montessori-Schulen. Sie haben bisher diesen Grund- und Hauptschulgang nach dem bayerischen Schulgesetz wirklich als einen Bildungsgang verstanden. Ihnen ist es gelungen, diese Übertrittsproblematik nach Klasse 4 dadurch zu umgehen, dass sie eben andere pädagogische Einheiten hatten, nämlich 1 bis 3, 4 bis 6 und dann 7/8. Die haben jetzt ein tatsächliches Problem, wie ihr Schulmodell irgendwie noch in diese Systematik der bayerischen Schulpolitik, des Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes passt.

Ansonsten haben wir viele Namensänderungen und redaktionelle Anpassungen in diesem Gesetz.

Wir haben ein paar Punkte, die wir auch unterstützen, zum Beispiel, dass es jetzt im Förderschulbereich Ganztagsschulangebote geben kann. Aber auch da sind wir natürlich in der Verantwortung im Sinne der Inklusion, auch das Förderschulsystem entsprechend weiterzuentwickeln. Das ist nur ein kleiner Baustein. Natürlich ist es auch richtig und gut, die Schulaufsicht auch für Schülerheime neu zu regeln; denn in Fragen des Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen ist man darauf gekommen, dass es da eine gewisse Lücke in der Schulaufsicht gibt.

Insgesamt aber, wie gesagt, ist dies ein Folgegesetz über die Mittelschule, und die Mittelschule ist eben leider kein Erfolgsmodell. Die Mittelschule löst die Probleme der Hauptschule nicht. Sie ist eine verpasste Chance. Es ist eben keine tatsächliche Mittelschule geschaffen worden nach Artikel 135 der Bayerischen Verfassung. Auch die Aufgabe der besseren individuellen Förderung wird nicht gelöst, und die Herausforderungen des demografischen Wandels, des Rückgangs der Schülerzahlen in vielen Regionen Bayerns, der Gefährdung von Standorten sind nicht bewältigt. Diese Standorte werden über kurz oder lang auch geschlossen werden müssen, und dann wird dieses Sterben der Hauptschulen, die jetzt Mittelschulen heißen, allenfalls etwas verzögert.

Kollegin Pranghofer hat schon darauf hingewiesen, wie die Situation an den Rändern Bayerns ist, an den Rändern zu den Nachbarbundesländern. Dort stellen wir jetzt schon fest, dass auch der neue Name Mittelschule nicht dazu führt, dass mehr Schüler an diese Schulen gehen, sondern im Gegenteil weniger Schüler als vorher.

Von daher ist dies heute kein großer Wurf, sondern ein kleiner, vor allem mit redaktionellen Änderungen als Folge eines Gesetzes zur Einführung der Mittelschule, die selbst schon kein großer Wurf war.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)